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In den Nachkriegsjahren fand so gut wie keine Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus statt. Man war mit dem Überleben und Alltagssorgen befasst, die Vergangenheit wurde verdrängt und tabuisiert. Über das Leben der Juden im Nachkriegsdeutschland ist wenig bekannt.
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In den Nachkriegsjahren fand so gut wie keine Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus statt. Man war mit dem Überleben und Alltagssorgen befasst, die Vergangenheit wurde verdrängt und tabuisiert. • Über das Leben der Juden im Nachkriegsdeutschland ist wenig bekannt. • Die deutsche Nachkriegsgesellschaft alle denkbare Mühe, die Existenz der Juden "zu vergessen". • Wo man ihnen begegnete, wurde man an die eigene Schuld erinnert. Die daraus resultierende Angst und Aggression schürte den nach wie vor vorhandenen Antisemitismus.
Liebe 47 D 1949 Regie: Wolfgang Liebeneiner Während der NS-Zeit drehte er u.a. den Euthanasie-Film „Ich klage an“ (1942)
Selbstmord der Eltern nach der Entnazifizierung (Streichung der Pension, Wegnahme der Arbeit und Wohnung): • Der Dialog im Theaterstück: • „Die Juden, die konnte Ihr Alter nicht verknusen (=ertragen). Er wollte sie alle eigenhändig nach Palästina jagen hat er immer gedonnert. Im Luftschutzkeller, wissen Sie, immer wenn eine Bombe runter ging hat er einen Fluch auf die Juden losgelassen. Na und als das braune Zeitalter vorbei war, da haben sie ihn dann hochgehen lassen den Herrn Vater wegen den Juden.“ • Im Film von Wolfgang Liebeneiner (1947): • „Die hatten sich ein bißchen zu sehr verausgabt im 3. Reich. Ihr Vater, das war doch ein ganz scharfer Nazi…Als es dann vorbei war mit den braunen Jungs, da haben sie ihm ein bißchen auf den Zahn gefühlt. Der Zahn, der war faul.“ • Im TV-Film von 1957: • „Der Vater hatte sich ein bißchen verausgabt in den seeligen 12 Jahren. Und als der ganze Rummel vorbei war, da haben sie ihn natürlich an die Luft gesetzt. Ohne Pension versteht sich.“
Spielfilme, die sich mit der Shoah und der problematischen deutsch-jüdischen Beziehungen der Nachkriegszeit beschäftigen, waren in den 50er und 60er Jahren im westlichen Teil Deutschlands eindeutig Mangelware. Im Wirtschaftswunderland besuchten allein 1958 817,5 Millionen Menschen die Kinos. Was waren damals die einheimischen Produktionen?
Nachdem Horst Wendlandt mit dem „Frosch mit der Maske“ (1959, Regie: Harald Reinl) und dem „Schatz im Silbersee“ (1962, Regie: Harald Reinl) die Edgar-Wallace und Karl-May-Wellen erfunden hatte, dominierten diese Streifen und ihre Epigonen aus dem Produktionsstudio von Artur Brauner die Leinwand, nachdem die Wellen der Heimat- und Schlagerfilme bereits langsam verebbten. Pappmaché-Actionkino, Kitsch, Weltflucht und Rührseligkeit füllten die Leinwände. Auch wenn manche der trashigen Krimis mittlerweile eine Art Kultstatus erreicht haben, so ist es doch ärgerlich zu sehen, welche Art Filme in einem Land des wirtschaftlichen Aufschwungs produziert wurden. • Ulrich Gregor, Geschichte des Films ab 1960, München: Bertelsmann 1978, S. 122.
In welcher Form fand eine Art „Auseinandersetzung“ mit dem Dritten Reich statt - wenn sie überhaupt stattfand? • Die publikumswirksamsten Filme waren natürlich Streifen, die Landser-Schicksale thematisierten, wie jene vier, die Frank Wisbar (1899-1967) gekonnt dramatisch inszenierte: „Haie und kleine Fische“ (1957), „Nacht fiel über Gotenhafen“ (1959) „Hunde, wollt ihr ewig leben?“ (1959), „Fabrik der Offiziere“ (1960).
