640 likes | 790 Views
Schutzmassnahmen. 3. Kapitel, 2. Abschnitt JStG Art.12-20. Voraussetzungen. Nachdem in Art.11 die Voraussetzungen für Strafen eingeschoben sind, knüpfen die Art.12-20 wieder an Art.10 (Voraussetzungen der Schutzmassnahmen) an und regeln die Schutzmassnahmen im Einzelnen.
E N D
Schutzmassnahmen 3. Kapitel, 2. Abschnitt JStG Art.12-20
Voraussetzungen Nachdem in Art.11 die Voraussetzungen für Strafen eingeschoben sind, knüpfen die Art.12-20 wieder an Art.10 (Voraussetzungen der Schutzmassnahmen) an und regeln die Schutzmassnahmen im Einzelnen. Schutzmassnahmen setzen voraus, dass dem delinquen-ten Verhalten persönliche Probleme zu Grunde liegen. Es kann sich um eine defizitäre Erziehungssituation, eine psychische Fehlentwicklung, ein eingeschliffenes Fehlverhalten, eine Sucht, eine Dissozialität, eine Gefährdung Dritter oder eine andere Symptomatik handeln, die weitere Delinquenz erwarten lassen und mit einer Bestrafung allein nicht zu beheben sind.
Systematischer Vorrang Deswegen ist im systematischen Vorgehen zuerst zu überlegen, ob solche Störungen oder Defizite vorliegen. Wenn dies der Fall ist, kommt in der Regel eine Schutzmassnahme neben der Strafe oder ausnahmsweise allein zur Anwendung. Massnahmen betreffen dennoch nur einen kleinen Anteil aller Verurteilten (ca. 5%), weil bei der Mehrheit der erfassten Jugendlichen keine derartigen Probleme vorliegen.
Merkmale Schutzmassnahmen sind zeitlich nicht im Voraus fest-gelegt, ihre Dauer richtet sich nach dem spezial-präventiven Zweck. Dem entspricht auch, dass sie nachträglich geändert werden können. Die Gesamtdauer kann mehrere Jahre betragen und sich bis zum 22.Lebensjahr erstrecken. Die Schutzmassnahmen sind inhaltlich sehr offen umschrieben. Es lassen sich fast alle fachlich fundierten Interventionen durchführen, die pädagogisch und/oder therapeutisch als sinnvoll erscheinen. Mit dem Erlass des JStG wurden die strafrechtlichen den zivilrechtlichen Schutzmassnahmen angeglichen, aller-dings decken sie sich nicht völlig.
Unterschiedliche Arten Die Schutzmassnahmen lassen sich einerseits unterscheiden in ambulante Massnahmen (Aufsicht, persönliche Betreuung, ambulante Behandlung) und stationäre Massnahmen (offene oder geschlossene Unterbringung, vorsorgliche Unterbringung und Unterbringung zur Beobachtung oder Begutachtung). Andererseits kann es sich um erzieherische Massnahmen oder Behandlungsmassnahmen handeln (die mit einander verbunden werden können).
Ambulante Schutzmassnahmen (1) 1. Art. 12 Aufsicht 1 Besteht Aussicht darauf, dass die Inhaber der elterlichen Sorge oder die Pflegeeltern die erforderlichen Vorkeh-rungen treffen, um eine geeignete erzieherische Betreu-ung oder therapeutische Behandlung des Jugendlichen sicherzustellen, so bestimmt die urteilende Behörde eine geeignete Person oder Stelle, der Einblick und Auskunft zu geben ist. Die urteilende Behörde kann den Eltern Weisungen erteilen. 2 Ist der Jugendliche bevormundet, so darf keine Aufsicht angeordnet werden. 3 Die Aufsicht kann nach Erreichen des Mündigkeitsalters nur mit Einverständnis des Betroffenen angeordnet werden.
