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Der Erzbischof von Köln, Karl Joseph Kardinal Schulte (1871-1941) und die Kölner Abwehrstelle gegen den Nationalsozialismus. Universität zu Köln Interdisziplinäres Hauptseminar für Historiker und katholische Theologen: Kirchen im Nationalsozialismus WS 2008/2009
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Der Erzbischof von Köln, Karl Joseph Kardinal Schulte (1871-1941) und die Kölner Abwehrstelle gegen den Nationalsozialismus Universität zu Köln Interdisziplinäres Hauptseminar für Historiker und katholische Theologen: Kirchen im Nationalsozialismus WS 2008/2009 Dozent: Prof. Dr. Dr. Harm Klueting Referent: Peter Büssers Fächer: Lehramt Gy/Ge Musik & kath. Theologie 4. Fachsemester mail@peterbuessers.de 20. November 2008
Gliederung 1. Überblick: Karl Joseph Kardinal Schulte 2. Situation in Köln: Das Erzbistum im Nationalsozialismus 2.1. Zahlen und Wahlen 2.2. Schulkampf und Reichskonkordat 2.3. Hirtenbriefe und Mahnworte 2.4. Schulte und Hitler 3. Die Kölner Abwehrstelle 3.1. Katechismuswahrheiten 3.2. Studien zum ‚Mythus des 20. Jahrhunderts‘ 4. Diskussion
1. Karl Joseph Kardinal Schulte • * 14. 9. 1871 im heutigen Lennestadt (Sauerland) • Umzug nach Essen in der Kinderzeit • 1891 Abitur • Studium der Theologie in Bonn, später in Münster und Paderborn • Karl Joseph Schulte als Mensch: • Herkunftsbezug: Sauerland; Heimatverbunden, Staatstreu, konservativ. • Geselligkeit (Studentenverbindungen)
1. Karl Joseph Kardinal Schulte • Priesterweihe am 22. 3. 1895 • Promotion am 3. 3. 1903 an der Universität Tübingen über „Theodoret von Cyrus als Apologet“ • Ernennung zum Professor für Apologetik und Kirchenrecht 1905 in Paderborn • Bischofswahl in Paderborn am 30. 11. 1909 • Bischofsweihe in Paderbornam 19. 3. 1910
1. Karl Joseph Kardinal Schulte • Wahl zum Erzbischof von Köln am 15. 1. 1920 • Ernennung zum Kardinal durch Benedikt XV. am 7. 3. 1921 • Wahlspruch: „In obsequium Christi“ (2. Kor 10,5 „Zum gehorsamen Dienst an Christus“) • Schultes Selbstverständnis ist von der Seelsorge in Christi Dienst geprägt.
1. Karl Joseph Kardinal Schulte • Unterredung mit Hitler am 7. 2. 1934 • Errichtung der Abwehrstelle gegen antichristliche Propaganda im Erzbistum Köln im März 1934 • Oktober 1934 ‚Studien zum Mythus des XX. Jahrhunderts‘ • Aug./Sept. 1936‚Katechismuswahrheiten‘ • Schulte erlag während eines Fliegerangriffs einem langjährigen Herzleiden und starb in der Nacht zum11. 3. 1941.
2. Köln im Nationalsozialismus • Köln als katholische Hochburg. • Exemplarische Fakten rund um das Erzbistum • Wahlergebnisse
2.1. Zahlen und Wahlen • Katholiken im Erzbistum Köln • 1930: 2 422 966 • 1942: 2 490 869 • Kirchenbesuch und Zahl der Osterkommunionen rückgängig, verhältnismäßig viele Kirchenaustritte.
2.2. Schulkampf und Konkordat • Wunsch nach Erhaltung der Bekenntnis-schule wurde in Köln sehr laut. • Kircheninterne Wahlen von Schulte • 86,5 % der erwachsenen Kirchenbesucher, insgesamt 962 062 Katholiken, stimmten für die Bekenntnisschule. • 18. 4. 1939 Abschaffung der Bekenntnis-schule, Einführung der ‚Deutschen Schule‘ • Schließung der Bekenntnisschulen ging in den Feierlichkeiten um Hitlers 50. Geburtstag unter.
