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Opioid im Strassenverkehr. Behandlungsaufklärung bei Opioidtherapie, insbesondere zur Fahrtüchtigkeit. Uwe Jahn Rechtsanwalt Schwerin. Teil der medizinischen Behandlung ist auch die Aufklä-rung des Patienten über Auswirkungen der Therapie auf seine körperliche und geistige Leistungsfähigkeit.
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Opioid im Strassenverkehr Behandlungsaufklärung bei Opioidtherapie, insbesondere zur Fahrtüchtigkeit Uwe Jahn Rechtsanwalt Schwerin
Teil der medizinischen Behandlung ist auch die Aufklä-rung des Patienten über Auswirkungen der Therapie auf seine körperliche und geistige Leistungsfähigkeit. Dies gilt insbesondere, wenn die Gefahr besteht, daß der Patient in Folge dieser Auswirkungen für sich und für Dritte eine Gefährdung heraufbeschwören kann. Ein alltäglicher und daher zu Unrecht unterschätzter Bereich ist die Teilnahme am Strassenverkehr, besonders beim Führen eines Fahrzeuges.
Fahrtüchtigkeit und Verkehrsteilnahme Voraussetzung für die Teilnahme am Strassenverkehr, insbesondere durch Führung eines Fahrzeuges, ist die physische und psychische Fähigkeit dazu. Strassenverkehrsgesetz § 2 Fahrerlaubnis und Führerschein (1) Wer auf öffentlichen Straßen ein Kraftfahrzeug führt, bedarf der Erlaubnis (Fahrerlaubnis) der zuständigen Behörde (Fahrerlaubnisbehörde). ... ...
... und es geht weiter (4) Geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat. Ist der Bewerber auf Grund körperlicher oder geistiger Mängel nur bedingt zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet, so erteilt die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis mit Beschränkungen oder unter Auflagen, wenn dadurch das sichere Führen von Kraftfahrzeugen gewährleistet ist. ..... (8) Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Eignung oder Befähigung des Bewerbers begründen, so kann die Fahrerlaubnisbehörde anordnen, daß der Antragsteller ein Gutachten oder Zeugnis eines Fach-arztes oder Amtsarztes, ein Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung oder eines amtlichen anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr innerhalb einer angemessenen Frist beibringt. ...
Bereits fahrlässige, erst Recht vorsätzliche Verstöße gegen diese Anforderungen werden als Ordnungswidrigkeiten bzw. als Verkehrsstraftaten verfolgt: Strassenverkehrsgesetz § 24 a [0,8 Promille Alkohol] (1) Ordnungswidrig handelt, wer im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er 0,25 mg/ l oder mehr Alkohol in der Atemluft oder 0,5 Promille oder mehr Alkohol im Blut oder eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer solchen Atem- oder Blutalkoholkonzentration führt. (2) Ordnungswidrig handelt auch, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Eine solche Wirkung liegt vor, wenn eine in dieser Anlage genannte Substanz im Blut nachgewiesen wird. Satz 1gilt nicht, wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt. (3) Ordnungswidrig handelt auch, wer die Tat fahrlässig begeht.
Dabei ist zu beachten: Eine Wirkstoffkonzentration wird – anders als beim Alkohol – nicht angeben. Es reicht der Nachweis des Wirkstoffes im Blut ! Und sei die Konzentration auch noch so gering. Um so wichtiger ist die – ebenfalls völlige – Freizeichnung in § 24 aAbs. 2 Satz 3.
Die in § 24 a Abs. 2 StVG genannte Liste umfasst folgen-de Substanzen ausdrücklich: Liste der berauschenden Mittel und Substanzen Berauschende SubstanzenMittel Cannabis Tetrahydrocannabinol (THC) Heroin Morphin Morphin Morphin Kokain Benzoylecgonin Amphetamin Amphetamin Designer-Amphetamin Methylendioxyethylamphetamin (MDE) Designer-Amphetamin Methylendioxymethamphetamin (MDMA)
Aber neben einer Ordnungs-widrigkeit geht es auch um erhebliche Straftaten: Zunächst das abstrakte Gefähr-dungsdelikt § 316 StGB Trunkenheit im Verkehr (1) Wer im Verkehr (§§ 315 bis 315 d) ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 315 a oder § 315 c mit Strafe bedroht ist. (2) Nach Absatz 1 wird auch bestraft, wer die Tat fahrlässig begeht. „Abstrakt“ deshalb, weil keine konkrete Gefahr bestanden haben muß durch die Teilnahme am Straßenverkehr. Die Beeinträchtigung war nur abstrakt geeignet, um eine Gefahr heraufzubeschwören. Und § 316 StGB tritt zurück bei einer Strafbarkeit wegen einer kon-kreten Gefährdung.
