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Frieden als Ordnungsvorstellung der Internationalen Politik. Frieden ist mehr als kein Krieg. Frieden.
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Frieden als Ordnungsvorstellung der Internationalen Politik Frieden ist mehr als kein Krieg
Frieden bedeutet im alltäglichen Verständnis die Abwesenheit von Krieg. Die Friedens- und Konfliktforschung fasst den Begriff jedoch weiter. Sie unterscheidet zwischen dem negativen Frieden als der Abwesenheit direkter, personaler, durch ein Subjekt - Objekt - Verhältnis gekennzeichneter Gewaltanwendung und dem positiven Frieden als der Abwesenheit indirekter, struktureller, d. h. in politischen, ökonomischen oder gesellschaftlichen Verhältnissen wurzelnder Gewalt. In strukturellen Gewaltverhältnissen lassen sich zwar noch die Objekte, in aller Regel aber nicht mehr die (Einzel-) Subjekte der Gewaltausübung konkret benennen; Gewalt - als Macht der gesellschaftlichen Verhältnisse - zeigt sich in Abhängigkeit, Unterdrückung, Ausbeutung.
Die erweiterten Begriffe von Gewalt und Frieden nach Galtung GEWALT personale (direkte) strukturelle (indirekte) Abwesenheit von struktureller Gewalt oder positiver Frieden Abwesenheit von personaler Gewalt oder negativer Frieden FRIEDEN
Der Friedensbegriff -eine Dauerbaustelle- Das Kennzeichen beider Friedensbegriffe ist zunächst ihre Orientierung auf einen politisch-gesellschaftlichen (Ideal-) Zustand, der - ähnlich wie der Begriff der Gesundheit in der Medizin - durch das Nichtvorhandensein wie auch immer im einzelnen definierter Störfaktoren beschrieben wird. Über diese Störfaktoren - etwa Gewalt, Not, Unfreiheit - lässt sich in Politik wie Wissenschaft Konsens relativ einfach herstellen. Die positiv - inhaltliche Definition dessen, was den (Ideal-) Zustand des Friedens ausmacht, trifft hingegen auf erhebliche Schwierigkeiten. Sie hängt ab von den moralisch-ethischen Grundannahmen und Normen, von den gesellschaftlichen und politischen Wertvorstellungen des Einzelnen oder der Gruppe, die sich mit dem Inhalt des Friedensbegriffs jeweils auseinandersetzen. Folglich gibt es im Prinzip so viele positiv-inhaltliche Umschreibungen von Frieden, wie es Gesellschafts- und Politikmodelle, Weltanschauungen, Glaubensbekenntnisse gibt.
Gleichwohl lassen sich idealtypisierend - vereinfachend in der Entwicklung des Friedensgedankens zwei Argumentationsstränge herausschälen. • Friede wird entweder begriffen als kosmisches Ordnungsprinzip, als überhistorischer, gleichsam konzentrierter Ausdruck einer Weltordnung. Diese findet ihren letzten Flucht- und Legitimationspunkt erst in Gott, dann als Folge der Säkularisation des politischen Denkens nach der Reformationszeit in der allen Menschen natürlich gegebenen Vernunft. • Oder Friede wird begriffen als Ausdruck der menschlichen Willensüberzeugung, als ein rational begründbares politisches Kulturprodukt. Dieses bedarf der ausdrücklichen Stiftung durch ver-traglicheVereinbarungen (Landfriedenseinungen, Gesellschaftsvertrag) ebenso wie des Schutzes durch die öffentliche Gewalt.
Mit dieser dualen Argumentationsstruktur verbunden ist die Frage nach dem Verhältnis von Frieden und Gerechtigkeit, pax und iustitia: Entweder ist die Gerechtigkeit dem Frieden vorgeordnet, gilt Friede als ihre naturwüchsige Frucht. Oder die gesellschaftlich-politische Friedensordnung ist durch die Herrschaft der öffentlichen Gewalt erst herzustellen und zu sichern. Dann ist die Gerechtigkeit als Legitimationsprinzip einer gegebenen gesellschaftlichen Ordnung, die jedem das Seine zuteilt, dem Frieden nachgeordnet, auch ohne Frieden nicht zu verwirklichen. Schließlich: im Kontext des ersten Argumentationszuges erscheint der Krieg als Unterbrechung, als Störung des naturwüchsigen Friedens. In der zweiten Traditionslinie ist der Krieg - Folge menschlichen Verfehlens und sündhafter Willensfreiheit - gleichsam der inner- und zwischengesellschaftliche Normalzustand. Friede ist Nicht-Krieg.
