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Psychotherapieforschung und Therapeutische Praxis PD Dr. Dr. Ralf Pukrop E-mail: ralf.pukrop@uk-koeln.de

Psychotherapieforschung und Therapeutische Praxis PD Dr. Dr. Ralf Pukrop E-mail: ralf.pukrop@uk-koeln.de. Man behält… . 20 % durch Hören 30 % durch Sehen 50 % durch Hören und Sehen 70 % durch Hören, Sehen und Diskutieren 90 % durch Hören, Sehen, Diskutieren und Tun.

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  1. Psychotherapieforschung und Therapeutische Praxis PD Dr. Dr. Ralf Pukrop E-mail: ralf.pukrop@uk-koeln.de

  2. Man behält… 20 % durch Hören 30 % durch Sehen 50 % durch Hören und Sehen 70 % durch Hören, Sehen und Diskutieren 90 % durch Hören, Sehen, Diskutieren und Tun

  3. Ablauf und Inhalt 15.15 – 16.45 Uhr: Trends, Evidenzbasierte Psychotherapie, Quiz, Effektivität / Effizienz 16.45 – 17.15 Uhr: Pause 17.15 – 18.45 Uhr: Effektivität II, Therapeut, Patient, QS

  4. Inhaltsverzeichnis 1 A. Historischer Hintergrund B. Aktuelle Entwicklungen 1. Anzahl / Diversität von Therapeuten 2. Eklektische / integrative Praxis 3. Evidenzbasierte Praxis 4. Kurzzeittherapien C. Evidenzbasierte Medizin / Psychotherapie - Begriffsklärungen: EbM, RCT, EST - Kritik an EbM - Methodische Grundlagen: Ergebnismessung - Methodische Grundlagen: Klinische Bedeutsamkeit D. Effektivität und Effizienz - Generelle Wirksamkeit von Psychotherapie - Störungsspezifische Wirksamkeit (Depression, Angst) - Vergleich mit Psychopharmaka - Vergleich mit Placebo - Langzeitwirkung von Psychotherapie - Therapiedosis

  5. Inhaltsverzeichnis 2 D. Effektivität und Effizienz (Fortsetzung) - Negativer Effekt von Psychotherapie - Therapienvergleich - Dismantling (Therapiekomponenten) - Allgemeine Wirkfaktoren - Effizienz (Praxistransfer und Kosten/Nutzen) E. Patientenmerkmale - Klinische Merkmale - Soziodemografische Merkmale - Personmerkmale - Interpersonelle Merkmale - Aptitude by Treatment Interaction F. Therapeutenmerkmale - Beobachtbare Traits - Beobachtbare States - abgeleitete Traits - abgeleitete States G. Qualitätssicherung

  6. A. Historischer Hintergrund

  7. A. Historischer Hintergrund 1 • 1924 – Ende 50-er Jahre: Dominanz von Freud et al • 1942: Carl Rogers (klienten-zentrierte Therapie) • 1958: Wolpe: Psychotherapy by Reciprocal Inhibition • 1962 (Ellis) bzw. 1970 (Beck): Kognitive Therapie • Zwei bedeutsame Neuerungen: • Aufzeichnung der Therapiestunde (Entmystifizierung) • Einführung von Ratingskalen (quantifizierbarer Output)

  8. A. Historischer Hintergrund 2 • 1952: Eysenck-Review von 24 Studien: • keine Evidenz für Effektivität von Psychotherapie • Psychoanalyse ist weniger effektiv als keine Behandlung • Seit 1970: erste Reviews • Seit 1980: erste Metaanalysen (Smith et al, 1980)

