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Theologische Gespräche mit Jugendlichen. führen. Ein religionsdidaktisches Programm für die Sekundarstufe I. „Jugend“ – ab wann?. geläufig: 10 - 21 Jahre notwendig: Differenzierungen! wichtiges Merkmal: Pubertät. Was ist typisch für Jugendliche?.
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Theologische Gespräche mit Jugendlichen führen Ein religionsdidaktisches Programm für die Sekundarstufe I
„Jugend“ – ab wann? geläufig: 10 - 21 Jahre • notwendig: Differenzierungen! • wichtiges Merkmal: Pubertät
Was ist typisch für Jugendliche? • hormonelle Veränderungen: körperliche und geistige Entwicklung • Orientierung an Gleichaltrigen / Ablehnung von Autoritäten • horizontale Denkstrukturen • Veränderung der sozialen Beziehungen: Familie, Freunde, Partnerschaft • Aufbau der eigenen Identität • kognitive Entwicklung: vom konkret-operativen zum formal-operativen Denken
formal-operatives Denken Ebenen der geistigen Entwicklung nach Jean PIAGET : - konkret-operative Denken: 6 bis 10 Jahre - formal-operative Denken: ab ca. 11 Jahren • schlussfolgern durch logisches Operieren mit Aussagen, • nachdenken über Gedankengänge, • Konstruktion von Systemen (Beziehungen oder Folgerungen), • prüfen von Hypothesen.
Wo kommt die Jugendtheologie her? 1. Paradigmenwechsel in der Religionspädagogik: Veränderte Lehr- und Lernvorstellungen • Didaktik der Vermittlung: Schüler sind „leeren Gefäße“ oder zu belehrende Objekte • Didaktik der Aneignung: • Lernen als aktiver Prozess • Schüler sind eigenständige Subjekte • Formen offenen Unterrichts Ergänzung der Vermittlungsperspektive durch die Perspektive der Aneignung
2. Folge: Jugendliche sind selbstbestimmte Subjekte, die eigenständig Theologie treiben können (eigene Form der Theologie) „Jugendliche denken über ihren Glauben nach. Sie können zu Partnern im theologischen Gespräch werden“. (F. Schweitzer)
Theologie von Jugendlichen? Man unterscheidet • wissenschaftliche Theologie • Laien-Theologie Fällt die Theologie von Jugendlichen unter den Begriff „Theologie“? „Jeder ist als Christ und Mensch Theologe. Theologie ist Bemühung um das reflexive Verständnis unserer selbst... Und darum gibt es eigentlich in der Theologie keine saubere Grenze zwischen Fachleuten und Dilettanten. Jeder ist in gewissem Maße aufgerufen, Theologe zu sein.“ (K. Rahner)
„Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“ Die großen Fragen der Menschheit nach Immanuel Kant: • Was kann ich wissen? (Erkenntnistheorie) • Was soll ich tun? (Ethik) • Was darf ich hoffen? (Religionsphilosophie) • Was ist der Mensch? (Anthropologie)
Zwei Typen von „großen“ Fragen nach H. von Foerster Entscheidbare Fragen z.B. Hat Jesus wirklich gelebt? • eindeutige Antwort möglich • sind bereits entschieden Sog. unentscheidbare Fragen z.B. Gibt es Gott? Warum gibt es mich? Woher kommt die Welt? „Warum gibt es alles und nicht nichts“? Ist mit dem Tod alles aus? Warum müssen Menschen / Tiere leiden? • keine eindeutige Antwort möglich – nur persönlich zu entscheiden! • Ansatzpunkte für das Theologisieren!
Wie geht Theologisieren?- eine hilfreiche Unterscheidung (F. Schweitzer) Theologie von mit für Jugendliche
Theologie von Jugendlichen Jugendliche • sind nicht so spontan wie Kinder, sondern achten darauf, wie sie von anderen gesehen werden. • insistieren auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit. • denken abstrakter und entwickeln Selbstreflexivität. • suchen nach Autonomie und grenzen sich von früheren Sichtweisen ab.