Und das konkrete Gefährdungs-delikt mit schärferer Strafandro-hung: § 315 c StGB Gefährdung des Straßenverkehrs (1) Wer im Straßenverkehr 1. ein Fahrzeug führt, obwohl er • infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel ... • nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, • .... • und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. • (2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist der Versuch strafbar. • (3) Wer in den Fällen des Absatzes 1 • 1. die Gefahr fahrlässig verursacht oder • 2. fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, • wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Gegenüber der Ordnungswidrig-keitsregelung in § 24 a StVG gibt es bei den Verkehrsstraftaten zwei gewichtige Unterschiede: Die bestimmungsgemäße Einnahme als Medikament auf ärztliche Verordnung erfüllt gleichwohl den objektiven Straftatbestand. (vgl. König in Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Aufl. 2001, § 316 Rz. 166 m.w.N.) dafür aber Der Nachweis von Drogenwirkstoffen im Blut eines Fahrzeugführers rechtfertigt für sich allein noch nicht die Annahme der Fahruntüch-tigkeit. BGH v. 3.11.1998 Az. 4 StR 395–98NJW 1999, S. 226
In diesem BGH-Urteil findet sich einiges Grundsätzliches zur Frage der Fahruntüchtigkeit unter Dro-gen: „Fahruntüchtigkeit setzt danach voraus, daß die Gesamtleistungs-fähigkeit des Fahrzeugführers, namentlich infolge Enthemmung sowie geistig-seelischer und körperlicher Ausfälle, so weit herabgesetzt ist, daß er nicht mehr fähig ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr eine längere Strecke, und zwar auch bei plötzlichem Eintritt schwieriger Verkehrslagen, sicher zu steuern (BGHSt 13, 83 [90] = NJW 1959, 1047).“ In Hinblick auf Drogen gegenüber der Wirkung von Alkohol: „Gesicherte Erfahrungswerte, die es erlauben, der Blutalkoholkonzen-tration von 1,1‰ entsprechend “Grenzwerte” der Blut-Wirkstoff-Kon-zentration für die Annahme “absoluter” Fahruntüchtigkeit nach Drogenkonsum zu bestimmen, liegen bisher nicht vor ... .“
Neben dem Nachweis des jeweili-gen Wirkstoffes bzw. seiner Meta-boliten im Blut fordert der BGH die Feststellung weiterer aus-sagekräftiger Beweisanzeichen. So reicht z.B. die abstrakt bekannte Sehbe-hinderung durch Pupillenstarre nicht aus. Vielmehr ist die konkrete Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit bei dem betreffenden Täter zu prüfen und zu beurteilen.
Nur am Rande soll erwähnt werden, daß die Schuldunfä-higkeit unter Drogeneinfluß kein Freifahrtschein für Straf-taten ist: § 323 a Vollrausch (1) Wer sich vorsätzlich oder fahrlässig durch alkoholi-sche Getränke oder andere berauschende Mittel in einen Rausch versetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn er in diesem Zustand eine rechtswidrige Tat begeht und ihretwegen nicht bestraft werden kann, weil er infolge des Rausches schuldunfähig war oder weil dies nicht auszuschließen ist. (2) Die Strafe darf nicht schwerer sein als die Strafe, die für die im Rausch begangene Tat angedroht ist. (3) Die Tat wird nur auf Antrag, mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgt, wenn die Rauschtat nur auf Antrag, mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgt werden könnte.
Gegenstand der Erörterung-en sind hier bislang nur die spezifischen Verkehrsdelik-te. • Neben diesen kann im Falle der Verursachung eines Unfalls durch den fahruntüchtigen Patienten auch eine ganze weitere Palette von Straftatbeständen erfüllt sein: • Sachbeschädigung, § 303 StGB – nur vorsätzlich möglich – billigendes In-Kauf-nehmen • fahrlässige, § 229 StGB, oder vorsätzliche, § 223 StGB Körperverletzung, Körperverletzung mit Todesfolge, § 227 StGB • fahrlässige Tötung, § 222 StGB, Totschlag, § 212 StGB
Um derartige Straftaten, vor allem aber die hinter den jeweiligen Straftatbeständen stehenden Gefährdungen zu vermeiden, benötigt der Patient eine möglichst klare und eindeutige Aussage zu seiner Fahrtüchtigkeit. Angesichts der Gefährdungslage muß in Zweifelsfällen vom aufklärenden Arzt der sicherere Weg gewählt werden im Sinne einer Aufklärung darüber, daß keine Fahrtüch-tigkeit besteht.