In diesen wirklich schwarz-weißen Filmen werden die Wehrmachtsoldaten als Opfer porträtiert und ihre Leiden von den großen Stars des Nachkriegsfilms (Hansjörg Felmy, Joachim Hansen, Erik Schumann oder Horst Frank) überzeugend porträtiert. Mitunter sind die Grenzen zu verherrlichendem Nazi-Kitsch fließend, wie man sehr deutlich am „Stern von Afrika“ (1957) von Alfred Weidenmann (1916-2000) sehen kann. Da verwundert es auch nicht, dass Weidenmanns Porträt von Wilhelm Canaris in „Ein Leben für Deutschland – Admiral Canaris“ (1954) völlig zahnlos ausfällt.
Das Carl-Zuckmayer-Stück„DesTeufels General“ (1955) von Helmut Käutner (1908-1980) ist später gekürzt worden-die Szene, in der Harras das Wort Vaterland buchstabiert: • „V wie Volksgerichtshof! A wie Aufhängen! T wie Tod! E wie Erschießen! R wie Rassenverfolgung! L wie Lager! Ausschwitz, Neuengamme, Dachau Sehen Sie, so buchstabiert man heute in Deutschland Vaterland!“ • Die ca. 3 Minuten lange Szene kommt bei 1:42:40 in der ungekürzten Fassung, während alle bislang erschienenen VHS und DVDs die gekürzte Fassung enthielten bis zur DVD der „Edition Deutscher Film“.
Käutner dreht auch 1959 eine moderne Hamlet-Adaption „Der Rest ist Schweigen“ mit Hardy Krüger, das im Nachkriegsdeutschland spielt. Hier ist „Hamlets Vater“ Johannes Claudius ein Kriegsgewinnler, der seine Fabrik in den Dienst der Nazis gestellt hat.
„Erst waren wir alten Soldaten Verbrecher und heute, heute wird wieder fein demokratisch um uns geworben.“
„Er hat care-Pakete geschickt, schön, gut, das haben sogar die Juden getan.“
Allein Bernhard Wickis (1919-2000) „Die Brücke“ (1959) ragt aus all den Landserdramen als tatsächlicher Antikriegsfilm heraus. Aber er blieb eine Ausnahme. „Auf Schuldzuweisungen wird verzichtet. Der Krieg erscheint als Schicksalsschlag, die Täter als Opfer. Politisch-historische Reflexion findet nicht statt. Sie alle zeigen den deutschen Soldaten als jemanden, der nur seine Pflicht getan hat, dabei „anständig“ geblieben ist oder als Verführten, der seinen Irrtum aber einsehen musste. Diese Filme haben zumMythos‚saubere Wehrmacht’ beigetragen. Die Ausstellung ‚Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944’ des Hamburger Instituts für Sozialforschung thematisiert diese von der westdeutschen Nachkriegspublizistik betriebene Legendenbildung. Entsprechend heftig sind die Reaktionen der Ausstellungsgegner.“ • Martina Thiele, Publizistische Kontroversen über den Holocaust im Film, Münster: Lit-Verlag 2001, S.105.
Die wenigen westdeutschen Produktionen, die sich mit der Shoah beschäftigten, waren meist Produktionen von Artur Brauner. • Ausnahmen der „Trümmerfilme“ „In jenen Tagen“ von Helmut Käutner (1947) und „Zwischen gestern und morgen“ von Harald Braun (1947) und vor allem Josef von Bákys „Der Ruf“ mit Fritz Kortner (auch Drehbuch).
„Pommer, der allmächtige Filmmann der zwanziger Jahre, nun beamteter amerikanischer Leiter der Abteilung für Film, brachte die Produktion eines Films, mit amerikanischer Finanzhilfe, zustande, der sich gegen den schon damals da und dort auflebenden Neofaschismus und den zum Teil noch unbeseitigten Antisemitismus wenden sollte. Ich lieferte die Idee und schrieb das Drehbuch; die `von Baky und König-Filmgesellschaft´ engagierte mich für die Hauptrolle und Hanna, die inzwischen eingetroffen war, als meine Partnerin."
