240 likes | 367 Views
10 Die Legislative: Bundestag und Bundesrat. Der Bundestag. Die Rolle der Legislative im außenpolitischen Entscheidungs-prozess zeigt Spezifika des deutschen Parlamentarismus auf.
E N D
10 Die Legislative: Bundestag und Bundesrat Der Bundestag • Die Rolle der Legislative im außenpolitischen Entscheidungs-prozess zeigt Spezifika des deutschen Parlamentarismus auf. Das parlamentarische System der Bundesrepublik ist weniger rein als das der Weimarer Republik oder das Frankreichs und Italiens. Die Entscheidungskompetenzen des Bundestages sind kleiner als die vergleichbarer Parlamente. Auf die Ernennung der Botschafter hat er zum Beispiel im Gegensatz zum amerikanischen Senat keinen Einfluss.
Dies wird besonders deutlich, wenn man die begrenzten Möglichkeiten des Bundestages betrachtet, den Kanzler oder die Regierung zu stürzen. Das sogenannte konstruktive Misstrauensvotum nach Artikel 67 Grundgesetz ist in der Praxis eine ziemlich stumpfe Waffe des Parlaments geblieben. Danach kann eine Parlamentsmehrheit den Kanzler stürzen, es muss aber gleichzeitig ein Nachfolger gewählt werden. Wie schwer das ist, hat sich am 24. April 1972 gezeigt, als versucht worden ist, Bundeskanzler Brandt durch den Gegenkandidaten der CDU, Rainer Barzel, zu ersetzen. Der Versuch scheiterte, weil das Misstrauensvotum den in der Regel unwahrscheinlichen Fall voraussetzt, dass zumindest Teile der Regierungsfraktion für den Kandidaten der Opposition stimmen. Praktisch kann das konstruktive Misstrauensvotum nur bei Minderheiten-kabinetten eingesetzt werden, was in der Geschichte der Bundesrepublik bislang nicht vorgekommen ist.
Die zweite Möglichkeit des Bundestages, die Regierung zu stürzen, ist die Möglichkeit der Auflösung des Parlaments mit anschließenden Neuwahlen nach Artikel 68. Dies kann bei Koalitionen passieren, wenn der kleinere Koalitionspartner innerhalb der Legislaturperiode das Lager wechselt. 1982 ist dies durch den Schwenk der FDP unter Genscher weg von der Koalition mit der SPD unter Helmut Schmidt hin zu einer neuen Koalition mit der CDU unter Helmut Kohl vorgekommen. Das konstruktive Misstrauensvotum wurde dabei am 1. Oktober 1992 nur dazu benutzt, um Schmidt abzuwählen, weil die neue Koalition unter Kohl für die vorgezogenen Neuwahlen am 6. März 1983 den Amtsbonus wollte.
Die Auflösung der CDU/FDP-Koalition unter Ludwig Ehrhard im Jahr 1966 erfolgte sogar auf eine im Grundgesetz nicht vorgesehene Weise. Die Fraktionen von SPD und FDP brachten eine Mehrheitsentschließung ein, die den Kanzler aufforderte, die Vertrauensfrage zu stellen. Dies ging negativ aus, zeigte aber doch zugleich, dass der Kanzler keine Mehrheit im Bundestag mehr hatte. Ein Konstruktives Misstrauensvotum hätte wenig gebracht, weil die oppositionelle SPD und die aus der Regierung ausscheidende FDP sich nicht auf einen gemeinsamen Kanzlerkandidaten hatten einigen können. Ergebnis der Regierungskrise war ein neuer CDU/CSU-Kanzlerkandidat, nämlich Kiesinger, der durch eine neue Parteienkonstellation, die Große Koalition, sich wieder auf eine Mehrheit im Parlament stützen konnte. Die Mehrheit im Parlament hatte sich also gegen eine Regierung durchgesetzt, ohne dass die im Grundgesetz vorgesehenen Verfahrensweisen zur Ablösung einer Regierung angewandt worden waren. Die Opposition im Bundestag ist also nur in der Lage, eine Regierung abzulösen, wenn sie eine neue Mehrheit im Bundestag gefunden hat.
