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Johann Mattheson Der vollkommene Capellmeister. Neuntes Haupt-Stück. Von den Tonarten. Mattheson, Der vollkommene Capellmeister Neuntes Haupt-Stück . Von den Tonarten.
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Johann MatthesonDer vollkommene Capellmeister Neuntes Haupt-Stück. Von den Tonarten.
Mattheson, Der vollkommene CapellmeisterNeuntes Haupt-Stück. Von den Tonarten. • §.1 „Eine Ton-Art nennen wird den Umfang, die Gräntzen, Ausdehnungen, Lage, Ordnung, Beschaffenheit und Umstände derjenigen erwehlten Octaven-Gattung, darin eine Melodie angefangen, fortgeführet und geendigt werden soll.“. • M. geht von dem ausgebildeten Dur-Moll-System aus: 24 Tonarten • §.5 „Weil im diatonischen Klang-Geschlechte die eine Ton-Art, in Ansehung der Endigungs-Note, von ihrer Nachbarin ordentlich so weit entfernet lieget, als das Intervall eines gantzen oder grossen halben Tons ausmacht; so bekommen sie alle 24 daher die Benennungen der Tone oder Ton-Arten.“ • alle 24 Tonarten sind „natuerlich“
1. Antike • drei Tonarten: dorisch, phrygisch, lydisch • Unterscheidung durch die Höhe und Tiefe des Klanges: • §.9 „Die erste und allerälteste Meinung ging gewißlich dahin, daß man die drey Tonarten [...] mit nichts anders, als mit der Höhe und Tiefe des Klanges von einander zu unterscheiden verlangte: wie denn eben dieser Unterschied keines Weges geringe zu schätzen ist, sondern ein grosses und sinnliches beträgt, weit mehr, als die Lage der halben Tone und andre jüngere Umstände.“ • §.10 „Die glaubwürdigsten Scribenten beweisen deutlich, daß z. E. der dorische Ton vom phrygischen in keinem anderen Stücke […] unterschieden sey, als nur darin, daß der gantze Zusammenhang des letzteren um einen Grad höher klinge, als der erste.“
Begründung durch „Natur“ §. 11 „Hierin folgten die weisen Griechen der blossen Natur: maassen es glaublich, daß die Dorier eine gröbere männlichere Sprache und tiefere Stimme gehabt haben, als die Phrygier, und daß hergegen die Lydier feiner und weiblicher gesungen, als die andern.“ • Zusammenhang zwischen Stimmlage, Sitten, Erziehung, Lebensart und geographischen Verhältnissen • Physiognomie/Nahrung • Charaktereigenschaft
Erweiterung der Modi von vier auf acht um 800 §. 18 „[...] von deren Armuth weiter unten etwas vorkommen wird.“ • Erweiterung des Systems auf 6 (äolisch und ionisch) bzw. später 12 Modi (durch Glarean 1547) • Ablehnung der erweiterten Systeme um die plagalen Modi • „Natur“ der Klänge als Begründung • §. 20: „Was es also mit diesen Ton-Arten von Anbeginn für eine Haupt-Bewandtniß gehabt hat, die hat es noch, dem Nahmen und der Sache nach, bis gegenwärtige Stunde [...].“ • Unabänderlichkeit der Natur: • §. 21: „[…] unsre Klänge [müssen] immer in derjenigen Lage bleiben, worin sie Natur selbst einmahl vor allemahl gesetzt hat.“
2. • §. 23 „Darauf kommen wir denn zu der mittleren Meinung, welche die ärgste und verwirreteste Lehre von den Ton-Arten behauptet.“ • Mattheson verfestigt (mit Hilfe von Boethius) seine These, dass sich die Tonarten vor allem durch die Höhe und Tiefe unterscheiden und das darin das eigentliche Wesensmerkmal der Tonarten zu finden sei • §. 23 „Denn obgleich [...] Boethius [...] mit keiner Sylbe der angedrungenen Lage des halben Tons in seinen fünf Büchern gedencket, zum unwiedersprechlichen Zeugniß, daß weder vor ihm, noch zu seiner Zeit, etwa ums Jahr Christi 500, kein Mensch den Unterschied der Ton-Arten in etwas anders als in der Höhe und Tiefe des Klanges, gesucht hatte [...].“
Kritik an mathematischer Darstellung der Klänge: • §. 33: „Diese Männer quälten sich entsetzlich, die wolklingenden Intervalle in eine rechnemeisterische Form zu bringen; vermogten es aber nicht.“ • Ablehnung der Aufteilung in authentische und plagale Modi: • §. 38: „[...] ersonnen [haben] unsre halbe Alten [...] gewisse Heilungsmittel, die doch ärger waren, denn die Kranckheit selbst, nehmlich: eine harmonische und eine arithmetische Theilung der Octaven; deren erste durch die Qvint, die andre aber durch die Qvart vorgenommen wurde, und machten solcher Gestalt aus den vier uralten Ton-Arten acht mittel-neue, und wiederum zwölff aus sechs.“