"Meine Rückkehrabsicht stieß auf die Verdammung der vielen Ankläger gegen Deutschland. Jener erbarmungslos gewordenen Getretenen, Geflohenen, um Vergaste und Ermordete grimmig Trauernden. Meine anders geartete Einstellung zu Deutschland beruhte, von meinem Wunschtraum abgesehen, auf der Erkenntnis, dass jedes Volk unter gewissen sozialen und historisch bestimmten Umständen gleichfalls so entarten könne und ähnlich bestialisch handeln würde. [...] Ich war und bin überzeugt davon, dass es keine deutsche Kollektivschuld gibt, jedoch eine Kollektivschuld der machthabenden Kreise in Deutschland, England, Frankreich und Amerika durch die fast komplizenhafte Duldung des Hitlerischen Aufstiegs, seiner Machtergreifung und seiner Raubzüge. [...] Ich rüstete mich zur Reise. Die Emigranten standen kopf. Ich verkrachte mich noch schnell mit manchen der unversöhnlichen Hasser. Sie fanden dann später den Weg ins deutsche Wirtschaftswunderland und kamen besser damit zurecht als ich, der ich mit soviel Erwartung gekommen war.„ • Kortner, Fritz: Aller Tage Abend, S. 553, 538 u. 550.
„Die Tatsache, dass Fritz Kortner seinen Film nicht in Amerika, sondern in Deutschland drehte, spricht für ihn und die Lauterkeit seiner Motive. Wenn er nämlich den Versuch unternahm, den Antisemitismus und die aus ihm resultierende Vergiftung der geistigen und politischen Atmosphäre vom Standpunkt des Betroffenen aus zu beleuchten, so konnte dies nur dort geschehen, wo das Problem heute noch auf den Nägeln brennt. Dass der Versuch nicht gelang - oder doch nur teilweise gelang - mag an den bitteren persönlichen Erfahrungen liegen, die Kortner nach seiner Rückkehr machen mußte. In seinem Film befindet sich der immer spürbare Wunsch nach Toleranz im fortwährenden Widerstreit mit einem bedenklichen Mangel an Objektivität. • „Der Ruf" ist ein Film der halben Wahrheiten. Seine Fakten sind unumstößlich: die schmachvolle Austreibung bedeutender jüdischer Gelehrter, ihre Wiederberufung an deutsche Universitäten, das auch heute noch akute Vorhandensein antisemitischer Strömungen. Nur das Bild, das der Film zeigt, ist schief. Er setzt voraus, dass die Mehrzahl der deutschen Nachkriegsstudenten aus nazistisch verseuchten, notgedrungen in Zivil herumlaufenden Rüpeln besteht, während die anständige Minderheit zwar vorhanden, aber unentschlossen, wenn nicht feige ist. Er konzentriert in der Figur des charakterlosen, heimtückischen und korrupten Dozenten einen Gegenspieler des heimgekehrten Philosophenprofessors, der in der Wirklichkeit des heutigen akademischen Lebens auch nicht die Spur einer Chance hätte. Unter der Führung dieses Subjekts lassen sich die Studenten zu Exzessen hinreißen, die die Haushälterin des Professors zu dem leichtfertigen Ausspruch veranlassen: "Es sind doch Menschenfresser!', und den Rektor der Universität zu dem Rat: Fahren Sie wieder nach Amerika. Am liebsten käme ich mit Ihnen.'
Hier liegt der psychologische Fehler des Drehbuches von Kortner. Es ist überschattet von einer verhängnisvollen Resignation. Die geistige Not unserer um die Wahrheit ringenden akademischen Jugend wird bagatellisiert, ihre tatsächlichen Probleme werden an die Peripherie der Handlung verwiesen. Kortners Anliegen ist ein ehrliches und warmherziges; sein Film ist ein Irrtum. • Was bleibt, ist die beglückende Wiederbegegnung mit dem wunderbaren Schauspieler Fritz Kortner, der nichts von seiner einmaligen Ausstrahlung verloren hat. Es bleibt auch ein Bedauern darüber, dass der Film lediglich vor den Filmklubs gezeigt wird. Mag man ihn ablehnen - als notwendiger Diskussionsbeitrag zur Klärung der angeschnittenen Probleme muß er in den deutschen Filmtheatern zu sehen sein. • „Der Ruf" - umstrittener Kortnerfilm. In: Weser Kurier, Bremen, 16.11.1950.
