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Hörbehinderung und Studium ?? Ja, aber mit technischen Hilfen!. Roswitha Rother DSB-Beraterin Dr. Jürgen-Theodor Fränzer Bhsa Referat Internationales Bielefeld, 22.11.2008. Übersicht. Warum ist stressfreies Verstehen so wichtig? Zur Physiologie des Hörorgans
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Hörbehinderung und Studium ?? Ja, aber mit technischen Hilfen! Roswitha Rother DSB-Beraterin Dr. Jürgen-Theodor Fränzer Bhsa Referat Internationales Bielefeld, 22.11.2008
Übersicht • Warum ist stressfreies Verstehen so wichtig? • Zur Physiologie des Hörorgans • Schlecht Hören und Gut Studieren – gelingt das in HÖRsälen? • Das ewige Thema: Monetäres… • Ausblick und Forderungen
Warum ist stressfreies Verstehen so wichtig? • Zur Physiologie des Hörorgans • Schlecht Hören und Gut Studieren – gelingt das in HÖRsälen? • Technische Unterstützungen • Das ewige Thema: Monetäres… • Ausblick und Forderungen
Kommunikation Das Hörverstehen ist die am meisten benötigte Fertigkeit im Alltag. Während Kommunikationen verbringt ein Mensch 45% der Zeit mit Hören, 30% mit Sprechen, 16% mit Lesen und nur 9% mit Schreiben. (Vgl. Hedge 2000) Im Hörsaal läuft es gar auf 95-100% der Zeit mit Zuhören hinaus.
Hören und Verstehen Bottom-up oder aufsteigende Hörbahnen Bottom-up-Faktoren bewirken die akustische Analyse von Sprache Die linguistische Analyse geschieht auf der semantischen und syntaktischen Ebene (Stollman, 2003) und ist eine der Top-down- oder übergeordneten Funktionen.
Neben der Sprache selbst führt Bellis (2003) andere Top-down-Faktoren an, wie Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Überwachungsfunktionen, die das Hören und die Verarbeitung des Gehörten beeinflussen.
Die unzureichende bottom-up (vom Ohr zum Gehirn) Funktion, also die Störung der akustischen Wahrnehmung, bedingt eine erhebliche Notwendigkeit der Top-down Faktoren, wie Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Konzentration. Diese kognitiven Leistungen, die im Studium eigentlich der inhaltlichen Bearbeitung des Lernstoffes dienen sollen, werden bei unzureichend versorgten Hörbehinderungen schon für die akustische Wahrnehmung stark beansprucht. Daraus kann eine zu Überforderung auf mehreren Ebenen resultieren.
Das Überforderungssyndrom bei hörgeschädigten StudentInnen Dr. med.Roland Zeh, CI-Träger) Kaiserberg-Klinik Chefarzt Fachklinik für Hörstörungen, Tinnitus und Schwindel Am Kaiserberg 8-10 61231 Bad Nauheim Überforderung bedeutet ein Missverhältnis zwischen den eigenen oder von außen gestellten Ansprüchen und den tatsächlich gegebenen Möglichkeiten und Fähigkeiten.
Kommunikative Überforderung = Hörstress • Bei Schwerhörigen kann man sagen, dass die akustischen Signale (im Vergleich zu gut Hörenden) immer nur bruchstückhaft aufgenommen werden, insbesondere bei größeren Entfernungen oder unter Störschallbedingungen. Man ist deshalb kognitiv vor allem damit beschäftigt, erst mal das Gesprochene zu verstehen, für die inhaltliche Weiterverarbeitung der aufgenommenen Informationen stehen nur noch wenige geistige Kapazitäten zur Verfügung. Ein deutlich erhöhter Konzentrationsaufwand bei jeder Form des Zuhörens ist deshalb erforderlich, oft muss der Schwerhörige zusätzliche Informationen über Lippenabsehen, Körpersprache des Gegenübers und nonverbale Kommunikation mit einbeziehen.
