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Betreuung im Tandem und die Betreuungsrichter/Innen. Axel Bauer w. a. Richter am AG Frankfurt/Main. Ausgangslage. 73-75% aller Betreuungen im Bundesgebiet werden zurzeit von ehrenamtlichen Betreuern geführt
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Betreuung im Tandem und die Betreuungsrichter/Innen Axel Bauer w. a. Richter am AG Frankfurt/Main
Ausgangslage • 73-75% aller Betreuungen im Bundesgebiet werden zurzeit von ehrenamtlichen Betreuern geführt • Ca. 75% davon werden ihrerseits von Familienangehörigen geführt, nur 25% von externen Ehrenamtlern • 63% der Betreuungen in Ffm. werden von Ehrenamtlern geführt; größtenteils von Familienangehörigen, selten von externen Ehrenamtlern
Ausgangslage • Refab in Frankfurt/Main hat sich zum Ziel gesetzt, den Anteil von 63% ehrenamtlich geführten Betreuungen zu halten bzw. auszubauen • Betreuung im Tandem (BIT) kann dazu beitragen, mehr Ehrenamtler als bisher als Betreuer einzusetzen und der „Betreuungsindustrie“ entgegenzuwirken
Ausgangslage • Tandembetreuungen werden seit vielen Jahren von vielen Gerichten eingerichtet, vor allem für geistig behinderte Volljährige, deren Elternteile beide gleichzeitig für (in den meisten Fällen) dieselben Aufgabenkreise oder auch vertretungsweise als Haupt- und Vertretungsbetreuer ehrenamtlich bestellt werden. • Vertretungsbetreuungen waren z.B. beim AG Frankfurt/Main bei Berufsbetreuungen vor der Pauschalierung Standard; sie sind nach dem 1.7.2005 seltener geworden
Ausgangslage • Vertretungsbetreuungen sind beim AG Frankfurt/Main auch für ehrenamtliche Betreuer bestellt worden, die sich in Zeiten von Urlaub oder sonstiger Verhinderung durch als Vertretungsbetreuer bestellte Vereinsbetreuer vertreten ließen • Tandembetreuungen sind von einigen Gerichten auch als Tandem von Ehrenamtler und Berufsbetreuer angeordnet worden, meist wohl für unterschiedliche Aufgabenkreise; Berufsbetreuer für Aufgabenkreise, mit denen die Ehrenamtler zunächst jedenfalls überfordert waren, z.B. Rechtsanwalt für Erbrechtsangelegenheit oder Unterhaltssache neben Ehrenamtler für die Gesundheitssorge oder die Aufenthaltsbestimmung.
Ausgangslage • Tandembetreuungen hat es überall auch in der Konstellation der sog. Ergänzungsbetreuung gegeben: Fälle der rechtlichen Verhinderung des (meist ehrenamtlichen) Hauptbetreuers, der z.B. wegen erheblichen Interessengegensatzes in einem bestimmten eng umgrenzten Aufgabenkreis durch einen (meist beruflichen) Ergänzungsbetreuer ersetzt bzw. ergänzt wurde (Fälle der §§ 1792, 1796, 1908 i I 1 BGB)
Ausgangslage • Zwischen BetrG und Betreuungsstelle abgestimmte Anforderungsprofile für Berufs- und ehrenamtliche führbare Betreuungen sind m. E. nach Vorbedingung für Tandembetreuungen von Berufs- und ehrenamtlichen Betreuern
Ausgangslage • These: Die allermeisten Berufsbetreuungen werden ohne neue Betreuerauswahl und ohne weitere Überlegung zur Führbarkeit der Betreuung durch einen Ehrenamtler einfach fortgeführt! Motto: Einmal Berufsbetreuung = immer Berufsbetreuung Gründe: • Unkenntnis der Rechtsprechung des OLG Frankfurt/Main: keine Entlassung des Altbetreuers nach § 1908b BGB, sondern neue Betreuerauswahl bei Betreuungsverlängerung • Rechtspolitisches Signal des Bundesgesetzgebers des 2. BtÄndG ist angekommen: • Mischkalkulation der Berufsbetreuervergütung (Mischung von einfachen und schweren Fällen sei erforderlich)
Vorrang der ehrenamtlichen vor der Berufsbetreuung • § 1897 Absatz 6 BGB; Berufsbetreuer darf nur bestellt werden, wenn geeigneter Ehrenamtler nicht zur Verfügung steht. • Folge: Bei Eignung des Ehrenamtlers darf ein noch besser geeigneter Berufsbetreuer nicht bestellt werden!