„Wenn alle Opfer und Zeitzeugen schon tot sind, werden die Filme von dieser Zeit erzählen. Noch in hundert Jahren.“ (Artur Brauner, zitiert nach: Süddeutsche Zeitung vom 5. Juni 2002)
Der polnische Bauer Sokol wird von einem deutschen Soldaten beobachtet, als er mit einem Sack Mehl im Wald verschwindet. Der Deutsche folgt dem Bauern, wird aber von Roy und anderen gefangengenommen. Die Versteckten müssen nun entscheiden, was mit ihrem Gefangenen geschehen soll. Laufenlassen? Töten? Nach einer langen Auseinandersetzung, die einer Gerichtsverhandlung gleicht, beschließen sie, den Deutschen vorerst weiter gefangen zu halten. Weil der deutsche Gefangene verspricht, Lebensmittel zu besorgen und nichts zu verraten, läßt Eddy ihn heimlich frei. Der Deutsche kommt vorerst nicht zurück. Später kam kommt er doch, erklärt den Frontverlauf und weist den Versteckten den Weg in die Freiheit.
„Brauner erinnert sich 1995: ‚Als der Film damals zur Aufführung kam, sind dieFensterscheiben zerschlagen und Stinkgase angedroht worden. MancheKinos haben dann sofort den Film absetzen müssen. Heute würde esliberaler zugehen, wobei das Publikum trotzdem nicht in Scharen insKino rennt.’“ • Thiele, Kontroversen, S.151.
Die wenigen westdeutschen Produktionen, die sich mit der Shoah beschäftigten, wie Artur Brauners deutsch-jugoslawische Coproduktion „Zeugin aus der Hölle“ (1967, Regie: Zivorad ‚Zica’ Mitkovic) waren erfolglos und verschwanden schnell wieder in den Archiven. Dabei ist die „Zeugin aus der Hölle“ ein bemerkenswerter Streifen, der sich eben auch mit den Problemen der Nachkriegsgesellschaft und den Nazi-Prozessen, wie dem Frankfurter Auschwitz-Prozess befasst.
„Die Dreharbeiten zum Film (…) begannen am 9. August 1965, mithin zwölf Tage vor Prozessende und Urteilsverkündung im Frankfurter Auschwitz-Prozess. ZEUGIN AUS DER HÖLLE ist auf der einen Seite ein durchaus konventioneller Spielfilm des in die Krise geratenen Kommerzkinos der BRD, mit zahlreichen Konzessionen an den habituellen Zuschauergeschmack. Auf der anderen Seite ist dieser Film ein kostbares Dokument der Filmgeschichte in der Bundesrepublik Deutschland. Er gehört zu den wenigen, Spielfilmen aus der BRD, übrigens bis heute, in denen der Holocaust als ein Problem der deutschen Nachkriegsgesellschaft in Erscheinung tritt. Darüber hinaus ist ZEUGIN AUS DER HÖLLE neben dem Fernsehspiel MORD IN FRANKFURT (1968 / BR Deutschland; Regie: Rolf Hädrich) aus dem Jahr 1968 der einzige Spielfilm, in dem der Frankfurter Auschwitz-Prozess thematisiert ist, ohne dass dieser Prozess namentlich und tatsächlich vorkommt. (…) Kommerziell war ZEUGIN AUS DER HÖLLE ein Flop, wenngleich über die Besucherzahlen in den Kinos keine glaubhaften Angaben überliefert sind.“ • Ronny Loewy, Zeugin aus der Hölle, in: „Gerichtstag halten über uns selbst ...“: Geschichte und Wirkung des ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses, hrsg. im Auftr. des Fritz-Bauer-Instituts von Irmtrud Wojak, Frankfurt/Main: Campus-Verlag 2001, S.265-271.
Die „Zeugin aus der Hölle“ enthielt „wegen handwerklicher Mängel“ kein Prädikat, ist bis heute weder auf VHS noch auf DVD erschienen, während andere deutsch-jugoslawische Produktionen wie „Winnetou 2“ (1965) oder „Die Nibelungen Teil 1“ (1966) mit dem Sportler Uwe Beyer als Siegfried beide mit dem Prädikat „wertvoll“ der Filmbewertungsstelle ausgezeichnet wurden, obwohl in beiden Produktionen die „handwerklichen Mängel“ wie der Einsatz von Insertmaterial aus anderen Filmen offensichtlich sind.