So blieben denn auch alle Aktivitäten der SPD-Opposition in den fünfziger Jahren gegen die Westintegration erfolglos, weil es der SPD nicht gelang, parlamentarische Mehrheiten dafür zu mobilisieren. Ersatzweise musste der Oppositionsführer, Kurt Schumacher, dann über mündliche Anfragen in der Fragestunde des Bundestages Missbilligungs-anträge gegen den Bundeskanzler stellen, Debatten im Zuge der Budgetberatungen und die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen beantragen und die Regierung so zu Stellungnahmen zwingen. Die gesamte erste Legislaturperiode des Bundestages war durch solche Prozeduren bestimmt, eine Änderung der Regierungspolitik ging damit nicht einher, im Gegenteil, die unterschiedlichen Standpunkte verhärteten sich sogar. Die Folge war eine nahezu antagonistische Konfrontation des Regierungs-lagers und der Opposition während der gesamten fünfziger Jahre.
Demgemäss war die mündliche Anfrage das am häufigsten angewandte parlamentarische Mittel der Opposition bei außenpolitischen Fragen. Eine erste Kraftprobe zwischen dem Bundestag und der Regierung war schon am 25. November 1949 in der Sitzung über das Petersberger Abkommen aufgetreten. Der Kanzler, Konrad Adenauer, setzte den Bundestag in einer Regierungserklärung in Kenntnis. Die Regierungsfraktionen waren mit dem Kanzler der Meinung, dass dieses Abkommen vom Bundestag nicht beschlossen werden müsse. Die oppositionelle SPD hingegen beharrte über den Auswärtigen Ausschuss, dessen Vorsitzenden sie damals stellte, dass das Petersberger Abkommen Beschlusssache sei. Folgerichtig warf sie dem Kanzler vor, er versuche das Parlament auszuschal-ten. In der Tat entsprach das Vorgehen des Bundeskanzlers bei diesem Abkommen mit den Westalliierten nicht den späteren Verfahrensweisen. Üblich wurde später eine Regierungsvorlage und die rechtzeitige Bekanntgabe. Die SPD-Opposition konnte allerdings einen Beschluss des Parlaments nicht erzwingen. Hier zeigt sich der Unterschied zwischen einer reinen Parlamentarischen Demokratie und einer Kanzlerdemokratie im Stile Adenauers.
Noch deutlicher offenbarte die Oppositionsstrategie der SPD in der Sache EVG vom September 1950 die deutsche Version des Parlamentarismus. Diesmal ging es um die Frage der deutschen Wiederbewaffnung im Kontext des Beitritts zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG). Die Opposition sprach dem Bundestag generell die Legitimation ab, über einen Verteidigungsbeitrag zu entscheiden. Dies habe angeblich verfassungsändernden Charakter und könne also nur mit einer Zweidrittelmehrheit beschlossen werden. Außerdem sei zum Wahlzeitpunkt im Jahr 1949 dieses Problem noch nicht auf der Agenda gewesen. Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung neigte damals der Oppositionshaltung zu. Die SPD hätte folglich gern neu wählen lassen. Die Auflösung des Bundestages hätte aber nur der Kanzler selbst herbeiführen können, was Adenauer überhaupt nicht in den Sinn kam. Die Klage der Opposition beim Bundesverfassungsgericht scheiterte, weil der Bund nach Artikel 24 Abs. 2 des Grundgesetzes sehr wohl einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit beitreten konnte und Artikel 26 nur die Vorbereitung eines Angriffskrieges verbot, nicht aber die Wiederbewaffnung. Der westdeutsche Parlamentarismus der Nachkriegszeit hatte die Weimar-Erfahrung mit der Instabilität in ein Stabilitätsmodell eingebettet, das die Regierung und den Kanzler in eine überaus starke Position versetzte.
Umgekehrt versuchte die CDU/CSU-Opposition Anfang der siebziger Jahre die Ostverträge einer Zweidrittelmehrheit nach Artikel 79 Grundgesetz zu unterwerfen. Sie hätte die Verträge dann mit ihrer Mehrheit im Bundesrat ablehnen können. Die Pattsituation bei der Bundestagsabstimmung über einen Misstrauensantrag der Opposition (247 : 247 Stimmen) bewog beide Seiten, dann auf Kooperationskurs zu gehen. Die Folge war die „Gemeinsame Entschließung von Bundestag und Bundesrat zum Moskauer und Warschauer Vertrag“ vom Januar 1972. Die Entschließung war Ausdruck des Modus vivendi zwischen Regierung und Opposition. Die Opposition konnte sich enthalten, die Regierung konnte die Verträge verabschieden. Frank Pfetsch hat diese Konstellation als „mitregierende Opposition“ bezeichnet.
