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Wie lange sind Stimmungs- schwankungen noch normal?. Andreas Reif AG Bipolare Erkrankungen Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Alles Psycho oder was?.
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Wie lange sind Stimmungs-schwankungen noch normal? Andreas Reif AG Bipolare Erkrankungen Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie
Alles Psycho oder was? • Psychiater (von „psyche“ = „Seele“ und „iatros“ = Arzt) = Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie; Psychiatrie ist die medizinische Teildisziplin, die sich mit der Diagnostik und Behandlung seelischer Erkrankungen befasst. • Psychologe: hat Psychologie (empirische Wissenschaft zur Beschreibung, Erklärung und Vorhersage des Erlebens und Ver-haltens des Menschen) studiert • Psychotherapeut = jeder, der Psychotherapie ausübt: Psychologe mit klinischer Ausbildung oder Psychiater oder Mediziner mit Zusatzausbildung oder Heilpraktiker… • Psychoanalyse: naturwissenschaftlich nicht belegtes Psychotherapieverfahren, durch S. Freud begründet und i.W. auf dessen Theorien gründend • Psychosomatik: die medizinische Disziplin, die sich mit den Wechselbeziehungen zwischen seelischen, körperlichen und sozialen Vorgängen befasst Amor und Psyche, A. Canova (1793)
Ca. 7.000 Mensch alleine in Deutschland – pro Jahr! Vgl.: Autounfälle 4.000, AIDS 650, Mord 400 Schriftsteller: Ernest Hemingway Virginia Woolf Komponisten: Kurt Cobain Robert Schumann Dichter: Heinrich von Kleist Sylvia Plath Georg Trakl Maler: Vincent van Gogh Ernst Kirchner Mark Rothko Nicolas de Stael
Historisches & Begriffsentwicklung • Die Depression • ist mit die am längsten bekannte psychische Erkrankung: „Melancholie“ bereits bei Hippokrates (5. Jhd. v. Chr.), bipolare Erkrankung im 1. Jhd. n. Chr. durch Aretäus • Aristoteles: „ein Übermaß an schwarzer Galle“ • Abgrenzung von schizophrenen Erkrankungen durch Kraepelin • Depression vs. depressives Syndrom Organisch affektive Störungen Schizophrene Psychosen Anpassungsstörungen Persönlichkeitsstörungen ADHD, Suchterkrankungen… Melancholia I, A. Dürer (1514)
Vegetative Probleme und Rhythmus-Probleme Kognitive Störungen Auswirkungen auf das Aktivitätsniveau Unterscheidet sich von den reaktiven depressiven Störungen, deren Ursachen Lebensereignisse sind (Verluste usw.) Syndrom mit Symptomen, die täglich über mindestens 2 Wochen vorhanden sind Die Qualität der Symptome weist Unterschiede auf und führt zu Funktionsbeeinträchtigungen Depression ist vielgestaltig Änderung der Stimmung und der Affekte Hamilton (1985)
Emotional Körperlich Schlüsselsymptome Traurige Stimmung Freudlosigkeit Wertlosigkeit und extreme Schuldgefühle Gedanken an Tod/Suizid Verminderte Denk- oder Konzentrationsfähigkeit Psychomotorische Hemmung oder Agitiertheit Schlafstörungen Gewichtsverlust oder Gewichtszunahme Müdigkeit oder Energieverlust American Psychiatric Association (1994)
Psychische Symptome • Denken, Fühlen, Motivation sind beeinträchtigt • Niedergeschlagenheit • Gefühl der Sinnlosigkeit • Interesselosigkeit • Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit • Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen • Schuldgefühle und Gefühle von Wertlosigkeit • Gefühl der Gefühllosigkeit • Negative und pessimistische Zukunftsperspektiven • Wahnideen • Suizidgedanken
