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1. Seminar aus Internationaler Politik (SoSe 07)
Krisen, Konflikte und Kooperationen
in Ostasien
Dr. Alfred Gerstl
2. Ostasien und Südasien 55
3. Krisen und Konflikte ...
4. ... machen Kooperationen notwendig? These 1:
Aufgrund der Vielzahl an traditionellen (konventionellen) und nicht-traditionellen Konflik-ten wie soziale Ungleichheiten, Urbanisierung, Migration, Ener-giesicherheit, Umweltverschmut-zung, Menschen- oder Drogen-schmuggel werden Kooperatio-nen und Integration in Ostasien immer notwendiger:
Denn angesichts ihres trans-nationalen Charakters können Staaten diese Herausforderungen nicht mehr alleine bewältigen. These 2:
Aufgrund des Primats der sozioökonomischen Entwick-lung und Regime-legitimatori-scher Zwänge benötigen die Staaten einen stabilen sicher-heits- und wirtschaftspolitischen regionalen Rahmen. Dieser ist nur durch multilaterale Koopera-tion zu schaffen und zu erhalten.
These 3:
Die sozialen und ökologischen Folgen der rasanten sozioökono-mischen Entwicklung lassen sich von den Nationalstaaten nicht im Alleingang bewältigen.
5. Was behindert Kooperationen? Fehlende bzw. sich erst entwickelnde Strukturen und Institutionen
Unterschiedliche strategische Interessen und nationale Integrationslogiken
Unterschiedliche politische Systeme
Unterschiedliches militärisches Potenzial
Wirtschaftliche Konkurrenz-situation Leistungs- und Absorptions-fähigkeit der politischen und ökonomischen Systeme
Bilateralismus der USA
Steht die Bevölkerung hinter dem Integrationsprojekt?
...
6.
7. Ausgewählte bilaterale Beziehungen
8. Ausgewählte Akteure USA: seit 1945 die wesentliche politische, sicherheitspolitische, ökonomische, technologische und teilweise kulturelle Bezugsmacht – Containment – 1975 – 1989/91 – 2001 – Bilateralismus
Sowjetunion / Russland: bis 1989/91 geostra-tegische Interessen – erst Ende der 1990er Jahre Rückkehr nach Ostasien – traditionell gespanntes Verhältnis mit Peking und Tokio
Japan: Konzept ostasiatischer Wirtschaftsraum während des Zweiten Weltkrieges – belastete Beziehungen – politische Allianz mit USA als Rahmen – nur allmähliches Engagement in Ostasien seit 1970er Jahren – Problem Nationalismus – „weiße“ Asiaten
China: Regionalmacht – künftige Weltmacht? – Konkurrenzverhältnis zu Tokio – seit Mitte 1990er Jahren multilaterale Politik – von Nachbarn ambivalent gesehen – Taiwan-Konflikt – Ziel harmonische Gesellschaft
Taiwan: nicht-anerkanntes demokratisches Staatswesen – enge Allianz mit USA
Südkorea: Wirtschafts- und Handelsmacht – sicherheitspolitisch von Washington abhängig – Anfang 1990er Normalisierung mit Peking und Moskau
Nordkorea: unberechenbares Regime mit/ohne Nuklearwaffen – Peking und Moskau als „Partner“ – Sechs-Parteien-Gespräche
Singapur: regionales Handels- und Dienstleistungs-zentrum ohne eigene Ressourcen – sicherheits-politisch von Washington abhängig – (umstrit-tene) Führungsrolle innerhalb von ASEAN
(? 27.3.)
Indonesien: weltgrößter muslimischer Staat – Jemaah Islamiya – Demokratisierung?
Indien: aufstrebende Regionalmacht – Kaschmir-Konflikt – neues Engagement in Südostasien – Versöhnungsdialog mit Peking
Australien: Selbstfindungsprozess zwischen Wes-ten und Asien – ökonomische (und politische?) Abhängigkeit von China – ANZUS – Sicher-heitsabkommen mit Tokio – und Indien?
(? 27.3.)
9. Ausgewählte Akteure
Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) stellt asiatischen wie auswärtigen Mächten
Institutionen (ARF, ASEAN+3, EAS …)
sowie Werte und Normen (TAC, ZOPFAN – “ASEAN Way”) zur Verfügung.
