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Mängelrechte - Der Mangelbegriff -

Mängelrechte - Der Mangelbegriff -. Professor Dr. W. Voit. V EREIN ZUR F ÖRDERUNG VON F ORSCHUNG UND L EHRE IM PRIVATEN B AURECHT AN DER P HILIPPS- U NIVERSITÄT M ARBURG E. V. I. Übersicht über die Mängelhaftung im BGB.

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Mängelrechte - Der Mangelbegriff -

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  1. Mängelrechte- Der Mangelbegriff - Professor Dr. W. Voit VEREIN ZUR FÖRDERUNG VON FORSCHUNG UND LEHRE IM PRIVATEN BAURECHT AN DER PHILIPPS-UNIVERSITÄT MARBURG E.V.

  2. I. Übersicht über die Mängelhaftung im BGB Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  3. Ausgangspunkt: Regelung in § 633 BGB für den BGB-Vertrag Arten von Mängeln: - Die Bauleistung hat nicht die vereinbarte Beschaffenheit - Die Bauleistung eignet sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung - Die Bauleistung eignet sich nicht für die gewöhnliche Verwendung/ weist nicht die gewöhnliche Beschaffenheit auf Sonderproblem: Die Bauleistung entspricht nicht den anerkannten Regeln der Technik Überblick über Mangelarten Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  4. Vertraglich vereinbarte Beschaffenheit Beschaffenheit: - die dem Werk anhaftenden Eigenschaften einschließlich der äußeren Umstände, denen das Werk zwangsläufig unterliegt - sowie alle Faktoren, die sich auf die Verwendung des Werkes einschließlich seines Wertes auswirken können a.A: nur solche Merkmale, die der Sache unmittelbar anhaften, Arg. § 633 Abs. 2 BGB (Mundt, NZBau 2003, 73) Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  5. Vertraglich vereinbarte Beschaffenheit Beispiele: Material: Art und Güte der Verarbeitung, Konstruktion, spezielle Farbe, spezielle Zusammensetzung des Putzes, Belastbarkeit, Dichte, Einhalten vorgegebener Wärmedämmwerte etc. Funktionstauglichkeit: Betriebs- und Wartungskosten, Wahrung allgemeiner Sicherheitsstandards, Haltbarkeit der Sache, vorgegeben Produktionskapazität im Industrie- und Kraftwerksbau Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  6. Vertraglich vereinbarte Beschaffenheit Vertraglich vereinbart: - Einstandswille ist nicht erforderlich - bloße Anpreisungen genügen nicht (aber bei konkreten Werbeaussagen entsprechend § 434 Abs. 1 S. 3 BGB Indiz für das, was der Besteller erwarten konnte) - Indizien für Vereinbarung sind:  der Besteller hat ein besonderes Interesse am Vorhandensein bestimmter Eigenschaften  exakte Beschreibung oder Festlegung einer Eigenschaft - Beschaffenheitsvereinbarung (+), wenn alternativ  das Leistungsverzeichnis verbindliche Angaben über die zu verwendenden Materialien enthält  eine bestimmte Beschaffenheit im Pflichtenheft steht  eine bestimmte Beschaffenheit aus Plänen des Bestellers oder Unternehmers hervorgeht, welche dem Vertrag zugrunde gelegt wurden Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  7. Vertraglich vereinbarte Beschaffenheit Bei Unklarheiten sind die Absprachen der Parteien auszulegen, §§ 133, 157 BGB; bei widersprechenden Angaben Rangfolge des § 1 VOB/B beachten (Vorrang der Leistungsbeschreibung? vgl. M/V-Drossart § 633 Rn. 39) Beispiel: Der AN sollte in einem Ärztehaus Innentüranlagen für Praxisräume einbauen. Im Leistungsverzeichnis wurden diese mit einem Schalldämmmaß von 42 dB beschrieben. Wurde eine Laborschalldämmmaß von 42 dB oder ein Schalldämmmaß von 42 dB an Ort und Stelle als Beschaffenheit vereinbart? (BGH BauR 1995, 538) Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  8. Beschaffenheitsvereinbarung und Formfragen - Ausgangspunkt: Ist der Vertrag formbedürftig, erfordert auch die Beschaffenheitsvereinbarung die Einhaltung der Form [Andeutungstheorie: es reicht aus, wenn sich die Vereinbarung der formgerechten Erklärung entnehmen lässt]  Beschaffenheitsvereinbarung grundsätzlich formlos wirksam  ist Vertrag schriftlich, gelten auch mündliche Vereinbarungen über die Beschaffenheit; jedoch gilt im Prozess nach allgemeinen Grundsätzen die widerlegbare Vermutung, dass die Vertragsurkunde richtig und vollständig ist  bei gesetzlichen Formvorschriften, insb. § 311b BGB nur bei Einhaltung der Schriftform wirksam; Heilung nach § 311b und Verbot, sich auf Formunwirksamkeit zu berufen, § 242, nach allgemeinen Grundsätzen  vertragliche vereinbarte Formvorschriften: bei Nichteinhaltung ist Beschaffenheitsvereinbarung im Zweifel nichtig, § 125 S. 2 BGB; möglich: Aufhebung des Formerfordernisses, nach allgemeinen Grundsätzen auch mündlich (vgl. M/V-Drossart § 633 Rn. 26). - Beweislast für die Beachtung der