  9. B. Aktuelle Entwicklungen und Trends

  10. B. Aktuelle Entwicklungen 1 • 1. Anzahl und Diversität praktizierender Psychotherapeuten wächst • Vor 1945: fast nur Ärzte; Klin. Psychologie = Testpsychologie • Seit 50-er Jahren: unabhängig praktizierende Psychologen • Soziale Motivation: Versorgungsengpässe bei unterversorgten Populationen: Mittellose, Drogenabhängige, forensischer Bereich, chronisch (psychisch) Kranke • Psychotherapeutische Aktivitäten durch Sozialarbeiter, Pflegepersonal, Schulpsychologen, kirchliche Mitarbeiter, Pädagogen, diverse Berater (Drogen, Ehe, Leben), Philosophen, Paraprofessionelle • Ökonomische Motivation: Unterversorgung, Routinisierung der Behandlung, (ökonomische) Ressourcenknappheit führt zu stärkerem Einbezug von weniger gut Ausgebildeten

  11. B. Aktuelle Entwicklungen 2 • 2. Dominanz integrativer / eklektischer Praxis • Zunahme der Therapieformen: • 60-er Jahre: 60 • 1975: 125 • 1980: 200 • 1986: 400 • Systematische Erforschung von z.B. 250 Therapien X 150 Störungen (Diagnosen) erfordert etwa 47 Millionen Vergleiche

  12. B. Aktuelle Entwicklungen 3 • 2. Dominanz integrativer / eklektischer Praxis • Eklektizismus: Verwendung von Interventionstechniken aus unterschiedlichen theoretischen Systemen • Integrationismus: theoretische Verknüpfung unterschiedlicher Ansätze • 50% - 66% der Psychotheraputen arbeiten eklektisch • Leider: kein Konsens über effektivste Techniken / Strategien: • Garfield & Kurtz (1977): bei 154 eklektischen Psychologen 32 Kombinationen theoretischer Orientierungen • Integrationismus: Society for the Exploration of Therapy Integration (SEPI); Handbook of Psychotherapy Integration (Norcross & Goldfried, 1992)

  13. B. Aktuelle Entwicklungen 4 • 3. Integration von Forschung und Praxis: Evidenzbasierte Praxis • Trend zu spezifischen Behandlungen bei spezifischen Diagnosen mit spezifischen Outcome-Maßen • Trend zu klinischen Richtlinien und manualisierten Therapien zur Vereinheitlichung, Qualitätssicherung und Kostensenkung • Trend zu empirisch gesicherten Therapieformen

  14. B. Aktuelle Entwicklungen 5 • 4. Betonung von Kurzzeittherapien • Bis 50-er Jahre: Psychotherapie = Langzeittherapie • Deutschland eines der wenigen Länder, wo (psychoanalyt.) Langzeittherapien vom Gesundheitssystem unterstützt werden • In US-amerikanischen Praxen liegt durchschnittliche Sitzungsanzahl bei 5 Sitzungen (Hansen et al, 2002)

  15. B. Aktuelle Entwicklungen - Zusammenfassung • 1. Größere Anzahl und Diversität von Psychotherapeuten • 2. Dominanz eklektischer / integrativer Praxis • 3. Orientierung an evidenzbasierter Praxis • 4. Betonung von Kurzzeittherapien

  16. C. Evidenzbasierte Medizin / Psychotherapie (EbM)

  17. C. EbM 1 – Definition • Evidenzbasierte Medizin (Sackett 1996): • „EbM ist der gewissenhafte, ausdrückliche und vernünftige Gebrauch der gegenwärtig besten externen, wissenschaftlichen Evidenz für Entscheidungen in der medizinischen Versorgung individueller Patienten. • Die Praxis der EbM bedeutet die Integration individueller klinischer Expertise mit der bestmöglichen externen Evidenz aus systematischer Forschung.“ • Sachverständigenrat (Gesundheitswesen) im Gutachten 1999: nur 4% medizinischer Dienstleistungen eindeutig evidenzbasiert, 45% einfachere Evidenz, 51% ohne wissenschaftliche Evidenz

  18. Patient (individuelle Erfahrungen & Präferenzen) Therapeut (Fähigkeiten & Erfahrung) EbM Externe Evidenz (Wissen aus Studien) C. EbM 2 EbM = Externe Evidenz = Empirisch gesicherte Therapien (EST) = Randomisierte Kontrollierte Studien (RCT) ?

