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Gender und Ernährung – Soziologische Erklärungen geschlechtsspezifischen Ernährungsverhaltens. Dr. Jana Rückert-John. Fachtagung zur geschlechtssensiblen Ernährung, Düsseldorf 24. November 2008. Überblick. Geschlecht als soziodemographisches Merkmal in der Ernährungsforschung
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Gender und Ernährung – Soziologische Erklärungen geschlechtsspezifischen Ernährungsverhaltens Dr. Jana Rückert-John Fachtagung zur geschlechtssensiblen Ernährung, Düsseldorf 24. November 2008
Überblick • Geschlecht als soziodemographisches Merkmal in der Ernährungsforschung • Potenziale und Limitationen • Perspektivenwechsel: Geschlecht und Ernährung • Was ist Geschlecht? • Ernährung macht Geschlecht
Frauen essen durchschnittlich mehr Gemüse pro Tag Frauen verzehren durchschnittlich129 g/Tag (243 g/Tag)und Männer 112 g/Tag (223 g/Tag) DGE Empfehlungen für den Gemüseverzehr: 400 g/Tag Quelle: Nationale Verzehrsstudie II (2008), zweiter Ergebnisbericht. www.was-esse-ich.de
Frauen essen durchschnittlich mehr Obst pro Tag Frauen verzehren durchschnittlich278 g/Tagund Männer 230 g/Tag DGE Empfehlungen für den Obstverzehr: 250 g/Tag Quelle: Nationale Verzehrsstudie II (2008), zweiter Ergebnisbericht. www.was-esse-ich.de
Männer essen durchschnittlich mehr Fleisch pro Tag Männer verzehren durchschnittlich103 g/Tagund Frauen 53 g/Tag Quelle: Nationale Verzehrsstudie II (2008), zweiter Ergebnisbericht. www.was-esse-ich.de
Männer trinken durchschnittlich mehr alkoholische Getränke pro Tag Männer verzehren durchschnittlich308 g/Tagund Frauen 81 g/Tag DGE Empfehlungen: max. 20 g/Tag reinen Alkohol pro Tag für Männer, 10 g/Tag für Frauen Quelle: Nationale Verzehrsstudie II (2008), zweiter Ergebnisbericht. www.was-esse-ich.de
Zwischenfazit: Potenziale und Grenzen • Beschreibung von Unterschieden in der Ernährung mittels der Geschlechtervariable als Differenzierungskriterium • Vermittlung eines Bildes, wie sich die Geschlechter der Tendenz nach ernähren, (um so u.a. Risikogruppen aufzuspüren) • Geschlecht als Variable wird unhinterfragt als Unterscheidungsmerkmal angenommen • Unreflektiert bleiben das Zustandekommen, die Konstitution, sowie soziale und kulturelle Hintergründe der Geschlechterkategorie • Hierbei wird das System der Zweigeschlechtlichkeit als Naturphänomen (als Konstante) betrachtet • Erklärungen – wenn sie denn bemüht werden – verweisen meist auf physiologisch begründete unterschiedliche Bedarfe • Diese lassen sich jedoch anhand der Altersdifferenzen schnell entkräften (z.B. Pubertät)
2. Perspektivenwechsel für eine Erklärung geschlechterdifferenten Ernährungsverhaltens Ernährung und Geschlecht Geschlecht und Ernährung Ausgangspunkt Gender-Forschung: Soziologische Konzeptualisierung der Kategorie Geschlecht als Grundlage für die Erklärung von Unterschieden im Ernährungsverhalten
Die Wahrnehmung bedient sich Schemata der ... ... heterosexuellen Kultur ... ... als Grundlage für Rollenerwartungen Geschlechterrollenerwartungen 1: Körper Der kulturdeterminierte Wahrnehmungs-zirkel von Geschlecht 2: Sex (Attribute) Männlich vs. Weiblich 3: Geschlecht (Stereotype) Mann Frau Sex ist ein Produkt der heterosexuellen Kultur und ihrer stereotypen Geschlechterrollen. Die Reproduktion des Zirkels beginnt bei der Kultur
Das Konzept des “Doing Gender“ Gesellschaft als Reservoire kultureller Symbole Selbst- und Fremdzuweisung von Rollen und Attributen Das Geschlecht ist nichts Gegebenes, sondern wird in Interaktionen hergestellt. Es ist als andauernde Darstellungs- und Interpretationsleistung zu verstehen.
