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Politikwissenschaftliche Einstellungsforschung: Der Einstellungsbegriff Siegfried Schumann

Politikwissenschaftliche Einstellungsforschung: Der Einstellungsbegriff Siegfried Schumann. Der Einstellungsbegriff im Alltag. Beispiele : Einstellung … Einstellung zu Hillary Clinton / Barack Obama zu anderen Menschen positive Grundeinstellung (… führt zum Erfolg) zum eigenen Selbst

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Politikwissenschaftliche Einstellungsforschung: Der Einstellungsbegriff Siegfried Schumann

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  1. Politikwissenschaftliche Einstellungsforschung:Der EinstellungsbegriffSiegfried Schumann

  2. Der Einstellungsbegriff im Alltag Beispiele: Einstellung … • Einstellung zu Hillary Clinton / Barack Obama zu anderen Menschen • positive Grundeinstellung (… führt zum Erfolg) zum eigenen Selbst • linke politische Einstellung zu abstrakten Begriffen • positive Einstellung zur Genforschung zu politisch/gesellsch. Fragen • negative Einstellung zur Chemiefabrik nebenan zu konkreten Objekten • positive Einstellung zu Spitzenverdienern zu (sozialen) Gruppen • positive Einstellung zum Bundesverfassungsgericht Richtung von Einstellungen • extreme Zuneigung zum Radsport Extremität von Einstellungen • gesundheitsgefährdende Einstellung zum Rauchen „Eigenschaften“ von • anachronistische Einstellung zur Rolle der Frau Einstellungen

  3. Zentralität des Einstellungsbegriffs "Von Thomas und Znanieki , den 'Vätern' des heutigen Einstellungsbegriffs, wurde die Sozialpsychologie gleichgesetztmit der Erforschung sozialer Einstellungen ..." (Meinefeld 1977: 11; Hervorhebung durch den Verf.) "Das Konzept der Einstellung 'gehört wahrscheinlich zu den bedeutendsten und unentbehrlichsten Konstrukten in der zeitgenössischen amerikanischen Sozialpsychologie' (Allport 1954, S. 43). Dies trifft nicht nur auf die Sozialpsychologie Amerikas Mitte der 50er Jahre zu, sondern gilt in gleichem Maße auch für die gegenwärtige Sozialpsychologie (z.B. Eagly u. Chaiken 1993; Olson u. Zanna 1993)". (Stahlberg u. Frey 31996: 219)

  4. Zwei Entwicklungslinien: (nach Fleming 1967) "Die ältere ..., die sich auf eine Veröffentlichung von Darwin im Jahre 1872 zurückführen lässt, verstand unter Einstellung die physiologische Bereitschaft des Körpers, in bestimmter Weise zu handeln" (Meinefeld 1977: 12) - physiologische Erscheinung / physiologisch nachzuweisen - körperliche „Ein-Stellung“ "Der Versuch von Thomas und Znanieki in den USA (1918) in ihrer Arbeit über die polnischen Bauern in Europa, den Begriff der Einstellung ... methodisch zu fassen, war erfolgreicher. Sie lösten seine Bindung an physiologische Prozesse". (Leithäuser 1979: 137) - Loslösung bis heute akzeptiert, aber: physiologische Entsprechungen denkbar! - Abkoppelung von der Problematik physiologischer Messungen - Einstellungen z.B. über Befragungen messbar!

  5. Grundbestandteile einer Einstellungsdefinition • Bezug auf ein Objekt • erstmals: Thomas und Znanieki • Unterschied I zur Persönlichkeitseigenschaft! • Affektive Komponente • Unterschied II zur Persönlichkeitseigenschaft! • oft ergänzt durch weitere Komponenten • Valenz (Richtung) + Stärke • Zumindest mittelfristige zeitliche Stabilität • im Regelfall! Punktuell kurzfristige Einstellungsänderungen möglich • Erlernt! • nicht: vererbt; aber: z.B. Einstellung gegenüber Schlangen offenbar vererbt! • in neuerer Zeit auch: Konstruiert! • Verhaltensteuernd! • Diskussion, inwiefern dies zutrifft (Studie von LaPierre) • Problem: Rolle von zusätzlichen Einflüssen (situational, planvolles Handeln, Werthaltungen, andere Einstellungen …)

  6. 3-dimensionale Ansätze Bekannte Vertreter: Eagly/Chaiken (1993): Einstellung als ein erschlossener Zustand, wobei die bewertenden Reaktionen in drei Klassen (kognitive, affektive und verhaltensbezogene) unterteilt sind. beobachtbarbeobachtbar kognitive Reaktionen Stimuli, die ein affektive Einstellungsobjekt anzeigen Reaktionen verhaltensbezogene Reaktionen nach: Eagly und Chaiken (1993: 10) erschlossen Einstellung