Friede als natürlicher Zustand Gestifteter Friede als Kulturprodukt Pax et justitia als gesell- schaftliches Ordnungsprinzip PAX als kosmisches Ordnungsprinzip Friede als Nichtstörung der Rechtsordnung, Waffenruhe in der Fehde (tranquillitas pacis) oder Befriedung besonderer Rechtsbezirke (securitas pacis) Friede resultiert aus Teilhabe an der Gnade Gottes: pax christiana universalis perpetua mit deutlich eschatologischem Charakter PAX CIVILIS PAX SPIRITUALIS Säkularisierung : Emanzipation der Politik von der Ethik
rationalistisch-naturrechtliche Begründung aus der Vernunftbegabung des Menschen gesellschaftsvertragliche Stiftung BELLUM RUPTURA PACIS PAX ABSENTIA BELLI Friede als Ergebnis des gesellschaftsvertraglich begründeten Gewaltmonopols des Staates; pax civilis effectiva als innere und Rechtssicherheit Friede als natürlicher vorgesellschaftsvertraglicher Zustand
Schon diese unterschiedlichen Positionen in der dualen Argumentationskette zeigen, dass es eine geschichtliche Epochen übergreifende, vom jeweiligen ethisch - normativen und / oder politisch-philosophischen Kontext losgelöste Allgemeindefinition von Frieden nicht gibt. Wenn überhaupt, lässt sich der Positivgehalt von Frieden nur im Rückgriff auf ein je bestimmtes Politik- und Gesellschaftsverständnis festlegen. Statt allgemeinverbindlich, wird der Begriff Frieden damit notwendigerweise politisch, fordert den Benutzer zur Überprüfung der eigenen Position, zu Zustimmung oder Ablehnung heraus.
Elemente einer historischen Formenlehre von Krieg und Frieden I
Elemente einer historischen Formenlehre von Krieg und Frieden II
Elemente einer historischen Formenlehre von Krieg und Frieden III
Elemente einer historischen Formenlehre von Krieg und Frieden IV
Elemente einer historischen Formenlehre von Krieg und Frieden V • Epoche: nach dem Ende des Ost-West-Konflikts • Kriegsform: Neue Kriege • Charakteristik: Entstaatlichung des Krieges, Privatisierung der innergesellschaftlichen wie zwischengesellschaftlichen Gewaltanwendung • Politische Organisation: Vermischung staatlicher und substaatlicher, öffentlicher und privater Formen von Herrschaft und Machtausübung (Warlords, Mafiagang-Territorien, ethnische Mini-Republiken etc.) • Ökonomische Struktur: Bürgerkriegs- und Mafiaökonomien vermitteln zwischen lokaler/regionaler Ausbeutung von Ressourcen und prädatorischer Aneignung nicht selbst geschaffener (Mehr-) Werte und der Mobilisierung von Fluchtkapital oder (gewaschenem) Schwarzgeld und der Realisierung von Profiten im globalen Masstab • Friedensidee: Noch unbestimmte Entwicklung zwischen den Polen des Post Conflict Peace Building gestützt auf Zivilgesellschaft, Third Track Diplomacy, NGOs etc. und Global Governance andererseits
Krieg und Frieden im Lichte exemplarischer Großtheorien der Internationalen Beziehungen
Krieg und Frieden im Lichte exemplarischer Großtheorien der Internationalen Beziehungen
Friede als Prozess Dem Dilemma einer gleichsam konstruktivistischen, je epochenmässig inhaltlich differenten Verortung von Krieg und Frieden sucht die Friedens- und Konfliktforschung neuerdings dadurch zu entgehen, daß sie Frieden weniger als (Ideal-) Ziel oder Zustand gesellschaftlichen Handelns begreift, sondern als einen in der Geschichte sich entwickelnden Prozess. In diesem Prozess geht es um die Institutionalisierung dauerhafter, gewaltfreier Formen der Konfliktbearbeitung, nicht allerdings - manch landläufigem Verständnis zuwider - um die Abschaffung des Konfliktes als einer gesellschaftlichen Verhaltensweise an sich. Vielmehr soll die Bearbeitung von Konflikten durch kontinuierliche Verrechtlichung ihrer Austragungsweise zivilisiert werden. Durch zunehmende Gewaltfreiheit des Konfliktaustrags eröffnet sich die Chance zum Abbau von Gewaltsamkeit zunächst im Binnenverhältnis der Einzelgesellschaften, sodann aber auch in der internationalen Politik, im Verhältnis der staatlich verfassten Einzelgesellschaften untereinander.