Körperliche Symptome • Gewichtsabnahme, Inappetenz • Schlafstörungen: Durchschlafstörungen, Morgentief • Druck- und Engegefühl im Hals und über der Brust • Schweißausbrüche, Herzklopfen, • chronische Schmerzzustände • Fehlende Libido • Kraftlosigkeit und fehlende Frische, rasche Erschöpfbarkeit
Verändertes Verhalten • Sozialer Rückzug • Psychomotorische Hemmung / Agitiertheit • Veränderte (Körper) - Sprache • Antriebslosigkeit / Apathie • Suizid, Suizidversuche, Suizidankündigungen
Suizidgedanken / Suizidale Handlungen Negative und pessimistische Zukunfts-perspektiven Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen Appetitminderung Gefühl von Schuld und Wertlosigkeit Verminderte Konzentration undAufmerksamkeit Schlafstörungen Haupt- und Nebenkriterien nach ICD-10 Verlust von Interesse u.Freude Depressive Stimmung Verminderter Antrieb
Arten und Verlauf Einzelne depressive Episode (knapp die Hälfte der Betroffenen erlebt nur eine einzelne depressive Phase) Zeit dauerhaft beschwerdefrei • durchschnittl. Dauer einer Episode: 4-8 Monate • Wiedererkrankungsrate > 50 %
Verlauf von depressiven Erkrankungen • Ersterkrankung unipolarer Depressionen zwischen 20. und 40. Lebensjahr, mit breiter Streuung • Verlauf in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle (ca. 75%) phasisch-rezidivierend, in 15-20 % „rapid cycling“ (4 oder mehr Episoden in einem Jahr) • Chronische Depression: ca. 10%, auch als „double depression“ bei Dysthymie mit „Depressivem Residuum“ mit kognitiven Störungen auch im Intervall • Phasendauer insgesamt sehr variabel, durchschnittlich ca. 3-4 Monate. • Suizidrisiko ca. 15 - 20%!
Verschiedene Verläufe depressiver Störungen Schlüssel Bedeutet Depression Einzelne Episode Rezidivierend Rezidivierende Major Depression mit Vollremission zwischen den Episoden Chronischer Verlauf Rezidivierende Depression Chronischer Verlauf Frank et al (1991)
Häufigkeit depressiver Erkrankungen • Bundesgesundheitssurvey 98/99: 4-Wochen Prävalenz: 6,3% • Frauen doppelt so häufig betroffen wie Männer • Erkrankung betrifft alle Altersgruppen ca. 5% Ca. jede 4. Frau und jeder 8. Mann erkranken im Laufe des Lebens an einer Depression
Vergleich der Kosten der Stimmungserkrankungen und anderer Erkrankungen in den USA Geschätzte Anzahl der Menschen, die an einer schwereren Krankheit leiden (Mio.) Krankheit Kosten (Mrd. US$) Kosten im Jahr Affektive Störungen 30-44* 1990 15-25 Koronare Herzkrankheit 43 1987 7 Krebs 104 1987 6 AIDS 66 1987 0,6 *Dies sind Mindestschätzwerte. Greenberg et al (1993); Rice und Miller (1995); Scitovsky et al (1987)
Allgemeinbevölkerung und affektive Störungen • Ungefähr 60-70 % der Erwachsenen in der Allgemeinbevölkerung erkranken einmal in ihrem Leben an so stark ausgeprägter Depression oder Angst, dass ihre Alltagsaktivitäten beeinträchtigt werden. • Bei den meisten Menschen sind diese depressiven Episoden kurz. Eine signifikante Minderzahl leidet jedoch an anhaltenden, schweren psychischen und körperlichen Symptomen. • 40% der Allgemeinbevölkerung geben ein oder mehrere depressive Symptome an. Henderson (1992); Mann (1992)
Depression bleibt häufig unerkannt • Ursachen: • Die Erkrankung Depression wird nicht ernstgenommen • Viele Betroffene erkennen die eigene Depression nicht • Körperliche Symptomatik überdeckt häufig die Depression • Hausärzten fehlen oft Wissen und Zeit, um Depression abzuklären; kein systematisches Screening • “Para-medizinischer Bereich” erkennt Depression nicht (Beratungsstellen, Schulen, Seelsorge etc.)