? ASEAN agiert als ehrliche Maklerin und Brückenbildnerin zwischen Südost-, Nordost- und zunehmend Südasien
? Südostasien als Kernregion des südost- und nordostasiatischen Regionalismus – ASEAN als zentraler Akteur
10. Kooperationsmechanismen
11. APEC
12. APEC und EAEG/C
1989 Asia Pacific Economic Co-operation (APEC): Von Japan und Australien initiiertes Forum für bi- und multilaterale wirtschaft-liche und politische Abkommen, zuletzt z.B. Terrorismus-Bekämp-fung.
Freihandelszone bis 2010 für Industrieländer – bis 2020 für Entwicklungsländer.
Jährliche Gipfeltreffen (Nov. 06 in Hanoi).
Unterschiedliche Ziele der westlichen und östlichen Länder.
1990er Jahre East Asia Economic Grouping/Caucus (EAEG/C): „ostasiatische“ Initiative Malaysias: Führungsrolle für Japan. Kritisiert von USA, Japan, Singapur, Australien.
Ähnlichkeiten mit ASEM und ASEAN+3.
13. Regionalismus und Regionalisierung
14. Regionalisierung und Regionalismus Regionalisierung:
Interaktionen auf regiona-ler Ebene zwischen staatli-chen und nicht-staatlichen Akteuren, die geplant oder spontan, formell oder informell ablaufen können.
Meist von den Marktkräf-ten vorangetriebene engere transnationale Kooperation zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (TNCs, NGOs).
Regionalismus:
Politische Steuerung des Regionalisierungspro-zesses im sicherheitspo-litischen, ökonomischen, kulturellen ... Bereich.
Die Regionalisierung kann dem Regionalismus vorangehen oder ihm folgen.
15. Regionalisierung weltweit Um 1850 erste Regionalisierungsten-denzen – europäisches Phänomen – vorwiegend Handel – Kolonialismus (z.B. Großbritannien und Indien)
Vor Erstem Weltkrieg „progressiver Bilateralismus“: Breit gefasste Han-delsabkommen
Zwischenkriegszeit: Bilateralismus – „strategischer Regionalismus“ (diskriminierende, protektionistische Handelsblöcke – machtpolitische Interessen)
Nach 1945 UNO, Bretton-Woods-Institutionen und GATT
Ende 1950er Jahre bis 1970er: Erste Welle des Regionalismus. EWG- (Frei-handel) vs. Dritte Welt-Modell (ISI)
Seit 1980er Jahren hat sich Regionalis-mus-Trend verstärkt: Zweite Welle
Nicht mehr rein ökonomisches Phäno-men (Sicherheitspolitik, Bildung, Wissenschaft, Kultur, Technik ...)
SOA Vorreiter bei offenem Regiona-lismus (diskriminierungsfrei, MFN)
WTO-Verhandlungen (vorerst?) gescheitert – Rückfall in Bilateralismus?
Derzeit ca. 230 Regional Trade Agree-ments (RTAs): Freihandelsabkommen – Zollunion – Gemeinsamer Markt – Wirtschaftsunion
Neue marktwirtschaftliche Logik: RTAs für heilsamen Reformdruck
ALBA als Gegenmodell?
Triade?
2005: 2/3 des Welthandels von 70.000 TNCs bestritten (wovon die Hälfte konzernintern).
16. Theorien Liberalismus / Idealismus
Ältester Theorienansatz
Lehren aus Erstem Weltkrieg: Alle Staaten verlieren bei Kriegen – aber alle profitieren von Kooperationen
Friedensschaffende und völkerverbindende Wirkung des Handels
N. Angell, W. Wilson
Realismus
Internationales System durch Anarchie und Hierarchie geprägt
Menschliche Natur kriegerisch, daher Konflikte im Staaten-system unausweichlich
Staaten auf sich alleine gestellt
Balance of Power oder Bandwagoning
Lehren aus System Metternich, Zweiter Weltkrieg. Scheinbar bestätigt im Kalten Krieg.
