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Lyrik II. Modelle des Sprechens über Liebe: Dietmar von Eist, Heinrich von Morungen, Hartmann von Aue, Walther von der Vogelweide, Neidhart, Carmina Burana. Das Tagelied (Dietmar v. Eist, MF 39,18). Her Dietmar von Ast , Aus: Codex Manesse, um 1320. Daten zum Autor (s. VL ).
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Lyrik II Modelle des Sprechens über Liebe: Dietmar von Eist, Heinrich von Morungen, Hartmann von Aue, Walther von der Vogelweide, Neidhart, Carmina Burana
Das Tagelied (Dietmar v. Eist, MF 39,18) Her Dietmar von Ast, Aus: Codex Manesse, um 1320
Daten zum Autor (s. VL ) • Aus einem Geschlecht in Oberösterreich nahe der Mündung der Enns in die Donau, 2. H. 12. Jh. • Miniatur in C: höf. Dame und fahrender Händler mit Esel; Zuordnung der Wappen; ‚Sänger naht sich verkleidet der Dame‘(?). • Überliefert: 16 Lieder mit 42 Strophen. • Problem: Teil der Strophen dem Donauländ. Minnesang zugehörig, andere einer späteren Stufe der Gattungsentwicklung.
Handwerk (Dietmar, MF 39,18) • friedel stm. ‚Freund, Geliebter‘ (Wort mit hohem emotionalem Bedeutungswert) • ziere ‚schön‘; nachgestelltes Attribut • wan alemann. Nebenform von man • zwî ‚Zweig‘ • entslâfen ‚einschlafen‘ • wâfen Not- oder Weheruf • gebieten, ich gebiute, du gebiutest, wir gebieten • beginnen, began, begunde • wellen, ich will, du wilt, er will, wir wellen
Gliederung des Textes • Str. 1 Frauenstrophe; unvermittelter Redeeinsatz; Klärung: .. du, friedel ziere ... • Str. 2 Mannesstrophe • Str. 3: „Erzähler“ wird eingeführt, dann Rede der Frau
Tradition des Tagelieds • Roman. Form (Alba = Lied beim Morgengrauen). • Frühestes dt. Beispiel: Dietmar von Eist • Konstituenten: • Objektive Lyrik (Erzähler, narrative Komponente) • Mehrere Rollen: Mann, Frau, Wächter • Wörtliche Rede Als Szenentyp (Tagelied-“Situation“) auch in erzählenden Formen (Roman; Maere, Novelle) und ab 16. Jh. im Drama (Shakespeare)
Heinrich von Morungen Aus: Codex Manesse, Zürich, um 1320
Daten zum Autor: Heinrich von Morungen • Aus einem niederadligen thüringischen Geschlecht; dichtete um 1200. • Überliefert: 35 Lieder in 115 Str. (u.a. in den Liederhandschriften A, B, C). • Miniatur: Dichter auf dem Lager, träumend, Trennung von der geliebten Dame (s. MF 145,1) • Bevorzugte Form: Kanzone • Themen des Hohen Minnesangs: Liebesklage, Sänger und Gesellschaft, singen und schweigen. • Ab 13. Jh.: Herausbildung der Moringer-Ballade.
Handwerk (zu MF 123,10) • mîn lîp vertritt die ganze Person: ich; ich ganz und gar‘) • bieten, stv.II ich bôt, wir buten, geboten. • be-stên m. dp • des ‚deshalb‘ • versagen, verseite ‚versagen, entziehen‘ • tugen, touc; Prät. tohte ‚nützen, gefallen‘ • kranc ‚gering, schwach, wertlos‘ • sunder danc ‚gegen jmds. Willen‘ • mugen, ich mac, du maht, wir mugen; ich mohte ‚können‘
MF 123,10 Gliederung • 1-2. Trauer über die Zurückweisung der geliebten Dame, die dem Sänger seinen Sang verboten hat. • 3. Bitte an die höfischen Damen um Rat • 4. Wendung an die Geliebte: nur sie kann Freude schenken. • 5.Trotz Ablehnung durch die Dame Gelöbnis fortdauernden Dienstes.
Kanzone: ein Formmuster aus der Romania (Paul/Glier, § 87ff.) • Zweiteilige Liedform A Aufgesang: Stollen I/Stollen II (= A/A´) • Die Stollen sind identisch • in der Reimstellung, • der Zahl der Verse und der Hebungen innerhalb des Verses • und der Melodie B Abgesang, nicht im Umfang/Reimstellung definiert.
