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DELIR. Plau am See 21 Juli 2010. Delir. Lat. Delirium von lira „Furche“ de-lira „aus der Furche sein“: „Irresein“, „Verwirrtheitszustand“ ätiologisch unspezifisches akutes hirnorganisches Psychosyndrom, wobei es theoretisch um eine vorübergehende und reversible Störung handelt.
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DELIR Plau am See 21 Juli 2010
Delir Lat. Delirium von lira „Furche“ de-lira „aus der Furche sein“: „Irresein“, „Verwirrtheitszustand“ ätiologisch unspezifisches akutes hirnorganisches Psychosyndrom, wobei es theoretisch um eine vorübergehende und reversible Störung handelt
Synonyme Delirantes Syndrom Organisches Psychosyndrom Akuter exogener Reaktionstypus (Karl Bonhöfer 1914) Durchgangssyndrome (Wieck 1961) Körperlich begründbare Psychose Delirium tremens, Delirium nervosum
Symptomen eines Delirs Störung des Bewusstseins und der Aufmerksamkeit Störung der Wahrnehmung (Gedächtnis, Orientierung) Psychomotorische Störungen Halluzinationen Denkstörungen Schlafstörungen Vegetative Symptomatik Akuter Beginn und Fluktuierender Verlauf Nachweis einer organischen Grundlage
Einteilung des Delirs nach psychomotorischer Aktivität Hyperaktives Delir (u.a. Delirium tremens) (ca. 15%) psychomotorische Unruhe, Halluzinationen, Angst, ausgeprägte vegetative Symptomatik Hypoaktives Delir (u.a. Intoxikationen) (ca.25%)scheinbare Bewegungsarmut, kaum Kontaktaufnahme, Halluzinationen und Desorientierung erst durch Anamneseerhebung, kaum vegetative Zeichen Gemischtes Delir (ca. 50%) hyper- und hypoaktive Anteile Delir ohne Veränderung der Psychomotorik
Ursachen des Delirs Neurologische / neurochirurgische Erkrankungen (Blutungen, Tumore, SHT, Epilepsie, Meningitis, Enzephalitis, Migräne, Schlafentzug) Postoperativ Infektionserkrankungen, fieberhafte Erkrankungen Stoffwechselstörungen (Hypoglykämie, Hyperglykämie, Nierenversagen, Leberversagen, Alkalose, Azidose, Hyperthyreose) Medikamente (Medikamenten-induzierte Nebenwirkungen, Medikamentenintoxikationen, Medikamentenentzug) Drogen ( auch Drogenentzug) Hypoxie, Hyperkapnie Malnutrition Trauma Kardiovaskuläre Erkrankungen
Medikamente als Auslöser von Delirien Analgetika (Opiate, Salizylate) Antiarrhythmika (Flecainid, Lidokain; Amiodaron, Digitoxin) Antiasthmatika( Aminophylline) Antibiotika (Aminoglykoside, Cephalosporine, Penizilline, Sulfonamide; Rifampizin, Metronidazol) Antidepressiva Antihistaminika Antihypertensiva (Captopril, Clonidin, Reserpin) Antikonvulsiva (Phenitoin, Valproat, Carbamazepin) Virustatika Cortison Parkinsontherapeutika Sedativa (Barbiturate, Benzodiazepine, Chloralhydrat) Zytostatika (5-florourazil Urologische Antichlionergika
Pathogenese Beteiligung des präfrontalen, posterio-parietalen, temporo-okzipitalen Cortex, anteromedialen Thalamus und Basalganglien Lateralisationsphänomene Neurochemische Veränderungen
Neurochemiche Veränderungen bei Delir Cholinerger Defizit Dopaminerger Überschuss Erhöhte serotoninerge Aktivität Erhöhung der Glutamatfreisetzung Veränderung der GABA- Aktivität