Form beim Besteller Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  9. Beschaffenheitsvereinbarung bei Leistungen nach Probe Werkvertrag mit Leistung nach Probe (seit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz nicht mehr gesetzlich geregelt, vgl. aber § 13 Abs. 2 VOB/B): 1. AN hat AG ein Muster zur Verfügung gestellt 2. Einigung darüber, dass die Leistung des AG der Probe entsprechen muss Es genügt nicht das bloße zur Verfügung stellen eines Musters, um darzulegen, wie die Leistung ausfallen wird; entscheidend ist die Vereinbarung, dass die Leistung der Probe entsprechen soll Liegt Werkvertrag mit Leistung auf Probe vor, kann grds. die Beschaffenheit des Probegegenstandes als vertraglich vereinbart angesehen werden – Beschaffenheitsvereinbarung wird sich aber auf die Eigenschaften beschränken, die nach dem Verwendungszweck durch die Probe nachgewiesen werden sollten Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  10. Beschaffenheitsvereinbarung und unselbständige Garantie In beiden Fällen haftet der AN nach §§ 633 f. BGB Ein Schadensersatzanspruch setzt Verschulden voraus; bei unselbständiger Garantie haftet der AN auch ohne Verschulden Ob unselbständige Garantie vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln: (+), wenn die Erklärung des AN nur so verstanden werden kann, dass er für Mängel verschuldensunabhängig Schadensersatz zahlen will Indizien für entsprechenden Willen: entsprechende Mängel können leicht vom AN vermieden werden (d.h. sein Risiko ist gering) geäußertes oder objektiv zu vermutendes Interesse des AG an der Übernahme einer Garantie - Dagegen ist allein der Gebrauch des Wortes „Garantie“ allein nicht hinreichend. (Weitere Folge der Garantie: Haftung kann nicht ausgeschlossen werden, § 639) Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  11. Beschaffenheitsvereinbarung und Herstellergarantie Herstellergarantie = Produkthersteller übernimmt Mängelhaftung ggü. dem verarbeitenden Unternehmer oder Endabnehmer (vgl. § 443 BGB) Echter Vertrag zugunsten Dritter gem. § 328, wenn kein Vertrag zwischen Hersteller und Abnehmer Bei einer Herstellergarantie ggü. dem Endabnehmer verjähren die Mängelansprüche nach der gesetzlichen Frist, auch wenn der Unternehmer im Verhältnis zum Endabnehmer kürzere Verjährungsfristen vereinbart hat (z.B. nach § 13 VOB/B, vgl. BGH NJW 1979, 2039); Exkurs Haltbarkeitsgarantie: Ware ist fehlerhaft, auch wenn der Mangel nicht im Zeitpunkt des Gefahrübergangs, sondern innerhalb der Garantiezeit auftritt, § 443 Abs. 2 BGB Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  12. Beschaffenheitsvereinbarung und selbständige Garantie Selbständige Garantie = es wird ein über die Sacheigenschaft des Bauwerks hinausgehender Erfolg versprochen Beispiele: Verkauf des hergestellten Gebäudes binnen einer bestimmten Zeit; Garantie der Vermietbarkeit oder der zu erzielenden Mieteinnahmen; Baukostengarantie des Architekten (vgl. M/V-Drossart § 633 Rn. 44). Gegenbeispiel: Garantie der ordnungsgemäßen Herstellung des Werks und Übernahme der Haftung für Mängel und dadurch entstehende Schäden – kein weitergehender Erfolg zugesagt. Auf die selbständige Garantie sind die §§ 633 ff. BGB oder § 13 VOB/B nicht anwendbar, da kein Werkvertrag AG steht ein Erfüllungsanspruch sui generis zu; bei Nichteintritt des garantierten Erfolges: SE wegen Nichterfüllung (positives Interesse) Reguläre Verjährung, §§ 195, 199 BGB – nicht § 634a BGB Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  13. Verhältnis der Beschaffenheitsvereinbarung zum Inhalt des vertraglichen Versprechens Inhalt des Versprechens beim Vertragsschluss und gesetzliche Umsetzung in § 633 (Stufenverhältnis in § 633 Abs. 2?) P1: Die Beschaffenheitsvereinbarungen wurden eingehalten, das Werk funktioniert aber nicht bzw. genügt nicht den üblichen Erwartungen. P2: Es wird von der Beschaffenheitsvereinbarung abgewichen, der Erfolg des Vertrages tritt aber dennoch ein. P3: Es wird von der Beschaffenheitsvereinbarung abgewichen; der Erfolg des Vertrages konnte nur auf diese Weise erreicht werden („untaugliche Leistungsbeschreibung“). Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  14. Verhältnis der Beschaffenheitsvereinbarung zum Inhalt des vertraglichen Versprechens Methodischer Ansatzpunkt: das gesetzliche Leitbild der besonderen Vertragsverhältnisse bestimmt nicht den Inhalt des Vertrages, sondern knüpft an die vereinbarten Leistungspflichten an. (Gesetzgeber wollte durch das Stufenverhältnis den Parteiwillen nicht beschränken; vgl. auch BGH BauR 2008, 344, 346 ff. – Blockheizkraftwerk soll Forsthaus heizen; wird den Vereinbarungen gemäß gebaut, erbringt aber nicht die erforderliche Heizleistung, weil nicht genug Strom verbraucht wird.) Anderer Ansatzpunkt: richtlinienkonforme Auslegung des § 633 BGB, vgl. PWW/Halfmeier/Leupertz, §633 Rn. 20. Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  15. Verhältnis der Beschaffenheitsvereinbarung zum Inhalt des vertraglichen Versprechens P 1: Die Beschaffenheitsvereinbarungen wurden eingehalten, das Werk funktioniert aber nicht bzw. genügt nicht den üblichen Erwartungen bzw. ist nicht funktionstauglich Beispiel (vereinfacht nach BGH NJW 2011, 3780, „Elektrodüker“): Der AG beauftragt den AN mit der Vermessung und Dokumentation der Lage eines Elektrodükers. Die Dokumentation soll als Grundlage für spätere Rammarbeiten dienen. Gleichwohl beauftragt der AG den AN ausdrücklich, den Verlauf des Dükers ohne Vermessung als idealisierte Linie zwischen den Start- und Zielpunkten darzustellen. Der AN ermittelt darauf Start- und Zielgrube des Dükers und stellte den Verlauf anhand einer idealisierten geradlinigen Verbindung beider Gruben dar. Eine Messung des tatsächlichen Verlaufs erfolgt nicht. Bei den folgenden Rammarbeiten auf Grundlage der durch den AN gefertigten Pläne wird der Düker beschädigt und muss neu verlegt werden. Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  16. Verhältnis der Beschaffenheitsvereinbarung zum Inhalt des vertraglichen Versprechens Lösung: Mangel (+); Ausnahme: es wurde ausnahmsweise ein anderer als der übliche Erfolg bzw. ein nicht funktionstauglicher Erfolg vereinbart (klare vertragliche Vereinbarung über das Zurückbleiben vom Standard erforderlich; günstiger Preis reicht nicht; Problem „Ökohaus“) Arg.:  entscheidend ist der Erfolg der Werkleistung, § 631 BGB  die Beschaffenheitsvereinbarung konkretisiert den Erfolg, in ihrer Einhaltung erschöpft sich aber der zugesagte Erfolg nicht  es bleibt beim Versprechen des Unternehmers, auf Grundlage der Beschaffenheitsvereinbarung den Erfolg zu erreichen Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  17. Verhältnis der Beschaffenheitsvereinbarung zum Inhalt des vertraglichen Versprechens • Ist der vereinbarte Erfolg Teil der Beschaffenheitsvereinbarung? • - führt zwar bei Sachmängelrechten im BGB in einigen Fällen zu sachgerechten Lösungen • aber: keine Erklärung für den Fall, dass ausdrückliche vertragliche Leistungsbeschreibung nicht zur Erreichung des funktionalen Erfolges führen kann – der Unternehmer muss trotzdem funktionsfähiges Werk errichten • beim VOB-Vertrag würde die uneingeschränkte Haftung nach § 13 Abs.7 Nr. 3 b VOB/B auch eingreifen, wenn die ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarung eingehalten wurde, sich der Erfolg aber nicht eingestellt hat – das widerspricht Sinn und Zweck: Haftungsgrund ist die Nichteinhaltung der festgelegten Beschaffenheitsangaben Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  18. Verhältnis der Beschaffenheitsvereinbarung zum Inhalt des vertraglichen Versprechens P 2: Die Beschaffenheitsvereinbarung wird nicht eingehalten, der Erfolg des Vertrages tritt aber dennoch ein Beispiel: AG beauftragt AN mit der Erstellung von Gaubensimsen aus schwedischer Kiefer. Diese sollen vom AN mit Leinölfirnis (Naturöl) in weißer Farbe vorgestrichen werden. Bei den Vertragsverhandlungen hatte der AG ein Streichen mit Farbe auf Alkydharzbasis ebenso abgelehnt wie das Streichen mit Holzteer. Der AN fertigte die Gesimse maßgerecht, strich sie mit Reliusholzschutzgrund und Herbol-Fensterweiß auf Alkydharzbasis. Ein Sachverständiger stellt fest, dass der Anstrich aus technischer Sicht funktional und optisch völlig gleichwertig ist. Liegt ein Mangel vor? Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  19. Verhältnis der Beschaffenheitsvereinbarung zum Inhalt des vertraglichen Versprechens Bei Unterschreitung von Beschaffenheitsvereinbarungen oder dem Maßstab der üblichen Ausführung: Mangel im Beispielsfall (+), auch wenn Wert oder Tauglichkeit des Werkes nicht beeinträchtigt sind Arg: - Der konkretisierte Erfolg wurde nicht erreicht; Wortlaut des § 633 BGB stellt nicht mehr auf Wert und Tauglichkeit ab - Der „subjektive Mangelbegriff“ ermöglicht es, jegliche konkrete Beschaffenheit zu vereinbaren, unabhängig von deren Einfluss auf objektive Nutzbarkeit etc. (Extrembeispiel: bewusstes Unterschreiten von Qualitätsstandards) Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  20. Verhältnis der Beschaffenheitsvereinbarung zum Inhalt des vertraglichen Versprechens P 3: Es wird von der Beschaffenheitsvereinbarung abgewichen; der Erfolg des Vertrages konnte nur auf diese Weise erreicht werden („untaugliche Leistungsbeschreibung“) Beispiel: AG gibt dem AN in einem detaillierten Leistungsverzeichnis genaue Vorgaben über die Konstruktion von Lärmschutzwänden entlang einer Bahnstrecke. Der AN weicht von der vorgegebenen Konstruktionsweise ab als er feststellt, dass auf diese Weise ausgeführte Lärmschutzwände nicht die öffentlich-rechtlichen Schallschutzvorschriften erfüllen würden. Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  21. Verhältnis der Beschaffenheitsvereinbarung zum Inhalt des vertraglichen Versprechens Lösung: Das Problem besteht im Widerspruch zwischen vereinbarter Beschaffenheit und funktionalem Werkerfolg. Der AN muss die vereinbarte Beschaffenheit verwirklichen, er ist aber auch zur Errichtung eines funktionalen (hier Einhaltung der Lärmschutznorm) Werkes verpflichtet. Grds. ändert die Mitverantwortlichkeit des AG nichts am Vorliegen eines Mangels. Der AN darf aufgrund der Erfolgsbezogenheit des Werkvertrages nicht einfach die Leistungsbeschreibung abarbeiten, wenn er die Fehlerhaftigkeit derselben erkennt. Es handelt sich also um ein Problem der Prüf- und Hinweispflicht des AN. Im konkreten Fall muss der AN den AG zunächst darauf hinweisen, dass seine Vorgaben untauglich sind. Ist der AG dann mit einer geänderten Ausführung einverstanden, so leistet der Unternehmer mangelfrei (Einzelheiten zum Verhältnis zwischen funktionalem Mangelbegriff und Prüf- und Hinweispflichten s.u.) Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  22. Beschaffenheit bei Fehlen einer Vereinbarung Beispiel: AN soll eine Produktions- und Lagerhalle errichten. AN hatte ein besonders günstiges Angebot abgegeben. Nach Bauausführung kam es zu einem Platzregen und es stellte sich heraus, dass das Dach bei zusätzlichem starkem Seitenwind regenundurchlässig ist. Liegt auch dann ein Mangel vor, wenn das Dach bei normalen Niederschlägen oder Platzregen ohne Seitenwind regenundurchlässig ist?  Vertraglich vorausgesetzter Gebrauch: Entscheidend sind nur die nach dem Empfängerhorizont des Unternehmers erkennbar geäußerten Vorstellungen des Bestellers, gegen die sich der Unternehmer nicht verwahrt hat Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  23. Beschaffenheit bei Fehlen einer Vereinbarung  Enttäuschung überindividueller Erwartungen, § 633 Abs.2 S.2 Nr.2:  Das Werk eignet sich nicht für die gewöhnliche Verwendung  Besonders günstiger Preis etc. ist irrelevant für die Beurteilung  Das Werk entspricht nicht der Beschaffenheit, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller nach der Art des Werkes erwarten kann  Bedeutsam, ob Unternehmer spezielle Fähigkeiten oder Erfahrungen vorgibt  Werbeaussagen des Unternehmers (Wertung des § 434 Abs.1 S.3) Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  24. Fallgruppen für Mängel bei fehlender Beschaffenheitsvereinbarung •  Funktionsbeeinträchtigungen • abzustellen auf die speziellen Bedürfnisse des Bestellers, wenn dem Unternehmer erkennbar • Beispiel (BGHZ 174, 110 = NJW 2008, 344, Forsthaus): • AG möchte sein nicht ans Stromnetz angeschlossenes Forsthaus mit Hilfe eines Blockkraftwerkes beheizen. Er beauftragt AN1 mit der Errichtung des Kraftwerkes und AN2 mit der Errichtung der Heizungsanlage, nachdem er zuvor beiden seinen Plan auseinandergesetzt hatte. Der Energiebedarf des Forsthauses beträgt 25 kW. Die Leistung des von AN1 errichteten Kraftwerkes beträgt nur 15 kW. Nachdem AN2 die Heizung an das Kraftwerk angeschlossen hat, kann das Forsthaus nicht ausreichend beheizt werden, da das Blockheizkraftwerk keine ausreichende Leistung produziert. Liegt ein Mangel der Heizungsanlage vor? •  beim Architekten ist Mangel auch zu bejahen, wenn Baugenehmigung nicht erteilt oder zurückgenommen wird, da er genehmigungsfähige Planung schuldet Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  25. Fallgruppen für Mängel bei fehlender Beschaffenheitsvereinbarung  Sicherheitsmängel  ausreichend ist ein bloßer Gefahrenverdacht, sofern dieser nicht mit zumutbaren Mitteln ausgeräumt werden kann