Die Ausdifferenzierung des Friedensbegriffs komplexe ganzheitliche Modelle Oberziel: Kriegsverhütung gesellschaftliche Strukturänderung Kennzeichen Abwesenheit militärischer Gewaltanwendung Abwesenheit struktureller Gewalt Interkultureller Friede Friede mit der Natur Spiritueller innerer Friede Gleichgewicht der Macht/der Mächte Geschlechterfrieden Bereich Global Umwelt Kultur Transnational Zwischenstaatlich Innerstaatlich Inner-gesellschaftlich Familie/Individ. Innerer Friede FRIEDE
Internationale Ordnungsbildung Ordnungsbildung ist seit der Herausbildung des europazentrischen Staatensystems – d.h. seit dem 17. Jahrhundert - ein zentraler Aspekt der internationalen Politik zunächst in Europa, dann auch der übrigen westlichen (OECD)- Welt. Das Ziel von Ordnungspolitik war die Verhinderung des Krieges oder die Bewahrung des Friedens (einschließlich der Kontrolle von kleinen Konflikten) unter den großen Mächten. Die Existenz oder Nicht-Existenz funktionierender internationaler Ordnung - so lehrt die Geschichte der vergangenen Jahrhunderte - war immer ein wichtiger Bestimmungsfaktor dafür, ob es Krieg oder Frieden gab. Die Phase des langen Friedens des 19. Jahrhunderts wird in der Geschichtswissenschaft mit dem Funktionieren einer internationalen Ordnung ebenso in Zusammenhang gebracht, wie umgekehrt das Scheitern ordnungspolitischer Bemühungen in den zwanziger und dreißiger Jahren als ein wesentlicher Grund für den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs angesehen wird.
Was die Beschäftigung mit internationaler Ordnung erschwert, ist die Tatsache, dass in der politischen wie der theoretischen Debatte unterschiedliche Vorstellungen davon bestehen, was man unter „Ordnung“ verstehen soll und was tatsächlich dazu beiträgt, dass durch (gesellschaftlich-nationale wie zwischenstaatlich-internationale) Ordnung Krieg vermieden und Frieden gesichert werden kann. Es lassen sich im Gesamtkontext der überkommenen theoretischen Denkschulen mindestens vier unterschiedliche Erklärungen ausmachen:
I. Ordnung als Systemeigenschaft eine der Theorie des strukturellen Realismus zugehörige Erklärung, der zufolge internationale Ordnung gleichzusetzen ist mit einem internationalen System, welches sich aus dem Prozess derHerausbildung von Macht und Gegenmacht entwickelt. Für einen Autor wie Kenneth Waltz ist zur Erklärung der internationalen Politik primär die Logik von Macht und Gegenmacht entscheidend. Ordnung wird mechanistisch mit dem Bestehen einer Machtbalance gleichgesetzt. Erst wenn sich Mächte gegenseitig balancieren, gibt es so etwas wie Ordnung, entweder im Rahmen eines multipolaren Systems, eines bipolaren oder aber auch im Rahmen eines unipolaren Systems, bei dem sich der Hegemon wie weiland Gulliver bei den Liliputanern freiwillig Fesseln anlegen lässt (benign hegemon) oder wo der Hegemon sich unilateral (möglicherweise gewaltsam) durchsetzt. Kenneth N. Waltz, Theory of International Politics, New York 1979
II. Ordnung als Ergebnis eines Normen- und Verfahrenskonsenses • eine historisch-soziologische, auf normative Kategorien zurückgreifende Erklärung, die im Prinzip der realistischen Denkweise zugeordnet werden muss. Internationale Ordnung reflektiert den Willen, bei Anerkennung aller Unterschiedlichkeit der Interessen und unter Bedingungen einer prinzipiellen, gleichsam naturzuständlichen internationalen Anarchie unter den Akteuren des internationalen Systems zumindest zu einem Modus Vivendi und zur Vereinbarung gewisser Spielregeln zu kommen. • Die traditionelle Variante begnügt sich damit, internationale Ordnung mit den all-gemeinen Prinzipien der Staatenordnung des Westfälischen Friedens • Anerkennung des Prinzips der äusseren Souveränität der Staaten (rex est imperator in regno suo) • Nichteinmischungsgebot in die inneren Angelegenheiten anderer (innere Souveränität – cujus regio, ejus religio) • Ausbildung des Gleichgewichtsprinzips gleichzusetzen. Adam Watson, The Evolution of International Society. A comparative historical analysis, London 1992