  19. C. EbM 3 – EST:Empirisch Gesicherte Therapien • „Empirisch Gesicherte (Supported) Therapien (EST) nach APA“: • - randomisierte kontrollierte Studien (oder kontrollierte Einzelfallstudie) • - EST effektiver als keine, Placebo oder alternative Behandlung • - EST = etablierte Behandlung • - manualisierte Behandlung • - valide und reliable Diagnosen (spezifische Population) • - valide und reliable Ergebnismessung • - mindestens 2 unabhängige Studien (mindestens N=3 Fälle bei Einzelfallstudien) für definitive Effektivität (in Dtld. nach WBP 3 Studien) • - mindestens 1 (bzw. N=3 Fälle) für mögliche Effektivität

  20. C. EbM 4 – RCT:Randomisierte Kontrollierte Studie / Trial (Evidenzlevel 1 als Goldstandard) Randomisierung = THERAPIE A mit Adhärenz- prüfung Keine Therapie Warteliste Placebo Therapie B Patienten Therapeuten Setting Messung 1: Vor Therapie Messung 2: Nach Therapie Messung 3 bis n: Follow-Up

  21. C. EbM 5 – Richt- und Leitlinien • Richtlinien: Handlungsregeln einer gesetzlich oder rechtlich legitimierten Institution, die für den Rechtsraum dieser Institution verbindlich sind und deren Nichtbeachtung definierte Sanktionen nach sich ziehen kann • Leitlinien: systematisch entwickelte Handlungsregeln mit dem Zweck, Ärzte und Patienten bei der Entscheidung über angemessene, wissenschaftlich begründete und fachlich kompetente Maßnahmen der Krankenversorgung unter spezifischen medizinischen Umständen zu unterstützen

  22. C. EbM 6 - Leitlinien • Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF; www.awmf-leitlinien.de) • derzeit von 1000 Leitlinien 84 auf Psychiatrie / Psychotherapie bezogen • Kritik: • niedergelassene Psychotherapeuten, Leistungsträger, Patienten nicht vertreten; in AWMF sind psycholog. Psychotherapeuten nicht Mitglied; • Leitlinien aufgrund der in Richtlinien fixierten Schulenbindung nur begrenzt umsetzbar • Expertenhandeln kann nicht in Wenn-Dann-Regeln kodifiziert werden

  23. C. EbM 7 – Negative Kritik • Medizinisches Modell der EbM auf Psychotherapie nicht übertragbar: keine abgrenzbaren Störungen (multifaktoriell, Komorbiditäten); im Gegensatz zur Körpermedizin sind kommunikative und zwischenmenschliche Fertigkeiten entscheidend und nicht evidenzbasiertes Forschungswissen • Ablehnung des ätiologischen Krankheitsmodells zugunsten eines konditionalen Modells (Krankheit nicht kausal naturwissenschaftlich, sondern in Abhängigkeit vom Lebensstil und der Interpretation des Patienten; s. funktionale Bedingungsanalyse in VT oder systemtheoretische Ansätze) • Gefahr der Vereinseitigung / Überbewertung (Wert von Trinkwasser oder Fallschirmen auch nicht evidenzbasiert) • in RCT-Forschung nicht repräsentative Stichproben (geringe externe Validität), Kontrolle von Störvariablen schaltet therapierelevante Variablen aus, Vernachlässigung der Komorbidität • Ergänzung der EbM um narrative based medicine (NbM) als hermeneutische Ergänzung denkbar (Deutung der ‚Geschichten‘ von Patienten und Klinikern)

  24. C. EbM 8 – Positive Kritik • im Rahmen der QS besteht Notwendigkeit, Therapieerfolge zu objektivieren; dazu reicht signifikanter Therapieeffekt nicht aus (alternative Erklärungen müssen im Sinne von ‚Störfaktoren‘ ausgeschlossen werden) • Psychotherapie hat sich bis 1950 mit hermeneutisch generierten Annahmen begnügt (erst kontrolliertes Hinterfragen und Überprüfen ermöglicht Wissenschaft und Legitimation) • oft Scheingefechte (niemand fordert Doppelblind-Studien; viele Studien sind intern und extern valide) • RCTs und Einzelfallstudien, Prozess- oder Prozess-Outcome-Studien sind ergänzende, nicht alternative Methoden • Orientierung an Therapieverfahren (VT, PA, TfPT, GT…) falscher Ordnungsgesichtspunkt (diese Unterscheidungen sind für Therapieergebnis relativ irrelevant); sinnvoller ist Orientierung an empirisch gesicherten Wirkfaktoren