Exkurs • Grußadresse von den westdt. Bischöfen schon Ende März beschlossen. • Datum: 3. 4. 1939 • Mitgestaltung des Geburtstags • Als Ausdruck des Wunsches zur Erhaltung der Bekenntnisschule?! • Diskussion • Schließung der Bekenntnisschulen kam überraschend.„Schlag ins Gesicht.“
2.3. Hirtenbriefe und Mahnworte • Umgehende Reaktion Schultes: Hirtenbrief vom 21. 4. 1939 • 18. 4. 1939 als „Tag der Trauer“ • Schließung der Bekenntnisschule als Unrecht, Verweis auf Artikel 23 (RK) • Betonung von Staatstreue, die „auf den unveränderlichen Grundsätzen unseres hl. Glaubens“ beruht • Festhalten am Recht auf die Bekenntnisschule als „heilige Pflicht“ • Grundskepsis Schultes gegenüber dem Konkordat mit einer Revolutionsregierung.
2.3. Hirtenbriefe und Mahnworte • Kardinal Schulte wandte sich überwiegend durch Hirtenbriefe und Mahnworte an die Gemeinde • Eingabepolitik (vgl. Kardinal Bertram) • Exemplarisch: zwei Herausgaben von 1931 • Gemeinsame Stellungnahme der dt. Bischöfe kam nicht zustande • Frühzeitige Erkennung der Gefahr, die durch den Nationalsozialismus ausgeht.
2.3. Hirtenbriefe und Mahnworte • 5. 3. 1931: Stellungnahme der „Bischöfe der Kölner Kirchenprovinz zur nationalsozialistischen Bewegung“ • Veröffentlichung im Kirchlichen Anzeiger • allgemein gehaltene Warnung vor den weltanschaulichen Irrtümern des Nationalsozialismus • Festigung durch Bibelzitate und klare Distanzierung von der Rassenlehre
2.3. Hirtenbriefe und Mahnworte „Wir Bischöfe der Kölner Kirchenprovinz haben unserer Hirtenpflicht eingedenk durch eine eigene gemeinsame Kundgebung am 8. Januar 1919 nachdrücklich und freimütig vor dem katholikenfeindlichen Sozialismus und damit auch vor dem aus ihm hervorge-gangenen Kommunismus gewarnt und warnen heute mit unverändertem Nachdruck. Ebenso pflichtbewußt handeln wir jetzt, wenn wir unsere Diözesanen auf die mit der natio-nalsozialistischen Bewegung für katho-lisches Denken und Leben entstandene Ge-fahr aufmerksam machen und mahnend unsere Stimme erheben.“
2.3. Hirtenbriefe und Mahnworte „In Übereinstimmung mit einem Worte der bayrischen Oberhirten warnen wir mit tiefem Ernst vor dem National-sozialismus, ‚so lange und so weit er kulturpolitische Auffassungen kund-gibt, die mit der katholischen Lehre nicht vereinbar sind.‘“
2.3. Hirtenbriefe und Mahnworte „Wir katholischen Christen kennen keine Rassenreligion, sondern nur Christi weltbeherrschende Offen-barung, die für alle Völker den gleichen Glaubensschatz, die gleichen Gebote und Heilseinrichtungen gebracht hat.“
2.3. Hirtenbriefe und Mahnworte • 3. 3. 1931: „Pastorale Winke betreffend Stellung zum Nationalsozialismus“ wird von Kardinal Schulte vertraulich an den Kölner Klerus übersandt. • Ursprünglich verfasst von Kardinal Bertram • klare Pastorale Richtlinien für den Umgang mit dem Nationalsozialismus
2.3. Hirtenbriefe und Mahnworte • Aufklärung über die Irrlehren des Nationalsozialismus. • Mitarbeitsverbot für katholische Geistliche an der nationalsozialistischen Bewegung. • Teilnahmeverbot für uniformierte nationalsozialistische Gruppierungen an Gottesdiensten. • Ob Nationalsozialisten Sakramente empfangen dürfen ist im Einzelfall zu entscheiden. • Es gelten die gleichen pastorale Grundsätze, wie sie für den Liberalismus und Sozialismus aufgestellt worden sind. • „Sollte sich der Nationalsozialismus zu den Methoden des Bolschewismus entwickeln“ dann kann „eine bona fides nicht mehr angenommen werden“.