Da trotz Nutzung aller zur Verfügung stehenden Informationskanäle meist noch kein vollständiges Verstehen ermöglicht wird, müssen die entstandenen Lücken über Kombinieren aus dem Sinnzusammenhang geschlossen werden. All dies bedeutet einen erheblichen zusätzlichen kognitiven und konzentrativen Aufwand, ich bezeichne dies als "Hörstress". Der permanente Hörstress führt beim Schwerhörigen zu einer vorzeitigen Erschöpfung, einer vegetativen Aktivierung und nach und nach zu einem Verlust der Entspannungsfähigkeit, d.h. man kann sich dann auch in der Freizeit nicht mehr entspannen und erholen. Natürlich ist das Ausmaß des Hörstress abhängig von der konkreten Situation, also vor allem vom Störschallpegel, von der Sprechweise des Gesprächspartners und von den eigenen kommunikativen Fähigkeiten.
2. Fachliche Überforderung Fachliche Überforderung hat primär nichts mit einer Hörschädigung zu tun. In Verbindung mit dem oben erwähnten Problem des Hörstress muss jedoch berücksichtigt werden, dass weniger geistige Kapazitäten zur Verfügung stehen, um die aufgenommenen Informationen auch inhaltlich schnell und korrekt einzuordnen und weiter zu verarbeiten. Unabhängig davon ist es normal, dass jeder Student und auch jeder Berufstätige immer wieder in Situationen kommt, wo man sich fachlich überfordert fühlt. Dies führt zu Angst und innerer Anspannung, was wiederum die Aufnahmefähigkeit für neue Informationen erheblich einschränkt. Bei einer Hörschädigung wirkt sich dies automatisch wieder auf die Kommunikation aus. Wohl jeder Schwerhörige und Gehörlose kennt die Situation, dass man schlechter versteht, wenn man unter Angst und Anspannung steht. Man kommt dann schnell in einen Teufelskreis von fachlicher Überforderung - Versagensangst - schlechterem Verstehen - Zunahme der Informationsdefizite - Zunahme der fachlichen Überforderung.
3. Psychische Überforderung Eine psychische Überforderung kann sich allein schon aus der o.g. kommunikativen und fachlichen Überforderung ergeben, wenn Versagensängste auftauchen und in dem o.g. Teufelskreis von Ängsten - verminderter kommunikativer Aufnahmefähigkeit - fachlicher Überforderung münden.
Eine psychische Problematik kann jedoch auch noch auf einer ganz anderen Ebene bestehen: Eine Hörschädigung ist in unserer Gesellschaft mit einer ausgeprägten Stigmatisierung behaftet. Schwerhörige und Gehörlose werden oft nicht für voll genommen. Wenn ich während meines Studiums um eine besondere Unterstützung bitten musste, z.B. das Tragen des Mikrofons für die Mikroport-Anlage, so begegnete ich häufig Unverständnis nach dem Motto "Warum muss der auch ausgerechnet Medizin studieren". Das selbe gilt auch heute noch z.B. bei Fortbildungen. Ich habe oft das Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen, ja sogar beweisen zu müssen, dass ich das kann. Den Chefarzt möchte man mir auch nicht so recht abnehmen, wenn ich mich irgendwo vorstelle.
„Ich denke, das geht vielen von Ihnen genauso. Dieses "Nicht-für- voll-genommen-Werden" bedeutet für die Betroffenen eine erhebliche narzißtische Kränkung, also eine Verletzung des eigenen Selbstbildes. Daraus resultiert dann eine innere Wut, die in irgendeiner Form kanalisiert werden muss. Da Wut eine sozial unerwünschte Reaktion ist und sehr viele Menschen dazu erzogen worden sind, die Wut nicht nach außen zu tragen (Wut gehört sich nicht für einen zivilisierten Menschen), wird die Wut nach innen verarbeitet, entweder in Form einer Depression oder in Form von psychosomatischen Erkrankungen. Depressionen und psychosomatische Erkrankungen können somit verstanden werden als unterdrückte Aggressionen und innere Wut auf Vorgänge und Lebensereignisse, für die die Betreffenden keine adäquaten Bewältigungsmöglichkeiten mehr finden können.“
In diesem Zusammenhang muss auch der chronische Tinnitus erwähnt werden. Fast alle Hörgeschädigten haben ständig oder latent Tinnitus. Ob der Tinnitus bewältigt werden kann oder als störend empfunden wird, hängt entscheidend von der subjektiven Bewertung und der emotionalen Situation ab. Bei einer bestehenden Überforderung, egal ob kommunikativ, fachlich oder psychisch, tritt der Tinnitus immer störender in den Vordergrund und führt seinerseits zu erheblichen psychosozialen Folgen
Burn-out-Syndrom Die verschiedenen Formen der Überforderung können unabhängig voneinander gleichzeitig bestehen oder aufeinander aufbauen. So kann es z.B. sein, dass sich aufgrund einer kommunikativen Überforderung eine fachliche Überforderung einstellt und dann, wenn der Druck zu groß wird, auch eine psychische Überforderung.