Artur („Atze“) Brauner wird auch heute noch vor allem mit seinen zahlreichen Filmproduktionen in Zusammenhang gebracht, die man schon in den 60ern abschätzig als „Opas Kino“ bezeichnet hatte. • Sicher war seine 1946 in Berlin gegründete Central Cinema Company (CCC) die wichtigste deutsche Produktionsstätte der Nachkriegszeit und produzierte Großproduktionen wie „Old Shatterhand“ (1963, Regie: Hugo Fregonese). • Aber Brauners 295 Filme sind eben nicht nur Schlager-Heimat,-, Abenteuer,-, Kriminal- oder Westernfilme – auch wenn er in diesen Sparten Bedeutendes geleistet hatte. Es waren keineswegs alles trashige B-Filme.
Er arbeitete mit den damaligen Stars des deutschen Kinos wie Heinz Rühmann, O.W. Fischer, Curd Jürgens, Peter Van Eyck, Martin Held, Maria Schell, Ruth Leuwerick, Gert Fröbe, Hardy Krüger, Lilly Palmer oder Romy Schneider zusammen, holte unbekannte Schauspieler aus den USA wie Lex Barker und machte sie erst zu Stars. • Daneben aber schaffte er es, Emigranten wie Fritz Lang und Robert Siodmak nach Deutschland zurück zu holen, wo sie „Der Tiger von Eschnapur / Das indische Grabmal“ (1958, Regie: Fritz Lang), „Die 1000 Augen des Dr. Mabuse“ (1960, Regie: Fritz Lang), „Der Schut“ (1964, Regie: Robert Siodmak) oder „Kampf um Rom“ (1968, Regie: Robert Siodmak) drehten. • Engagierte Literaturverfilmungen wie „Die Ratten“ (1955, Regie: Robert Siodmak) „Vor Sonnenuntergang“ (1956, Regie: Gottfried Reinhardt) oder „Der brave Soldat Schwejk“ (1960, Regie: Axel von Ambesser) sind aber genauso in seiner Filmographie zu finden.
Daneben jedoch produzierte er über 20 Filme, die sich mit der Shoah und der Geschichte des „Dritten Reichs“ auf spannende Weise auseinandersetzen, darunter „Morituri“ (1948, Regie: Eugen York), „Der 20. Juli“ (1955, Regie: Falk Harnack), „Lebensborn“ (1961, Regie: Werner Klingler), „Bittere Ernte“ (1984, Regie: Agnieszka Holland), „Hanussen“ (1987, Regie: Istvan Szabo) „Hitlerjunge Salomon“ (1989, Regie:Agnieszka Holland) „Der Gehetzte“ (1993, Regie: Vladimir Savelliew), „Von Hölle zur Hölle“ (1996, Regie: Dimitri Astrachan), „BabijJar“ (2002, Regie: Jeff Kanew) oder „Der letzte Zug“ (2006, Regie: Joseph Vilsmaier) und „Wunderkinder“. • Vier davon, „Bittere Ernte“, „Hanussen“, „Hitlerjunge Salomon“ und „Von Hölle zur Hölle“ wurden für den „Oscar“ nominiert. „Der Garten der FinziContini“ erhielt 1970 den „Goldenen Bär“ und 1972 den „Oscar“ für den besten nichtenglisch-sprachigen Film.
Unter dem Pseudonym „Art Bernd“ schreibt er u.a. für „BabijJar“ selbst das Drehbuch. Oft wird Brauners Engagement falsch gedeutet. So setzt Bernd Matthes in einem Artikel Brauners Filme über die Shoah erst mit 1980 an. Er erwähnt zwar „Morituri“, stellt es aber so dar, als hätte Brauner aufgrund des finanziellen Flops des Films zwischen 1946 und 1980 das Thema beiseite gelassen: • „Brauner möchte seine Lebensgeschichte aufarbeiten und beginnt mit den Arbeiten an einem Zyklus von „jüdischen Filmen“ über das Schicksal der Nazi-Opfer, die zum Teil sehr kontrovers aufgenommen werden – am bekanntesten wurde „Hitlerjunge Salomon“, ein Film über einen jüdischen Jungen, der sich unter falscher Identität als Übersetzer bei der Wehrmacht durchschlägt.