2.3. Hirtenbriefe und Mahnworte • 3. 3. 1931: „Pastorale Winke“ für den Klerus • 5. 3. 1931: Allgemein gehaltenes Mahnwort im Kirchlichen Anzeiger. • Beurteilung: • Gefahr durch die nationalsozialistische Bewegung. Mitteilung in aller Deutlichkeit zunächst an den Klerus. • Vermeidung von politischer Konfrontation. • Seelsorgliche Bedenken und weltanschauliche Auseinandersetzung standen für Schulte im Vordergrund.
2.4. Schulte und Hitler • Unterredung mit Hitler am 7. 2. 1934 • Warum Schulte? • Schulte als Kölner Erzbischof, nicht Sprecher des deutschen Episkopats • Thema: Rosenbergs ‚Mythus‘ • Aktualität: Bestätigung Rosenbergs am 24. 1. 1934 durch die Ernennung zum „Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP“
2.4. Schulte und Hitler • Ansprache des Themas durch Schulte • Hoher Stellenwert • Hitler schiebt den Bischöfen die Schuld an Rosenbergs Buch zu und distanziert sich vom ‚Mythus‘ (Privatwerk Rosenbergs). • Eindruck Hitlers auf Schulte • „Hitler ist eine Sphinx, ein unheimlicher Mann“, von dem man „noch furchtbare Dinge“ zu erleben hätte. • Schulte war „tief beeindruckt“, so, „daß er von diesem Manne nichts Gutes erwartete, sondern nur schlimmstes Unheil für Deutschland und für die katholische Kirche befürchtete“
3. Die Kölner Abwehrstelle • 16. 3. 1934: Errichtung einer Abwehrstelle gegen antichristliche Propaganda. • Leitung: Berufung des Kölner Kaplans Joseph Teuschals Domvikar. • Aufgabe: systematische Sichtung und Auswertung der antichristlichen Propaganda • Produktion und Herausgabe von kleinen aufklärenden Broschüren. • Es entstanden viele kleine Kampfbroschüren zu gegebenen Anlässen, insgesamt gingen schätzungsweise 17 Millionen solcher Broschüren von der Abwehrstelle aus.
3.1. Katechismuswahrheiten • August 1936: Kardinal Schulte ließ in 35 einprägsamen Fragen und Antworten die sog. ‚Katechismus-wahrheiten‘ von Joseph Teusch verfassen. • 15. 9. 1936: Druck und Verteilung in ganz Deutschland • Auflage von ca. 5-7 Millionen. • Beschlagnahmung im September 1937. • Predigt- und Unterrichtsgegenstand.