Inhalt Die Aufsicht entspricht der Erziehungshilfe aus dem früheren Jugendstrafrecht (Art. 84 und 91 aStGB). Sie ist der zivilrechtlichen Massnahme gemäss Art.307, Abs.3 ZGB angeglichen. Es handelt sich um eine ambulante Massnahme, bei der das bestehende Erziehungs-System durch eine kontrol-lierende, steuernde oder unterstützende Beratung und Begleitung beeinflusst werden soll. Überforderte, aber an sich fähige und kooperationsbereite Eltern sollen durch diese Massnahme gestärkt werden. Nicht zuzustimmen ist der Auffassung von Holderegger[1], wonach die Aufsicht eine reine Kontrollmassnahme sei, die sich in einer passiven Überwachung erschöpfe. Ein solches Verständnis widerspricht den ethischen Grund-sätzen moderner Sozialpädagogik. Schon im alten Ju-gendstrafrecht war die «Aufsicht» im Jahr 1971 des-wegen durch die «Erziehungshilfe» ersetzt worden. [1] Holderegger, S.163
Weisungen Die Aufsicht kann mit Weisungen verbunden werden, die sich an die Eltern richten. Bedauerlicher Weise aus-geschlossen sind aber Weisungen an den Jugendlichen selbst. Die Weisungen können z.B. die Freizeitgestaltung, die Ausbildung, eine Therapie oder die Zusammenarbeit mit der die Aufsicht führenden Person oder Stelle betreffen. Je nachdem, ob Weisungen erlassen werden oder nicht, hat die Schutzmassnahme praktisch ein anderes Gesicht. Deswegen von zwei völlig verschiedenen Massnahmen zu sprechen, wie das Holderegger[1] vorschlägt, geht aber zu weit. Hätte der Gesetzgeber das so regeln wollen, hätte er die Möglichkeit von Weisungen in einem speziellen Artikel oder zumindest in einem besondern Absatz vorgesehen. [1] Holderegger, S.164
Kompetenzen der Aufsicht Die elterliche Sorge wird nicht eingeschränkt. Deshalb können die mit der Durchführung betrauten Personen nicht direkt in die Rechte der Eltern eingreifen. Wenn die Eltern oder Pflegeeltern nicht zur Mit-wirkung bereit sind oder die Weisungen nicht einhalten, sind keine Sanktionen vorgesehen. In einem solchen Fall kann aber statt der Aufsicht eine stärkere Massnahme auch nachträglich eingesetzt werden, z.B. eine persönliche Be-treuung gemäss Art.13.
Person oder Stelle Im Gegensatz zu Art.13 (persönliche Betreuung), wo immer eine Person zu bestimmen ist, kann hier eine Person oder eine Stelle beauftragt werden. Als „Stelle“ kann ein Sozialdienst, eine Amtsvor-mundschaft, eine Familienberatung, eine Insti-tution des Kindsschutzes oder ein psycholo-gischer bzw. ärztlicher Dienst beauftragt werden. Die mit der Aufsicht beauftragten Personen oder Stellen müssen geeignet, d.h. fachlich qualifi-ziert sein.
Keine Aufsicht bei Vormundschaft Keine Aufsicht darf angeordnet werden, wenn eine Vormundschaft besteht. Wenn ein Vormund überfordert ist, so die Überlegung des Gesetzgebers, sollte er ersetzt und nicht durch eine zusätzliche Fachperson ergänzt werden (bei Eltern ist eine Ablösung ja nicht ohne Weiteres möglich). Der Ausschluss bei Bestehen einer Vormundschaft, der auch für Art.13 gilt, wird mit der Gefahr von Kompetenz-Konflikten begründet. Wegelin/Aubert[1] bedauern den Ausschluss, weil die mit dem Vollzug beauftragte Person möglicher Weise speziellere Fachkompetenzen oder mehr Zeit als der Vormund einbringen kann. Zum Beispiel könnte für einen Fussball-Hooligan ein Mit-arbeiter eines Fanprojekts als Aufsicht oder persönliche Betreuung eingesetzt werden. [1] Wegelin/Aubert in Jeanneret et al. S.85
Problematisches Zustimmungserfordernis Missglückt ist die Regelung, wonach die Schutzmass-nahme gemäss Art.12 (ebenso wie die persönliche Betreuung gemäss Art.13, nicht aber die ambulante Behandlung gemäss Art.14) nach Erreichen des Mündigkeitsalters, d.h. nach Vollendung des 18. Lebensjahrs nur im Einverständnis des Betroffenen angeordnet werden kann. Diese Einschränkung steht im Widerspruch zu den Erwachsenenmassnahmen und macht auch bei der direkten Anordnung wenig Sinn, zumal die Einwilligung später widerrufen werden kann. Allerdings gilt das Zustimmungserfordernis nur für die Anordnung der Schutzmassnahme, nicht aber für das Weiterführen einer vorher angeordneten Schutzmass-nahme über das 18. Altersjahr hinaus.
Unlösbare Probleme bei der Unterbringung Zu kaum lösbaren Problemen führt das verlangte Einver-ständnis bei der nachträglichen Anordnung einer Schutz-massnahme im Zusammenhang mit der Entlassung aus einer Unterbringung. Dort ist im Gegensatz zum früheren Jugendstrafrecht keine bedingte Entlassung mehr vor-gesehen, sie wurde ersetzt durch die Änderung der Schutzmassnahme gemäss Art.18. Das bedeutet, dass eine stationäre Schutzmassnahme durch eine ambulante ersetzt wird. In diesen Fällen trifft es meistens zu, dass der zu Entlassende bereits 18 Jahre alt ist. Wenn er nicht einwilligt, kann eine im Sinne der Progression sinnvolle Nachbetreuung nicht sicher-gestellt werden.