Der hier von Herrn Dr. Zeh sehr anschauliche beschriebene Prozess betrifft nicht nur hörbehinderte Studenten. In sehr ähnlicher Weise sind auch sehbehinderte Personen betroffen und ebenso führt jede andere Form der Beeinträchtigung dazu, dass die persönlichen Ressourcen durch die nötigen Kompensationsmechanismen verknappt sind und weniger Kapazitäten für das Studium verbleiben.
Diese Folgen gefährden massiv die Erfolgsaussichten des Studiums und müssen deswegen möglichst präventiv abgewendet werden. Der „einfachste“ Weg führt über die adäquate Versorgung mit den nötigen Hilfsmitteln. Einfach habe ich bewusst in Anführungsstriche gesetzt, weil es zwar technisch gut möglich ist, aber die Finanzierung alles andere als einfach ist. Bei dem Begriff Barrierefreiheit sind die Barrieren für Menschen mit Hörbehinderung immer noch nicht ausreichend im Bewusstsein von Entscheidungsträgern verankert.
Fazit Hövermögen von entscheidender Bedeutung für Wissensaufnahme und – wiedergabe!! Beim Hörbehinderten wirkt sich der Hörstress auf seine Studienleistungen negativ aus; deswegen benötigt er bestmögliche Unterstützungen für bessere Kommunikation.
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Definitionen und Ursachen von Hörbehinderungen • NICHT sichtbar!!: die Uni (und ihre Räumlichkeiten) ist ungehindert aufsuchbar, aber nicht (akustisch) aufnehmbar • (leicht, mittel, hochgradig) schwerhörig • gehörlos • ertaubt
Versorgung von Hörbehinderungen • Hörgeräte • Cochlea Implantate • Hirnstamm Implantate • Telekommunikation: Telefonverstärker, Schreibtelefon, Faxgerät, email, SMS, TeSS • Spracherkennungssoftware • Signalanlagen
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Der Hörsaal: gestern, heute – und vielleicht bald in Bielefeld? ?
Moderne Individuelle Unterstützung • Tragbare FM-Anlage > Informieren Sie den Dozenten vorher! • Elektronisches Stethoskop • Gebärdensprachdolmetscher • Mitschreibkraft
Wo bekomme ich finanzielle Unterstützungen für die benötigte Technik? • Hier sollen nur die Hauptverantwortlichen erwähnt werden • 1.Krankenkasse • Für die Finanzierung von Hörgeräten, die über den Festbetrag hinaus gehen • 2. Überörtliche Sozialhilfeträger • 3. Universitäten
Übersicht • Warum ist unverkrampftes Verstehen so wichtig? • Zur Physiologie des Hörorgans • Schlecht Hören und Gut Studieren – gelingt das in HÖRsälen? • Technische Unterstützungen • Das ewige Thema: Monetäres… • Ausblick und Forderungen
Kostenträger Krankenkasse Anspruchsgrundlagen: §§ 13 (3), 25, 33, 36 SGB V Voraussetzung ist stets, dass der oder die Betroffene zunächst ernsthaft (aber erfolglos) versucht, "mittels Festbetragsgerät eine ausreichende Versorgung zu erlangen".
Ein paar Lichtblicke am Horizont Sozialgericht Hamburg (Urteil vom 6. Mai 2004, S 32 KR 666/01)Eine Studentin hat im Jahr 2000 über den Festbetrag hinaus 2.048,13 Euro für digitale Hörsysteme erstritten. Sozialgericht Dresden (Urteil vom 2. Juni 2005, S 18 KR 210/02)Ein schwerhöriger Student erstritt eine vollständige Kostenübernahme über den Festbetrag hinaus. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen(Urteil vom 15. Juni 2005, L 4 KR 147/03)Eine Schülerin hat über den Festbetrag hinaus 2.914,36 Euro für digitale Hörsysteme erstritten
Leider führt bei der Versorgung mit Hörgeräten über den Festbetrag hinaus kaum ein Weg an einem Gerichtsverfahren vorbei. Deshalb empfiehlt sich die Vorbereitung von langer Hand mit Hilfe von Fachleuten. Ohne genauere Kenntnisse über sinnvolle Antragsbegründungen und der Fallstricke die sich ergeben können ist das Verfahren fast aussichtslos. Wichtig sind auf den Einzelfall bezogene sinnvolle Begründungen, da die Gerichtsurteile keiner klaren Linie folgen. In einem Urteil heißt es beispielsweise dass die Bewilligung erfolgt, weil die Hörgeräte nicht nur für das Studium notwendig sind, sondern auch im Alltag von Bedeutung sind. In einem anderen Urteil wird die Zahlung bewilligt weil die hochwertigeren Hörgeräte für einen erfolgreichen Abschluss des Studiums notwendig sind. Hilfestellungen bei diesen Problemen können die Beratungsstellen des DSB leisten.