  26. Fallgruppen für Mängel bei fehlender Beschaffenheitsvereinbarung • Anerkannte Regeln der Technik • Beachtung der Regeln der Technik ist Teil dessen, was üblich ist und der Besteller erwarten kann • Anhaltspunkte des einzuhaltenden Werkes geben DIN-Normen • Abbedingung des technischen Standards nur möglich, wenn Unternehmer ausdrücklich aufklärt und auf Gefahren etc. hinweist; Beweislast bzgl. der Aufklärung beim Unternehmer • bei Änderung der DIN-Normen: DIN-Normen z.Zt. des Gefahrenüberganges sind entscheidend (Anforderungen können also zwischen Vertragsschluss und Abnahme steigen; Mehrkosten ggf. als Sowieso-Kosten vom Besteller zu tragen) Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  27. Fallgruppen für Mängel bei fehlender Beschaffenheitsvereinbarung Beispiel: AG beauftragt AN mit der Abdichtung der Kelleraußenwände. AN verpflichtete sich, die Abdichtungsarbeiten nach der DIN 18195 durchzuführen, die eine Abdichtung mit Bitumbahnen vorsah. Im Zuge der Arbeiten schlug AN dem AG vor, die Abdichtung mit einer gleichwertigen Spachtelmasse „Superflex 10“ vorzunehmen. AG stimmte zu, da er irrig davon ausging, es handele sich hierbei um ein Verfahren nach DIN 18195. Ein Sachverständiger bestätigte später die Gleichwertigkeit beider Abdichtungsmethoden. Liegt ein Mangel vor? (OLG Schleswig BauR 1998, 1100: Nein, DIN-Normen sind nur ein Weg zur Feststellung der anerkannten Regeln der Technik; hat sich ein anderes Verfahren in der Praxis bewährt und wird es sachverständig als gleichwertig angesehen, dann begründet die Abweichung von der DIN-Norm als solche noch keine Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik) Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  28. Fallgruppen für Mängel bei fehlender Beschaffenheitsvereinbarung • Herstellervorgaben • Kann die Einhaltung von Herstellervorgaben bzgl. der Verwendung und Montage von Baumaterialien erwartet werden? Mangel bei Nichteinhaltung? • 4 Varianten: • 1. Herstellervorgaben bleiben hinter anerkannten Regeln der Technik zurück – • anerkannten Regeln der Technik sind einzuhalten • 2. Herstellervorgaben und anerkannte Regeln der Technik stimmen überein • - Kein Problem • 3. Herstellervorgaben (HV) gehen über anerkannte Regeln der Technik hinaus • – (P) Was ist einzuhalten? • BGH (IBR 2011, 399): Herstellervorgaben jedenfalls einzuhalten wenn die Sicherheit des Betriebes betroffen ist. • OLG Jena (IBR 2009, 511): Vermutung der Mangelhaftigkeit bei Nichteinhaltung der HV • a.A: HV einzuhalten, wenn andernfalls gesteigertes Mangelrisiko • 4. Es bestehen nur Herstellervorgaben, anerkannte Regeln der Technik gibt es noch nicht. – Herstellervorgaben sind einzuhalten Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  29. Fallgruppen für Mängel bei fehlender Beschaffenheitsvereinbarung • sonstige Mängel •  Optische und geschmackliche Abweichungen (+), wenn für Besteller relevant •  § 633 Abs.2 S.3 BGB: Mangel auch Herstellung eines anderen oder zu geringen Werks •  Rechtsmängel, § 633 Abs.1, Abs.3 BGB : (+), wenn Dritte bzgl. des Werkes andere als die im Vertrag übernommenen Rechte geltend machen können Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  30. Mangel bei ganz unwesentlichen Beeinträchtigungen? Nach altem Recht: Ausschluss; Wortlaut des neuen Rechts erfasst alle Beeinträchtigungen Relevanz der Frage im Hinblick auf die Rechtsfolgen sehr gering: - Nacherfüllung: im Grundsatz auch bei unwesentlichen Mängeln, aber Möglichkeit der Verweigerung bei Unverhältnismäßigkeit - Bei Rücktritt: § 323 Abs. 5 S. 2: unwesentliche Mängel irrelevant - Bei Minderung: Möglich, kein Ausschluss, aber in der Regel kein Minderwert - Schadensersatz: Möglich, kein Ausschluss, aber in der Regel kein Schaden bei ganz unwesentlichen Mängeln Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  31. Prüfungs- und Hinweispflicht des AN Die Regelung in § 4 Abs. 3, § 13 Abs. 3 VOB/B ist nicht ohne Weiteres auf einen reinen BGB-Vertrag übertragbar. Aus der Erfolgshaftung des Werkvertrages ergibt sich, dass bei Nichther-beiführung des Erfolges unabhängig von den Verursachungsbeiträgen ein Mangel vorliegt. Rspr. und h.L. nehmen aufgrund des überlegenen Fachwissens des Unternehmers auch beim BGB-Bauvertrag Prüf- und Hinweispflichten aus, die eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu- und Glauben gem. § 242 BGB darstellen sollen. Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  32. Prüfungs- und Hinweispflicht des AN Unabhängig davon regelt § 645 BGB, ob der Unternehmer in Ausnahmefällen neben der versprochenen Vergütung für seinen noch herzustellenden Erfolg eine zusätzliche Vergütung für seine vergeblichen Bemühungen um den Erfolg erhält. § 645 BGB kann (in analoger Anwendung) auch für die Mängelgewährleistung Bedeutung erlangen, wenn es z.B. darum geht, wer die Kosten einer Nachbesserung zu tragen hat. § 645 BGB setzt (neben seinen anderen Voraussetzungen) voraus, dass an dem Untergang, etc. (analog: der Mangelhaftigkeit) kein Umstand mitgewirkt hat, den der Unternehmer zu vertreten hat. Zu vertreten hat der Unternehmer im Sinne des § 645 BGB u. a. eine schuldhafte Verletzung seiner ihm obliegenden Prüf- und Hinweispflicht. Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  33. Prüfungs- und Hinweispflicht des AN Die Konsequenzen einer Verletzung der Prüf- und Hinweispflichten für die Mängelhaftung des Unternehmers sind umstritten Beispiel: AG beauftragt AN mit der Errichtung eines Hauses aus Baumaterialien, die er noch vorrätig hat. Hier ergibt sich aus der Erfolgshaftung des Unternehmers, dass er die Materialien auf ihre Tauglichkeit zum Hausbau untersuchen muss; hat er Bedenken hinsichtlich ihrer Tauglichkeit, muss er dies dem AG mitteilen. AN stellt bei der Untersuchung der Baumaterialien fest, dass die Ziegel, die zum Bau des Daches verwendet werden sollen, sich für die konkrete Dachkonstruktion (geringer Neigungswinkel) nur bedingt eignen. Er teilt dem AG mit, dass es u. U. bei starkem Regen zur Wasserdurchlässigkeit des Daches kommen könne. AG will dennoch, dass das Hausdach mit den Ziegeln gedeckt wird. Kommt es nach der Abnahme zur Regendurchlässigkeit des Daches ergibt sich folgende Rechtslage: Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  34. Prüfungs- und Hinweispflicht des AN • AG gegen AN auf Nacherfüllung aus §§ 631, 633, 634 Nr.1 BGB ? • Werkvertrag (+) • Mangel (+) ein Dach muss dicht sein; Erfolgshaftung • Aber: Mangel des vom Besteller gelieferten Stoffes (+) • Ausschluss der Mängelhaftung/ des Nacherfüllungsanspruchs durch Erfüllung der Prüf- und Hinweispflicht? • BGH (BauR 2008, 344, 348 f.): Ja, Regelung in § 13 VOB/B ist Ausprägung von Treu und Glauben; AG hat durch seine Anweisung in den Verantwortungsbereich des Unternehmers eingegriffen und kann deshalb keine Mängelbeseitigung verlangen • Gegenauffassung: der Nacherfüllungsanspruch bleibt bestehen, da § 645 BGB nur die Preisgefahr, nicht die Leistungsgefahr regelt. Der AN hat jedoch einen Anspruch auf Vergütung seiner Kosten für die Nacherfüllung, Bamberger/Roth/Voit, § 645 Rn. 11, § 633 Rn. 20. Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  35. Prüfungs- und Hinweispflicht des AN Folgt man der letztgenannten Meinung ist eine Einrede nach § 320 BGB zu prüfen: AN hat gegen AG einen Anspruch auf Vergütung seiner Nacherfüllung analog § 645 BGB. Dieser Anspruch steht als fortgesetzter Vergütungsanspruch im Synallagma zu dem fortgesetzten Erfüllungsanspruch, der Nachbesserung, wobei nach der Abnahme die Vorleistungspflicht des Unternehmers erloschen ist. Daher hat AG gegen AN einen Anspruch auf Nachbesserung nur Zug um Zug gegen Zahlung der durch die fehlerhafte Weisung erteilten Mehrkosten. Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  36. Mitverantwortlichkeit des AG für den Mangel • Grundsätzlich kommt es auf die Ursache des Mangels nicht an. • Arg: Unternehmer verspricht einen Erfolg und trägt diesbezüglich das Risiko • Ausnahmen: • Weisungen des Bestellers • Fehlerhaftigkeit des vom Besteller gelieferten Stoffes (Unternehmer trägt aber das Ausreißerrisiko bei generell geeignetem Stoff, M/V- Merkens § 645 Rn. 8) • Das von einem anderen Unternehmer im Auftrag des Bestellers errichtete Werk, das eine Vorarbeit für das Werk des Unternehmers darstellt, gilt als Stoff des Bestellers (Vorunternehmer sind keine Erfüllungsgehilfen des Bestellers, weil keine vertragliche Verpflichtung des Bestellers gegenüber dem Unternehmer besteht) Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  37. Mitverantwortlichkeit des AG für den Mangel Abgrenzung von Weisungen und Absprachen über die Herstellung: Weisung = verbindliche Konkretisierung der Herstellungspflicht mit dem Element einer Risikoverlagerung (Vertretungsmacht für Dritten auf Seiten des Bestellers erforderlich!) Bei Absprachen tritt Entlastung des Unternehmers nur ein, wenn er ausreichend über die Risiken aufgeklärt und der Besteller dann darauf bestanden hat, es nach seinen Vorgaben auszuführen Arg: unverbindliche Anregungen, Wünsche etc. entbinden den Unternehmer nicht von seiner Wahl und damit seiner Verantwortung, wie er das Werk herstellen will Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  38. Folge der Mitverantwortung des Bestellers  Unternehmer kann Mangelbeseitigung dennoch nicht verweigern (str.)  