Kanzonenform mit angereimtem Abgesang in Morungens Lied MF 123,10 Reimschema: Aufgesang: a bb c / a dd c Abgesang (angereimt an den c-Reim des Aufgesangs: c ee c
„Hohe Minne“ (Schweikle, Minnesang, S. 168ff.) • Konzept der frz. und dt. Liebeslyrik um 1170, gültig bis in die Neuzeit. • Verehrung einer (ungenannten) vrouwe (‚Herrin, edle Dame‘). • Ihr dient, um sie wirbt der der liebende Sänger/Ritter in der Hoffnung auf Erhörung, aber ohne Aussicht auf Erfüllung: dienest als Ziel. -> êre, werdekeit, hôher muot. • „Hohe Minne“ als ethisches Konzept und sittlicher Anspruch.
Frauenminne - Gottesminne • Kreuzzugslyrik als Gegenkonzeption zur (weltlichen) „Hohen Minne“. • Gottesminne: Liebe zu Gott auf Gegenseitigkeit – mit Aussicht auf Erhörung/Lohn • Ir minnesenger, iu muoz ofte misselingen, daz iu den schaden tuot, daz ist der wân. (Hartmann von Aue, MF 218,21f.)
Hartmann von Aue Her Hartman von Owe, Aus: Codex Manesse, Zürich um 1320
Daten zum Autor Hartmann von Aue • Aus einem Ministerialengeschlecht im dt. Südwesten (Reichenau? Freiburg?), 12. Jh. • Wappen (Seeadler) nicht aussagekräftig zur Bestimmung der Herkunft. • Werk (um 1180- um 1200): • Zwei Artusromane (‚Erec‘, ‚Iwein‘); • zwei höfische Erzählungen (‘Armer Heinrich‘, ‚Gregorius‘); • 18 Minnelieder; • ein Streitgedicht zw. herze und lîp (‚Klage‘).
3. Kreuzlied MF 218,5: Handwerk • mîner verte, Nom.: vart stf. ‚Reise, Fahrt‘ • vâhen, redv., prät. vienc ‚fangen‘ • ir eteslîchen ‚den einen oder anderen‘ • suln praet.pr. ich sul, wir soln, sol-te ‚sollen, werden‘ (als Futurumschreibung). • ziehen, stv. II ich ziuhe, zôch, zugen, ge-zogen. • wân ‚nichtige, vergeblich Hoffnung‘ • mugen praet.praes. ich mac, wir mugen, moh-te.
3. Kreuzlied MF 218,5: Gliederung • 1. Abschied von der höf. Gesellschaft. Grund: mich vienc diu minne (Liebesklage??) • 2. Von Minne reden (rüemen) und tun , was sie verlangt, ist zweierlei. Die Minne zieht den Sänger übers Meer hin. [Sachinfo: Saladin: ägypt. Sultan, der das Hl. Land beherrscht und 1171 die Christen vernichtend geschlagen hat, gest. 1193]. • Anklage gegen die Minnesänger: Gottesminne und Frauenminne.
Das neue Konzept der „ebenen Minne“ (Hartmann; Walther) • Liebe muss auf Gegenseitigkeit zielen. • Rollen von Mann und Frau nicht mehr in der Vorstellung einer einseitig erbrachten Dienst-Minne. • Ziel: Liebe hebt die gesellschaftlichen Schranken zwischen dem Minneritter und der Dame/Frau auf (Begrifflichkeit: vrouwe (‚edle Dame), wîp (‚Frau‘), vrouwelîn.
Walther von der Vogelweide Her Walther von der Vogelweide. Aus: Codex Manesse, Zürich, um 1320
Neue Minnekonzeptionen um 1200 • Neben das Konzept der „Hohen Minne“ treten andere Konzepte: • - ebene minne (Hartmann, Walther von der Vogelweide) • - nidere minne (Neidhart); • - neue Konzepte in der (lateinischen) Vagantendichtung: Carmina Burana.
Daten zum Autor Walther von der Vogelweide (um 1170-1228/30) • Nachweisbar an verschiedenen weltlichen u. geistl. Fürstenhöfen (Wien; Thüringen; Meißen, Passau etc.); immer wieder auch als unbehauster Fahrender. • Martinstag 1203: apud Zeizemurum Walthero cantori quinque solidos longos pro pellicio. (Reiserechnungen Bischof Wolfgers von Passau). • Werk: 1 Leich (auf Maria und die Trinität); Sangsprüche, Minnelieder.