Bsp. Familienbegleitung In der Praxis wurde die Aufsicht bisher meist vom Schreibtisch aus geführt. Dass diese Schutzmassnahme aber intensiver wahr-genommen werden kann und dann auch geeignet ist, wesentlich teurere Unterbringungen zu ersetzen, zeigt das Modell der sozialpädagogischen Familienbegleitung: Eine systemisch ausgebildete Fachkraft besucht die Familie regelmässig und nimmt in diesem Rahmen am Familiengeschehen teil, z.B. im Rahmen einer gemeinsam zubereiteten Mahlzeit. Gegenstand einer so verstandenen Einwirkung ist die Familie als System, Adressaten sind sowohl der auffällige Jugendliche als auch die andern Familienmitglieder und ihre wechselseitigen Interaktionen. Der Fachverband Sozialpädagogische Familienbegleitung weist auf seiner Website zahlreiche Organisationen aus, welche die ganze Deutschschweiz abdecken. Eine Familienbegleitung kann auch im Rahmen der Persönlichen Betreuung nach Art.13 angeordnet wer-den. Dies hängt damit zusammen, dass sich die beiden ambulanten Erziehungsmassnahmen (Art.12 und 13) nicht trennscharf von einander abgrenzen lassen.
Ambulante Schutzmassnahmen (2) 2. Art. 13 Persönliche Betreuung 1 Genügt eine Aufsicht nach Artikel 12 nicht, so bestimmt die urteilende Behörde eine geeignete Person, welche die Eltern in ihrer Erziehungs-aufgabe unterstützt und den Jugendlichen persönlich betreut. 2 Die urteilende Behörde kann der mit der Betreuung betrauten Person bestimmte Befugnisse bezüglich der Erziehung, Behandlung und Ausbildung des Jugendlichen übertragen und die elterliche Sorge entsprechend beschränken. Sie kann sie in Abweichung von Artikel 323 Absatz 1 des Zivilgesetzbuches (ZGB) auch mit der Verwaltung des Erwerbseinkommens des Jugendlichen beauftragen. 3 Ist der Jugendliche bevormundet, so darf keine persönliche Betreuung angeordnet werden. 4 Die persönliche Betreuung kann nach Erreichen des Mündigkeitsalters nur mit Einverständnis des Betroffenen angeordnet werden.
Subsidiarität Die persönliche Betreuung lehnt sich an die Erziehungs-Beistandschaft nach Art.308 ZGB an. Voraussetzung ist, dass als Folge einer erzieherischen Mangelsituation eine Gefährdung besteht, welche die Eltern aus eigener Kraft nicht beheben können. Im Verhältnis zu Art.12 ist die persönliche Betreuung subsidiär, es wird ausdrücklich verlangt, dass die Aufsicht nach Art.12 nicht genügt. Das kann darin begründet liegen, dass eine intensivere Betreuung erforderlich scheint, oder dass mit einer ungenügenden Kooperationsbereitschaft der Eltern zu rechnen ist.
Inhalt Im Gegensatz zu Art.12 kann nicht eine Stelle beauftragt werden. Betreuerin oder Betreuer ist eine namentlich bezeichnete Einzel-person, die persönliche Verantwortung für den Jugendlichen trägt. Adressaten der Betreuung sind sowohl die Eltern als auch der Jugendliche. Die Eltern sind verpflichtet, mit der betreuenden Person zusammenzuarbeiten, was faktisch eine Einschränkung der elterlichen Sorge bedeutet. Bei Bedarf kann die elterliche Sorge zusätzlich auch formell beschränkt werden. Der betreuenden Person können in diesem Fall bestimmte Befugnisse erteilt werden, z.B. eine Berufsabklärung zu veranlassen, einen Lehrvertrag abzuschliessen oder für eine medizinische oder psychotherapeutische Behandlung zu sorgen. Ausdrücklich erwähnt ist zudem die Möglichkeit, die Betreuungsperson mit der Lohnverwaltung zu beauftragen, im Gegensatz zu Art.325 ZGB aber nicht mit der Vermögensverwaltung.
Festlegung im Einzelfall Bei der Ernennung wird wie bei der zivilrechtlichen Beistandschaft gemäss Art.308 ZGB im Einzelfall konkret umschrieben, welche Aufgaben die Betreuungsperson wahrzunehmen hat, und über welche Kompetenzen sie verfügt. Je nachdem, ob die Persönliche Betreuung allein ausgesprochen wird, oder ob sie mit besondern Befugnissen verbunden und damit die elterliche Sorge explizit eingeschränkt wird, und ob die Lohnver-waltung zusätzlich oder als einzige Ergänzung angeordnet wird, kann die Schutzmassnahme somit ein ganz unterschiedliches Gesicht erhalten. Entscheidend sind für die konkrete Ausgestaltung die im Einzelfall bestehenden Bedürfnisse und die Einschätzung der elterlichen Motivation und Erziehungskompetenzen.
Handlungsfähigkeit Der Jugendliche ist zum Zusammenwirken mit der Betreuung verpflichtet. Er bleibt aber (beschränkt) handlungsfähig oder im Falle der erwähnten zusätz-lichen Anordnungen beschränkt handlungsunfähig. Weisungen sieht das Gesetz nicht ausdrücklich vor, zum Teil werden solche in der Praxis dennoch angeordnet. Sanktionen für eine ungenügende Zusammenarbeit sind weder für die Eltern noch für den Jugendlichen vorge-sehen, doch kann die Schutzmassnahme gestützt auf Art.18 geändert und notfalls verschärft werden. Ins-besondere können die zusätzlichen Befugnisse und die Lohnverwaltung auch nachträglich angeordnet werden.