Aber selbstverständlich muß auch diese „sichere Aufklärung“ sachlich begründet sein. Auch eine unberechtigte Warnung vor einer tatsächlich nicht bestehenden Fahruntüchtigkeit ist fehlerhaft. Welche Tragweite dieser Fehler haben kann, hängt von jedem einzelnen Fall ab. Einen Schadensersatzan-spruch kann er jedenfalls begründen.
Diese konkrete Aufklärung ist Bestandteil der Behand-lung, um deren Nachhaltigkeit zu verbessern und mittel-bare negative Folgen zu vermeiden (daher auch „Sicherheitsaufklärung“ genannt). Es handelt sich dabei nicht um die Eingriffsaufklärung zu Beginn der Behandlung, die Voraussetzung für eine rechtswirksame Einwilligung des Patienten zu deren Durchführung ist.
Gespräch zur Sicherheitsaufklärung: • Aufnahmefähigkeit des Patienten • Verständlichkeit der Ausführungen • notwendige Eindringlichkeit der Warnhinweise • weiterführende Hinweise und Perspektiven • Fähigkeit zur wirksamen Abgabe einer Willenser- klärung beim Patienten nicht erforderlich
Daraus ergeben sich erhebliche Folgerungen, die im Falle einer Auseinandersetzung über diese Sicherheitsaufklärung zu beach-ten sind: • Versäumnisse in diesem Bereich sind Behandlungsfehler. • Die Beweislast für einen Behandlungsfehler liegt im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung zunächst einmal beim Patienten. • Dementsprechend hat auch die Dokumentation dieses Auf-klärungsgespräches einen anderen Stellenwert. Die Be-handlungsdokumentation muß in Umfang und Inhalt den medizinischen Erfordernissen entsprechen, nicht dem Be-dürfnis des Patienten nach Beweissicherung im Haftungsfall. • (vgl. Steffen/Dressler Arzthaftungsrecht 9. Aufl. 2002, Rz, 457 m.w.N.)
Trotzdem muß in Hinblick auf die Dokumentation der Sicherheitsaufklärung die erforderliche Sorgfalt wal-ten: • Komplexe Erörterungen – wachsende Anforderungen an die Genauigkeit und Ausführlichkeit der Dokumentation (vgl. Steffen/Dressler aaO.) • Medizinische Erforderlichkeit auch in Hinblick auf Ge-sprächsinhalt - Möglichkeit für Mit- oder Nachbehandler, Teile der Aufklärung anzupassen, zu ergänzen oder zu vertiefen. • Absicherung des Arztes – und sei es nur für den Gegen-beweis
Aber: • Die Sicherheitsaufklärung bleibt Teil der Behandlung. • Daher: • Auch die genaueste und komplexeste Dokumentation kann in angemessener Kürze, d.h. in Stichworten und mit nachvollziehbaren Abkürzungen erfolgen (vgl. Steffen/Dressler aaO. Rz. 459) • Eine Quittierung durch den Patienten ist nicht notwendig, eine erneute Einwilligung nicht erforderlich.
Unterlassene oder inhaltlich falsche Sicherheitsaufklärung stellt einen Behandlungsfehler dar. „grober Behandlungsfehler“ lt. Rechtsprechung des BGH (vgl. zuletzt Urt. v. 3.7.01, NJW 01, 2795): Verstoß gegen bewährte elementare Behandlungsregeln, gegen gesicherte grundlegende Erkenntnisse der Medizin, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich ist, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf
Die vom BGH für den Fall eines „groben Behand-lungsfehlers“ vorgesehene Konsequenz ist meist pro-zessentscheidend: Grundlage: Nicht der Schuldvorwurf gegen den Arzt, son-dern die durch den Behandlungsfehler verursachte Ver-schiebung bzw. Verbreiterung des Spektrums der für die Schädigung in Betracht kommenden Ursachen Konsequenz: Beweiserleichterungen bis zur Beweislastum-kehr für den Patienten – allerdings nur im Bereich der schadensauslösenden Kausalität. Der fehlerhaft agierende Behandler muß zu seiner Entla-stung beweisen, daß sein Fehler für den eingetretenen Schaden nicht ursächlich war – meist ein vergebliches Unterfangen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit und eine gute Heimfahrt !