  25. C. EbM 9 – Outcomemessung • Quelle der Beurteilung von Wirksamkeit: • - Patientenselbstbeurteilung • - Patiententestleistung • - Therapeutenrating • - Dokumente (z.B. Arztbesuche, Schulnoten) • - Ratings durch bedeutsame Andere • - unabhängige Expertenurteile • 41% der Studien: nur Patientenselbstbeurteilung (PSB); 23%: PSB + Therapeutenrating

  26. C. EbM 10 – Outcomemessung • Zielgrößen: • - Symptome: Rückfälle, spezifische Symptome, Diagnosen • - soziales Funktionsniveau • - Arbeitsfähigkeit • - kognitives oder anderes Leistungsniveau • - Allgemeines Funktionsniveau / Gesundheitszustand • - subjektive Lebensqualität / Zufriedenheit

  27. C. EbM 11 – Outcomemessung • Chaos: in 348 Studien 1430 Maße (davon 840 nur einmal verwendet) • Gleicher Name bedeutet nicht gleiches Instrument (z.B. 12 Versionen der Hamilton Rating Scale for Depression) • Am häufigsten verwendete standardisierte Instrumente (1995-2000): • Selbstbeurteilung Therapeutenbeurteilung Angehörige • Beck Depressionsinventar Global Assessment of Functioning Marital Adjustment In • State-Trait-Anxiety Inventory Hamilton Rating Scale for Depression • Symptom Checklist-90-Revised • Inventory of Interpersonal Problems

  28. C. EbM 12 – Outcomemessung • Probleme: • Auswahl der Outcomekriterien: • Beispiel: Levine & Argle (1978): 16 Männer mit Erektionsstörungen • Outcome Performanz: 69 % • Outcome Paarzufriedenheit und Stabilität (1 Jahr Follow-up): 6.3 % (1 Paar) • Therapeutenurteile überschätzen Therapieeffekte: • Beispiel: Depressionstherapie (mittlere Effektgrößen): • Hamilton Rating Scale for Depression: 1.57 • Beck Depressionsinventar: 1.16

  29. C. EbM 13 – Outcomemessung • Retrospektive Messungen („mir geht es besser…“; Zufriedenheit) täuschen größere Effekte vor als Prä-/Postmessungen mit Differenzangabe (auf standardisierten Skalen): Effektgrößen 2.1 zu 1.1 (Korrelation zwischen beiden Arten: 0.30) • Zusammenfassung: Größere Therapieeffekte, wenn: • - Therapeuten statt Patienten oder Angehörige urteilen • - globale retrospektive Veränderungsmessungen / Zufriedenheiten statt Prä-Post-Differenzen • - spezifische Ziele/Symptome statt mehr distale Größen (Arbeit,Persönlichkeit) • - Effekte zeitnah zur Therapie statt nach längerem Intervall erhoben werden

  30. C. EbM 14 – Klinische Bedeutsamkeit • Statistische Bedeutsamkeit: Beobachtete Veränderung ist nicht zufällig • Aber: Statistische Bedeutsamkeit impliziert nicht klinische Bedeutsamkeit der Veränderung • Beispiele: Rückgang im BDI von 29 auf 24 Punkte kann bei großer Stichprobe statistisch signifikant werden, ist aber klinisch nicht bedeutsam; oder: zusätzlicher Gewichtsverlust von 5 kg bei Adipositas