Beispiel PIC Eine standardisierte Betreuungsform vermittelt das Programm PIC (Perspektive-Integration-Coaching), das im Kanton Zürich als Projekt institutionalisiert ist[1]. Es geht zurück auf das holländische INSTAP-Konzept und bietet während dreieinhalb Monaten ein intensive Begleitung an, in deren Rahmen die als „Coaches“ bezeichneten Betreuungspersonen 24 Stunden pro Tag erreichbar sind. Ziel ist es die Ressourcen der Betreuten zu fördern und die Jugend-lichen mit Netzwerkarbeit besser zu integrieren. Danach folgt eine einjährige Kontrollphase, in der nur noch vereinzelt Kontakte stattfinden und bei Bedarf kleinere Interventionen erfolgen können. Dieses Vorgehen hat sich bereits in verschiedenen Ländern als erfolgversprechend erwiesen. [1] www.youthfirst.ch
Art.13 Abs.3 und 4 Die zwei im Zusammenhang mit Art.12 bereits behandelten Regeln gelten in gleichem Umfang und mit gleichen problematischen Auswirkungen: Die Schutzmassnahme darf einerseits gemäss Art.13, Abs.3 nicht angeordnet werden, wenn eine Vormundschaft besteht. Der Grund liegt genau so wie bei Art.12, Abs.2 darin, dass allfällige Kompetenz-Konflikte vermieden werden sollen. Andererseits darf die Schutzmassnahme gemäss Art.13, Abs.4 nach Erreichen des Mündigkeitsalters nur im Einverständnis des Betroffenen angeordnet werden. Die im Rahmen von Art.12, Abs.2 und Abs.3 dazu ausge-führte Kritik gilt uneingeschränkt auch hier.
Ambulante Schutzmassnahmen (3) 3. Art. 14 Ambulante Behandlung 1 Leidet der Jugendliche unter psychischen Stö-rungen, ist er in seiner Persönlichkeitsentwick-lung beeinträchtigt oder ist er von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann die urteilende Behörde anordnen, dass er ambulant behandelt wird. 2 Die ambulante Behandlung kann mit der Auf-sicht (Art. 12) oder der persönlichen Betreuung (Art. 13) oder der Unterbringung in einer Er-ziehungseinrichtung (Art. 15 Abs. 1) verbunden werden.
Indikationen Anlass für die Behandlung kann eine psychische Störung, eine Beeinträchtigung der Persönlichkeitsentwicklung oder eine Abhängigkeit sein. Die „psychische Störung“ entspricht der in der Kinder- und Jugendpsychiatrie üblichen Terminologie und wird in der Regel anhand des Klassifikationssystems ICD-10 diagnostiziert. Die „Abhängigkeit“ kann von Suchtstoffen (Alkohol, Drogen oder Medikamente) oder in anderer Weise bestehen; neben stoffgebundenen Abhängigkeiten kommen also auch eine Spielsucht oder eine Fernseh- oder Computer-Abhängigkeit in Betracht. Eine „Abhängigkeit“ bedeutet mehr als eine blosse Gefährdung. Das Bestehen einer Vormundschaft ist bei Art.14 im Ge-gensatz zu Art.12 und 13 kein Hinderungsgrund, und auch das Einverständnis des Über-18-Jährigen ist hier nicht erforderlich.
Unterschied zum früheren Recht Die ambulante Behandlung ersetzt die im alten Jugend-strafrecht (Art.85 und Art.92 aStGB) vorgesehen gewesene „besondere Behandlung“, welche allerdings auch die stationäre Behandlung umfasste: Eine solche wird neu kombiniert mit der Unterbringung angeordnet. Die früher vorgesehene Liste von Krankheits- oder Behinderungs-Zuständen ist ersetzt worden durch allgemeinere Umschreibungen, die weitgehend mit den in Art.63 StGB genannten Voraussetzungen über-einstimmen. Während bei den andern Massnahmen mehrheitlich erzieherische Mangelsituationen im Vordergrund stehen, handelt es sich hier eher um pathologische Defizite oder Fehlentwicklungen.
Bsp. Multisystemische Therapie Ein speziell für sozial auffällige Jugendliche entwickeltes aufsuchendes Behandlungsprogramm ist die Multi-systemische Therapie. Sie wurde ursprünglich an der University of South Carolina entwickelt und danach in mehreren Ländern eingesetzt. In der Schweiz wurde sie zunächst im Kt. TG erfolgreich eingeführt und danach auch an andern Orten (insbe-sondere in den Kantonen AG und BS) übernommen. Die Jugendlichen werden in ihrem häuslichen Umfeld unter Einbezug ihrer Familie, der Schule, des Lehrbetriebs und des gesamten sozialen Umfelds (Nachbarn, Kollegen) nach den Grundsätzen des lizenzierten MST-Konzepts intensiv behandelt. Das Konzept verbindet verhaltens-therapeutische und systemische Grundsätze. MST hat sich weltweit als wirksame Therapieform für Jugendliche mit einem gestörten Sozialverhalten erwiesen[1]. [1] Fürstenau/Rhiner: Multisystemische Therapie, SchweizMedForum 2009, S.17 f.
