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Tagung Haus Villigst: Mythos Feminisierung – Macht, 23. Februar 2012 Pfarrerin Dr. Rajah Scheepers. Was hat die Reformation uns Frauen gebracht? Von der Reformation aus Perspektive der historisch-theologischen Genderforschung zur Institutionalisierung feministischer Theologie. Gliederung.
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Tagung Haus Villigst: Mythos Feminisierung – Macht, 23. Februar 2012 Pfarrerin Dr. Rajah Scheepers Was hat die Reformation uns Frauen gebracht? Von der Reformation aus Perspektive der historisch-theologischen Genderforschung zur Institutionalisierung feministischer Theologie
Gliederung • Historisch-Theologische Genderforschung • Frauen in der Reformation • Landgräfin Anna (1485-1525) • Katharina Schütz Zell (1497-1562) • Katharina von Bora (1499-1552) • Konsequenzen der Reformation für Frauen • Der Sprung in die Kirchliche Zeitgeschichte • Im Jahr 2012: 2 Pyramiden • Institutionalisierung feministischer Theologie • Fazit • Mögliche Diskussionsthemen
Historisch-Theologische Genderforschung I • Bisher haben Männer Geschichte gestaltet = Haus • Kirchengeschichtsschreibung • Anders als Allg. Historiographie & andere theo. Fächer • 1. Männer schreiben Kirchengeschichte • Frauen haben nur begrenzt Eingang gefunden in die scientific community • Beispiel: „Ökumenische Kirchengeschichte“: elf Autoren • 2. „Wesentliche“ Gestalten sind Männer • Virginia Woolf: Mangel an Informationen über Frauen • Ende der 1970er Jahre erstes Interesse für sog. Frauengeschichte • die vielen fehlenden Frauen hinzufügen = Anbau • 3. Männer definieren, was wichtig ist • Maßstäbe stehen schon fest (Bsp. Zölibatsklausel)
Historisch-Theologische Genderforschung II • Konsequenz • nur wenige Frauen genügen diesen Maßstäben • Theologie Luthers/Augustins ≠ Theologie Zells/Petersens • bedeutet, »schon mit dem Vorverständnis an die Quellen heranzugehen, dass für die Theologiegeschichte ausschließlich relevant ist, was gebildete männliche Theologen eines bestimmten Jahrhunderts gedacht haben« (Ute Gause). • Gegenentwurf: KG durch ›Gender-Brille‹ = Umbau • Konsequenzen historischer Phänomene für Männer & Frauen • Geschlechtsidentität nicht angeboren • sozio-kulturelle und diskursive Zuschreibungen • Nicht ›Frau-sein‹ oder ›weiblich-sein‹, sondern die Frage der historischen Konstruktionen von Weiblichkeits- und Männlichkeitskonzepten
Landgräfin Anna (1485-1525) • Eine Frau als Regentin • Biographie • geborene von Mecklenburg • 1500 als zweite Ehefrau Landgraf Wilhelms II. (1468-1509) nach Hessen, damals das mächtigste Territorium in Mitteldeutschland • Baldige Erkrankung Wilhelms II. an Syphilis • Regierungsunfähig • Testament 1506: fünf Räten Vormundschaft über seine Kinder Elisabeth (1502-1557) und Philipp (1504-1567), über seinen Bruder Wilhelm I. und dessen Frau Anna von Braunschweig, sowie über seine eigene Frau Anna • Testament 1508: Anna oberster Vormund • 1509: Aberkennung von Annas Anspruch • 1514 Staatsstreich Annas, Regierung bis 1518/1519 • 1519 Heirat mit dem 23-jährigen Grafen Otto von Solms-Laubach