  31. C. EbM 15 – Klinische Bedeutsamkeit • Normative Vergleiche: Nach Therapie unterscheiden sich Patienten nicht mehr von der Norm (maximal 1.5 Standardabweichungen vom Normwert; klinisch begründeter Cut-Off-Wert) • Soziale Validierung: subjektive Einschätzung durch bedeutsame Andere • Subjektive Lebensqualität der Patienten

  32. C. EbM 16 – Klinische Bedeutsamkeit • Effektgrößen: • d = Mittelwert nachher – Mittelwert vorher • gepoolte Standardabweichung • Beispiel: • vor Therapie von 20 Hypochondern: 4 Arztbesuche/Monat (Std =5) • nach Therapie: 2 Arztbesuche / Monat (Std =3) • 2 – 4 = - 0.5 (Vorzeichen irrelevant) • 4

  33. C. EbM 17 – Klinische Bedeutsamkeit • Interpretation: • d = 0.2 schwacher Effekt (Perzentil: 58%, dh im Mittel sind Behandelte so gut wie 58% der Unbehandelten) • d = 0.5 mittlerer Effekt (Perzentil: 69%) • ab d = 0.8 starker Effekt (Perzentil: 79%) • Alternative Effektgröße: Korrelationskoeffizient r • (2 * r entspricht etwa d)

  34. C. EbM 18 - Effektgrößen d = 0 50 % Outcome

  35. C. EbM 19 - Effektgrößen d = 1.0 50 % 84 %

  36. C. EbM 20 – Kumulative Analysen • Meta-Analysen (Smith & Glass, 1977): • Aggregation der Effektgrößen über verschiedene Studien hinweg • Vorteile: Quantifizierung der Effizienz; subjektive Verzerrung geringer als in Literaturübersichten; Moderatorvariablen können identifiziert werden; politischer Nutzen • Kritik: Vergleich extrem unähnlicher Studien; Unterrepräsentation nicht signifikanter Ergebnisse • Daher: bei großer Streuung der Effektgrößen über verschiedene Studien Suche nach Moderatoren; Publikationsbias statistisch kontrollieren (fail safe N)

  37. D. Effektivität und Effizienz

  38. D. Effektivität 1 - Begriffsklärungen • Effektivität (Wirksamkeit): Nachgewiesene Wirkung der Therapie auf Zielgrößen (Outcome) • Effizienz(Nutzen): nachgewiesene Generalisierbarkeit der Wirkung auf andere (klinische, ökonomische, diagnostische) Rahmenbedingungen • Prozessforschung: Was passiert in Psychotherapiesitzungen ? (hier auch qualitative Verfahren) • Ergebnis-/Outcome-Forschung: Welche unmittelbaren oder langfristigen Veränderungen bewirkt eine Psychotherapie ? (s. EST, RCT)

  39. D. Effektivität 2 • Im Zuge gestiegener Kosten und knapper Ressourcen werden für politische Entscheidungen immer wichtiger: • Wieviele Sitzungen sind notwendig ? • Welche Ausbildung muss der Therapeut haben ? • Welche Behandlungsformen sind empirisch gesichert ? • Empirisch gesicherte Therapieformen: Versuch des Überlebens innerhalb einer biologistisch orientierten psychiatrischen Landschaft mit ihren enormen pharmaindustriellen Ressourcen im Rücken • Effektivität von Kurzzeittherapien in ‚Pferderennen‘ untereinander und gegen pharmakologische Methoden (s. Reinecker & Fiedler, 1997; Strauss & Kächele, 1998)

  40. D. Effektivität 3 – Generelle Wirksamkeit • Frühe Metaanalysen (z.B. Smith et al, 1980; 475 Einzelstudien): • mittlerer Effekt von d=0.85 beim Vergleich behandelter und unbehandelter Gruppen unmittelbar nach Therapieende • Das bedeutet: der durchschnittlichen therapierten Person geht es besser als 80 % der untherapierten Personen • Megaanalysen (z.B. Lipsey & Wilson, 1993; 302 Metaanalysen): • Durch Gewichtung mit Stichprobengrößen Relativierung des Effektes auf d=0.47 (Range 0.40 bis 0.60) • Das bedeutet: der durchschnittlichen therapierten Person geht es besser als etwa 70% der untherapierten Personen • Fazit: Psychotherapie ist definitiv effektiv