Verwandte Beispiele ISI – Aufsuchende Familienarbeit (angeboten vom Institut forio TG): Im Gegensatz zur sozialpäda-gogischen Familienbegleitung nicht sozialpäda-gogisch, sondern therapeutisch ausgerichtet. Ziel: Elternkompetenzen fördern. Systemischer Ansatz. KOFA – Kompetenzorientierte Familienarbeit (stammt aus Holland, angeboten vom Institut kompetenzhoch3 BE): Ebenfalls aufsuchende Therapie. Module sind in Phasen eingeteilt, in denen mit unterschiedlichen Instrumenten gearbeitet wird.
Begutachtung? Gemäss Art.9, Abs.3 ist eine medizinische (psychiatrische) oder psychologische Begutachtung anzuordnen, wenn ernsthafter Anlass besteht, an der physischen oder psychischen Gesundheit des Jugendlichen zu zweifeln (oder wenn die Unterbringung zur Behandlung einer psychischen Störung oder eine geschlossene Unterbringung angezeigt sind). Die Aufzählung der Gründe für eine Begutachtung ist an sich ab-schliessend, doch stellt sich die Frage, ob nicht die erste Indikation in den meisten Fällen erfüllt ist, in denen eine ambulante Behand-lung erwogen wird. Zumindest dürfte es in dieser Situation regel-mässig angebracht sein, psychologischen oder psychiatrischen Sachverstand einzuholen, um die Diagnose abzusichern und die Behandlungsaussichten und –möglichkeiten abzuklären. Doch muss in eindeutigen Fällen nicht die aufwändige, teure und lang dauernde Begutachtung durchgeführt werden. Die fachliche Stellungsnahme kann auch in Form eines Berichts oder eines Kurzgutachtens abgegeben werden.
Kombinationsmöglichkeiten In vielen Fällen, wo eine ambulante Behandlung ange-ordnet wird, sind auch die Voraussetzungen für eine Erziehungsmassnahme erfüllt. Deshalb wird die ambulante Behandlung häufig mit einer Erziehungs-massnahme verbunden. Im Rahmen der Erziehungs-massnahme kann dann die motivierende und beglei-tende Hilfe geleistet werden, die für den Erfolg von Behandlungen oft ausschlaggebend ist. Die Behandlung wird deshalb häufig neben einer ambu-lanten Schutzmassnahme gemäss Art.12 oder Art.13 angeordnet, oder auch neben der Unterbringung in einer Erziehungseinrichtung nach Art.15. Eine Kombination kann gestützt auf Art.18 bei Bedarf auch nachträglich angeordnet werden.
Defizite im stationären Bereich Zu wenig Plätze stehen in der Schweiz für die stationäre Behandlung von Jugendlichen zur Verfügung, die an schweren psychischen Stö-rungen leiden, mit denen Erziehungsheime überfordert sind. In der Forensischen Abteilung der UPK Basel ist 2011 erstmals eine psychiatrisch geleitete Jugendabteilung eröffnet worden. Zudem kann die Modellstation Somosa in Winterthur Jugend-liche mit weniger ausgeprägten Störungen psychiatrisch betreuen.
Überwachung der Behandlung Sehr wichtig ist die Überwachung der ambulanten Behandlung: Art.17 regelt die Kontrolle der Massnahmen zwar allgemein, doch ist im ambulanten Bereich eine besondere Wachsamkeit angebracht. Die Überwachung bezieht sich nicht auf die in einer Therapie bespro-chenen Inhalte, sondern darauf, ob die Therapie im angeordneten Rahmen stattfindet und Erfolg verspricht. In der Vergangenheit scheiterten viele ambulante Behandlungen daran, dass sie nach einiger Zeit abgebrochen wurden. Patienten entzogen sich der Behandlung, indem sie nicht mehr erschienen. Therapeuten erstatteten keine Meldung, weil sie sich nicht bewusst waren, dass sie ein doppeltes Mandat wahrzunehmen hatten. Bei einer angeord-neten Behandlung ist der Therapeut nämlich nicht nur dem Patien-ten, sondern auch der anordnenden Behörde verantwortlich. Die Vollzugsbehörde muss deshalb dafür sorgen, dass die Melde-pflichten klar geregelt sind und überwacht werden. Auch die Jugendlichen und ihre Eltern müssen darüber informiert sein, dass ein einseitiger Abbruch der Behandlung Konsequenzen hat.