Therapie eines Delirs Neuroleptika (Haldol, Risperidon, Quetiapin, Melperon, Pipamperon) (antidopaminerge Wirkung) Clomethiazol (Distraneurin)(GABA- Aktivierung) Benzodiazepine (Diazepam, Lorazepam, Midazolam) (GABA- Aktivierung) Zentral angreifende α-Rezeptor-Agonisten (Clonidin) Na-Kanalblocker (Carbamazepin)
Alkoholdelir Synonyme: Delirium tremens, Entzugsdelir Eine potenziell lebensbedrohliche akute Folge des chronischen Alkoholismus mit psychotischer und neurovegetativer Symptomatik 3-15% der Alkoholkranken erleiden Delirien 12-23% machen Rezidive durch 15% Letalität des unbehandelnden Delirs 2% Letalität trotz optimaler Therapie
Das Alkoholdelir folgt der jahrelangen Aufnahme von 80-120g reinem Alkohol täglich oder regelmäßigen Alkoholexzessen (sog. Quartaltrinken) Auslöser im Regel ein abrupter Alkoholentzug, auch nur milder Abfall des Alkoholspiegels, selten ein Alkoholexzess
Neurobiologie der Toleranzentwicklung und Entzugssymptomatik Wirkung des Alkohols auf das ZNS: bindet und aktiviert GABA-A-Rezeptor blockiert glutamaterge NMDA Rezeptor Folgen eines plötzlichen Alkoholentzugs: Verzögerte Erholung der GABA-Rezeptoren Entblockung der NMDA-Rezeptoren Verzögert Vermehrung der dopaminergen Rezeptoren Erhöhung der Liquorkonzentrazionen von Noradrenalin und deren Metaboliten
Neurotransmitterimbalance bei Delirium tremens „Noradrenalinansturm“ (vegetative Symptomatik) Dopaminerge Überaktivität im limbischen System (optische Halluzinationen) Verminderte GABA-erge Wirkung und Magnesiummangel (Krampfanfälle) Glutaminerge Überaktivität: Aufmerksamkeitsstörung, Wahnsymtomatik Cholinerge Insuffizienz (kognitive Defizite)
Schweregrade des Delirium tremens Unvollständiges Delir: (Prädelir, Entzugssymptom) leichte vegetative Symptomatik, flüchtige Halluzinationen, Krampfanfälle Vollständiges Delir (Delirium tremens): Bewusstseins-, affektive und Orientierungsstörungen, halluzinatorische Psychose, vegetative Entgleisung Lebensbedrohliches Delir: vollständiges Delir + schwere Komplikationen, schwere Bewusstseinsstörungen
Besonderheiten der Symptomatik bei Delirium tremens Vegetative Symptomatik Optische Halluzinationen (Spinnen, weiße Mäuse, kleine Tiere, „auch Elefanten“) Zönästhesien, taktile Halluzinationen Erhöhte Suggestibilität
Differenzialdiagnosen Medikamentenentzugsdelir, Drogenentzug* Pharmakogene und toxische Psychosen, anticholinerges Syndrom Erkrankungen aus Schizophrenem Formenkreis Alkoholfolgeerkrankungen: Wernicke-Korsakow-Syndrom, Alkoholhalluzinose* Verwirrtheitszustände bei vorbestehender kognitiver Störung oder Demenz Posttraumatische Syndrome* Metabolische (hepatische) oder endokrine (Hyperthyreose) Enzephalopathien* Epileptisches Durchgangssyndrom Entzündliche Erkrankungen*
Komplikationen Interkurrende entzündliche Erkrankungen (Pneumonie, Sepsis) Herzrhythmusstörungen Elektrolytstörungen (cave! Centrale pontine Myelinolyse) Kreislaufschock Hepatisches Koma Niereninsuffizienz Pankreatitis Multiorganversagen Rhabdomyolyse
Therapie Delirium tremens Patienten mit manifesten Entzugssyndromen sind stationär zu behandeln Patienten mit vollständigen Delir- auf der Intensivstation