  41. D. Effektivität 4 – Störungsspezifische Wirksamkeit • Depression: durchschnittliche Effektgröße 0.82 (besser als 80% der Unbehandelten; Gloaguen et al, 1998); unmittelbar nach Therapieende etwa 50% der ambulanten Patienten vollständig remittiert • zentrale Schussfolgerung: starker Effekt von Kurzzeittherapien (KVT, TfPT, IPT), aber nur bei 25% - 33% hält Effekt länger als 1.5 Jahre (daher Rückfallprophylaxe mit weniger intensiven Erhaltungsphasen nötig)

  42. D. Effektivität 5 – Störungsspez. Wirksamkeit • Angststörungen (incl. PTSD): durchschnittliche Effektgröße d=1.14 (besser als 87 % der Un- oder anders Behandelten; Lambert, 2004); in diesem Bereich fast nur VT-Studien • Metaanalysen (zB van Balkom et al, 1997; Anthony & Barlow, 2002): Wirksamkeit der Exposition bei phobischen Symptomen eindeutig (70-80% gebessert), bei Panikattacken weniger eindeutig • Einfluss des Schweregrades: 94% der leicht Agoraphobischen nach Therapie panikfrei, aber nur 52% der schwer Agoraphobischen • Kognitive Therapie (Fehlinterpretation der Erregung als gefährlich): bei Panikstörungen erfolgreicher als Entspannungstraining oder Imipramin (Clark et al, 1994) • nach 15 Monaten ohne Panikattacke: 80% kognitive Therapie, 47% Entspannungstraining, 50% Imipramin • Kognitive Therapie reduziert Häufigkeit von Panikattacken; Reduzierung des Vermeidungsverhaltens jedoch erst nach zusätzlichem Expositionstraining (Van Hout et al, 1994)

  43. D. Effektivität 6 – Vergleich mit Pharmaka • Depression: Pharmakotherapie reduziert Symptome, aber keine Evidenz, dass zugrundeliegendes Risiko auch vermindert wird (Hollon & Shelton, 2001); daher Empfehlung der APA, Medikation sehr langfristig zu verabreichen (in GB Rezepte für Antidepressiva seit 1991 jährlich um 10% gestiegen) • nach Metaanalyse (Gloaguen et al 1998) VT um d=0.38 effektiver als Pharmakotherapie; andere Analysen zeigen vergleichbare Wirkung von psychodynamischen Therapien, VT und Pharmaka (Burnand et al, 2002; Leichsenring, 2002) • Kombinationstherapie nur bei schweren Depressionen eindeutig überlegen, ansonsten inkonsistente Befunde (Burnand et al, 2002); Effektivität der VT durch zusätzliche Pharmakotherapie 10% - 15% höher besonders bei schweren Depressionen (vor alllem schnellere Wirkung) • Rückfallrisiko nach VT oder IPT-Ende nur halb so hoch wie nach Pharmakotherapie, wenn Pharmakon abgesetzt; nach VT/IPT-Ende genauso hoch, wenn Pharmakotherapie weitergeführt (Hollon & Shelton, 2001)

  44. D. Effektivität 7 – Vergleich mit Pharmaka • Angststörungen: • Panikstörungen: Gould et al (1995; Metaanalyse über 43 Studien): Drop-Out-Quoten: VT 6 %; Benzo-Medikation 20 %; Kombination 22 %; Effektgrößen (gegenüber Unbehandelten): VT 0.68; Medikation 0.47; Kombination 0.56 • hochpotente Benzodiazepine (Alprazolam) erhöht Flugangst, statt sie zu senken (Wilhelm & Roth, 1997); Kombination aus Exposition in vivo + Benzo bei Flugangst weniger effektiv als Exposition allein • Bakker et al, 1998 (Metaanalyse): Exposition in vivo + Antidepressivum als effektivste Therapie für Panikstörungen; VT hat aber größere Langzeitwirkung • Exposition gegenüber interozeptiven Reizen (CO2-induzierte Panik; Barlow et al, 2000): VT (mit oder ohne Placebo) mit interozeptiver Stimulation gleich wirksam wie Imipramin; klinisch gebessert nach 6 Monaten: 39% VT allein, 20% Imipramin, 26% VT + Imipramin, 13% Placebo; Rückfallquote nach 1 Jahr: 4% VT, 25% Imipramin, 4% VT + Placebo, 27% VT + Imipramin