Stationäre Schutzmassnahmen (1) 1. Art. 15 Abs.1: Offene Unterbringung 1 Kann die notwendige Erziehung und Behand-lung des Jugendlichen nicht anders sicher-gestellt werden, so ordnet die urteilende Behörde die Unterbringung an. Diese erfolgt namentlich bei Privatpersonen oder in Erziehungs- oder Behandlungseinrichtungen, die in der Lage sind, die erforderliche erzieherische oder therapeutische Hilfe zu leisten.
Unterbringung als ultima ratio Die zuvor behandelten ambulanten Massnahmen gehen von der Grundidee aus, dass Probleme und Fehlentwicklungen möglichst dort angegangen werden sollen, wo sie entstanden sind, weil die Auseinandersetzung mit Schwierigkeiten innerhalb der vertrauten Umgebung meist nachhaltiger wirkt. Die Herausnahme von Jugendlichen aus dem Familiensystem wird heute viel kritischer beurteilt, als das im Rahmen der Kinderretter-Bewegung des frühen 20. Jahrhunderts der Fall war. Damals herrschte der Glaube vor, gefährdeten Jugendlichen sei am besten damit geholfen, dass sie ihrer defizitären Umgebung entrissen und in der heilen Welt eines Heims einer geordneten Erziehung zuge-führt würden. Heute wird demgegenüber die Fremdplatzierung als ultima ratio verstanden. Zu dieser veränderten Einschätzung haben auch die hohen Kosten beigetragen.
Anwendungsbeispiele Trotz der grundsätzlichen Skepsis gibt es immer wieder Situationen, wo eine Unterbringung unvermeidlich ist. Beispiele sind Fälle, wo die Eltern hoffnungslos überfordert sind, wo sie selbst ein Kind gefährden (durch Gewalt, durch sexuelle Übergriffe, durch Vernachlässigung), wo das Sozialverhalten eines Jugendlichen derart gestört ist, dass laufend neue Probleme entstehen, wo eine verfestigte Ausweich- oder Fortlauf-Symptomatik vor-liegt, wo zu einer Subkultur (z.B. Drogenszene, extreme politische Gruppierung) Distanz hergestellt werden muss, oder wo das Verhalten eines Jugendlichen Dritte gefährdet.
Platzierung meist im Heim Unterbringung bedeutet, dass Jugendliche aus ihrer bis-herigen Umgebung herausgenommen und an einem andern Aufenthaltsort platziert werden. Im Gegensatz zum früheren Jugendstrafrecht (Art.84 resp.91 aStGB) wird nicht mehr zwischen Familien- und Heimunter-bringung unterschieden. Die meisten Unterbringungen werden heute in Erziehungs-, Jugend- oder Schulheimen vollzogen. Vor allem in der deutschen Schweiz besteht ein dichtes Netz von sozial-pädagogischen Einrichtungen, die auch über fundierte therapeutische Angebote verfügen. Die Heime unterstehen nicht der Strafjustiz, sie nehmen sowohl zivil- als auch strafrechtlich eingewiesene Ju-gendliche auf und werden oft von gemeinnützigen Stiftungen oder Vereinen geführt.
Andere Platzierungen sind eher selten Die in Art.15 erwähnte Unterbringung „bei Privatpersonen“ ist die Ausnahme. Platzierungen in natürlichen Familien kommen nur noch selten vor, am ehesten auf Bauern-höfen (und dann eher für kürzere Zeit im Sinne eines time outs). Die Unterbringung bei Privatpersonen“ kann aber auch in einer Ersatzfamilie erfolgen, wo fachlich ausgebildete Erziehungspersonen einzelne Untergebrachte in einer künstlich zusammengesetzten Familie betreuen. In Frage kommen zudem auch eine therapeutische oder sozialpädagogische Wohngemeinschaft, ein Behinder-tenheim, ein Lehrlingsheim oder ein Schulschiff.
Wahl des Unterbringungsorts Massgeblich für die Wahl des Unterbringungs-Orts sind die Bedürfnisse der unterzubringenden Person und die darauf bezogene Eignung des Pflegeplatzes. Das Gesetz sieht im Gegensatz zum früheren Ju-gendstrafrecht keine unterschiedlichen Heim-typen mehr vor, entscheidend für die Zuteilung ist vielmehr, dass am Unterbringungs-Ort die im Einzelfall „erforderliche erzieherische oder thera-peutische Hilfe“ geleistet werden kann. Ein Verzeichnis der anerkannten Heime führt das Bundesamt für Justiz[1]: Erziehungseinrichtun-gen für Kinder und Jugendliche, „Justizheime“). [1] www.bj.admin.ch
Stationäre Schutzmassnahmen (2) 2. Geschlossene Unterbringung, Art.15 Abs.2 2 Die urteilende Behörde darf die Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung nur anordnen, wenn sie: a. für den persönlichen Schutz oder für die Behandlung der psychischen Störung des Jugendlichen unumgänglich ist; oder b. für den Schutz Dritter vor schwer wiegender Gefährdung durch den Jugendlichen notwendig ist.