Viele Autoren gehen jedoch weiter und begreifen internationale Ordnung im Gegensatz zu der einzig auf Machtbalancefragen zugeschnittenen Definition des strukturellen Realismus als eine komplexere Form der Verständigung unter den großen Staaten darüber, wie der Frieden zwischen ihnen zu wahren ist und wie eventuelle Probleme und Herausforderungen des Friedens gehandhabt werden können. Dabei kommen sowohl machtpolitische (Kräftebalance; Interventionen gegen Ordnungsstörer) alsauch normative Kategorien (Legitimität, Imperativ der Kriegsvermeidung) zum Tragen. Dieses Konzept einer internationalen Ordnung wurde vor allem von Gordon Craig und Alexander George entwickelt, aber auch grundlegende Schriften Henry Kissingers stützen es. Nach Craig und George müssen drei Elemente gegeben sein, um von einer internationalen Ordnung sprechen zu können:
erstens eine gemeinsame Übereinkunft zwischen den beteiligten Staaten über die Ziele und Perspektiven der internationalen Politik; • zweitens das Vorhandensein einer Systemstruktur, die der Verwirklichung der Ziele dient, • und drittens die Existenz und Wirksamkeit akzeptierter Verfahrensregeln (Normen, Usancen und Institutionen), die bei der Verwirklichung der Ziele zu beachten sind. • Gordon A.Craig/Alexander L. George, Force and Statecraft. Diplomatic Problems of our Time, New York 1983 • Henry A. Kissinger, Die Vernunft der Nationen. Über das Wesen der Aussenpolitik, Berlin 1994
III. Ordnung als Ergebnis der Bildung internationaler Institutionen eine institutionalistische Erklärung, der zufolge eine internationale Ordnung daraus erwächst, dass Staaten das Völkerrecht beachten und wesentliche Bereiche ihrer Souveränität zugunsten eines internationalen Normen- und Institutionengefüges aufgeben (Vorstellung von der rechtlich verfassten Staatengesellschaft). Eine derartige Ordnung ist in der Charta der Vereinten Nationen angelegt, insbesondere im System der kollektiven Sicherheit, in dem der Sicherheitsrat die zentrale Rolle bei der Sicherung des internationalen Friedens spielt. Diese Ordnungsvorstellung beherrschte auch lange Zeit die politische Debatte in Deutschland. Auf sie bezieht sich Art. 24, Abs. 2 Grundgesetz, in dem es heißt: "Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen." Hedley Bull, The Anarchical Society. A Study of Order in World Politics, 3. Aufl. Basingstoke 2002 Martin Wight, Systems of States, Leicester 1977
IV. Ordnung als Ergebnis der Durchsetzung von Demokratie eine liberale Ordnungsperspektive, wonach die Ausbreitung von Demokratie, Menschenrechten, Freihandel und gesellschaftlicher Entwicklung sowie die Förderung von zwischenstaatlicher Kooperation die wichtigsten Bausteine für eine friedliche internationale Ordnung seien. Vertreter der liberalen Denkschule der internationalen Beziehungen gehen davon aus, dass es so etwas wie einen zivilisatorischen Fortschritt in der Menschheitsgeschichte und somit auch in der internationalen Politik geben kann, der die Perspektive eines "Endes der Geschichte" eröffnet.
Literaturhinweise (zur eingehenderen Diskussion der inhaltlichen Bestimmungen von ‘Frieden’): • Czempiel, Ernst-Otto: Friedensstrategien. Systemwandel durch Internationale Organisationen, Demokratisierung und Wirtschaft, Paderborn 1986. • Czempiel, Ernst-Otto: Friedensstrategien. Eine systematische Darstellung aussenpolitischer Theorien von Machiavelli bis Madariaga, 2.Aufl. Opladen/Wiesbaden 1998 • Meyers, Reinhard: Begriff und Probleme des Friedens, Opladen 1994. • Brown, Michael E. et al. (eds.): Theories of War and Peace, Cambridge, • Massachusetts 1999