Lange Zeit dominante Theorie
E.H. Carr, George Kennan (Mr. X), H. Morgenthau, H. Kissin-ger
17. Theorien Neorealismus / struktureller Realismus:
1970er Jahre
Internationales System ist anarchisch
Staaten als zentrale Akteure
Anarchische Struktur bestimmt das Verhalten der Staaten
Staaten verfolgen ihre Ziele im Alleingang (self-help)
Kein rationaler Grund für Kooperation
Konvergenz außenpolitischer Strategien im Kalten Krieg
Innenpolitik nicht wesentlich für Erklärung außenpolitischen Verhaltens
K. Waltz – S. Walt
Neoliberalismus / neoliberaler Institutionalismus
Staaten zentrale Akteure – aber auch NGOs und TNCs relevant
Staaten kooperieren selbst dann, wenn sie weniger profitieren als ihre Partner (relative gains)
durch Kooperation kann Anarchie gemildert werden
Regionale Kooperation und Integration als Trends der Zukunft (normative Position)
Institutionen und Regime unterstützen Staaten bei ihrer Kooperation
R. Keohane – J. Nye – V. Rittberger (Regimetheorie)
18. Theorien Neofunktionialismus
Integration startet in politisch ausgewählten Sektoren
Sachlogischer Druck für weitere Integration (politisches Spill-over)
D. Mitrany – Ernst Haas
Konstruktivismus:
Augenmerk auf Werte und Normen
Bedeutung von (regionaler) Identität für Community building
A. Wendt
Intergouvernmentalismus
Regionalismus das Resultat zwischenstaatlicher Kooperation
Zwischenstaatliche Institutionen dominant
S. Hoffmann – A. Moravcsik
19. Südostasien
„Südostasien“ seit 1930er Jahren – westliche „Erfindung“; davor „Ferner Osten“, „Ostindien“
ASEAN repräsentiert 550 Mio. Einwohner und ein BIP von 700 Mrd. Euro.
Ethnisch, sprachlich, religiös, geografisch, sozial, politisch extrem heterogen
Einwanderung 3000 v.Chr. aus Nordindien, Südchina, Tibet, Mongolei
20. Südostasien – Geschichte Am geografisch-zivilisatorischen Schnittpunkt zwischen China (politische Oberhoheit) und Indien (Religion, Wirtschaft, politische Organisationsweise). Autochtone Gesellschaften haben externe Einflüsse traditionell gut absorbiert.
Buddhismus dominiert – ab 13. Jahr-hundert Import eines gemäßigten Islams von arabischer Halbinsel via Indien.
Ab 16. Jh. Kolonialisierung durch Niederlande, Spanien, Portugal, Frankreich, Großbritannien, USA. Zuerst Konzentration auf Küsten-gebiete. Grundsätze: indirect rule und Merkantilismus.
Höhepunkt nach 1850 – „staatlicher“ Kolonialismus. Direkte Herrschaft.
1942 Japan besetzt Singapur – „Über-legenheit“ des weißen Mannes hinterfragt. Konzept des ostasia-tischen Wirtschaftsraumes.
Nach 1945 vergeblicher Versuch der im Krieg vertriebenen Kolonialmächte, die Kontrolle über die Kolonien zurück zu gewinnen.
Blockfreienbewegung – Bandung-Kon-ferenz 1955: Stärkung für Nationa-lismus und Unabhängigkeitsbewe-gung, aber auch für regionale Ko-operation (“Asianness”)
21. Kolonialismus (ca. 1850)
Niederlande: Indonesien
Spanien: Philippinen
Portugal: Macao, Osttimor
Frankreich: Indochina
USA: ab 1898 Philippinen
Großbritannien: Singapur, Malaya
22. Entwicklung von ASEAN Primat Souveränität, sozioökonomi-sche Entwicklung und nation-building
Vorläufer-Initiativen von ASEAN:
1961 Association of Southeast Asia (ASA): Malaya, Thailand, Philip-pinen ? Vertrauensbildung
1963 MAPHILINDO: Malaysia, Philippinen, Indonesien
? Hindernisse: „konfrontasi“ unter Sukarno, Unabhängigkeit Singapurs
1965 „New Order“ – Einbindung und Sich-Einbinden-Lassen Jakartas in regionalen Rahmen =>
8. August 1967 Bangkok Declaration: ASEAN (Singapur, Malaysia, Indonesien, Thailand, Philippinen)
Förderung wirtschaftlicher Entwicklung, sozialen und kulturellen Fortschritts
Förderung regionalen Friedens und Stabilität
Vision einer Südostasiatischen Gemeinschaft
Erweiterung: 1984: Brunei; 1995: Vietnam; 1997: Laos, Myanmar; 1999: Kambodscha; Beitrittsantrag Osttimors
23. ASEAN: Periodisierung 1 1967 – 1975: Reaktiver oder negativer Regionalismus – Überwiegen von Regionalisierung. Nationalstaatliche Integrationslogik: gegen Einmischung in Inneres => ASEAN als Forum zur Bewältigung bilateraler Konflikte.
Westlich und strikt antikommu-nistisch, aber nur Singapur effektiv marktwirtschaftlich orientiert.