Begutachtungserfordernis Art.15 Abs.3 Vor der Unterbringung zur Behandlung einer psychischen Störung in einer offenen Einrichtung oder vor der Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung ordnet die urteilende Behörde eine medizinische oder psychologische Begutachtung an, falls diese nicht bereits auf Grund von Artikel 9 Absatz 3 erstellt wurde.
Jugendgericht zuständig Für die Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung gilt gemäss Art.15 Abs.2 eine besondere Zuständigkeit. Sie kann nicht mehr wie früher durch die Vollzugs-behörde verfügt, sondern muss neu von der urteilenden Behörde gemäss Art.34 JStPO, also vom Jugendgericht, angeordnet werden. Das gilt im Grundsatz auch dann, wenn die ge-schlossene Unterbringung erst nachträglich angeordnet wird.
Zuständigkeit in Notsituationen Vorbehalten bleiben Kriseninterventionen in aktuellen Notsituationen, z.B. nach wiederholter Flucht aus dem offenen Heim, wo die geschlossene Unterbringung vorsorglich und ohne vorangehende Begutachtung angeordnet werden muss. Entsprechend dem in Art.5 formulierten Grundsatz kann angenommen werden, das Recht zur vorsorglichen Einweisung stehe in derartigen Notfällen auch der Vollzugsbehörde zu. Allerdings hat diese dann um-gehend die Zustimmung des Gerichts einzuholen, falls die geschlossene Unterbringung länger dauern soll. Denn jede solche Einweisung gilt als geschlossene Unterbringung, wenn sie auf eine längere Dauer angelegt ist.
Geschlossene Unterbringung als Anfangsvollzug Das Erfordernis der gerichtlichen Anordnung muss auch gelten, wenn ein Jugendlicher am Anfang einer offenen Unterbringung längere Zeit ge-schlossen untergebracht werden soll. Ob die Unterbringung eines Jugendlichen in einer geschlossenen Abteilung für die ersten drei Monate eines offenen Heimaufenthalts noch nicht als geschlossene Unterbringung gilt, wie Holderegger annimmt[1], muss deshalb be-zweifelt werden. [1] Holderegger, S.291
Kein Vollzug in Gefängnissen Mit den formellen und materiellen Hürden will das Gesetz sicherstellen, dass die geschlossene Unterbringung absolut ultima ratio bleibt und auch nicht zu diszipli-narischen Zwecken missbraucht werden kann. In diesem Sinn hat das Bundesgericht in einem unver-öffentlichten Entscheid vom 12.5.2006[1] festgehalten, dass die Unterbringung, selbst wenn eine erhebliche Fremdgefährlichkeit besteht, nicht über längere Zeit in einem Gefängnis vollzogen werden darf. Der Entscheid betraf einen jungen Mann, der sich in verschiedenen Heimen als untragbar erwiesen hatte und danach in Bezirksgefängnissen inhaftiert wurde. [1] Urteil 6A_20/2006 vom 12.5.06
Vollzugsfragen bei Unterbringung, Art.16 Für den Vollzug aller Unterbringungen, also so-wohl im offenen wie im geschlossenen Rahmen, aber nur für diese, gilt der Art.16, der drei ganz unterschiedliche Vollzugsfragen regelt. Die drei Absätze von Art.16 haben keinen innern Zusammenhang. In den Art.17-20 folgen danach Vollzugsregeln, die für alle Schutzmassnahmen gelten.
Recht auf persönlichen Verkehr,Art.16 Abs.1 Da die elterliche Sorge während der Unterbringung in der Regel nicht entzogen, sondern nur die Obhut auf-gehoben ist, hat die Vollzugsbehörde dafür zu sorgen, dass die Eltern ihren Anspruch auf persönlichen Verkehr wahrnehmen können. Aufgehoben oder beschränkt werden darf das Besuchs-recht nur unter den Bedingungen von Art.274, Abs.2 ZGB, namentlich wenn das Kindswohl durch den per-sönlichen Kontakt gefährdet wird. Das ZGB nennt in der genannten Bestimmung die Beispiele, dass die Eltern den Kontakt pflichtwidrig ausüben, oder sich nicht ernsthaft um das Kind gekümmert haben, doch kommen auch „andere wichtige Gründe“ in Betracht. Die Praxis ist allerdings bei der Beurteilung der Sach-verhalte, die zur Verweigerung oder Entziehung des Kontaktanspruchs Anlass geben, sehr restriktiv.
Art. 274 ZGB Schranken 1 Der Vater und die Mutter haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Aufgabe der erziehenden Person erschwert. 2 Wird das Wohl des Kindes durch den persönlichen Verkehr gefährdet, üben die Eltern ihn pflichtwidrig aus, haben sie sich nicht ernsthaft um das Kind gekümmert oder liegen andere wichtige Gründe vor, so kann ihnen das Recht auf persönlichen Verkehr verweigert oder entzogen werden.
