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Institut für Völkerkunde, Universität zu Köln Einführungsseminar WS 2004/05 Lioba Lenhart

Institut für Völkerkunde, Universität zu Köln Einführungsseminar WS 2004/05 Lioba Lenhart. 20.12.2004 19. Sitzung: Gender. Peoples & Bailey, Kapitel 11: „ Gender in Comparative Perspective “. Themen: (1) Geschlechterbeziehungen als Thema der Ethnologie

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Institut für Völkerkunde, Universität zu Köln Einführungsseminar WS 2004/05 Lioba Lenhart

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  1. Institut für Völkerkunde, Universität zu KölnEinführungsseminar WS 2004/05Lioba Lenhart 20.12.2004 19. Sitzung: Gender

  2. Peoples & Bailey, Kapitel 11: „Gender in Comparative Perspective“ Themen: (1) Geschlechterbeziehungen als Thema der Ethnologie (2) Die kulturelle Konstruktion von Gender: Fallbeispiel (3) Gender Crossing und multiple Gender- Identitäten (4) Geschlechtsspezifische Arbeitsteilung (5) Gender-Stratifikation Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  3. (1) Geschlechterbeziehungen als Thema der Ethnologie Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Geschlecht und die Identität einer Person als Mann oder Frau spielt in allen Lebensbereichen eine entscheidende Rolle: • in Bezug auf die personale und die soziale Identität, • In der Interaktion mit Personen des selben oder anderen Geschlechts und der damit verbundenen Rollenzuweisung bzw. Rollenfindung und –ausführung, • im Zusammenhang mit gesellschaftlicher Anerkennung und gesellschaftlichen Chancen. In unterschiedlichen Kulturen sind Geschlechterzugehörigkeiten und Geschlechteridentitäten, die damit verbundenen Rollen und Verhaltens-standards und die diesen zugrunde liegende Konzeptionen von „Männ-lichkeit“ und „Weiblichkeit“ allerdings höchst unterschiedlich. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  4. Sex und Gender In dem Zusammenhang werden zwei zentrale Begriffe unterschieden: • Sex (dt.: Geschlecht), • Gender (dt.: Gender, auch: Geschlechterrolle/-vorstellung). Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  5. … Sex und Gender Sex (dt.: Geschlecht):  das biologisch festgelegte Geschlecht;  fast alle Menschen sind aufgrund ihrer Chromosomen biologisch entweder Männer oder Frauen. Gender (dt.: Gender, auch: Geschlechterrolle/-vorstellung):  das sozial/kulturell konstruierte Geschlecht, d. h. die in einer Gesellschaften vorhandenen Geschlechtervorstellungen, die folgendes beinhalten: • Differenzierung von Geschlechternund Definitionen dieser Geschlechter, • Annahmen über die „Natur“ dieser Geschlechter, • Normen und Werte in Bezug auf diese Geschlechter. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  6. … Sex und Gender Das Verhältnis von Sex und Gender wird unterschiedlich gewichtet: • manche Ethnolog/innen (z.B. Judith Butler) halten Sex/Gender für komplett kulturell konstruiert; • die meisten Ethnolog/innen gehen aber nicht so weit, die biologischen Grundlagen völlig zu ignorieren bzw. selbst als Kulturprodukt hinzustellen. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  7. Geschlechterbeziehungen als Thema der ethnologi-schen Forschung • In der Ethnologie wurden Geschlechterbeziehungen lange Zeit nur im Zusammenhang mit Heirat, Familie und Verwandtschaft thematisiert. • Männliche Ethnologen befragten während ihrer Feldforschungen vornehmlich männliche Informanten zu deren Kultur und verallge-meinerten diese Informationen in Bezug auf die jeweilige Kultur als Ganzes; selbst wenn die Rolle von Frauen im Zusammenhang mit den genannten Bereichen problematisiert wurde, geschah dies aus männ-licher Sicht. Die wenigen weiblichen Ethnologen passten sich diesem Vorgehen weitgehend an. • Diese Verzerrungen aufgrund der rein männlichen Perspektiven (male bias) wurden seit den 1970er Jahren - parallel zu gesamtgesell-schaftlichen Entwicklungen - zunehmend von Ethnologinnen kritisiert; diese forschten im Rahmen der entstehenden feministischen Ethno-logie nun selbst über den gesellschaftlichen Status und die Rollen von Frauen in verschiedenen Kulturen. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  8. … Geschlechterbeziehungen als Thema der ethnologischen Forschung • Seit den 1980/90er Jahren rückten dann im Rahmen der Gender-Forschungneben Frauen zunehmend auchMänner in den Blickpunkt der Betrachtung von Geschlechterbeziehungen und Geschlechterkonzeptionen. • Seitdem gibt es eine Vielzahl von intrakulturellen und kulturvergleichenden Untersuchungen zu Geschlechterbe-ziehungen und –konzeptionen; sowie sehr viel mehr ethnologische Sensibilität für die Gender-Problematik auch im Rahmen von Untersuchungen, die andere Forschungsschwerpunkte setzen. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  9. Von der feministischen Ethnologie zur Gender-Forschung Schwerpunkte der Forschung zu Geschlechterbeziehungen und –konzeptionen seit den 1970er Jahren waren/sind: • zunächst: Sichtbarmachen der Frauen und ihrer Lebenswelten, • dann: Untersuchung der Grundlagen männlicher Dominanz, • schließlich und derzeit: kulturelle Konstruiertheit von Geschlecht (auch des männlichen Geschlechts), dabei stärkeres Augenmerk auf die Wechselbeziehung und gegenseitige Konstituierung von Männlichkeit und Weiblichkeit;  also weg von der Frauenforschung, hin zur Gender- Forschung. Gegenwärtige thematische Foki sind: • Männer und Männlichkeitsvorstellungen, • Körper(bilder) und Kultur, • Auswirkungen der neuen Reproduktionstechnologien, • Wechselwirkungen zwischen Gender und anderen Faktoren wie Klasse, Schicht, Rasse, Ethnizität etc. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  10.  Wie viele Geschlechter kennen Sie? (sex und gender !) • Bitte kurz darüber nachdenken! • Begründen Sie ihren Standpunkt, geben Sie Beispiele! Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  11. (2) Die kulturelle Konstruktion von Gender: Fallbeispiel Hua, Hochland von Papua-Neuguinea Die Hua praktizieren eine in bestimmten Lebensphasen für sie wichtige Trennung der Geschlechter: • Initiierte Männer leben in Männerhäusern, Frauen und ihre Kinder in separaten Häusern. • Frauen, die mehr als zwei Kinder geboren haben, können nach der Menopause ebenfalls im Männerhaus wohnen. Warum ist das so? Die Hua, die sich selbstverständlich der biologischen Geschlechts-unterschiede bewusst sind, verbinden diese Gegebenheiten mit dem Konzept des „Lebenselixiers“ nu, einer Leben und Wachstum spen-denden Substanz. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  12. … die kulturelle Konstruktion von Gender: Fallbeispiel • Nu wird durch Essenszubereitung, Geschlechtsverkehr, Geburten u. ä. transferiert . • Der weibliche Körper hat sehr viel mehr nu als der männliche Körper. • Zu viel nu ist für die Männer gefährlich, denn nu ist feucht, macht schwach und unaggressiv. • Frauen verlieren im Laufe des Lebens nu, wenn sie menstruieren und wenn sie gebären. Männer gewinnen nu durch den Kontakt mit Frauen, obschon sie in der Initiation (ähnlich wie bei den Awa) zunächst davon gereinigt wurden. • Im Laufe ihres Lebens nehmen Frauen und Männer diesbezüglich Züge des jeweils anderen Genders an: • Frauen mit mehr als zwei Geburten gelten nach der Menopause als nicht mehr verschmutzend und somit als für Männer nicht mehr gefährlich. Sie haben inzwischen so viel nu verloren, dass sie nun initiiert werden und Zugang zum Männerhaus erhalten können, da sie nun „wie Männer“ sind, d. h. kakora („initiierte Person“) werden. • Ältere Männer haben so viel nu gewonnen, dass sie sich im Umgang mit Frauen nicht mehr in Acht nehmen müssen, d.h. figapa („nicht-ini-tiierte Person“) werden. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  13. … die kulturelle Konstruktion von Gender: Fallbeispiel Für die Hua sind folglich  nicht nur die zwei biologischen Geschlechter relevant.  Für sie sind Geschlechtszugehörigkeiten und -merkmale vielmehr Phänome, die sich im Laufe des Lebens der Individuen ändern und die durch das jeweils andere Geschlecht geprägt werden. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  14. (3) Gender crossing und multiple Genderidentitäten In vielen Gesellschaften ist die Möglichkeit, andere als das zum eigenen Geschlecht gehörende „Standard-Gender“ zu wählen, institutionalisiert. Dritte und vierte Genders werden in der Ethnologie erst in jüngerer Zeit berücksichtigt und problematisiert: • Zu Anfang gingen Ethnolog/innen noch vorverständlich und unausgesprochen von Zweigeschlechtlichkeit aus; dritte und vierte Genders wurden allenfalls als bloße Ausweichmöglichkeit für diejenigen gesehen, die sich nicht in die Standard-Genders hineinfinden konnten. • Mittlerweile gibt es eine stärkere Tendenz, die dritten und vierten Genders als eigenständig anzuerkennen. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  15. … Gender crossing und multiple Gender-Identitäten Gender crossing  meint, dass es Männern erlaubt ist, weibliche Rollen auszufüllen und Frauen erlaubt ist, männliche Rollen auszufüllen. Multiple Gender-Identitäten:  meint, dass nicht nur zwei, sondern drei oder vier Genders präsent sind, die grob gesagt – neben den „Standards“– mit Frau-Mann (-Anteilen) und Mann-Frau(-Anteilen) korrespondieren. Gerade bei nordamerikanischen Indianern sind viele Fällen von dritten und vierten Genders bekannt. Diesen Personen werden nicht selten besondere handwerkliche, spirituelle oder heilende Fähigkeiten und Begabungen zugeschrieben. • Berdache ist in dem Zusammenhang eine häufige, wenn auch nicht unproblematische Bezeichnung vor allem für Männer in Genders mit weiblichen Zügen (von pers.: bardaj, abwertend: passiver homo-sexueller Partner): • berdaches sind nicht automatisch gleichzusetzen mit Homo-sexuellen oder Transvestiten. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  16. Berdache: Merkmale • berufliche Vorlieben für Tätigkeiten des anderen Genders, • Transvestizismus, • werden in Verbindung gebracht mit übernatürlichen Kräften oder übernatürlicher Zustimmung, • haben sexuelle Beziehungen mit dem gleichen Geschlecht. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  17. (4) Geschlechtsspezifische Arbeits- teilung Geschlechtsspezifische Arbeitsteilung (sexual division of labor oder gender division of labor) • Muster/Regeln der Aufteilung produktiver und anderer ökono- mischer Aktivitäten zwischen Männern und Frauen. Interkulturell betrachtet gibt es diesbezüglich eine enorme Variabilität ! Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  18. Geschlechtsspezifische Arbeitsteilung im inter-kulturellen Vergleich Der interkulturelle Vergleich hat gezeigt: • Nicht in jeder Kultur sind Männer die Brotverdiener/Ernäher und Frauen die Versorgerinnen/Behüterinnen der Kinder. • Männliche Dominanz basiert nicht darauf, dass Männer die materielle Existenz sichern; denn in vielen Gesellschaften sind die Frauen diejenigen, welche die für das physische Überleben notwen-digen Nahrungsmittel erwirtschaften. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  19. Muster der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung: Tendenzen Auf der Basis des interkulturellen Vergleichs lassen sich nichtsdestotrotz bestimmte Muster der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung erkennen: • Tätigkeiten, die fast ausschließlich von Männern durchgeführt werden (Auswahl): Jagen, Schlachten, Bootsbau; • Tätigkeiten, die häufig von Männerndurchgeführt werden (Auswahl): Fischen, Hausbau; • Tätigkeiten, die von Männern und Frauen durchgeführt werden (Auswahl): Pflanzenanbau, Ernten, Melken; • Tätigkeiten, die häufig von Frauen durchgeführt werden (Auswahl): Sammeln, Weben, Töpfern.  