Eine vergleichbare Konstruktion war im Januar 1963 bei der Entschließung des Bundestages zum Deutsch-Französischen Vertrag zustande gekommen. Dem Vertrag wurde eine pro-atlantische Präambel vorangestellt. Damit war der Charakter des Vertrages als gegen Amerika gerichtete Anbindung an Frankreich unterminiert und der „atlantische“ Flügel der Regierungspartei konnte ohne größere Bedenken zustimmen.
Direkte Zusammenarbeit zwischen Opposition und Regierungsfraktion findet in den Ausschüssen statt. Seit 1956 sind die beiden wichtigsten Ausschüsse vom Artikel 45a des Grundgesetzes vorgeschrieben: der Ausschuß für Auswärtiges und der für Verteidigung. Beide können sogar zwischen den Wahlperioden aktiv werden. In diesen Ausschüssen werden die ratifikationsbedürftigen internationalen Verträge vorbesprochen. Der Auswärtige Ausschuss bildet auch Unterausschüsse und Arbeitsgruppen für Spezialprobleme.
Ende der fünfziger Jahre erlangte die Arbeitsgruppe für Fragen der Beziehungen zu den Ostblockstaaten unter dem Vorsitz des SPD-Abgeordneten Wenzel Jaksch besondere Bedeutung. Diese Arbeitsgruppe produzierte Empfehlungen, die mit der Einrichtung von Handelsmissionen Einfluss auf die Ostpolitik erlangte. Auf diesem Wege deutete sich durch eine Annäherung zwischen Regierungsparteien und der Opposition erstmals eine elastischere Ostpolitik an. Daran konnte der spätere Außenminister, Gerhard Schröder, anknüpfen.
Die Ausschüsse spiegeln in ihrer Zusammensetzung die Fraktionsstärke wider. Sie können also deshalb kein Instrument des Parlaments gegenüber der Regierung darstellen. Die Rolle ist eher die eines Testinstruments der Regierung für außenpolitische Vorhaben. Eine starke Position gegenüber der Regierung hat lediglich der Haushaltsausschuss. Logischerweise ist die Zustimmung oder Ablehnung von Mitteln und Stellen ein wirksames Instrument, Einfluss auszuüben.
Beginnend mit den fünfziger Jahren haben die Parteien Arbeitskreise als Hilfsorgane ihrer Fraktionen gebildet. Die Mitglieder der Arbeitskreise sind meist auch Mitglieder der entsprechenden Bundestagsausschüsse. Die Arbeitskreise bereiten in der Regel die Ausschuss- und Plenarsitzungen vor, formulieren die Anfragen und erarbeiten die Stellungnahmen der Fraktionen zu den Sachproblemen. Sowohl die Regierung als auch die Opposition nutzen häufig die Arbeitskreise der eigenen Fraktion als Expertenforum. Die Fraktionsvorsitzenden haben sich damit häufig außenpolitischen Handlungsspiel-raum verschaffen wollen. Dies geschah besonders dann, wenn der Fraktionsvorsitzende sich als eigenständiger Vertreter der Fraktion gegenüber der Regierung verstand, weil er etwa selber für das Amt des Regierungschefs als ambitionierter Nachfolger Vorarbeit leisten wollte. Rainer Barzel, Helmut Schmidt, Helmut Kohl, Franz-Josef Strauß und Willy Brandt, alle haben sich damit ein eigenes außenpolitisches Profil zu verschaffen versucht.
Das Parlament als Gremium ist Mitglied der Interparlamentarischen Union, der fast alle Parlamente der Welt angehören. Damit kann zumindest symbolische Außenpolitik gemacht werden. Interparlamentarische Begegnungen, Auslandsreisen und die Teilnahme an Verhandlungsdelegationen eröffnen hier Einfluss-möglichkeiten. Dabei werden besonders gern sogenannte außenpolitische Versuchsballons losgelassen, die auf ihre Öffentlichkeitswirkung getestet werden.
In Übereinstimmung mit Pfetsch wird zur Rolle des Bundestages im außenpolitischen Entscheidungsprozeß zusammengefasst: Das Grundgesetz hat dem Bundestag nur geringe Chancen eingeräumt, eine Regierung zu stürzen. Die Einwirkungsmöglichkeiten des Bundestages vergrößern sich, wenn eine Regierung nur eine schwache Mehrheit besitzt. Die Opposition hat also desto mehr Einwirkungschancen je näher sie selbst der Mehrheitsfähigkeit ist. Konfrontations- und Kooperationsphasen zwischen Regierung und Parlament haben sich abgewechselt. Die frühen fünfziger Jahre waren eine Phase der Konfrontation, dann folgten Jahre der begrenzten Kooperation. Die Ostpolitik Anfang der siebziger Jahre war wieder stärker antagonistisch, die Entspannungsphase dann eher kooperativ. Nach der Vereinigung deutet sich eine kooperative Phase, die von rhetorischer Konfrontation geprägt ist, an.