Vorgehen bei Aufnahme Kontrolle und Stabilisierung der Vitalfunktionen Venöser Zugang, Blutabnahme , ggf. Drogenscreening im Urin Internistzische und neurologische Untersuchung Eigen- und Fremdanamnese Ggf. Vit. B1 i.V. Ggf. Sedierung
Vorgehen im Verlauf Adäquate Überwachung Prolongiertes Delir ohne Notwendigkeit intensivmedizinischer maßnahmen- ggf. Unterbringung und Verlegung auf psychiatrische Station Ggf. Fixierung Flüssigkeit zufuhr (exakte Bilanzierung), Elektrolytenkontrolle (Natrium, Kalium; Magnesium) Vitamin B1- Substitution Regelmäßige Kontrolle der Vitalfunktionen Regelmäßiger Kontrolle des psychopathologischen Befundes
Unvollständiges Alkoholdelir (Entzugssyndrom) klinische Überwachung, Clomethiazol 4*2 Kaps. oder Diazepam 4-6 * 10mg p.o., Dosisreduktion um 10% pro Tag oder Chlordiazepoxid 4-6*15-50mg, Reduktion um 20% /d oder Lorazepam 4-6*1mg p.o., Reduktion um 10%/d
Vollständiges Delir Clometiazol 4-8*2 Kaps. p.o.,Reduktion nach Klinik oder Clometiazol 6-8(12)*2Kaps. und Haldol 3-6*5-10mg p.o.(i.v.) oder Diazepam 6*10mg p.o. und Haldol 3-6*5-10mg p.o.(i.v.) oder Lorazepam 6*1mg p.o. und Haldol 3-6*5-10mg p.o. (i.v.)
Lebensbedrohliches Delir Diazepam 120-240mg i.v. pro Tag und Haloperidol 3-6*5-10mg i.v. Midazolam bis 20mg/St und Haloperidol 3-6*5-10mg i.v. Fakultativ zusätzlich Clonidin initial 0,025mg/St
Diazepam Vorteile: intravenöse Gabe möglich, erhöht Krampfanfallschwelle, sedierende Wirkung Nachteile: hat eine ähnliche Wirkung auf GABA- Rezeptoren wie Alkohol- Abhängigkeit bleibt bestehen, lange Halbwertzeit (ggf. Lorazepam verordnen)
Haldol • Vorteile: intravenöse Gabe möglich • Nachteile: proarrhythmogene Wirkung, EPMS, erniedrigt der Krampfanfallschwelle • Bei einem Delir sollte keine Monotherapie mit Haldol durchgeführt werden, sondern Kombination z. B. mit Benzodiazepine oder mit Clomethiazol
Clomethiazol Vorteile: sedierende, vegetativ stabilisierend, antikonvulsiv und anxiolytisch wirksam Nachteile: Bronchorrhö (kontraindiziert bei Lungenerkrankungen, Atemdepression, Kreislaufhypotonie, parenterale Applikation nicht mehr verfügbar, Abhängigkeitspotenzial (niemals im ambulanten Bereich verordnen)
Durchgangssyndrom Zeitlich begrenzte und zugleich reversible organische Psychose Synonymen: Funktionspsychose, postoperativer Delirium (Chirurgie) Deutlich häufiger bei älteren Menschen
Ursachen Die Ursachen sind vielfältig: Elekrolytverschiebungen, folgen der Narkose, Medikamentenintoxikation, Exsikkose Symptomen : meistens 2 Tage nach dem chirurgischen Eingriff (aber nach wenigen Stunden) : Denkstörungen, Gedächtnisstörungen, Halluzinationen, , Schlafstörungen (Albträume), psychomotorische Unruhe (Antriebsarmut), Desorientierung
Verlauf Die Symptome bilden sich innerhalb wenigen Tagen (oder Stunden) zurück Nach Abklingen der Symptomatik retrograde Amnesie
Delir bei älteren Patienten Problematik Bisher selbstständig gelebt Nach Einweisung ins Krankeihaus scheint zukünftige Selbstständigkeit kaum möglich