§. 42 Kennzeichen der Modi: • Ambitus • Finalis • Klausel • Repercussa • „[...] der blosse Sprengel einer Ton-Art, oder ihr ambitus wollte allein die vielen Schwierigkeiten ihrer Erkenntiß nicht heben: dannenhero erdachte man noch ein paar andere Kunstgriffe [...].“ • Unnatürlichkeit dieser Kennzeichen für das Bestimmen einer Tonart Ablehnung dieser 2. Lehre von Mattheson
3. • §. 45: „In einem Stück aber hat die heutige Lehre von den Ton-Arten sowol vor der wahren alten, als vor der mittlern, was besonders und hauptsächliches, nehmlich, daß ihre vornehmste Absicht auf den Dreiklang, auf die Triadem, richtet, woraus fast alles gute, so die Melodie und Harmonie hat, hergeleitet werden mag.“ • Die Aufstellung von 24 Tonarten hängt mit dem Dreiklang zusammen: • §. 46: „[...]wir [bringen] nun, nach solchem Grund-Satze des harmonischen Dreiklangs, aus den zwölff Octaven-Gattungen unsrer diatonisch-chromatischen Klang-Leiter, durch die Abwechslung der Tertzen, vier und zwanzig Ton-Arten heraus, deren iede ihr absonderliches und eigenes Wesen, nicht nur in der Höhe und Tiefe, nach alt-griechischer Art, sondern ach in der wundersamen Vielfältigkeit der Verhältnisse darleget [...].“
Dreiklang als besonderes Kennzeichen von Modi bereits bei Zarlino (1517 bis 1590) • Z. klassifizierte den Dreiklang mit großer Terz unten als heiter und den mit kleiner Terz unten als traurig • Mattheson geht aus vom Dur-Mollsystem, deren Tonartenkennzeichnungen auf den Tonikadreiklängen beruhen • Mattheson, Das Beschuetzte Orchestre, „[...] Meine unvorgreiflichen Gedanken gehen sonst dahin / daß der Fundament-Thon und die Trias [...] gleichsam das rechte Corpus, Fleisch und Blut / i. e. das eigentliche substantielle Wesen aller und jeder musicalischer Stuecke sind [...].“
In Das Neu-Eroeffnete Orchestre bietet Mattheson eine ausführliche Tonartencharakteristik an • Beschränkung auf 17 Tonarten, da Cis-, Fis, Gis-Dur und cis-, gis-, dis- und b-moll selten verwendet • aus zwei Gründen: • 1. Unreine Stimmungen • 2. Schwierigkeit für Generalbaßspieler
§. 48: Tonarten haben keine unveränderliche Ausdrucksqualität: • „[...] von solchen Eigenschafften [sey] nichts unumstößliches zu sagen, weil keine Ton-Art an und für sich selbst so traurig oder so lustig seyn kan, daraus man nicht das Gegenteil setzen möge.“ • Das Beschuetzte Orchestre: Mischtypen von Tonarten: • Z. B. C-Dur und D-Dur, die hart und lustig seien, bei entsprechender Instrumentation jedoch auch sanft klingen können
Bei M. fast alles aus der Praxis entstanden, erst später theoretisch zusammengefasst • Zwei neue Aspekte bei M.: • Die bis dato einheitliche Meinung, dass alle Durtonarten heiter, alle Molltonarten traurig seien, sollte widerlegt werden • M. versucht eine eindeutige Charakterisierung anhand der Vorzeichen zu widerlegen, bei der b-Tonarten u. a. „weich“, Kreuztonarten u. a. „hart“ klängen. Höhe und Tiefe der Klänge als Charakteristikum Mattheson meint damit nicht absolute Tonhöhe, sondern den Verwandtschaftsgrad, der sich im Frequenzverhältnis der Töne zueinander darstellt
Problematisch ist Übertragung der Theorie auf Matthesons Tonartenlehre • Tonarten werden nicht durch Höhenverhältnisse/ Verwandtschaftsgrade voneinander abgegrenzt • Auhagen verweist auf zwei Aspekte, die maßgeblich auf die Charakteristik eingewirkt haben mochten • „1. die modale Tradition“ • Mattheson übernimmt einige Charakteristika älterer Autoren, die über Modi schreiben • „2. instrumentalklangliche Assoziationen“ • Charakteristik von D-Dur und E-Dur ist vom Klang der Trompete beeinflusst, F-Dur von den Hörnern.
Zusammenfassung: • Gleichwertigkeit der Tonarten durch gleichschwebende Temperatur • Höhenlage/Verwandtschaftsgrade der Tonarten (lydisch/mixolydisch §. 17) • Zwischen Moderne und Tradition: • Dur-Moll-System und der Versuch, sich von modalen Vorstellungen zu lösen • Traditionelle Charakteristika der Modi werden als Ausdrucksqualitäten der ´Tonarten übernommen und Einfluss von Klangspezifika einzelner Instrumente