Ausschlußkriterien fürs Ehrenamt • Vorrang ehrenamtlicher vor berufsmäßiger Betreuung gilt nicht bedingungslos • In Kooperation von Betreuungsbehörde und Gericht sind Ausschlusskriterien für Betreuungsfälle zu definieren, in denen auch erfahrene ehrenamtliche Betreuer mit der Betreuung überfordert wären. • Teileignungen für das Ehrenamt sind auch hier zu ermitteln (Stichwort: „BIT“)
(Ausschluss-)Kriterien der Btstelle Ffm. aus 1998 für den Einsatz neutraler ehrenamtlicher Betreuer • Zitat des Abdruckes in HK-BUR-Bauer, § 1897 BGB Rz. 34 • Vgl. auch das Anforderungsprofil zur Geeignetheit, Auswahl und Benennung ehrenamtlicher Betreuer der AG örtlicher Betreuungsbehörden in NRW vom 13.März 2007 (vgl. a.a.O., Rz. 34a)
Kriterien der Betreuerauswahl • Entscheidungskriterien des Richters für die Geeignetheit des ehrenamtlichen Betreuers: § 1897 Absatz 1 BGB verlangt: Eignung zur rechtlichen Besorgung der Angelegenheiten des Betreuten im Rahmen des gerichtlich bestimmten Aufgabenkreises Persönliche Betreuung im Umfang, wie er zur rechtlichen Besorgung der Angelegenheiten erforderlich ist Teileignung für einen bestimmten Aufgabenkreis reicht aus (Stichwort Tandembetreuung)
Eignungskriterien • Geschäfts- und Prozessfähigkeit des Betreuers (Betreuer vertritt den Betreuten nach § 1902 BGB gerichtlich und außergerichtlich als gesetzlicher Vertreter) • Fähigkeit zur Organisation rechtlicher und tatsächlicher Hilfen (anwaltliche Beratung, ambulanter Pflegedienst)
Eignungskriterien • Bereitschaft, zur Führung der Betreuung Hilfen und Ratschläge anzunehmen (§ 1901 IV BGB: Betreuer muss Möglichkeiten der Reha nutzen etc.) • Keine symbiotische oder co-süchtige Beziehung zum Betreuten; Fähigkeit zur Reflektion eigener und fremder Interessen • Mindesterfahrung im Umgang mit Einrichtungen und Behörden • Durchsetzungsfähigkeit bei innerfamiliären Konflikten unter Berücksichtigung kultureller/ tradierter Familienstrukturen
Eignungskriterien • Ausreichende deutsche Sprachkenntnisse (sehr strittig und einzelfallabhängig) • KG Berlin (FamRZ 2009, ): Ukrainerin mit rudimentären Deutschkenntnissen ist zur Betreuerin geeignet, wenn sie z.B. im Laufe des Betreuungsverfahrens gezeigt hat, dass sie sich Sprachmittler zu bedienen versteht und auch im Umgang mit Behörden bereits erfolgreich darauf zurückgegriffen hat.
Eignungskriterien • Persönliche Betreuung muss gewährleistet sein, soweit dies zur Rechtsbesorgung der Angelegenheiten erforderlich ist: • Persönliche Kontakte zum Gespräch unter vier Augen müssen zeitnah möglich sein, soweit dies nach § 1901 BGB zu verlangen ist.
Eignungskriterium: Erfüllung der Besprechungspflicht • Vor der Erledigung von für den Betreuten (nicht den Betreuer oder anderen!) wesentlichen Angelegenheiten muss die persönliche Besprechung mit dem Betreuten erfolgen, um seine aktuellen Wünsche und Vorstellungen zu erfahren, § 1901 Abs. 3 Satz 3 BGB!!!
Eignung familienfremder ehrenamtlicher Betreuer • Ausbildung nach dem Hessischen Curriculum für ehrenamtliche Betreuer sollte Standard sein • Unterstützung durch Vereinsbetreuer und Erfahrungsaustausche in Betreuungsvereinen ist von besonderer Bedeutung • Tandem-Betreuungen z.B. im Rahmen des Projektes „BIT“ kann eine ausufernde Berufsbetreuungsindustrie vermeiden und „Teileignungen“ ehrenamtlicher Betreuer stützen und ausbauen
Regelfall der Einzelbetreuung • Im Regelfall soll ein Einzelbetreuer die Betreuung führen • Das soll nach der Regierungsbegründung des BtG 1992 (BT-Drucks.11/4528, S. 130) eine persönliche Betreuung und ein darauf gegründetes Vertrauensverhältnis zwischen Betreuer und Betreutem erleichtern (Motto: „viele Köche verderben den Brei!“
Bestellung mehrerer Betreuer • § 1899 BGB: „die verkannte Norm“ • Absatz 1: Zulässigkeit mehrerer Betreuer, wenn dadurch die Angelegenheiten des Betreuten „besser“ erledigt werden können: Steht ein (teil-)geeigneter ehrenamtlicher Betreuer zur Verfügung, ist er zusammen mit einem anderen geeigneten Ehrenamtler bzw. einem Berufsbetreuer im Tandem zu bestellen. Das folgt im Zweifel bereits aus dem Vorrang der ehrenamtlichen Betreuung und aus dem Vorrang der Bestellung von Familienangehörigen (§ 1897 V und VI BGB); vgl. als Argument für die Zulässigkeit auch § 5 Abs. 5 Satz 2 VBVG!!!