Landgräfin Anna: Bedeutung • Nach dem Tod Landgraf Wilhelms II. hätte sie sich zurückhalten können • Aber – vermutlich – bewog sie ihren Mann zur Testamentsänderung • Ihre potentielle Macht war nur eine übertragene Macht • Durch taktisches und diplomatisches Geschick erreichte sie 1514 schließlich ihr Ziel • Sie genoss es, die Macht in Hessen ausüben zu können und war stolz auf das, was sie erreicht hatte • 1518 gab sie die Regierung offiziell in Philipps Hände • klassische weibliche und männliche Rollenbilder • Eigenschaft als Mutter: Einfluss auf Philipp in puncto Politik, Religion & Heirat (Bigamie-Problem) • Freiheiten: Sie suchte sich einen Mann, der ihr in jeder Hinsicht unterlegen war • Nicht er bezahlte Heiratsgeld für sie, sondern sie ließ seinem Vater eine stattliche Summe Geldes zukommen • Lediglich in einer Hinsicht war sie demütig • im Hinblick auf die Kirche und Gott • Hier ging es ihr nicht um Herrschaft oder Machtausübung, sondern um etwas anderes. • Landgräfin Anna lagen die Kirche und Gott sehr am Herzen, v.a Franziskaner • Sie wollte ihre eigene Freiheit leben – nicht mehr und nicht weniger
Katharina Schütz Zell (1497/8-1562) • Tochter eines Schreinermeisters, 1497/1498 in Straßburg geboren • als junges Mädchen religiöse Fragen • 1523 Heirat mit Matthäus Zell • verfasste ab 1524 ihre ersten literarischen Werke • kümmerte sich um Arme, Kranke, Leidtragende und Gefangene • gastfreundliches Pfarrhaus • Korrespondenz mit den Gelehrten ihrer Zeit • 1538 mit ihrem Mann in Wittenberg, wo sie mit Luther über die Abendmahlskonkordie sprachen • Öffentliche Predigt am Grab ihres Mannes
Katharina Schütz Zell: Bedeutung • Sie durchmaß den größtmöglichen Raum, der einer Frau damals mit Hinblick auf theologische Aktivitäten zugestanden wurde – und schöpfte ihn voll aus • sie predigte • verfasste theologische Schriften • verstand sich selbst als Kirchenmutter • Ein Grund für ihr großes Wirken • Auf begrenzte Art freier als viele andere Frauen damals – ihre leiblichen Kinder waren sehr früh gestorben • So investierte sie all ihre Kraft und ihren Geist in die Straßburger Reformation
Katharina von Bora (1499-1552) • * 29. Januar 1499 in Lippendorf bei Kieritzsch • Seit 1504/1505 im Benediktinerinnenkloster Brehna • 1523 Flucht aus dem Kloster • 13. Juni 1525 Heirat mit Martin Luther • Wohnsitz im alten Augustinerkloster in Wittenberg • Verwaltung der umfangreichen Ländereien • Viehzucht, Bierbrauerei, Hospiz • Sechs Kinder; Fehlgeburt • Nach Luthers Tod 1546 • wirtschaftlich prekäre Situation • Flucht 1546/ 1547 mit ihren Kindern nach Magdeburg • 1552 Wegzug aus Wittenberg wegen der Pest • Flucht nach Torgau, † 20. Dezember 1552 in Torgau
Katharina von Boras Erbe • Verkörpert mit ihrer Lebensgeschichte in ihrer Person eine Veränderung in der christlichen weiblichen Lebensgestaltung, die jahrhundertelang die beiden Konfessionen trennen wird • In ihrer Gestalt wird das protestantische Frauenideal manifest. Sie lebte als Ehefrau und Mutter einen Lebensentwurf, der paradigmatisch für die weitere protestantische Lebensgestaltung wurde. • Sie beschritt den Weg vom Idealtypus der mittelalterlichen christlichen Frau, nämlich der Jungfrau, die ihre Existenz Gott weiht, zum Idealtypus der reformatorischen Frau, die Ehe und Kinder als ihre gottgewollte Lebensaufgabe versteht.
Konsequenzen der Reformation für Frauen • Im kirchlichen Raum nach der Reformation zwei sich konträr gegenüberstehende Rollenbilder für Frauen • Auf der einen Seite die protestantische Ehefrau und Mutter,exemplarisch durch Katharina von Bora repräsentiert. • Auf der anderen Seite die römisch-katholische jungfräuliche Nonne • Früher positive Beurteilung, inzwischen ambivalent • „Domestizierung„ der Frau • Frau in Familie eingegliedert • Unabhängige Existenz – beispielsweise als Prostituierte oder Nonne – nicht mehr möglich • Funktionalisierung der Frau als Ehefrau und Mutter. • Konsequenzen für das Männerbild • Fazit: Weibliches und männliches Geschlecht wurden neu definiert, nämlich als Aufgabe, in der Zuwendung zur Welt den Glauben zu verwirklichen.