Depression wird unzureichend behandelt Ursachen: • Viele Betroffene haben Angst, sich in psychiatrische/ psychotherapeutische Behandlung zu begeben • In der Primärversorgung kommen zu häufig ungeeignete Therapien zum Einsatz • Es gibt bei Laien große Vorbehalte gegen Psychopharmaka • Bei „geeigneter“ Medikation: Ein großer Teil der gescheiterten Behandlungen lässt sich auf Anwendungsfehler zurückführen (zu niedrige Dosierung, frühzeitige Absetzung der Medikation etc.) • Es kommt wegen mangelhafter Aufklärung der Patienten zu zahlreichen vorzeitigen Therapieabbrüchen
Ungefähr 5 % dieser Patienten haben eine Major Depression, wie sie in den DSM-III-R-Kriterien definiert ist. Erkennen von Patienten in der Allgemeinpraxis Bei bis zu 50 % der Patienten von Allgemeinärzten können depressive Symptome vorhanden sein. Freeling und Tylee (1992); Regier et al (1988); Vazquez-Barquero et al (1987)
In hausärzt. Behandlung 2,4 - 2,8 Mio. Adäquate Therapie 400.000 Korrekt diagnostiziert 1,2 - 1,4 Mio. 30-35% 60-70% 10% Diagnostisches und therapeutisches Defizit Betroffene Personen in BRD: 4 Mio
Patienten in Allgemeinpraxen und richtig erkannte Depression Welche Klagen bringen Patienten mit einer Depression in der Grundversorgung gewöhnlich vor? • Patienten mit einer Depression klagen oft vorwiegend über körperliche Symptome wie: • Signifikanter Gewichtsverlust oder signifikante Gewichtszunahme • Schlaflosigkeit oder vermehrter Schlaf • Agitiertheit oder Verlangsamung • Müdigkeit oder Energieverlust • Das Vorliegen körperlicher Symptome verringert die Wahrscheinlichkeit, dass die Diagnose durch den Allgemeinarzt richtig gestellt wird. • Viele Patienten mit einer Depression haben auch eine körperliche Erkrankung. Blacker und Clare (1987); Bridges et al (1991); Freeling et al (1985)
Fehleinschätzung als Befindlichkeitsstörung (depressiv deprimiert!) Für die depressive Erkrankung spricht: • Affektstarre • Gefühl der Gefühllosigkeit • Schuldgefühle und Ausmaß an Hoffnungslosigkeit • Tagesschwankungen • Suizidalität • Wahnsymptomatik • Verlauf (oft phasenhaft) • Persönlichkeitsveränderung Sichere Diagnosestellung nur durch Fachkraft möglich (Psychiater oder Psychologe)!
Subtypen • Historische Unterscheidungen: • Reaktive Depression/ depressive Reaktion • Neurotische Depression vs. endogene Depression (Melancholie) • Orientierung an Lebensereignisssen, dem Vorliegen von„somatischen Symptomen“, Vorgeschichte des Patienten und positiver Familienanamnese • Implizites ätiologisches Konzept – oft irreführend! Diese Dichotomie wurde daher aufgegeben (lebt allerdings in Ansätzen im Konzept der „Anpassungsstörung“ weiter)
Subtypen Somatisierte (=larvierte Depression): • vegetative/ funktionelle Organbeschwerden sind im Vordergrund Depression (vordergründig) gering ausgeprägt • Vitalstörungen wie Abgeschlagenheit, Enge- und Schweregefühle • Leibnahe Symptome: Kopfschmerzen, Schwindel, Rücken-, Atem-, Herz-, Magendarm-, Unterleibsbeschwerden Häufig vorstellig bei Allgemein- und Fachärzten! Saisonale Depression: • Depressionen, die regelhaft im Frühjahr und Herbst auftreten (v.a. Melancholie) • Winterdepression: Erkrankung Sept./ Okt., Vollbild Jan./ Feb. mit Lethargie, Hypersomnie, Hyperphagie (oft leichtere Depressionen)
Subtypen Wochenbettdepression (hat nichts zu tun mit „baby blues“): • In den ersten zwei Wochen nach der Geburt • Häufig: 10-15% Involutions-/ Spätdepression (ab 45 J.) • Protrahierte Phasendauer • Hohe Suizidgefahr Altersdepression (ab 60 J.): • Oft mit hirnorganischen Beeinträchtigungen
Frühkindliche Erfahrungen (Persönlichkeitsentwicklung) Lerngeschichtliche Aspekte z.B. Erfahrung von Selbstwirksamkeit Biologisch / genetische Faktoren (Hirnstoffwechsel, Stresshormone) Situative Auslöser: kritische Lebensereignisse, systemische Aspekte, Stress, Ursachen depressiver Erkrankungen Ursachen: Auslöser:
Vulnerabilitäts-Stress-Konzept • Schon vor dem Ausbruch der Erkrankung kommt es durch verschiedene Faktoren zu Veränderungen im Gehirn, die eine "Anfälligkeit" bedingen, aber für sich allein keine Erkrankung auslösen. • Wenn zusätzlich noch bestimmte Stressfaktoren als Belastungselemente auftreten, können diese durch das "anfällige" Gehirn nicht mehr ausglichen werden: es kommt zum Ausbruch der Erkrankung.