Durch diesen ambitionierten Zyklus erreicht Brauner immerhin nach 40 Produzentenjahren die Anerkennung, die ihm die Filmkritik bis dahin versagt hatte – 1990 widmet ihm das Filmmuseum Frankfurt eine Ausstellung und erhält sein Archiv zur Auswertung.“ (Bernd Matthes, Artur Brauner: Sein letztes Kapitel, Der Tagesspiegel, 20.4. 2008)
Hier übersieht Matthes nicht nur eine ganze Reihe von Filmen, sondern dass Brauner sich kontinuierlich seit „Morituri“ bis zur Gegenwart mit der Shoah in diversen Produktionen beschäftigt hatte, zu denen u.a. „Der Garten der Finzi-Contini“ (1970, Regie: Vittorio de Sica), „Sie sind frei, Doktor Korczak“ (1974, Regie: Aleksander Ford), „Die Zeugin aus der Hölle“ (1965, Regie: Zika Mitrovic) und „Eichmann und das Dritte Reich“ (1961, Regie: Erwin Leiser) zählen. Die Auseinandersetzung mit der Shoah und dem „Dritten Reich“ ist nämlich für Brauner keineswegs eine Art „Alterssport“, sondern lebenslanges Engagement. Mit dem Gewinn, dass Großproduktionen wie „Der Tiger von Eschnapur“ eingespielt hatten, konnte er erst Filme wie „Zeugin aus der Hölle“ möglich machen.
Artur Abraham Brauner ist 1918 in Lodz geboren. Als er und seine Familie ins Ghetto „umsiedeln“ sollten, entschloss sich Brauner zur Flucht und Widerstand. Er überlebte die Shoah als Partisan in den Wäldern. Die Geschichte seines Überlebens wird man vergeblich in seiner 1976 erschienenen Autobiographie „Mich gibt’s nur einmal“ suchen. Nur wenige ergreifende Zeilen fassen die Shoah zusammen. • „Ich sagte zu meinen Eltern: ‚Wenn ihr ins Ghetto geht, werde ich euch nicht wiedersehen. Denn ich bleibe nicht… Und außerdem…, außerdem will ich nicht, dass wir einen gelben Stern tragen.’ (…) Bald aber tauchten auch in den Dörfern die Häscher auf. (…) Als im benachbarten Dorf die ersten Familien denunziert und abtransportiert wurden, sagte ich: ‚Wir müssen weg von hier. In die Wälder an der deutsch-russischen Demarkationslinie. Ihr wisst, dass dort Tausende von uns leben. Ich will als erster gehen und ein Versteck suchen. Dann hole ich euch nach.’“ („Atze“ Brauner, Mich gibt’s nur einmal, München 1976, S.41-42)
Doch Brauner wird von der SS aufgegriffen und kann sich retten. Wie er das schaffte, erzählte er Gary Cooper während einer Premierenfeier: • „ ,Sie haben da einen Western gemacht. In einer Szene stehen Sie am Ufer eines Flusses. Unbewaffnet. Ihnen gegenüber ein Killer, der den Colt gezogen hat. Sie wissen, dass Sie in der nächsten Sekunde tot sein werden. Und da…’ ,..und da senke ich meinen Schädel und stoße ihn dem Killer in den Bauch.’ Cooper übernahm das Wort. ,Der Bursche kippt aus den Socken, fällt ins Wasser, ich mit einem Hechtsprung hinterher, ich schwimme unter Wasser, 20 Meter, 30, tauche auf, sie ballern wie die Verrückten, ich tauche wieder, komme hoch, und diesmal schießen sie nicht mehr. Sie glauben, dass ich längst abgesoffen bin.’ ,Und genauso war es bei mir‘, sagte ich langsam. (…) ‚Ich weiß nur, dass ich den Film in einer Jugendvorstellung in Lodz gesehen habe. Und dass die Szene mit dem Kopfstoß blitzartig vor mir ablief. Ich handelte wie ein Schlafwandler.’ (…) Gary Cooper sagte nachdenklich: ‚Da dreht man irgendeine Westernklamotte, wendet einen uralten Trick an und ahnt um alles in der Welt nicht, dass da irgendwo ein Mensch lebt, dem dieser Film das Leben retten wird.’“ (Brauner, Mich gibt’s nur einmal, S.44)