Einblicke in das (theologische) Denken von Jugendlichen Beispiele Leid: „Wenn in der Welt Unge- rechtigkeit herrscht oder Menschen einander töten, dann fällt es mir schwer, an Gott zu glauben…“ Gott: „Gott ist ein Gefühl, er ist in der Liebe, die ich anderen Menschen gegenüber empfinde und die mir entgegengebracht wird…“ Jesus Christus: „Für mich hat Jesus keine Bedeutung. Ich glaube nicht, dass man mit ihm große Probleme lösen kann…“
L. Kuld, Das Entscheidende ist unsichtbar • „Jugendliche leugnen nicht Gott, aber sie wissen nicht, wie man sich Gottes Wirken in der Welt vorstellen soll.“ (77) • „Gott greift nicht in die Welt ein. Der Mensch macht und Gott macht.“ (77) • „Jugendliche nennen Gott ‚ein Gefühl‘. Ihr Glaube gilt nicht einer ‚Person‘, sondern dem als ein Gefühl verstanden Glauben“. (72) • „Kein anderes Alter kennt dieses Ausgeliefertsein an das Gefühl so wie das Jugendalter. Wirklich ist das, was ich im Körper, im Bauch, im Herzen und im Kopf fühle.“ (83)
Glaubenshaltungen Jugendlicher • ruhender Glaube: Glaube wird positiv gesehen, doch man hat Schwierigkeiten, darüber zu sprechen. • unabhängiger Glaube: Glaube an eine höhere Macht, der christliche Glaube wird eigenständig umgeformt. • kritisch-suchende Haltung: Ambivalenzen zwischen nicht mehr glauben können und auf der Seite des Glaubens sein. • indifferente Haltung: Glaube und Religion sind völlig gleichgültig. • biblisch-christlicher Glaube: Man kennt die Bibel, der Glaube wird artikuliert und begründet.
Theologie für Jugendliche • Um die eigene Argumentation zu vertiefen und den Horizont zu erweitern, ist die Beschäftigung mit unterschiedlichen Fremdpositionen – aus Bibel, Theologie, Philosophie etc. – notwendig. • Ziel ist dabei nicht die lineare Anschlussfähigkeit im Blick auf die eigenen Positionen (Doppelung), sondern eine Vertiefung / Ergänzung / Erweiterung des eigenen Standpunktes bis hin zum Gegensatz und Widerspruch. • Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen! • Symmetrie auf der Beziehungsebene, Asymmetrie auf der Wissensebene • Lehrperson ist hier gefragt und gefordert!
Theologisieren mit Jugendlichen Diskursive Wahrheitstheorie • Positionen der Schüler/innen mit den Positionen der Tradition in einen Dialog bringen, auf Augenhöhe und ergebnisoffen dialogisieren. • Ziel ist kein sokratischer Dialog (absolute Wahrheit), sondern der dialogischkonstruierte Konsens bzw. der reflektierte Dissens (Einheit in der Vielfalt). • Respekt vor dem jeweils Anderen und Fremden!
Wechsel der Perspektiven Im gesamten Unterrichtsprozess erfolgt ein Perspektivenwechsel: - von den Schüler- über die Traditions- zu den Dialogpositionen - selbstgesteuertes und angeleitetes Lernen stehen in einem korrelativen Verhältnis zueinander dialogischer Grundzug des Theologisierens!