Disziplinarstrafen, Art.16 Abs.2 In Erziehungseinrichtungen gibt es überall Hausordnungen. Verstösse gegen die Hausordnung werden mit Disziplinarstrafen geahndet. Die schwerste Disziplinarstrafe ist die Isolation, meist als Arrest bezeichnet. Da die Isolation eine problematische, und für Jugend-liche risikoreiche Sanktion darstellt, darf sie höchstens für eine Dauer von 7 Tagen angeordnet werden. Zudem sollte gegen eine solche Anordnung nach kantonalem Recht ein Rechtsmittel zur Verfügung stehen, mit dem eine gerichtliche In-stanz angerufen werden kann. Das setzt voraus, dass der Ent-scheid schriftlich und begründet erfolgt und eine Rechtsmittel-belehrung enthält. In der Praxis ist das Disziplinarwesen vielfach nur rudimentär geregelt, es fehlt z.B. an einer klaren Umschreibung von Disziplinartatbe-ständen oder an einer eindeutigen Festlegung des Verfahrens. Obwohl der Art.91 StGB, der diese Problematik im Erwach-senenvollzug regelt, gemäss Art.1 nicht anwendbar ist, wäre im Jugendstrafrecht eine ähnliche Bestimmung sinnvoll.
Art. 91 StGB Disziplinarrecht 1 Gegen Gefangene und Eingewiesene, welche in schuldhafter Weise gegen Strafvollzugsvorschriften oder den Vollzugsplan verstossen, können Disziplinarsanktionen verhängt werden. 2 Disziplinarsanktionen sind: a.der Verweis; b.der zeitweise Entzug oder die Beschränkung der Verfügung über Geldmittel, der Freizeitbeschäftigung oder der Aussenkontakte; c.die Busse; sowie d.der Arrest als eine zusätzliche Freiheitsbeschränkung. 3 Die Kantone erlassen für den Straf- und Massnahmenvollzug ein Disziplinarrecht. Dieses umschreibt die Disziplinartatbestände, bestimmt die Sanktionen und deren Zumessung und regelt dasVerfahren.
Disziplinarische Versetzung Nicht geregelt ist die in vielen Einrichtungen praktizierte disziplinarische Versetzung: Dabei wird der Jugendliche nicht in der eigenen Institution mit Arrest bestraft, son-dern aus disziplinarischen Gründen vorübergehend in einer strenger geführten Einrichtung untergebracht. Sofern die Unterbringung dort in einem isolationsähn-lichen Rahmen erfolgt, muss die maximale Frist auch dafür gelten. Soll der bisher in einer offenen Einrichtung untergebrachte Jugendliche dagegen aus Erziehungs- oder Sicherungs-gründen für längere Zeit in einem geschlossenen Heim untergebracht werden, muss das Verfahren eingehalten werden, das bei der Änderung der Massnahme nach Art.18 die gerichtliche Zuständigkeit vorsieht.
Versetzung in Einrichtung für junge Erwachsene, Art.16 Abs.3 Wenn der untergebrachte Jugendliche das 17. Lebensjahr vollendet hat, kann die Unterbringungsmassnahme in einer Einrichtung für junge Erwachsene nach Art.61 StGB vollzogen oder weitergeführt werden. Der Wechsel kann also auch dann erfolgen, wenn der Jugendliche, der zuerst in einem Jugendheim untergebracht ist, erst im Verlauf der Schutzmassnahme 17 Jahre alt wird. Die Verlegung muss nicht ultima ratio sein. Leider hat der Gesetzgeber abgesehen vom Alter keine Gründe für die Verlegung formuliert. Eine Verlegung ist insbesondere dann sinn-voll, wenn die Einrichtung für junge Erwachsene über bessere Ausbildungs- oder Therapie-Möglichkeiten verfügt als das Ju-gendheim. So bieten die Vollzugszentren für junge Erwachsene gute Berufsbildungsmöglichkeiten und spezielle Therapien für gewaltbereite oder drogenabhängige Täter an. Fragwürdig wäre die Verlegung, wenn sie disziplinarischen Charakter hätte oder zu einem Abschieben hoffnungsloser Fälle verkäme.
Bei Versetzung Vollzug nach JStG Eine Ungereimtheit besteht darin, dass für die Versetzung in eine Einrichtung für junge Erwachsene im Gegensatz zu Art.15, Abs.2 nicht die urteilende, sondern die voll-ziehende Behörde zuständig ist, obwohl immerhin in eine Anstalt des Erwachsenenstrafrechts eingewiesen wird. Allerdings bleibt die Unterbringung in der Einrichtung gemäss Art.61 StGB eine Schutzmassnahme des Jugendstrafrechts. Deshalb sind ausschliesslich die Vollzugsbestimmungen des JStG anwendbar, und die Schutzmassnahme endet mit dem 22. Lebensjahr. Ebenso wenig kann eine bedingte Entlassung durch-geführt werden, wie sie in Art.62 StGB für die jungen Erwachsenen ausdrücklich vorgesehen ist.