2. Überörtliche Sozialhilfeträger • Ähnliche Schwierigkeiten erwarten einen wenn man eine FM-Anlage benötigt, da die wenigsten Hörsäle und Seminarräume mit fest installierten Anlagen ausgestattet sind.
Hier in Auszügen der reale Fall einer mir persönlich bekannten Studentin der Sonderpädagogik, die mir ihre Geschichte zur Verfügung gestellt hat. Besten Dank dafür! Geschichte von A. Studentin Sonderpädagogik Der zuständige Landschaftsverband versuchte erst die Kosten auf die Krankenkasse abzuschieben mit Hinweis auf ein Gerichtsurteil, wobei es dabei um ein minderjähriges schulpflichtiges Kind ging. Das Gerangel des Landschaftsverbandes mit der Krankenkasse zog sich insgesamt 2 Jahre hin. Die letztendliche Bewilligung erfolgt als Leihgabe und das Gerät muss nach Beendigung des Studiums zurück gegeben werden.
So lange (2 Jahre) kann natürlich keiner warten! 2 mögliche Notlösungen 1. Microport-Anlagen des Deutschen Studentenwerks. Die Beratungsstelle für behinderte Studienbewerber und Studierende des Deutschen Studentenwerks verleiht auf Nachfrage Mikroport- Anlagen, die hörbehinderte Studierende jeweils ein Jahr lang nutzen können. Information und Beratung: Beratungsstelle für behinderte Studienbewerber und Studierende, Monbijouplatz 11, 10178 Berlin, Telefon: (03 0) 29 77 27 64; Fax: (0 30) 29 77 27 69; Internet: www.studentenwerke.de, E- Mail: studium-behinderung@studentenwerke.de
2. Leihgabe das Akustikers bis zur endgültigen Klärung Diese Version habe ich auch schon von einigen hörbehinderten Studis gehört. Da die Akustiker das Geschäft machen willen, sind Sie in manchen Fällen bereit das Gerät bis zur endgültigen Klärung der Rechtsstreitigkeit zur Verfügung zu stellen. Eine weitere aber riskante Möglichkeit ist die Selbstbeschaffung (evt. Auf Kreditbasis) und das Geltendmachen von Erstattungsansprüchen. Dazu Morgen mehr.
Schwierigkeit bei der Abgrenzung der Zuständigkeit • Aus der Broschüre des Studentenwerkes „Behinderung und Studium“ • Wie oben schon erwähnt, ist die Sozialhilfe immer nachrangig. Manchmal sind sich aber die einzelnen Träger nicht einig über die Zuständigkeit. Die Klärung der Zuständigkeit ist aber nicht Aufgabe der Studierenden, sondern muss zwischen Krankenkasse, Unfallversicherungsträger oder Versorgungsamt auf der einen und dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe bzw. dem örtlichen Träger der Sozialhilfe auf der anderen Seite in festgelegten Fristen geklärt werden. Die Zusammenarbeit der Reha-Träger ist im § 12 SGB IX gesetzlich geregelt (vgl. Kapitel IV „Finanzierung – Übersicht“).
Organisationen/Verbände • BHSA: Bundesarbeitsgemeinschaft Hörbehinderter Studenten und Absolventen • STUHGS, BIGS, iDeas: lokale Servicestellen an Unis • Ziel: Landesverband der BHSA an der Uni als lokalen Service aufzubauen in einem Kombat weiterer Verbände für entsprechende Behinderungen
Unser Beitrag ist zu Ende… • Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit! Wenn man nicht gut hört, kann einem der Elefant schon einiges husten, ohne dass man es bemerkt ;(