Stress verursachende Lebensereignisse Verlust der Arbeit, Umzug, Scheidung usw. Auslösung einer depressiven Reaktion bei einem Individuum: Persönlichkeitszüge Persönlichkeitszüge • Machte sich schon Sorgen bei kleineren Problemen • Schämt sich für Missgeschicke • Pessimistisch in Bezug auf die Zukunft Vulnerabilitätsfaktoren Persönlichkeitszüge können einige Individuen für depressive Symptome vulnerabel machen, wenn sie Stress verursachende Lebensereignisse erleben. Gute Bewältigung durch ein Individuum (“Resilienz”): Ausgeglichen Optimistisch Brown und Harris (1978)
Persönlichkeitsstörung versus Depression Symptom Dauer Störung Plötzlicher Beginn Kurze Dauer Psychische Störung Allmählicher Beginn Lange Dauer Persönlichkeitsstörungen • Wenn ein Individuum plötzlich beginnt, sich auffällig zu verhalten, nachdem es sich vorher "normal" verhalten hat, gilt allgemein, dass meistens eine psychische Störung diagnostiziert wird. • Wenn die Symptomatik im Allgemeinen stabil und anhaltend ist, was bedeutet, dass das pathologische Verhalten bereits mehr als ein Jahr andauert und im tatsächlichen Charakter des Individuums verwurzelt zu sein scheint, wird in der Regel eine Persönlichkeitsstörung diagnostiziert.
Wirksamkeit der antidepressiven Therapien Eine Vielzahl von Studien zeigt: • 60-80% der Betroffenen kann mit einer Behandlung entsprechend gültiger Richtlinien gut geholfen werden. • Leichte und mittelschwere Depressionen: Vergleichbare Wirksamkeit von Psychotherapie und Antidepressiva (längere Wirklatenz bei Psychotherapie) • Schwere und chronische Depressionen: Kombination aus Psycho- und Pharmakotherapie ist wirksamer als Psychotherapie alleine • Phasenprophylaxe sowie Psychotherapie reduzieren das Wiedererkrankungsrisiko • Pflanzliche Mittel (v.a. Johanniskraut) nur bei leichteren depressiven Verstimmungen sinnvoll
dass Antidepressiva die Persönlichkeit verändern 69% dass Antidepressiva abhängig machen 80% Vorurteile und Ängste bezüglich Antidepressiva Bei einer repräsentativen Befragung von 1426 Personen glaubten Zudem: Obwohl Antidepressiva in den meisten Fällen gut verträglich sind, glauben 71% der Befragten, sie hätten starke Nebenwirkungen!! Befragte verwechseln Antidepressiva, Beruhigungsmittel und Antipsychotika!