Mitte 1970er Jahre: Regionalisierung
Triebkräfte: Netzwerke chinesischer Minderheiten – japanische TNCs – japanische ODA.
Aufwertung des Yen – Auslagerung der arbeitsintensiven Produktionsstätten nach SOA. Ziel: ostasiatischer Wirtschaftsraum unter japanischer Führung.
24. ASEAN: Periodisierung 2 1997 – 2002: Asien-Krise als neue Chance => ASEAN+3 Vorsichtig proaktiv, Aufbau diverser überregionaler Dialogmechanismen.
Seit 2003: weiterhin vorsichtig proaktiv. Fokus auf Brücken-schlag zwischen Südost- und Nordostasien. Stärkerer Einbe-zug Indiens, Russlands und Australiens.
Strategische, ökonomische und sicherheitspolitische Integrationslogik hinter der „Asian Community“.
25. ASEAN: Institutionen 1992 ASEAN Free Trade Area (AFTA): politische Logik
1994 ASEAN Regional Forum (ARF): politischer und sicher-heitspolitischer Dialog; Ver-trauensbildung und präventive Diplomatie.
23 Mitglieder: ASEAN, USA, China, EU, Russland, Indien, Australien u.a.
1996 Asia-Europe Meeting (ASEM) Politischer, ökonomi-scher, kultureller Dialog – 38 Mitglieder, Gipfeltreffen alle 2 Jahre. Hauptkonflikt: Myanmar
1997 ASEAN+3 (APT)
ASEAN, China, Japan, Südkorea.
Nach Asien-Finanzkrise ent-standen, auf die ASEAN ratlos reagierte. Ursprünglich rein finanzpolitisch ausgerichtet, heute umfassender politischer Dialogmechanismus.
Freihandelsabkommen der APT-Partner geplant, v.a. ASEAN – China.
„Aseanisierung“ Ostasiens: ASEANs Werte beeinflussen ostasiatische Strukturen.
Gründe: ehrliche Maklerin – „harmlos“ – Instrumentalisierung
26. ASEAN – Quo vadis? Ostasiatische Gemeinschaft 2020 => 2015
2003 Bali Concord II:
– Ökonomische
– Sozio-kulturelle
– Sicherheitspolitische
Säule
Aber immer noch nur zwischen-staatliche statt supranationale Zusammenarbeit! Am weitesten soll die Integration im wirt-schaftlichen Bereich gehen (Gemeinsamer Markt à la EG). ASEAN+3, 4, 5
East Asian Summit:
ASEAN – China – Japan – Südkorea – Indien – Australien – Neuseeland
ASEAN-Gipfel 2007: „Verfassung“ – Mehrheitsentscheide
27. ASEAN – Quo vadis?
Regionalismus oder Rückfall in Regionalisierung?
Elitäres, technokratisches Projekt ohne Partizipation der Bevölkerung?
„Asiatische“ EU oder EG/EWR-Modell?
„Asiatische“ (konfuzianisti-sche) Werte: „Asiatischer“ Kapitalismus – „asiati-sche“ Demokratie?
Mehrheitsentscheide politisch durchsetzbar?
Demokratisierung? Rolle von NGOs? Zivilgesellschaft? TNCs?
Islamismus und Terrorismus
China als neuer Hauptgegner oder Hauptpartner?
Instrumentalisierung von ASEAN durch USA, China, Japan, Indien ...?
...
28. Zwei Integrationslogiken Singapur
Output-Legitimation des Regimes.
Existenziell von offenen Weltmärk-ten abhängig. Funktion als regio-naler Hub (Handel, Dienstleis-tungen, Information).
Für multilaterale Liberalisierung – aber bilaterale Absicherung (FTA mit USA, Australien, Japan)
Growth Triangles mit Malaysia und Indonesien (Johor-Riau)
Für umfassende und tiefe Integration.
Instrumentalisierung von APEC und ASEAN durch das Technokratie-erprobte Regime für eigene Ziele.
Vietnam
Output-Legitimation des Regimes – nach doi moi und Auflösung des COMECON.
Sicherheitspolitische Motive: USA, China, Einbindung in die Region
Bestehender ökonomische Rahmen in SOA soll erhalten werden. Aber restriktiv bei eigenen Liberali-sierungs-Verpflichtungen.
Die Integration soll intergouvernmen-tal und – aus Angst vor einem Regimewechsel – auf die Wirtschaft beschränkt bleiben.