Ergebnissicherung Das Sichern geht über die Reproduktion von Stoff- und Faktenwissen hinaus und bezieht das Wissen, Verstehen und Begründen von möglichen Positionen sowie deren Bezüge zu anderen Positionen mit ein. Wichtig ist, dass sich ein Verstehensgeflechtherausbildet. (V.-J. Dietrich)
R. D. Precht: Anna, die Schule und der liebe Gott: „Nur durch Verknüpfungen wird es möglich, tatsächlich zu verstehen. Verstehen heißt nicht kennen, sondern einsortieren. Und wer etwas in den eigenen Wissens- und Erfahrungsschatz einsortieren kann, merkt sich mithin leichter Details.“ (221)
verstehen - erklären „Es gibt Dinge im Leben, die nicht durch einfache Antworten erklärt werden können. Jugendliche wollen verstehen, d. h. sie wollen eine Einsicht in die Welt bekommen, die ihnen hilft, die Welt nachvollziehen zu können. Ihr Bild von der Welt soll für sie verständlich sein. Und wie reagieren wir Erwachsenen darauf? Wir fangen an zu erklären, d. h. wir versuchen die Dinge rational und scheinbar „vernünftig“ darzustellen, wo allzu oft doch gar keine vernünftige Erklärung gegeben werden kann. Kinder wollen verstehen – Erwachsene wollenerklären. Dieser Gegensatz kennzeichnet den Unterschied zwischen einer religiös-philosophischen und einer naturwissenschaftlichen Beschäftigung mit den großen Fragen unseres Lebens.“ (Ulrike Itze, Edelgard Moers)
Raster zur Generierung von konkreten Fragestellungen - Evaluierungsmuster: • Welche Positionen wurden in der Klasse / in der Tradition vertreten? • Mit welchen Argumenten lassen sich diese Positionen begründen? • Welche Argumente sprechen gegen diese Positionen? • Welche Positionen lassen sich mit welchen anderen Positionen in welcher Weise in Beziehung setzen? (Gleichheit – Gegensatz – Weiterführung etc.) • Welche Positionen erweisen sich als besonders einleuchtend bzw. tragfähig und warum? V.-J. D
Vergewisserung Was eine Theologie für Jugendliche leisten sollte: H. Rupp: Weiterentwicklung der individuellen Religiosität P. Freudenberger-Lötz: Förderung des eigenständigen theologischen Denkens V.-J. Dietrich: Befähigung zum gleichberechtigten theologischen Diskurs F. Schweitzer: eigenständige Auseinandersetzung mit Glaubensfragen
Philosophieren - Theologisieren Theologisieren ist nicht einfach Philosophieren - Theologisieren ist etwas Eigenes! • Philosophieren: Etwas als etwas • wahrnehmen • verstehen • analysieren • hin und her bewegen • kreativ weiterentwickeln
Ziel: • Schulung des Selbstdenkens • Befreiung aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit (I. Kant) Bsp.: Was sind Engel? Was ist die Seele? (Verständnisfragen)
Theologisieren: Etsi deus daretur • Gott ist selbstverständlich und hat eine Bedeutung für das Leben • hohe Erwartung an die biblisch-christliche Tradition • Interesse an einem biografischen erzählen und an subjektiven Deutungen • Bemühen um existentielle Vergewisserung • Rekonstruktion der individuellen Religiosität
Ziel: • Weiterentwicklung der individuellen Religiosität • Klärung und Ausbau der eigenen Vorstellungen von Selbst und Welt Bsp.: Wo und wie habe ich Engel erfahren? Wie sehe ich mich und die Welt aufgrund dieser Erfahrung?
Über die Geduld Man muss den Dingen die eigene, stille, ungestörte Entwicklung lassen,die tief von innen kommtund durch nichts gedrängt oder beschleunigt werden kann – alles ist austragen – und dann gebären! Man muss Geduld haben mit dem Ungelösten im Herzen. Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich,ohne es zu merken, eines fremden Tages in die Antworten hinein. R.M. Rilke
Literaturhinweise • V.-J. Dieterich, Theologisieren mit Jugendlichen als religionsdidaktisches Programm für die Sekundarstufe I und II, in: P. Freudenberger-Lötz u.a. (Hg.), Jahrbuch für Jugendtheologie Bd. 1, Stuttgart 2013, 35 - 50 • P. Freudenberger-Lötz, Theologische Gespräche mit Jugendlichen. Erfahrungen – Beispiele – Anleitungen, München 2012 • H. Rupp, Janine – ein Stück exemplarischer Theologie von Jugendlichen, in: P. Freudenberger-Lötz, Stuttgart 2013, 97 - 107 • F. Schweitzer, Auch Jugendliche als Theologen? Zur Notwendigkeit die Kindertheologie zu erweitern, in: ZPT 57 (1/2005), 46 - 53 • R. D. Precht, Warum gibt es alles und nicht nichts? Ein Ausflug in die Philosophie, München 2011