Psychotherapie (1) Kongitiv-behaviorale Verhaltenstherapie (CBT): • Problem-, Ziel- und Aktionsorientiert: „Stärken stärken, Schwächen schwächen“ • Problem- und Verhaltensanalyse • Wissenschaftlich fundiert und evaluiert (Indikation v. a. Zwangstörung und Angststörungen) • Methoden: • Reizkonfrontationsverfahren (z. B. Flooding) • Biofeedback • Kognitive Therapie (Beck, Ellis) • Selbstbehauptungstraining, Erlernen von Kompetenzen • Dialektisch-behaviorale Therapie
Psychotherapie (2) Tiefenpsychologische Verfahren: • Aufdecken zugrunde liegender Konflikte und darauf basierend Änderung des Patienten • Wissenschaftlich wenig fundiert, Nutzen teilweise evaluiert (Indikation v. a. Persönlichkeitsstörungen) • Methoden: • Psychoanalyse • Psychodynamisch-tiefenpsychologisch fundierte PT Interpersonelle Therapie, klientenzentrierte Psychotherapie Nicht erstattungsfähige Verfahren: Gestalttherapie, katathymes Bilderleben, Urschreitherapie, systemische Therapie…
Pharmakotherapie (1) Psychotrope Substanz = „Substanz, die auf die Psyche des Menschen symptomatisch einwirkt.“ Bsp: Nikotin, THC, Alkohol, Narkosemittel, … Psychopharmakon = „Arzneistoff, der auf die Psyche des Menschen symptomatisch einwirkt und vorwiegend der Behandlung psychischer Störungen und neurologischer Krankheiten dient.“
Wichtigste Medikamente in der Psychiatrie • 1. Beruhigungsmittel / Tranquilizer: • wirken sehr schnell / wichtig für akute Krisen • dämpfen und machen schläfrig • Gewöhnungseffekt und bei längerer Anwendung Suchtgefahr • 2. Antipsychotika: • Bei Psychosen / Schizophrenien unverzichtbar! • „dämpfen“ teilweise die Persönlichkeit • ältere Präparate haben häufigere Nebenwirkungen (vor allem im motorischen Bereich) • 3. Antidepressiva: • keine Veränderung der Persönlichkeit • leichte bis mittlere Nebenwirkungen • keine Dosissteigerung notwendig / keine Suchtgefahr
Pharmakotherapie (2) Grundregeln: • Psychiatrische Pharmakologie erfolgt in der Regel syndrom- und nicht diagnoseorientiert • Psychopharmaka sollten nur zur Behandlung von diagnostizierten Erkrankungen eingesetzt werden • Psychopharmaka (außer Stimulantien und Benzodiazepinen) besitzen kein Abhängigkeitspotential • Psychopharmaka wirken i.d.R. nicht „persönlichkeitsverändernd“ • Erstverschreibung sollte nur durch Facharzt erfolgen • Psychopharmaka wirken zumindest primär i.d.R. über bekannte, definierte neurobiologische Mechanismen
Pharmakotherapie – wer bekommt wie viel? • Gesamtausgaben für Psychopharmaka BRD 2003: 1,41 Mrd. € Quelle: GEK Arzneimittelreport 2004 & 2005
Am häufigsten eingesetzte Antidepressiva • TZA (Tri- und tetrazyklische Antidepressiva) • mögl. Nebenwirkungen: z.B. Blasenentleerungsstörungen, Mundtrockenheit, kognitive Störungen, sexuelle Funktionsstörungen • häufigere Nebenwirkungen zu Beginn der Behandlung, mit der Zeit jedoch abnehmend; bei anhaltenden Beschwerden Umstellung auf verträglicheres Medikament üblich • SSRI (Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) • mögl. z.B. Nebenwirkungen: Übelkeit, innere Unruhe, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, sexuelle Funktionsstörungen • Nebenwirkungsprofil anders als bei TZA
Gründe für eine erfolglose Pharmakotherapie • Angst vor Medikamenten, grundsätzliche Ablehnung • Absetzen des Medikaments nach wenigen Tagen, da anfangs oft nur Nebenwirkungen spürbar sind (Wirklatenz 2-3 Wochen) • Absetzen des Medikaments nach Wirkeintritt; unangenehme Nebenwirkungen verschwinden sofort, antidepressive Wirkung hält meist noch kurz an; dann häufig Rückfall (Antidepressiva sollten mind. 12 Monate eingenommen werden). • Mangelnde Aufklärung der Patienten über die Medikation und fehlende Einbindung der Angehörigen. • Bei wiederkehrenden Depressionen ist eine Dauerbehandlung oft wichtig.