Besteller muss dem Unternehmer die Mehrkosten wegen der Weisung analog § 645 BGB ersetzen Problem: Zusammentreffen von fehlerhafter Weisung und Verstoß gegen die Prüfungspflicht des Unternehmers Grds. entfällt ein Anspruch des Unternehmers aus § 645 BGB, wenn er hätte erkennen können, dass die Befolgung der Weisung den Erfolg beeinträchtigen kann (Arg: § 645 gilt nur, wenn Unternehmer den Mangel nicht zu vertreten hat) Es wird aber auch vertreten, dass hiervon eine Ausnahme gelten soll, wenn der Besteller die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten verletzt hat: Unter Abwägung aller Umstände seien die Folgen dieses Mangels zwischen den Parteien analog § 254 BGB i.V.m. § 242 BGB aufzuteilen Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  39. Prüfungspflicht – Einzelheiten Prüfungspflicht des AN bzgl. aller Umstände, die für die Leistung des AN von unmittelbarer Bedeutung sind Umfang der Prüfungspflicht: in jedem Einzelfall zu ermitteln Kriterien sind z.B.: - Welche Kenntnisse sind vom AN zu erwarten? - Bedeutung des Prüfgegenstandes für die Funktionstauglichkeit des Werks? - Ist AG Laie oder selbst Fachmann? (vgl. BGH NJW 1977, 420; OLG Brandenburg BauR 2003, 1054, 1055) Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  40. Prüfungspflicht – Einzelheiten Grundsätzlich gilt:  stärkste Prüfungspflicht: bzgl. der vom AG bereitgestellten Stoffe und Bauteile  ebenso: bzgl. Vorleistungen anderer Unternehmer  am geringsten bzgl. des Planungsbereichs (regelmäßig keine Pflicht zum Hinweis auf Optimierungsmöglichkeiten) Sofern dem AN neben der Ausführung auch die Ausführungs- und Werkplanung übertragen ist, muss er die vorgegebene Planung auf ihre Richtigkeit prüfen und sich die Sachkunde zurechnen lassen, die üblicherweise für die Planung erforderlich ist (OLG Dresden BauR 2003, 262) Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  41. Prüfungspflicht – Einzelheiten Beispiel: AG beauftragt den Dachdecker AN mit der Abdichtung eines Flachdaches. Das Dach wurde vom Vorunternehmer U errichtet und wies nicht das für ein sog. Umkehrdach erforderliche Gefälle von 2 % auf. AN dichtete dieses Dach wie vorgesehen ab. Das geringe Gefälle des Daches sorgte dafür, dass bei nicht schnell genug ablaufendem Oberflächenwasser die Diffusionsoffenheit des Daches nicht mehr gewährleistet war und es deshalb innerhalb der Zimmerdecke zu Kondenswasserbildung kam. Hat AG Mängelrechte gegen AN? (OLG München, 27 U 229/05) Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  42. Prüfungspflicht – Einzelheiten Lösung: Werkvertrag (+) Mangel (+) Zwar ist das Dach dicht; es liegt aber dennoch ein Mangel vor, da der AN erwarten kann, dass er die Räume unter dem Dach uneingeschränkt nutzen kann und es nicht zu Kondenswasserbildung in diesen Räumen kommt. Ausschluss der Mängelgewährleistung? Vorgewerk des U gilt als Stoff des AG i.S.d. § 645 BGB; Auftraggeber, der durch Lieferung eines mangelhaften Stoffes o. ä. in den Verantwortungsbereich des Unternehmers eingegriffen habe, kann nach dem BGH keine verschuldensunabhängigen Mängelansprüche gegen den Auftragnehmer geltend machen, wenn dieser seinen Prüf- und Hinweispflichten nachgekommen sei und so seine Vertragspflichten erfüllt habe (im Ergebnis wie § 13 Abs. 3 VOB/B; begründet über § 242 BGB). Nach a.A. bleibt er zur Nacherfüllung verpflichtet, der AG muss aber die Kosten der Nacherfüllung tragen. Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  43. Prüfungspflicht – Einzelheiten Hier: Unternehmer hat seine Prüf- und Hinweispflichten verletzt Mit der Dachneigung steht und fällt die Tauglichkeit seiner Leistung. Jeder Unternehmer hat im Rahmen der Zumutbarkeit auch Vorgewerke daraufhin zu überprüfen, ob sie eine geeignete Grundlage für die eigene Arbeit bilden. Als Dachdecker musste AN die erforderliche Dachneigung bei Umkehrdächern kennen und die Vorarbeit des U dahin untersuchen, ob die Dachneigung den Vorgaben entsprach. Das wäre ihm leicht möglich gewesen. Da er dies nicht getan hat, hat er seine Prüfpflicht verletzt. Für einen Ausschluss der Mangelgewährleistung oder eine Kostenübernahme durch den AG ist daher kein Raum. Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  44. Hinweispflicht 1. AN muss bei ordnungsgemäßer Prüfung Bedenken haben 2. Hinweis auf die Bedenken: a) Hinweis verständlich und fachgerecht ausgedrückt b) Hinweis inhaltlich richtig und erschöpfend c) richtiger Adressat: AG; Empfangsvollmacht des Architekten jedenfalls dann problematisch, wenn eigene Planungs- oder Überwachungsfehler in Rede stehen d) rechtzeitig: unverzüglich (§ 121 BGB: ohne schuldhaftes Zögern) 3. Hinweis ausreichend? wenn Bauausführung zu erheblichen Mängeln (Einsturzgefahr) oder Gefährdung Dritter führt, muss der Unternehmer die Leistung sogar verweigern, wenn AG auf der Ausführung besteht; ein bloßer Hinweis genügt nicht Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  45. Mängelrechteim BGB-Bauvertrag Professor Dr. W. Voit VEREIN ZUR FÖRDERUNG VON FORSCHUNG UND LEHRE IM PRIVATEN BAURECHT AN DER PHILIPPS-UNIVERSITÄT MARBURG E.V.