Der Sprung in die Kirchliche Zeitgeschichte • Seit den 1830er Jahren • Berufstätigkeit der protestantischen Frauen • Theodor Fliedner: soziales Elend & sinnvolle Betätigungsmöglichkeit für unverheiratete Frauen • Frauen unter die Haube: die Diakonissen • 1908 Zulassung der Frauen zum Theologiestudium • Amt sui generis vs. ein Amt für Männer und Frauen • Aufgrund der zwei Weltkriege Zugang zum Amt • Pfarrermangel im 2. Weltkrieg ermöglichte Ordination • 1943: Otto Dibelius am Tag vor der Ordination Einspruch –nicht gegen die Ordination, sondern gegen Talar • Zu ordinierende Frauen: in einem roten und einem grünen Kleid? • Dann im Talar…
Im Jahr 2012 – Zur Grafdebatte • Münchener Systematik-Professor Friedrich Wilhelm Graf • Ende Oktober 2010 • Nachwuchsprobleme beider Kirchen • Feminisierung des evangelischen Pfarrberufs durch Frauen meist kleinbürgerlicher Provenienz • Mehr „Mutti-Typen als wirkliche Intellektuelle“ • Die „irgendwie eine Form von Religiosität“ bevorzugen, „in der man Kuschelgott mit schlechtem Geschmack verbinden kann“, • „Wenn in der westfälischen Kirche der Anteil weiblicher Vikare schon jetzt bei mehr als 70 Prozent liege, werde man wohl fragen dürfen, was diese Feminisierung für den Pfarrberuf bedeute“
Im Jahr 2011 – 2 Pyramiden • 1964: 13.452 Pfarrer 98,1 % Männer & 1,9 % Frauen • 1984: von 16.696 Pfarrpersonen 9,4 % Frauen • 2010: von 22.075 Pfarrpersonen 33,8 % Frauen, davon 1/3 in Teilzeit • 216.170 Beschäftigte EKD, davon 74 % Frauen • Ehrenamtliche Kirchengemeinden: 70 % Frauen • Studierende 50 % - ca. 10 % Frauen unter den Professuren, ca. 12 % Frauen bei Habilitationen • Ilse Junkermann einzige Frau als Landesbischöfin an der Spitze der 22 Landeskirchen
Institutionalisierung feministischer Theologie I • „Feministische Theologie: Initiativen, Kirchen, Universitäten – eine Erfolgsgeschichte“, Gisela Matthiae u.a.(Hgg.), Gütersloh 2008 • Institutionalisierung einer „einstmals belächelten Disziplin“ als Erfolgsgeschichte • Initiativen, Netzwerke und Vereine • Seit Mitte der 1970er Jahre feministisch-theologische Veröffentlichungen • „Schlangenbrut“, der FrauenKirchenKalender, die feministische PredigtReihe oder Enzyklopädien) • Vereine • z.B. die ESWTR, Grenzgängerin • Netzwerke • AGENDA, Frauensynodenbewegung, DDR „Lila Band“
Institutionalisierung feministischer Theologie II • 7. EKD-Synode in Bad Krozingen 1989 • „Gemeinschaft von Frauen und Männern in der Kirche“ • Förderung theologischer Frauenforschung • Impuls zur Einrichtung des Frauenstudien- & -bildungszentrums & zur Einrichtung eines EKD-Frauenreferates • Ökumenische Dekade 1988-1998 • „Kirche in Solidarität mit den Frauen“ • ab Mitte der 1980er Jahre • Ideen in Gestalt feministisch-theologisch denkender Frauen Eingang in alle Ebenen der Kirche • großen Frauenverbände der evangelischen Frauenarbeit • zahlreichen Bildungsinstitutionen wie Akademien oder religionspädagogische Institute • Gestaltung der Gottesdienste.
Institutionalisierung feministischer Theologie III • Liturgie und Gottesdienstsprache • Revision mit Blick auf frauenverachtende oder -negierende Traditionen • „Bibel in gerechter Sprache“ • erste Bibelübersetzung, zu der sich der Rat der EKD geäußert hat • 3 Professuren mit explizit feministisch-theologischem Profil • 2Juniorprofessuren (KiHo Wuppertal & HU) • C3-Stelle an der Augustana • Für die anderen theologischen Professuren problematisch • Fazit • Schon jetzt ist viel erreicht worden. Und dennoch noch nicht genug – zumindest für die, die von einer geschlechtergerechten Theologie und Kirche träumen
Mögliche Diskussionsthemen • Welche Frauen fallen Ihnen ein, die die Kirche verändern? (angefangen von der Bischöfin bis zur Küsterin und zur ehrenamtlichen Kindergottesdiensthelferin…) • Wie bringen Frauen heute durch ihr Engagement eine weibliche Sicht in das Gemeindeleben und die Theologie ein? • Wo stoßen sie vielleicht an „Männerstrukturen“ oder „Männerperspektiven“ im kirchlichen Leben? • Mit welchen Mitteln versuchen Frauen, diese zu verändern? Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!