Psychiatrische Therapie: somatische Verfahren • Elektrokonvulsionstherapie (beste Evidenz aller Therapien!) • Repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) und abgeleitete Verfahren • Magnetic seizure therapy (experimentell) • Schlafentzug, Änderung chronobiologischer Rhythmen • Lichttherapie • Vagusnerv-Stimulation • Deep brain stimulation
Unipolar Rezidivierende Depression Bipolar I Bipolar II Dysthymie Zyklothymie Gemischte Zustände Unipolare vs. bipolare Depression Bipolar American Psychiatric Association (1994)
Hypomanie Symptome für mindestens 4 Tage auffallendes Gefühl von Wohlbefinden undkörperlicher und seelischer Leistungsfähigkeit gesteigerte Gesprächigkeit und Geselligkeit, Ablegen von Schüchternheit gehobene Stimmung, erhöhtes Selbstwertgefühl verstärkte Motivation am Arbeitsplatz, verstärkte soziale Aktivitäten Hypomanie Heiterkeit, witzige Einfälle, vermehrtes Lachen schnelleres Denken, mehr Ideen und Pläne gesteigerter Antrieb, vermehrte körperliche Aktivität körperliche Symptome(vermindertes Schlafbedürfnis, gesteigerte Libido)
Die dunkle Seite der Hypomanie unvorsichtiges und riskantes Autofahren Ungeduld vermehrte Geldausgaben Erregbarkeit riskantes Geschäftsverhalten, unüberlegte Investitionen vermehrte Ablenkbarkeit; übermäßige Beschäftigung mit angenehmen Aktivitäten, dadurch Vernachlässigung von Pflichten Hypomanie starker Sexualtrieb: Risiko von Infektionen, von ungewollten Schwangerschaften vermehrter Konsum von Kaffee, Tabak und Alkohol vermehrter Konsum von illegalen Drogen:Risiko von Spätschäden sowie von Abhängigkeit, z.B. von Opiaten
Manie Symptome für mindestens 7 Tage Unruhe, Gereiztheit, Aggression übersteigertes Selbstwertgefühl, maßloser Optimismus Größenideen,Größenwahn ungezügeltes Einkaufen,Verlust sozialer Hemmungen Wahrnehmungsstörungen (z.B. Farben sind besonders leuchtend) Manie erhöhte Redegeschwindigkeit, starker Rededrang starke Ablenkbarkeit Verlust der Urteilsfähigkeit gesteigerte sexuelle Aktivität Ideenflucht und Gedankenrasen Appetitminderung deutlich vermindertes Schlafbedürfnis
Verschiedene Verläufe – Bipolar I- oder II-Störung „Die Manie ist das Feuer der bipolaren Erkrankung, die Depression ist die Asche.“ (A. Koukopoulos)
Mischzustände • Kraepelin: “depressive Manie” • Kriterien sowohl einer Depression als auch einer Manie sind erfüllt • 30 bis 40 % der bipolaren Patienten • Episodendauer länger als bei klassischer Manie • Therapeutische und diagnostische Herausforderung! depressive Episode manische Episode gesteigerter Antrieb Suizidgedanken Gereiztheit Hoffnungslosigkeit Ideenflucht gedrückte Stimmung gemischte Episode
Epidemiologie • Unipolare Depression (im Vergleich) Prävalenz 2-20%, M:F=1:2, medianer Krankheitsbeginn 30. LJ • Bipolar-affektive Erkrankung Prävalenz 0,5-1,5%, M:F=1:1, medianer Krankheitsbeginn 20. – 30. LJ (cave: aufgrund vieler „falsch unipolar“ diagnostizierter Depressionen = sog. „hidden bipolars“ ist hier eine deutlich höhere tatsächliche Prävalenz anzunehmen!) • Morbiditätsrisiko bei Verwandten ersten Grades bipolar unipolar Indexfälle bipolar 8 10-15 Indexfälle unipolar 1-3 7-17