Funktion von Geschlecht • Geschlecht ist eine Ordnungskategorie, die Sicherheiten vermittelt. • Denn aus Unklarheit folgt Unsicherheit • Durch die Bindung von Geschlecht an Körper hat diese Kategorie eine Omnipräsenz. http://www.kerstinjacobsen.de
3. Ernährung macht Geschlecht • Das Essen und Trinken bietet vielfältige Ressourcen für das Doing Gender: der Inszenierung der Geschlechter. • Mittels Ernährung kann die Geschlechterzugehörigkeit ausgedrückt und erwartungsgemäß von anderen auch als typisch „männlich“ oder „weiblich“ erkannt werden. • Hierfür lässt sich in der Gesellschaft ein reichhaltiges Reservoire kultureller Symbole und kulinarischer Praxen vorfinden. • Sprache (z.B. Namen für Gerichte) und geschlechtlich konnotierte Nahrungsmittel (z.B. Fleisch) • Geschlechtsspezifische Rollenerwartungen im öffentlichen Raum (z.B. Restaurant) • Gendering im Familienhaushalt (z.B. unter Anwesenheit von Gästen) • Ernährungserziehung und Ernährungssozialisation • Massenmedien (z.B. Nahrungsmittelwerbung oder Frauen/Männer-Zeitschriften)
Gerichte als Gender-Symbole • „Strammer Max“ • „Jäger Schnitzel“
Gerichte als Gender-Symbole • „Birne Helene“ • „Forelle Müllerin Art“
Gerichte als Gender-Symbole • „Cowboy Steak“ (250g Rumsteak) • „Lady Steak“ (110g Rumsteak)
Kulinarische Taxonomie und Geschlechterordnung karnivore Kost vegetabile Kost schwereKüche leichteKüche „starke“ Nahrung „schwache“ Nahrung Weiblich Männlich scharfe Speisen süße Speisen Nüchternheit Rausch Quelle: Setzwein, Monika (2004): Ernährung – Körper – Geschlecht, S. 183
Zubereitungsarten und Verzehrssituationen • Beruf Koch • Frau am heimischen Herd • Mann am Grill
Essen ist Interaktion: Erwartungen an das Verhalten werden sozialisiert
Massenmedien und Werbung „Essen sie sich stark. KeinMann muss sich mit Schmalbrüstigkeit abfinden.Training und gezielte Ernährung bescheren auchHärtefällen Muckis.“(Mens Health) Langnese: Like Ice in the Sunshine Die neue Wohlfühl-BRIGITTE-Diät Massenmedien und Werbung kommunizieren geschlechtsspezifische Körpernormen und Ernährungsstile.
Zusammenfassung • Geschlecht ist nicht einfach natürlich gegeben, sondern wird in Interaktionen hergestellt! • Geschlecht ist eine soziale Ordnungskategorie, die Sicherheiten vermittelt und gerade deshalb auch so wirkmächtig ist. • Durch die Bindung an Körper ist Geschlecht omnipräsent. Es gibt kein jenseits der heterosexuellen Kultur. • Aber: Die Existenz des Geschlechterdiskurs macht deutlich, dass die heterosexuelle Kultur und ihre Normen nicht mehr selbstverständlich sind. • Kulinarischen Praxen des Essens und Trinkens sind kulturelle Ressourcen mittels denen Geschlechterzugehörigkeit und -identität ausgedrückt und von anderen erkannt werden kann. • Auch wenn diese selbst nicht praktiziert werden, so sind sie als Fundus verfügbar und durch ihre Erkennung präsent.