  45. 30 Minuten Pause

  46. D. Effektivität 8 – Vergleich mit Placebo • In pharmakologischen Studien sinnvoll, da biochemische Wirkung den psycholog. Effekten (Kontakt, Aufmerksamkeit, Erwartung) gegenübergestellt werden kann, aber in Psychotherapien werden spezifische psycholog. Faktoren (z.B. Konfrontation) unspezifischen psycholog. Faktoren (z.B. Wärme) gegenübergestellt werden • Problem: wird ein unspezifischer Faktor nach seiner Benennung („Wärme des Therapeuten“) zu einer spezifischen Technik ? • Metaanalyse (Grissom, 1996) über 46 Metaanalysen: • Psychotherapie vs. Keine Behandlung d=0.75 • Psychotherapie vs. ‚Placebo‘ d=0.58 • Placebo vs. Keine Behandlung d=0.44

  47. Die meisten Studien berücksichtigen Follow-Ups bis zu max. einem Jahr (für diesen Zeitraum ist die Stabilität der Wirksamkeit weitgehend gesichert) • Effektgrößen nach 1 Jahr für Panikstörungen 1.28, für Agoraphobie 1.41 (Metaanalyse von Bakker et al, 1998 über 15 Studien) • Metaanalysen zur Langzeitwirkung des Expositionstrainings: nach 4 - 7 Jahren 68% bis 75% der Agoraphobiker / Panikpatienten immer noch besser oder deutlich besser als vor der Therapie • nach 1.5 Jahren 58% stabil, 22% weiter verbessert, 20% rückfällig • Depression: Rezidive bei etwa 30% nach 1 Jahr, 50% nach 2 Jahren (Gortner et al, 1998) • Komorbide Achse-II-Störung vermindert die Stabilität bei affektiven Erkrankungen um das 7-fache (Ilardi et al, 1997); innerhalb von 6 Monaten 77% Rezidive mit PS vs. 14% ohne PS D. Effektivität 9 - Langzeitwirkung

  48. Outcome Anzahl Sitzungen D. Effektivität 10 - Therapiedosis • Beziehung zwischen Therapiedosis und Outcome ist negativ beschleunigte Kurve • Metaanalyse von Howard et al (1986) über N=2431 Patienten: • 14 % vor erster Sitzung verbessert • 53 % nach 8 Sitzungen (1/Woche) • 75 % nach 26 Sitzungen • 83 % nach 52 Sitzungen

  49. D. Effektivität 11 - Therapiedosis • Wenn man klinisch bedeutsame Veränderungen zugrunde legt, ist die Beschleunigung geringer (Metaanalyse von Lambert et al, 2001 über N=6072 Patienten): • Bei Patienten, die Therapie im dysfunktionalen Bereich beginnen, gilt: • 50 % sind nach etwa 20 Sitzungen gebessert • 75 % sind nach etwa 50 Sitzungen gebessert • Bei weniger schwer gestörten Patienten gilt: • 50 % sind nach 7 Sitzungen gebessert • 75 % sind nach 14 Sitzungen gebessert

  50. D. Effektivität 12 - Therapiedosis • Schnelle Besserung in ersten 3 Sitzungen ist starker Indikator für gutes Outcome der Therapie bei Depressionen insgesamt (Haas et al, 2002); dieser Befund stellt die spezifische Wirksamkeit von Techniken, die erst im Laufe der Therapie zum Einsatz kommen, in Frage; • bei antidepressiver Medikation eher umgekehrt: schnelle Responder haben höhere Rückfallwahrscheinlichkeit

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