Auch der spezifisch deutsche Parlamentarismus, der stark auf Regierungsstabilität ausgerichtet ist, hat außenpolitische Aktivitäten des Bundestages in seiner Gesamtheit nicht unterbunden. Beispiele sind : 1. der Jaksch-Bericht zur Ostpolitik von 1959; 2. die gemeinsame Entschließung zum Deutsch-Französischen Vertrag von 1963; 3. die gemeinsame Entschließung zur Ostpolitik von 1972 und 4. die gemeinsame Entschließung zur Grenze mit Polen von 1990.
Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Juni 1994 über internationale Einsätze der Bundeswehr hat die außenpolitische Rolle des Bundestags eine erhebliche Aufwertung erfahren. Die Auflage für die Regierung, seine Zustimmung grundsätzlich vorher einzuholen, hat ihn zum direkten Mitentscheider bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr gemacht. Der erste Fall trat am 30.06.1995 ein, als der Bundestag mit 386 Stimmen, darunter solche der SPD, bei 258 Gegenstimmen und 11 Enthaltungen, den Einsatz von Luft- und Sanitätseinheiten in Bosnien billigte.
40 Einsätze – 150 000 Soldaten • Nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch manche Parlamentarier dürften schon lange den Überblick verloren haben, was deutsche Soldaten eigentlich an all diesen Einsatzorten zu suchen haben. • Seit 1992 waren über 150 000 deutsche Soldaten an über 40 Auslandseinsätzen der Bundeswehr beteiligt. »Das Aufgabenspektrum reichte dabei«, so resümierte Bundespräsident Horst Köhler vor wenigen Wochen auf der Kommandeurtagung der Bundeswehr, »von humanitärer Hilfe bis zum Kampfeinsatz, von der Bekämpfung von Terroristen bis zum Wiederaufbau kriegszerstörter, nicht endgültig befriedeter Gebiete.«
Verlängerung 2008 • Der Bundestag billigte am 16.10.2008 in Berlin einen Antrag der Bundesregierung, das Isaf-Mandat der deutschen Streitkräfte um 14 Monate bis zum 13. Dezember 2009 zu verlängern. Dabei können künftig bis zu 4500 Soldaten und damit 1000 mehr als bisher eingesetzt werden. In namentlicher Abstimmung votierten 442 Abgeordnete für die Verlängerung. 96 votierten dagegen und 32 enthielten sich.
Dokument 13 Aus der Entschließung des Deutschen Bundestages zur deutsch-polnischen Grenze vom 21. Juni 1990 Der Deutsche Bundestag ... gibt seinem Willen Ausdruck, dass der Verlauf der Grenze zwischen dem vereinten Deutschland und der Republik Polen durch einen völkerrechtlichen Vertrag endgültig wie folgt bekräftigt wird: Der Verlauf der Grenze zwischen dem vereinten Deutschland und der Republik Polen bestimmt sich nach dem „Abkommen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Republik Polen über die Markierung der festgelegten und bestehenden deutsch-polnischen Staatsgrenze“ vom 6. Juli 1950 und den zu seiner Durchführung und Ergänzung geschlossenen Vereinbarungen (Vertrag zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Volksrepublik Polen über die Abgrenzung der Seegebiete in der Oderbucht vom 22. Mai 1989; Akt über die Ausführung der Markierung der Staatsgrenze zwischen Deutschland und Polen vom 27. Januar 1951) sowie dem „Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen“ vom 7. Dezember 1970.
Beide Seiten bekräftigen die Unverletzlichkeit der zwischen ihnen bestehenden Grenze jetzt und in der Zukunft und verpflichten sich gegenseitig zur uneingeschränkten Achtung ihrer Souveränität und territorialen Integrität. Beide Seiten erklären, dass sie gegeneinander keinerlei Gebietsansprüche haben und solche auch in Zukunft nicht erheben werden. Die Bundesregierung wird aufgefordert, diese Entschließung der Republik Polen förmlich als Ausdruck auch ihres Willens mitzuteilen. Die Volkskammer der DDR hat am 21. Juni 1990 eine gleichlautende Entschließung verabschiedet. Quelle: Auswärtiges Amt (Hg.), Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Dokumente von 1949 bis 1994, Köln 1995, S. 676 f., Dok. 226