vgl. hierzu die Grafik im Lehrbuch, S. 219 hier handelt es sich in allen Fällen um starke Tendenzen, es gibt aber immer auch Ausnahmen (Bsp.e: Jägerinnen bei den Mbuti und den Agta)! Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  20. Hypothesen zu den Ursachen/interkulturell konstatier-ten Trends der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung Als Erklärungen für die angeführten Trends in der geschlechts-spezifischen Arbeitsteilung werden angeführt: • größere physische Kraft von Männern, • vermuteter Rückgang der Fruchtbarkeit, wenn Frauen sich starken körperlichen Belastungen aussetzen, • die Notwendigkeit der Vereinbarkeit einer Aufgabe mit der Versorgung von Säuglingen und Kleinkindern. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  21. … Hypothesen zu den Ursachen/interkulturell konstatierten Trends der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung  Relative Stärke: Männer sind physisch stärker und daher für bestimmte Tätigkeiten geeigneter. • Dies erklärt die männliche Dominanz in den Bereichen Bergarbeit, Holzfällen, Metall- und Steinverarbeitung, Jagen, Urbarmachung von Land, jedoch nicht die männliche Dominanz in anderen typischerweise männlichen Aktivitäten wie z. B. Schlachten. • Zudem sind Frauen physisch ausdauernder und verrichten in vielen Gesellschaften schwere körperliche Arbeit (z.B. ist Wasserholen eine typisch weibliche Tätigkeit, die körperliche Stärke erfordert). Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  22. … Hypothesen zu den Ursachen/interkulturell konstatierten Trends der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung  Fruchtbarkeitserhaltung: hohe körperliche Belastung wirkt sich dahingehend aus, dass der Eisprung ausbleibt. • Dies erklärt, dass bestimmte Tätigkeiten nicht von Frauen durchgeführt werden; jedoch gibt es durchaus Beispiele von Ge- sellschaften, in denen Frauen körperlich höchst anstrengenden Tätigkeiten – z.B. Jagd – nachgehen und trotzdem Kinder gebären. • Zudem tritt diese Wirkung nur bei sehr hoher Belastung ein; ein diesbzgl. Nachweis wurde bis dato allein in Bezug auf Sportlerinnen erbracht. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  23. … Hypothesen zu den Ursachen/interkulturell konstatierten Trends der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung  Vereinbarkeit mit Kinderversorgung/-aufsicht: Frauen gebären, stillen und sind zudem meist hauptverantwortlich für die Versorgung und Beaufsichtigung von Kindern. • Hiermit sind Tätigkeiten leichter in Übereinklang zu bringen, die folgenden Eigenschaften haben: • repetitiv und wenig Konzentration erfordernd, • unterbrechbar, • ungefährlich für die Kinder, • nahe des Wohnorts/der Wohnung (Bsp.: Sammeln, Hausarbeit, Gartenpflege bei Gartenbauern). • Trotzdem ist es möglich, harte körperliche Arbeit mit der Kinderpflege zu vereinbaren (Bsp.: Feldbestellung mit der Hacke durch Frauen, die ihre Säuglinge dabei auf dem Rücken tragen, Ost-Afrika). Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  24. … Hypothesen zu den Ursachen/interkulturell konstatierten Trends der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung • Keine der drei Hypothesen ist vollkommen falsch, aber auch keine der drei, noch Kombinationen davon sind interkulturell zutreffend ! • Zudem argumentieren zwei der Hypothesen mit Fruchtbarkeit und Kindern: diese sind aber gar nicht immer vorhanden oder gewollt. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  25. Geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und Anbauform Interkulturell belegt ist, dass Frauen in Gartenbaugesellschaften einen größeren Subsistenzsicherungsbeitrag leisten als Frauen in Ackerbaugesellschaften. Als Gründe hierfür werden angeführt: • ergänzende wirtschaftliche Aktivitäten, • Art der angebauten Früchte und damit verbundener Zeitaufwand, • Bedeutung von Kriegsführung. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  26. … Geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und Anbauform  Ergänzende wirtschaftliche Aktivitäten: Gartenbauer betreiben oft keine zusätzliche Viehhaltung, weshalb die Jagd wichtig wird. Da diese von den Männern übernommen wird, sind Frauen mehr im für die Subsistenzsicherung wichtigeren Bereich des Gartenbaus engagiert. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  27. … Geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und Anbauform  Art der angebauten Früchteund damit verbundener Zeitaufwand: Gartenbauer bauen oft Knollenfrüchte an, Ackerbauern hingegen meist Getreide: • Knollenfrüchte machen kontinuierliche Aussaat, Pflege und Ernte möglich, die Frauen leisten können, • Getreide erfordert dagegen konzentrierte Aussaat und Ernte mit hohen Arbeitsbelastungen; diese übernehmen (wegen der erforderlichen körperlichen Stärke und der bei dieser Tätigkeit kaum möglichen Kinderversorgung) häufig die Männer; • zudem ist Getreideanbau verarbeitungsaufwendiger, was die Frauen übernehmen, die wegen ihrem Engagement in der Kinderversorgung nicht gleichzeitig auf dem Acker stehen können. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  28. … Geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und Anbauform • Bedeutung von Kriegsführung: In Gartenbaugesellschaften ist häufig Kriegführung wichtig, die so gut wie immer den Männern obliegt. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  29. (5) Gender-Stratifikation Gender-Stratifikation(gender stratification), auch: Gender-Schichtung, Gender-Hierarchien: • das Ausmaß, in dem Gruppen materielle und soziale Aner- kennung/Belohnungen aufgrund von Geschlechtszugehörigkeit an Männer und Frauen verteilen; • wird auch als Status der Frauen (in Relation zu dem von Männern !) diskutiert. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  30. Bestimmung des relativen Status der Geschlechter Die Bestimmung des relativen Status der Geschlechter ist mitunter schwierig. Dies hat folgende Gründe: • unterschiedliche Einflusssphären der Geschlechter: in vielen Gesellschaften herrscht z.B. Dominanz und Autonomie der Frauen im häuslichen Bereich, während sie in der Öffentlichkeit und Politik nur eine geringe Rolle spielen; • Einfluss weiterer Faktoren auf relativen Status der Geschlechter: Faktoren, wie z. B. Klassenzugehörigkeit oder ethnische Zugehörigkeit, wirken sich auf den relativen Status der Geschlechter aus; • Statuswandel im Verlauf des Lebens: in vielen Gesellschaften erhalten Frauen z.B. dann, wenn sie Kinder geboren haben, einen höheren Status als zuvor. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  31. Komponenten der Bestimmung des Status von Frauen in Relation zu dem der Männer Gender-Stratifikation ist – wie gesagt – schwierig zu bestimmen. Komponenten der Bestimmung des Status von Frauen in Relation zu dem der Männer sind: • die Art derGeschlechterrollen und die damit verbundenen Rechte und Pflichten; • der Wert, der dem Beitrag von Frauen in Bezug auf Familie und Gesellschaft beigemessen wird; • das Ausmaß, in dem Frauen von ihren Ehemännern und anderen männlichen Verwandten dominiert werden; • das Ausmaß, in dem Frauen Zugang zu Ämtern und damit verbun-dener Macht und Einflussnahme haben; • das Ausmaß, in dem Frauen in Bezug auf Heirat, Reproduktion und Arbeit eigenständige Entscheidungen treffen können; • allgemeine gesellschaftliche Vorstellungen in Bezug auf die Gleichheit der Geschlechter bzw. die Über-/Unterlegenheit eines Geschlechtes. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  32. … Komponenten der Bestimmung des Status von Frauen in Relation zu dem der Männer !Merke: • Der Status von Frauen und Männern ist immer multidimensional und keineswegs statisch (wandelt sich im Laufe des Lebens)  die bestimmenden Faktoren müssen immer einzeln und exakt benannt und beschriebenwerden. • Aussagen wie „der Status der Frau in der Gesellschaft X ist niedrig“ sind ohne Spezifizierungen im eben genannten Sinne substanzlos und pro-blematisch! Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  33. Männliche Dominanz und Geschlechteregalität Matriarchat:  Gesellschaftliche Dominanz von Frauen insgesamt (nicht: von einzelnen weiblichen Individuen): • Johann Jakob Bachofen stellte in seinem Buch „Das Mutterrecht“ (1861) die These auf, dass die menschlichen Gesellschaften sich von einem Ur-Matriarchat her zum Patriarchat entwickelt haben. • Friedrich Engels übernahm diese These und machte sie populär. Aber: • Die Existenz des Matriarchats wurde nirgendwo auf der Welt zu keiner Zeit nachgewiesen. Bislang wurde keine Gesellschaft „aufgespürt“, in der Frauen alle politischen Führungspositionen innehatten ( das Gegentgeil gab/gibt es jedoch sehr wohl, nämlich den vollständigen Ausschluss von Frauen aus dem öffentlichen und politischen Leben). Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  34. … männliche Dominanz und Geschlechteregalität Viele Fallbeispiele belegen jedoch: • Es gibt Gesellschaften, in denen Frauen einen beträchtlichen und/oder gleichrangigen Einfluss haben - Bsp. Irokesen: Kontrolle der Subsistenz durch Frauen, Einfluss der Matrilineage auf politische Entscheidungen. In Bezug auf einige dieser Gesellschaften kann man von weitgehender Geschlechteregalität sprechen: • Ackerbauern: Minangkabau (Indonesien, Sumatra), • Gartenbauern: Irokesen, Hopi (USA), • Jäger und Sammler: !Kung, Mbuti, Aka, Hadza. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  35. Thesen zur universellen Unterordnung von Frauen Thesen zur universellen Unterordnung von Frauen sind auch von frühen Vertreterinnen der feministischen Ethnologie vertreten worden: • z.B. M. Rosaldo: diesbzgl. These der Trennung von öffentlicher und privater Sphäre: Frauen sind an die häusliche Sphäre gebunden, müssen den Männern deshalb die öffentliche überlassen, in der sich Macht konstituiert;  diese These gilt heute als überholt: Macht bildet sich nicht nur in der öffentlichen Sphäre - die Dichotomie ist für viele Gesellschaften so nicht aufrecht zu erhalten. • z.B. S. Ortner: Frauen sind der Natur zugeordnet, Männer der Kultur; Kultur wird generell höher bewertet.  diese These wurde kritisiert: die Dichotomie ist stark von westlichen Vorstellungen geprägt (Konzept Kultur-Natur) und findet sich nicht überall auf der Welt in dieser Art. Generell gilt für diese und andere Vertreterinnen: sehr starke/zu starke Reduzierung von Frauen auf die Reproduktion  das ist keine hinreichende Erklärung für Subordination von Frauen. Heutige Gender-Studien begegnen der Suche nach Universalien skeptisch; nun eher detaillierte Fallbeschreibungen. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  36. Faktoren, die den Status der Geschlechter beein-flussen Der relative Status beider Geschlechter wird durch die folgenden Faktoren beeinflusst: • Beitrag zur materiellen Existenzsicherung/Produktion, • Kontrolle über Schlüsselressourcen, • Deszendenz und postmaritale Residenz, • gesellschaftliche Komplexität. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  37. … Faktoren, die den Status der Geschlechter beeinflussen: Beitrag zur materiellen Existenzsicherung und Kontrolle über Schlüsselressourcen Beitrag zur materiellen Existenzsicherung/Produktion: Kulturvergleiche belegen folgende Tendenz: je mehr Frauen einer Gesellschaft zur materiellen Existenzsicherung beitragen, desto mehr Zugang haben sie zu Besitz und Ämtern und haben größeren gesellschaftlichen Einfluss. Bsp.: Jäger-Sammler-Gruppen – hier spielen Frauen eine wichtige Rolle in Bezug auf das materielle Überleben und haben gleichzeitig großen Einfluss auf Entscheidungen; Vergleichbares gilt für Gartenbau betreibende Gruppen. Kontrolle über Schlüsselressourcen: Kulturvergleiche belegen folgende Tendenz: wenn Frauen nicht nur wesentlich zur materiellen Existenzsicherung beitragen, sondern zudem produktive Ressourcen besitzen und kontrollieren, haben sie in der Regel auch Ämter inne und eher großen gesellschaftlichen Einfluss. – Bsp.: Irokesen: Landeigentum. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  38. … Faktoren, die den Status der Geschlechter beeinflussen: Deszendenz und postmaritale Residenz sowie gesellschaftliche Komplexität Deszendenz und postmaritale Residenz: Kulturvergleiche belegen folgende Tendenz: Frauen in matrilinealen und/oder matrilokalen Gesellschaften haben größeren gesellschaftlichen Einfluss: Hier gibt es eher verwandtschaftliche Unterstützungsnetzwerke, die den Frauen zugute kommen; etwaige Spannungen zwischen den Ehemännern - von woanders zuge-zogen und nicht zur Deszendenzgruppe gehörig - und den Brüdern der Frauen nützen der Position ihrer Ehefrauen/Schwestern. Gesellschaftliche Komplexität: Kulturvergleiche unter Einbezug der historischen Perspektive belegen folgende Tendenz: der Status von Frauen hat im Laufe der Zeit bis zur Industrialisierung im Zuge zunehmender gesellschaft- licher Komplexität (Stratifizierung, Zentralisierung von Macht, Spezialisierung usw.) kontinuierlich abgenommen. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  39. … Faktoren, die den Status der Geschlechter beeinflussen: Gesellschaftlen mit Mitgift und Gesellschaften mit Brautpreis • Gesellschaften mit Mitgift und Gesellschaften mit Brautpreis: Kulturvergleiche belegen zudem folgende Tendenzen: In europäischen und asiatischen Gesellschaften spielt die Mitgift eine wichtige Rolle, in vielen afrikanischen Gesellschaften ist hingegen der Brautpreis wichtig. Dies wird u.a. auf die Begrenzung von vorhandenem Land in Europa/Asien und Nicht-Begrenzung in vielen afrikanischen Ländern zurückgeführt und hat den Effekt, dass in „Mitgift-Gesellschaften“ der Status der Frauen niedriger ist; in „Brautpreis-Gesellschaften“ ist Umgekehrtes zu konstatieren, denn der Brautpreis bringt – anders als Mitgift – den Wert der weiblichen Arbeitskraft zum Ausdruck. In Bezug auf alle genannten Annahmen ist ein kumulativer Effekt der Einzelnen Faktoren naheliegend (Bsp: Irokesen – Ressourcenkontrolle und Matrilinealität und Matrilokalität  höherer Status der Frauen). Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  40. Weiterführende Literatur Ember, Carol R. & Melvin Ember (Hg.) 2004. Encyclopedia of Sex and Gender. Men and Women in the World‘s Cultures. 2 Volumes. New York: Kluwer Academic/Plenum Publishers & HRAF/Yale University Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  41. Nächst Stunde, Mittwoch, 22.12.2004: Besuch im Rautenstrauch-Joest-Museum für Völkerkunde, Köln Adresse: Ubierring 45 Treffpunkt: Eingang des Museums, Uhrzeit: Punkt 16.00 Uhr  bitte unbedingt pünktlich sein !!! Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

  42. Zur übernächsten Stunde (10.01.2005) Kapitel 12 des Lehrbuchs (Seiten 234-253) lesen !  „The Organization of Political Life“ Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Gender

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