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Wie ist Gesellschaft möglich? Georg Simmel (*1858 in Berlin — †1918 in Straßburg). Georg Simmel (*1858 in Berlin — †1918 in Straßburg). „Ich gehe von der weitesten Vorstellung der Gesellschaft aus: dass sie da existiert, wo mehrere Individuen in Wechselwirkung treten“ (Soziologie, 1908) .
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Wie ist Gesellschaft möglich? Georg Simmel (*1858 in Berlin — †1918 in Straßburg)
Georg Simmel (*1858 in Berlin — †1918 in Straßburg) „Ich gehe von der weitesten Vorstellung der Gesellschaft aus: dass sie da existiert, wo mehrere Individuen in Wechselwirkung treten“ (Soziologie, 1908)
Vita und ausgewählte Werke • 1878-1880 Studium der Geschichte, Ethnologie, Philosophie und Kunstgeschichte in Berlin • 1881 Promotion in Philosophie über Kant, erster Dissertationsentwurf: „Psychologisch- ethnographische Studien über die Anfänge der Musik“ (enthält ein Kapitel über Jodeln) wird abgelehnt, erscheint später in der Zeitschrift des Schweizer Alpenvereins • 1885 Habilitation über Kants Lehre von Raum und Zeit • 1889 beerbt seinen Adoptivvater • 1890 Heirat mit der Malerin Gertrud Kinel „Über soziale Differenzierung. Soziologische und psychologische Untersuchungen“ • 1892 „Probleme der Geschichtsphilosophie. Eine erkenntnistheoretische Studie“ • 1900 außerordentlicher Professor (ohne Bezüge) in Berlin; vorheriger Antrag der Fakultät wurde trotz Simmels Publikationen und seines Erfolg als Lehrer wegen seiner jüdischen Herkunft abgelehnt „Philosophie des Geldes“ • 1906 „Kant und Goethe“ • 1907 „Schopenhauer und Nietzsche“ • 1908 Berufung nach Heidelberg scheitert am Antisemitismus „Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung“ • 1909 Mitbegründer der „Deutschen Gesellschaft für Soziologie“ • 1911 „Philosophische Kultur“ • 1914 Lehrstuhl für Philosophie in Straßburg • 1916 „Rembrandt“ • 1917 „Grundfragen der Soziologie“ • 1918 „Der Konflikt der modernen Kultur“
Situation der Soziologie in Deutschland • Schnelle Industrialisierung Deutschlands und Kulturpessimismus • Widerstände gegen die Soziologie vor 1914: Soziologie versus Staatswissenschaften, und Geschichte • Gründung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 1909 durch Max Weber, Georg Simmel, Ferdinand Tönnies, Alfred Vierkandt und Werner Sombart • Suche nach Gegenstand und Methode
Simmels Bestimmung des soziologischen Gegenstandes 1. Bestimmung des Gegenstandes der Soziologie anhand der Frage : „Wie ist Gesellschaft möglich?“ a) Gesellschaft als Kulturwirklichkeit bereits vor dem Zugriff der Wissenschaft sinnvoll gedeutet und strukturiert b) Gesellschaft ist als Summe der Wechselwirkungen zwischen Individuen (Formen der Vergesellschaftung) zu begreifen, in welchen Individuen ihre subjektiven Motivationen sozialisieren. c) Drei Grundannahmen (a priori) über Vergesellschaftung: • Individuen nehmen sich gegenseitig als in typisierter Gestalt wahr. • Sie sind Produkte und zugleich Produzenten der sozialen Wirklichkeit. • In ihrer Wechselwirkung weisen sie sich unterschiedliche soziale Positionen zu.
Soziologie als Untersuchung der Vergesellschaftungsformen • Unterscheidung zwischen Formen und Inhalten der Wechselwirkungen • Ambivalenz sozialer Beziehungen/Wechselwirkungen • Sammlung historischen Materials, Feststellung der Typen von Wechselwirkungen und ihrer logischen Folgen • Untersuchung des Zusammenhangs von Form und Inhalt dieser Typen (z.B. Ehe – gleiche Form aber kulturell unterschiedlicher Inhalte; Hunger – gleicher Inhalt, aber unterschiedliche Kulturformen)
3 Beispiele: Über- und Unterordnung, Streit/Konflikt und Tausch als Typen vergesellschaftender Wechselwirkungen 1. Über- und Unterordnung in sozialen Gruppen: • Macht und Herrschaft sind als soziale Wechselwirkung nie einseitig; auch Beherrschte üben Einfluss auf das Machtverhältnis aus, • die Verhältnisse der Über- und Unterordnung in sozialen Gruppen wechseln, die Macht ist diffus verteilt, • viele sind zur Machtausübung befähigt, aber es sind nur wenige Machtpositionen vorhanden, • Selektionsprozesse und ihre Typen als Herrschaftstypen (Geburt, Leistung, Mitgliedschaft) • partielle und allgemeine Unterordnung (z.B.: als Angestellte – nur während der Arbeitszeit - und als Staatsbürger – in allen Lebensbereichen)
3 Beispiele: Über- und Unterordnung, Streit/Konflikt und Tausch als Typen vergesellschaftender Wechselwirkungen 2. Konflikt: • nicht disfunktional, sondern Form der Integration und Mittel des sozialen Wandels • macht Probleme sichtbar, ermöglicht Lösungen • ermöglicht Anpassung an neue Situationen
3 Beispiele: Über- und Unterordnung, Streit/Konflikt und Tausch als Typen vergesellschaftender Wechselwirkungen 3. Tausch • ermöglicht Zugang zu Ressourcen, die mir fehlen • sein Medium: Geld • Wirkungen des Geldes • einerseits Entpersonalisierung und Versachlichung sozialer Beziehungen, andererseits Individualisierung der Handlungsmotivation • Rationalisierung und Kalkulierbarkeit von Handlungsplänen • „Intellektualisierung“ sozialen Verkehrs
Untersuchung der Vergesellschaftung in der Moderne: Wechselbeziehung zwischen „Systemintegration“ und „Individualisierung“ Die Ambivalenz der Moderne • Modernisierung der Gesellschaft: • einerseits Versachlichung, Anonymisierung, unpersönlicher Sachzwang, andererseits Individualisierung, Steigerung persönlicher Lebensmöglichkeiten 1. strukturelle Integration • Funktionalisierung von Individuen (Maschine, Markt, Herrschaft) • Spezialisierung • Entpersonalisierung • Anonymisierung 2. Individualisierung • Zerstörung traditioneller Bindung • Partizipation an Vielfalt sozialer Kreise (Rollen, Wählbarkeit von Beziehungen) • Distanzierungsmöglichkeiten • Individuum nicht reduzierbar auf Berufsrolle/Schichtzugehörigkeit • Wählbarkeit der Lebensstile
Untersuchung der Vergesellschaftung in der Moderne: Wechselbeziehung zwischen „Systemintegration“ und „Individualisierung“ „Die Tragödie der Kultur“ • Sinnentleerung der Moderne • Gesellschaft: Objektive Form subjektiver Seelen • „objektive“ (Vergesellschaftungsformen) und „subjektive“ (innere) Kultur fallen auseinander • die „objektive“ Kultur der Gesellschaft bietet keine „subjektive“ Lebensorientierung mehr.
Simmels Wirkung • „formale Soziologie“: Leopold von Wiese (1876-1969) • „Konflikttheorie“: Lewis Coser (1913-2003) • „Chicago School“: Robert E. Park (1864-1944) • Soziologie der „Postmoderne““: Zygmunt Bauman (1925-)