  7. Zum Ansatz von Eagly und Chaiken • „Einstellung“ bezeichnet eine psychologische Tendenz, • die sich durch eine mehr oder weniger positive oder negative Bewertung eines Objekts ausdrückt. … • „psychologische Tendenz“ bezieht sich dabei auf einen inneren Zustand der Person • und „Bewertung“ auf alle Klassen bewertender Reaktionen, seien sie offen oder verdeckt, kognitiv, affektiv oder verhaltensbezogen. (Eagly u.a. 1993: 1) • kognitiv: Gedanken oder Vorstellungen, oft Überzeugungen • affektiv: Empfindungen, Stimmungen, Gefühle + Aktivitäten des sympathischen Nervensystems; meist zentrale Stellung! • verhaltensbezogen / konativ: sichtbares Verhalten + Handlungsintentionen

  8. Beispiel Einstellungsobjekt: Angela Merkel kognitive bewertende Reaktion(en) -Es ist gut, dass eine Frau das Bundesklanzler-Amt innehat - Frau Merkel ist eine kluge Taktikerin - Frau Merkel ist machthungrig und intrigiert (z.B. Friedrich Merz) affektive bewertende Reaktion(en) -Äußerung: Frau Merkel ist mir sympathisch - physiologische Reaktionen (z.B.: EDA; ohne Richtung: pos./neg.) verhaltensbezogene bewertende Reaktion(en) - Die Miene einer Testperson verfinstert sich, wenn sie Frau Merkel (Bild) sieht. - Eine Testperson reißt ein Wahlplakat mit dem Bild von Frau Merkel ab. - Eine Testperson hat die Intention, Frau Merkel im Wahlkampf zu unterstützen (Zweifelsfall!) - ev. Einschränkung: „zeitlich zurückliegende Verhaltensweisen gegenüber einem Einstelungsobjekt“ (Haddock/Maio in: Jonas/Stroebe/Hewstone 2007: 193)

  9. Messung für Parteien: affektive Komponente

  10. Messung für Parteien: eine kognitive Komponente

  11. Messung für Parteien: eine konative Komponente

  12. Zusammenhang der drei Komponenten für Parteien nach Rohmert (2006: 32)

  13. Messung II: kombinierte Erfassung d. Komponenten

  14. Messung II: Andere Beispiele (für komb. Erfassung)

  15. Messung II: „Parteienverdrossenheit“ (Likert-Skala) Schumann (2001: 725)

  16. Schwierigkeiten bei 3-dimensionalen Ansätzen • Konsistenztheorem • Übereinstimmung (affektive/kognitive/verhaltensbezogene Komponente) wird meist unterstellt • Empirische Ergebnisse sprechen eher gegen eine pauschale Konsistenzannahme • Meßprobleme • eindimensionale Messung! • bei Verhaltensreaktionen (i.d.R. Grundlage der Messung!): instrumentelles Verhalten / Interpretation des Verhaltens • Erklärung von „Verhalten“ • verhaltensbezogene Komponente in der Einstellungsdefinition • Gefahr zirkulärer Argumentation Eindimensionaler Ansatz vermeidet diese Schwierigkeiten weitgehend ↓

  17. Der eindimensionale Ansatz nach Fishbein I • „Einstellung“ bezeichnet eine erlernte Disposition, • auf ein Objekt oder eine Klasse von Objekten • positiv oder negativ zu reagieren (Fishbein 1965: 107) • Hiervon streng unterschieden: „Überzeugungen / Meinungen“(beliefs) bezeichnen • Hypothesen bezüglich der Natur dieser Objekte • und der ihnen gegenüber angebrachten Handlungsweisen (Fishbein 1965: 107) Verhalten bzw. Verhaltensintentionengegenüber dem Einstellungsobjekt sind nicht Bestandteil der Einstellungsdefinition!

  18. Der eindimensionale Ansatz nach Fishbein II • Theoretischer Ansatz im Überblick: 1. EinstellungsobjektMerkmale 2. Merkmalewertende Reaktionen (Einstellungen) 3. Aufsummierung der wertenden Reaktionen, gewichtet mit wahrgenommenen "Stärke der Verbindung" 4. Objekt aufsummierte (gewichtete) wertende Reaktionen 5. künftig: Objektaufsummierte (gewichtete) wertende Reaktionen • Die Einstellung eines Individuums gegenüber einem Objekt kann durch folgende Funktion vorhergesagt werden: Einstellung zu dem Objekt = wobei statt "ist gleich" besser "direkt proportional" gesetzt werden sollte (vgl. auch Ajzen 1996: 32) Bi = Stärke der Überzeugung „i“ bezüglich des Objekts (Wahrscheinlichkeit: Objekt ↔ Merkmal) ai = Stärke der (positiven oder negativen) Bewertung des zugeordneten Merkmals (=Einstellung!)