  46. Anwendbarkeit der Mängelrechte • 1.Verhältnis zum allgemeinen Leistungsstörungsrecht • Das Verhältnis der Mängelhaftung zum allgemeinen Leistungsstörungsrecht ist wichtig, da bedeutsame Unterschiede existieren • z.B.: kein Mangelbeseitigungsanspruch, keine Selbstnachbesserung, kein Schadensersatz wegen Mängeln • Meinungsstand: • - h.M.: Mängelrechte erst nach Gefahrübergang (i.d.R. Abnahme) oder zumindest nach Fertigstellung (arg.: Verantwortung des Unternehmers bis zur Ablieferung des Werks; keine Konkretisierung; keine wechselseitige Behinderung durch Unternehmer und Selbstvornahme nach § 637 BGB; andererseits kein Zwang zur Abnahme; kein Eingriff in die Rechte des Unternehmers, wenn dieser Fertig-stellung erklärt hat; Palandt/Sprau vor § 633 Rn. 7; Joussen, BauR 2009, 319, näher Voit BauR 2011, Heft 7) • a.A. (1): es gilt auch vor Gefahrübergang das Gewährleistungsrecht, Besteller kann jederzeit Mängelrechte geltend machen (Interesse des Bestellers an der Beseitigung erkannter Mängel auch vor der Fertigstellung des Werks; Identität von Erfüllungs- und Nacherfüllungsanspruch; Vorwerk, BauR 2003, S.1, S.9 f) • a.A. (2): Mängelrechte können vor Abnahme oder Gefahrübergang, jedoch erst ab Fälligkeit geltend gemacht werden, da Unternehmer zuvor keine gegenwärtige Pflicht verletzt (PWW/Halfmeier/Leupertz § 633 Rn. 7 f). Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  47. Übersicht über die anwendbaren Regelungen (I) Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  48. Übersicht über die anwendbaren Regelungen (II) Bei berechtigter Abnahmeverweigerung: • neben dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht ist wahlweise auch das Gewährleistungsrecht anwendbar • Arg: der Besteller soll nicht gezwungen werden, das Werk abzunehmen, um Mängelgewährleistungsansprüche geltend machen zu können. Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  49. Übersicht über die anwendbaren Regelungen (III) Verzug: Verzögerung der Herstellung ist kein Mangel; daher gelten die §§ 280, 286 bzw. § 323 unmittelbar Eine Verzögerung, die durch die Nacherfüllung entsteht, ist durch § 634 Nr. 4 erfasst, M/V-Drossart § 634 Rn. 84; M/V-Mouffang § 636 Rn. 128 ff. §§ 311 II, 280 I (cic): Unzutreffende Informationen über Merkmale des herzustellenden Werkes, die Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung sind, fallen ausschließlich unter §§ 633 ff. Das kann zwar nach der Kodifizierung der cic in §§ 311 II, 280 nicht mehr mit einer für die Analogie fehlenden Lücke (Vorwerk, BauR 2003, 1, 5 ff.), wohl aber mit der Spezialität der §§ 633 ff. begründet werden Arg: - Untrennbarer Zusammenhang von Beschaffenheitsvereinbarung und Beratung hierüber - Natur des Werkvertrages: Unsicherheit bzgl. der Erfolgserreichung macht es sinnvoll, dem Unternehmer Nachbesserungsrecht zu geben Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

  50. Gefahrübergang • Abnahme, § 640 Abs.1 Satz 1 • Fingierte Abnahme, § 640 Abs.1 Satz 3 • Annahmeverzug des Bestellers, § 644 Abs.1 Satz 2 • § 645 Abs.1 • § 645 Abs.1 analog (z.B. Zerstörung durch gefährdende Handlungen des Bestellers, Leistungshindernisse in der Person des Bestellers; Zweckerreichung und Zweckfortfall: Abgrenzung zur Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 Abs. 1) • § 649 Der Mangelbegriff Professor Dr. W. Voit

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