Delir bei älteren Menschen über 65-jährigen Menschen Ca. 49% der Hospitalisationstage bei ca. 24% bei Eintritt ins Krankenhaus bei ca. 50% der Patienten postoperativ oder während der Hospitalisation Bis 76% Mortalitätsrate
Häufigste Ursachen eines Delir bei älteren Patienten 1. Medikamente: Neuroleptika, Antiparkinsonmedikamente, Antidepressiva, Antikonvulsiva, Sedativa, urologische Anticholinergika, Steroide, Digitoxin, Furosemid, Theophyllin 2. Entzug Benzodiazepine, Alkohol (Problem mit alten Junkies?) 3.Metabolische Störungen: Exsikkose, Elektrolytenstörungen, Leber- und Niereninsuffizienz, Anämien, Hyperthyreose 4. Infektionen v.a. Harnwegsinfektion, Elektrolytenstörungen 5. Kardiopulmonale Erkrankungen 6. Seh- und Hörstörungen*
Besonderheiten nichtmedikamentöser Therapie Strukturierter Tagesablauf Reizabschirmung Stabilisierung sensorische Defizite Einbezug der Angehörigen Wenn möglich Bezugspersonen schaffen
Medikamentöse Therapie bei älteren Menschen Haldol als einziges in randomisierten kontrollierten Studien untersucht, deshalb Medikament erster Wahl (einziges zugelassene Medikament zur Behandlung organisch bedingten Psychosen in der Gerontologie) Tropfen 2mg/ml, 1 Amp. 5mg/ml Max Wirkung ab 3-6 mg/d EPMS ab 3mg/d Cave! Proarrhythmogene Wirkung
Medikamentöse Therapie bei älteren Menschen 2. Wahl Risperdal 3. Wahl Seroquel (1. Wahl bei M. Parkinson, Lewi Body Demenz) Cave! RR- Abfall, sedierend
Prognose eines Delirs Theoretisch Reversibilität der Symptome, diese ist dann gegeben, wenn die zentrale Funktionsstörung nicht auch zu strukturellen Läsionen im ZNS geführt hat
Kasuistik 1 Frau B. , geb. 1930 Vor Aufnahme lebte mit ihrem Lebenspartner, selbstständig im ADL Bei der Aufnahme voll orientiert, dezente psychomotorische Verlangsamung, sonst psychopathologisch ohne weitgehende Besonderheiten Bisherige Therapie: Simvastatin, Ramiprol, Ibuhexal.
Kasuistik 1 Am 15.06.10 Op. Wegen Spinalkanalstenose Am 16.06.10 Verordnung Cotrim forte (HWI), Furosemid (Beinödeme), Tramal (Schmerztherapie) Am 17.06.10 leichte psychomotorische Unruhe, Schlafstörungen Am 17.06.10 zunehmend szenische Halluzinationen, illusionäres verkennen lebhafte Erlebnisse, assoziativ gelockertes Denken, Lögorrhö, Schlaflosigkeit, Personenverkennung, Alpträume
Kasuistik 1. Furosemid, Tramal, Cotrim forte abgesetzt Therapie mit Risperidon 0,5mg 1-0-1, Steigerung bis 1mg 1-0-1 Lorazepam 1mg 1-1-1-1 Nach 2 Tagen Symptome komplett rückläufig, Lorazepam zügig ausschleichend abgesetzt, Risperidon auf 0,75mg/d reduziert 2 Wochen nach Aufnahme Verlegung in die AHB, bei Entlassung lediglich leichte psychomotorische Verlangsamung, auf Ereignisse 18-20.06.10 Amnesie
Kasuistik 2. Hr. K., geb. 1944 Tgl. Konsum 5-6 Bier Aufnahme in die Psychiatrie, da der Patient berichtete , dass seine Frau fremd gehe, auch mit seinem Hausarzt. Sie habe ihn ins Krankenhaus abgeschoben, da sie ihn los haben wolle (Eifersuchtswahn) voll orientiert, psychomotorisch leicht unruhig, sonst psychopathologisch o.B.
Kasuistik 2. Langmonatige Behandlung in der Psychiatrie, Therapieversuche mit Quetiapin, Zyprexa, Risperdal Entlassungsmedikation Risperdal 1mg 1-0-1 Zum Entlassungszeitpunkt noch Eifersuchtswahn