  19. Beispiel Einstellungs- MerkmalBewertung (ai) objekt Frau im Bundeskanzler-Amt↔ ++ kluge Taktikerin↔ + machthungrig↔ - - intrigant↔ - - - Angelagegen EU-Beitritt der Türkei↔ - Merkelträgt Hosenanzüge↔ o hat ihr Auftreten verbessert↔ + „Ost-Sozialisation“↔ + Physikerin↔ ++++ Vater war Pfarrer↔ + „Kohls Mädchen“↔ - - _______ ++ Resultante = Einstellung zu Angela Merkel Gewichtung (Bi)

  20. Ergänzung zum Beispiel Bei künftigen Gelegenheiten: Einstellungsobjekt → aufsummierte wertende Reaktion

  21. Vorzüge des eindimensionalen Ansatzes • Verzichtet auf Konsistenzannahme (innerhalb und zwischen „Komponenten“) • Übereinstimmung zwischen Theorie und Messinstrumenten • Vereinheitlichung der Forschungslandschaft (Skalometer!) • analytische Klarheit (z.B. Strukturen / Verhaltenserklärung) • kompatibel mit mehrdimensionalen Ansätzen • kompatibel mit konstruktivistischer Sichtweise • Erklärung sonst schwer erklärbarer Phänomene → Experiment: „Skilehrer“ Aber auch Schwierigkeiten: • „Einstellungsebene“ wird nicht verlassen! • Frage nach der Genese von Einstellungen bleibt letztlich offen!

  22. Weitere theoretische Vorentscheidungen • Rolle der zeitlichen Stabilität von Einstellungen • i.d.R. nur ein Messzeitpunkt! • Berücksichtigung der zeitlichen Komponente bei der Messung: • mehrere Messzeitpunkte (Aufwand / keine Kurzfristerhebung / Reliabilität?) • Frage mit Zeitkomponente (verlässlich?) • Fremdurteile / „Dauerbeobachtung“ (Aufwand / verlässlich?) • theoretisches Konstrukt oder Phänomen mit physiologischer Grundlage? • nur Beschreibung vs. Erklärung • uni- oder bipolar? • Beispiel: Was halten Sie so ganz allgemein von Angela Merkel überhaupt nichts (0) … (11) sehr viel sehr wenig (-5) … (+5) sehr viel

  23. Generelles Problem: Eindimensionalität? Sympathie für das Einstellungsobjekt: – sehr sympathisch – sehr unsympathisch (-5 … +5) → Vorstellung vom „empirischen Relativ“! sympathisch sympathisch unsympathisch unsympathisch ● große Ambivalenz ● keine Ambivalenz ●

  24. Ermittlung der „Stärke“ von Einstellungen • Extremität einer (geäußerten) Einstellung • Geschwindigkeit, mit der die Einstellung zu einem Objekt salient wird ↓ • Grad der Konsistenz zwischen affektiver, kognitiver und verhaltensbezogener Komponente • Grad der Konsistenz der Kognitionen (Tendenz: positiv vs. negativ) • Physiologische Messungen (z.B. elektrodermale Aktivität; bloße Erregung ohne „Richtung“)

  25. Einstellung und Verhalten: Vorbemerkungen • klare Trennung Einstellung – Verhalten nur im eindimensionalen Modell • mangelnde Reliabilität der Instrumente → Unterschätzung von Korrelationen • 2 x Selbstbeschreibungen → Überschätzung der Korrelationen • zusätzliche Einflüsse auf Verhalten, z.B.: • situationale Einflüsse • planvolles Handeln (taktisches Wählen, instrumentelles Verahlten …) • Moderatorvariablen (unter welchen Bedingungen treten Korrelationen auf?) • Drittvariablenkontrolle!

  26. Theory of Reasoned Action (TORA) nach: Ajzen/Fishbein (1980: 8) Zur Vorhersage Übereinstimmung: in der Art des Verhaltens (action), des Objekts (target), der Rahmenbedingungen (context) und des Zeitpunkts (time element) - The person‘s beliefs that the behavior leads to certain outcomes -and his evaluations of these outcomes Attitude toward the behavior Relative importance of attitudinal and normative considerations Intention Behavior -The person‘s beliefs that specific individuals or groups think he should or should not perform the behavior -and his motivation to comply with the specific referents Subjective norm

  27. Fazit • Unterschiedliche Einstellungsdefinitionen! • Wahl der Einstellungsdefinition hat Konsequenzen für … • die theoretische Argumentation (z.B.: Verhaltenserklärung!) • die Analysemöglichkeiten (z.B.: Einstellungsstrukturen!) • die Messung (z.B.: Skalometer!) • Theoretische Argumente sprechen eher für eindimensionalen Ansatz • Am häufigsten verwendet: Dreidimensionaler Ansatz

  28. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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