Walther von der Vogelweide, Herzeliebez vrouwelîn (L 49,25) • 1. Herzeliebe als Konzept der liebenden Verbundenheit beider Partner. vrouwelîn: emotional verstärkender Diminutiv. • 2. Tadel der Gesellschaft – liebe im Verhältnis zu Reichtum und Schönheit. • 3. Verhältnis von Schönheit und Liebe: der liebe gêt diu schoene nâch.
4. Tadel der Gesellschaft hingenommen: swaz si sagen, ich bin dir holt. – Der (billige) gläserne Ring des Mädchens ist wertvoller als der Goldring einer Königin. • 5. Das ethische Konzept der „ebenen Minne“: triuwe (‚auf Gegenseitigkeit beruhendes Vertrauen‘) und staetekeit (‚Beständigkeit‘)
Walther von der Vogelweide,Under der linden (L 39,11) • Ein männlicher Sänger (Walther) schreibt ein Frauen- oder Mädchenlied. • Projektion einer ersehnten Erfüllung. • Narrative Lyrikkonzeption: Erzählen von einer vergangenen Liebesbegegnung in der Natur. • Situation der Pastourelle: Begegnung eines Ritters/Scholaren mit einem Mädchen geringeren Standes in der Natur, -> liebende Vereinigung
Under der linden (L 39, 11): Gliederung • 1. Das Liebeslager unter einer Linde; gebrochen bluomen unde gras. • 2. Der Geliebte kommt; Küsse (Hohelied-Referenzen) • 3. Das gemeinsame Liebeslager. • 4. Aber davon darf niemand wissen. • Dialektik von Intimität und Öffentlichkeit
Eine ganz neue Konzeption der Liebeslyrik: Neidhart • Neidhart: um 1230/45 als Sänger und Bayern und Österreich. • Gegenstand der Lyrik: Liebe im Milieu der Bauern. der von Riuwental konkurriert mit den Dorfburschen um die Zuneigung der Mädchen.
Neidhart Her Nithart, aus: Codex Manesse, um 1320
Eigenheiten von Neidharts Lyrik • Zwei Liedtypen, unterschieden nach dem jeweiligen Natureingang: Sommerlieder – Winterlieder. • Parodistische Verwendung von Elementen der „Hohen Minne“. • Publikum: nach wie vor der Adel! Keine Lyrik des Landvolks! • Durchschlagender Erfolg – reiche handschriftliche Überlieferung – zahlreiche Nachdichter in Neidharts Manier („Neidhartianer“)
Neidhart, Ein altiu, diu begunde springen • 1. Narrativer Einsatz/Erzählerrolle: Widerspruch ein altiu – kitz . – Dialogische Konzeption: Mutter – Tochter. - Minne: der von Riuwental (Rolle des Sängers). • 2. Streitgespräch: Warnung der Tochter. Parodistisch: staete minne; nach sîner minne bin ich tôt. • 3.Eine weitere Alte: nâch bluomen gân – erotische Metapher.
Carmina Burana(‚Lieder aus Benediktbeuern‘) • Bedeutendste Sammlung der weltlichen lateinischen Lyrik des europäischen Mittelalters. • Geschrieben um 1225/30 wohl in Südtirol. • Lieder in einem breiten Formenrepertoire; z.T. mit französischen oder deutschen Elementen; zahlreiche deutsche Strophen als Melodiemuster eingelagert.
Carmina Burana Enthält vier Abteilungen: - Moralisch-satirische Dichtungen, • Frühlings- und Liebeslieder, - Trink- und Spielerlieder, - Geistliche Spiele
Carmen Buranum 90: Exiit diluculo • 1. Narrative Entfaltung durch den Erzähler: Pastourellensituation: Bauernmädchen mit seiner Herde. • 2. Die Herde: je paarig, männlich und weiblich: vitula cum vitulo, caper et capella. (Zeugungskraft des Bocks im MA sprichwörtlich). • 3. Scolaris ‚(fahrender) Schüler/Student‘; Ziel: veni mecum ludere. • Überlieferung: Cod. Buranus sowie eine Hs. des 14. Jhs. (Clm 5539) mit zweistimmiger Melodieaufzeichnung.