Bestellung mehrerer Betreuer • Dass eine Betreuung eines geistig Behinderten durch beide Elternteile regelmäßig besser zur Erledigung der Angelegenheiten geeignet ist, dürfte ohne weiteres nachvollziehbar sein (Fortsetzung der gemeinsamen elterlichen Sorge). • Dass ein teilgeeigneter ehrenamtlicher Betreuer grundsätzlich auch ein geeigneter Betreuer im Sinne des § 1897 BGB ist, steht außer Frage. Dort wo die Eignung teilweise, d.h.für bestimmte Aufgabenkreise fehlt, muss eben ein weiterer, berufsmäßig oder ehrenamtlich tätiger Mitbetreuer (Tandembetreuer) bestellt werden.
Beispiele mehrerer Betreuer • Fehlende fachliche Rundumeignung eines ehrenamtlichen Betreuers für alle anzuordnenden Aufgabenkreise, wie • Fehlendes juristisches, wirtschaftliches, steuerrechtliches etc. Wissen (zeitlich begrenzte ausländerrechtliche Vertretung eines ausländischen Betreuten) • Fehlender Status z.B. als Rechtsanwalt (z.B. für ein Scheidungsverfahren) • Fehlende Sprachkenntnisse
Beispiele mehrerer Betreuer • Ehrenamtliche Betreuungsperson ist wegen Wohnortferne nur teilgeeignet für einen bestimmten Aufgabenkreis (z.B. Tochter als Bankangestellte für die Vermögenssorge); die Betreuung vor Ort für die „personennahen“ Aufgabenkreise (z.B. die Gesundheitssorge) müssen von einem Tandembetreuer wahrgenommen werden.
Beispiele mehrerer Betreuer • § 1899 Absatz 4 BGB: • Vertretungs- bzw. Verhinderungsbetreuer: • Ehrenamtlicher Hauptbetreuer erhält einen Vereinsbetreuer als Vertretungsbetreuer für den Fall der Urlaubs- oder Krankheitsvertretung
Betreuungsverein als Mitbetreuer • § 1899 in Verbindung mit §§ 1897, 1900 BGB läßt es zu, einen Betreuungsverein als juristische Person zum Mitbetreuer (Tandembetreuer) neben einer natürlichen Person zu bestellen (HK-BUR-Bauer, § 1899 BGB Rz. 35).
Unzulässigkeit der Bestellung mehrerer Berufsbetreuer • § 1899 Absatz 1 Satz 3 BGB verbietet nur die Bestellung mehrerer zu vergütender Berufsbetreuer! (nur zulässig bei Hauptberufsbetreuung und Vertretungsberufsbetreuung oder im Falle der Bestellung eines besonderen Sterilisationsbetreuers neben einem Hauptberufsbetreuer)
Verfahren der Betreuerauswahl • Auf Anforderung des Gerichts schlägt die Btstelle unter Berücksichtigung der mit dem Gericht abgestimmten Kriterien für die Falleignung ehrenamtliche Betreuer aus dem Kreis der Verwandten des Betroffenen oder externe Betreuer vor bzw. überprüft die Eignung der vom Betroffenen vorgeschlagenen Personen • Im Bericht der Btstelle zum Betreuungsbedarf nach § 8 BtBG wird schon zu möglichen ehrenamtlichen Betreuern Stellung genommen
Verfahren der Betreuerauswahl • Der Verfahrenspfleger und ggfls. auch der medizinische Sachverständige nehmen zur Eignung möglicher ehrenamtlicher Betreuer Stellung und prüfen den Betreuervorschlag der Btstelle kritisch • Der Betreuungsrichter erörtert den Betreuervorschlag mit dem Betroffenen abschließend unter Berücksichtigung möglicher Teileignungen ehrenamtlicher Betreuer im Rahmen des „BIT“-Projektes
Übergang Berufs- in die ehrenamtliche Betreuung • BetrG Frankfurt/Main-Stadtmitte fragt regelmäßig bei jeder zu verlängernden Betreuung EDV-gestützt beim Rechtspfleger und Berufsbetreuer ab, ob die Betreuung an Ehrenamtler abgegeben werden kann bzw. ob „BIT“ in Betracht kommt.