3.1. Katechismuswahrheiten 9. Welches ist der Hauptunterschied zwischen einem Mythus und dem katholischen Christentum? Ein Mythus ist eine Religion, die der Mensch sich selbst erfunden hat; das katholische Christentum ist die Religion, die Gott den Menschen gegeben hat. „Es kommt eine Zeit, da man die gesunde Lehre unerträglich findet und sich nach eigenem Sinne Lehrer über Lehrer sucht… Von der Wahrheit wird man das Ohr abwenden und sich Fabeleien zuwenden.“ (2 Tim. 4,3.4) • Antwort an Rosenberg
3.1. Katechismuswahrheiten 17. Welches war die größte Ehre des jüdischen Volkes? Die größte Ehre des jüdischen Volkes war, daß aus ihm der Erlöser hervorging. In d i e s e m Sinne sagt Christus: „Das Heil kommt aus den Juden.“ (Joh.4,22b) • Ehre des jüdischen Volkes
3.1. Katechismuswahrheiten 18. Welches war die größte Sünde des jüdischen Volkes? Die größte Sünde des jüdischen Volkes war, daß es den Erlöser und seine Lehre verwarf. Das Christentum ist also niemals die dem jüdischen Volke eigene Religion gewesen. • Distanzierung zum Judentum
3.1. Katechismuswahrheiten 31. Worin sind alle Menschen gleich? Alle Menschen sind darin gleich, daß sie nach Gottes Ebenbild erschaffen, durch Christi Blut erlöst und zur ewigen Seligkeit berufen sind. „Gott will, daß alle Menschen selig werden.“ (1. Tim. 2,4) • Gleichheit aller Menschen
3.2. Studien zum Mythus • Wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Buch Rosenbergs aus katholischer Perspektive. • Initiative von Generalvikar Emmerich David und dem Bonner Kirchenhistoriker Wilhelm Neuss. • Diskussion des Buches von Rosenberg und Aufdeckung von Unwahrheiten . • Nachweis Rosenbergs unwissenschaftlicher Arbeitsweise. • Beschäftigungsaspekte: biblisch, mystisch, kirchengeschichtlich und moraltheologisch.
3.2. Studien zum Mythus • Entstehung und Veröffentlichung: Herbst 1934 • als Beilage zum Kirchlichen Anzeiger (Konkordatsschutz) um einer Beschlagnahmung vorzubeugen. • Unterschied: ‚Studien‘ als wissenschaft-liche Auseinandersetzung mit dem ‚Mythus‘ Rosenbergs (keine Kampfschrift) • Schulte verweigert die Veröffentlichung im Kölner Kirchlichen Anzeiger „weil er negative Auswirkungen für Amtsblatt und Konkordatsverhandlungen befürchtete“ • Veröffentlichung in Münster durch von Galen. • Deutschlands Bistümer folgen. • Gesamtauflage: 200.000 Stück.
4. Diskussion • Bewertung und Verständnis von Kardinal Schultes Handeln • Veröffentlichung der ‚Studien‘ (vgl von Galen) • Feierlichkeiten um Hitlers 50. Geburtstag. • Eingabepolitischer Kurs (wie Kardinal Bertram, vgl. von Galen). • Allgemeine Fragen . . . Quellen- und Literaturverzeichnis Corsten, Wilhelm (Hg.), Kölner Aktenstücke zur Lage der kath. Kirche in Deutschland, Köln 1949. Hehl, Ulrich von, Katholische Kirche und Nationalsozialismus im Erzbistum Köln 1933-1945, Mainz 1977. Hehl, Ulrich von, Karl Joseph Kardinal Schulte, in: Rheinische Lebensbilder Bd. 9, Köln 1982, 261-274. In Obsequium Christi, Gedenkausstellung des Historischen Archivs des Erzbistums Köln zum 50. Todestag von Karl Joseph Kardinal Schulte am 10. März 1991, Katalog, Köln 1991. Neuss, Wilhelm, Kampf gegen den Mythus des 20. Jahrhunderts. Ein Gedenkblatt an Clemens August Kardinal Graf Galen, Köln 1947. Stasiewski, Bernhard, Die Stellung Karl Joseph Kardinal Schultes zum Nationalsozialismus. Ein Beitrag zur Verteidigung der Ämter und Stände der Kirche im Erzbistum Köln, in: Wilhelm Corsten / Augustinus Frotz / Peter Linden (Hg.), Die Kirche und ihre Ämter und Stände. Festschrift für Kardinal Frings, Köln 1960, 570-599. Stasiewski, Bernhard, Zur Auseinandersetzung der katholischen Kirche mit dem ‚Mythos des 20. Jahrhunderts‘ von Alfred Rosenberg, in: Karl Delahaye / Erwin Gatz / Hans Jorissen (Hg.), Bestellt zum Zeugnis. Festgabe für Bischof Dr. Johannes Pohlschneider zur Vollendung des 75. Lebensjahres und zur Feier des 50jährigen Priesterjubiläums, Aachen 1974, 379-400. Kontakt: mail@peterbuessers.de