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Die Politische Ökonomie der Staatsschuldenkrise Roland Vaubel. Die Politische Ökonomie versucht, die Wirtschaftspolitik mit den Interessen der politischen Akteure zu erklären. Sie geht nicht davon aus, dass die Politiker (notwendigerweise) das Allgemeininteresse verfolgen.
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Die Politische Ökonomie der Staatsschuldenkrise Roland Vaubel
Die Politische Ökonomie versucht, die Wirtschaftspolitik mit den Interessen der politischen Akteure zu erklären. • Sie geht nicht davon aus, dass die Politiker (notwendigerweise) das Allgemeininteresse verfolgen. • Sie ist daher dann besonders relevant, wenn es darum geht, eine ökonomisch verfehlte Politik zu erklären. • Deshalb vorweg eine kurze Begründung, weshalb ich – und eine ganz überwiegende Mehrheit der Nicht-Bank-Ökonomen – die wirtschaftspolitischen Reaktionen auf die Staatsschuldenkrise für falsch halten.
„Greece sparked the eurozone crisis but was not its cause. The cause lies in the fact that the eurozone is a fully fledged monetary union but an incomplete economic and fiscal union of member states with different structures“ (Costas Simitis und Yannis Stournaras, The Guardian, London, 26.04.12)
Tabelle 1 Quelle: OECD Economic Outlook, May 2011 a – General Government Financial Balance b – General Government Net Financial Liabilities
Die Staatsschuldenkrise wäre trotz Finanzmarktkrise vermeidbar gewesen. • Die Club-Med-Länder haben sie selbst verschuldet. • Das Fehlverhalten setzte schon lange vor der Finanzmarktkrise ein. • Die griechischen Banken waren von der Finanzmarkt-krise so wenig betroffen, dass sie nicht vom griechischen Staat gestützt werden mussten. • Es ist verkehrt, Fehlverhalten zu belohnen. • Damit werden falsche Anreize gesetzt (Moral Hazard).
Fehlanreize: • Die Bürgschaften und Kredite schaffen einen Anreiz, auch in der Zukunft zu hohe Haushaltsdefizite zuzulassen und zu hohe Lohnsteigerungen zu vereinbaren. • Die wirtschaftspolitischen Auflagen ändern nichts daran, dass die Kredite subventioniert sind. Denn die Ankündigung und Verabschiedung der auferlegten Maßnahmen hätte die Problemstaaten nicht in die Lage versetzt, sich auch am Markt zu so günstigen Bedingungen – weniger als vier Prozent! – zu verschulden, wie sie es bei dem Bailout-Fonds können. Sonst hätten sich die Hilfskredite ja erübrigt. • Die subventionierten Kredite des Bailout-Fonds sind nicht mit den anderen EU-Transfers zu vergleichen. Auslöser für Bailout-Kredite ist ja nicht – wie im Fall der Strukturfonds – die Armut der Empfängerländer, sondern die Tatsache, dass ihre Politiker zu viele Schulden gemacht haben.
Der Fehlanreiz wäre geringer, wenn die Empfängerländer die Kredite zu einem Strafzins erhalten hätten – zumindest zu dem Zins, den sie zuletzt am Markt hatten zahlen müssen. • Die Bürgschaften und Kredite sind eine Belohnung für die Gläubiger der Problemländer, die zum Teil wissentlich hohe Risiken eingegangen sind und dafür in der Vergangenheit hohe Zinsen kassiert haben. Die Bailout-Politik verleitet die Anleger daher dazu, in Zukunft noch höhere, exzessive Risiken einzugehen. Für die Konsequenzen einer Umschuldung sollten so weit wie möglich die Gläubiger – auch die Banken – aufkommen. • Soweit stattdessen die Steuerzahler belastet werden, müssen die Steuern erhöht werden oder an sich mögliche Steuersenkungen unterbleiben. Die Auswirkungen auf die Leistungsanreize sind negativ.
Einwände: • „Bei den Rettungsbeschlüssen für einige Euro-Länder geht es nicht darum, ob die Griechen, Iren oder Portugiesen früher richtig oder falsch gehandelt haben. Tatsache ist, dass der Euro bedroht war und Deutschland im wohlverstand-enen Eigeninteresse handelt, wenn es sich an der Hilfe beteiligt“ • (Dominique Strauss-Kahn, Interview mit der • Financial Times Deutschland, 11.04.11, zu • diesem Zeitpunkt Geschäftsführender Direktor • des Internationalen Währungsfonds).
EZB-Präsident Trichet hat im Mai 2010 davor gewarnt, dass ohne Hilfskredite eine Panik wie nach dem Konkurs von Lehman Brothers im September 2008 ausbrechen würde. Diese Warnung war unglaubwürdig, denn im September 2008 war ganz unklar gewesen, ob noch weitere Großbanken in den Konkurs entlassen werden würden und ob – wie in der Weltwirtschaftskrise – die Geldmenge zurückgehen würde. Diese Befürchtung konnte im Mai 2010 und danach nicht mehr bestehen, da alle Industrieländer eine Institutsgarantie für ihre system-relevanten Banken abgegeben hatten und die zur Erfüllung dieser Garantie notwendigen Institutionen und Finanzmittel bereit standen. • Minister Schäuble hat erklärt, es gehe um die Stabilität des Euro. Unter Ökonomen besteht Einigkeit, dass nicht die Zahlungs-fähigkeit Griechenlands, sondern die Geldpolitik der EZB über die Stabilität unserer Währung entscheidet.
Die Bailout-Politik der Euro-Gruppe ist ein krasser Vertragsbruch: • Artikel 125 AEUV: „Ein Mitgliedstaat haftet nicht für die Verbindlichkeiten … eines anderen Mitgliedstaats und tritt nicht für derartige Verbindlichkeiten ein“. (Die damaligen französischen Minister Lagarde, Lellouche und Wauquiez und der belgische EU-Kommissar Karel Gucht haben den Vertragsbruch öffentlich zugegeben.) • Der von Kommission und Rat als Ermächtigungsgrundlage genannte Artikel 122 AEUV scheidet aus, weil sich die Defizitpolitik der Problemstaaten nicht ihrer Kontrolle entzog (wie das Beispiel der anderen Länder zeigt) und weil sich Artikel 122 weder auf die Euro-Staaten noch auf die Währungspolitik bezieht. • Artikel 123 AEUV: „Kreditfazilitäten bei der Europäischen Zentralbank… für… Zentralregierungen… der Mitgliedstaaten sind ebenso verboten wie der unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln von diesen durch die Europäische Zentralbank“. Damit ist klar, dass es keine monetäre Finanzierung von Haushaltsdefiziten geben darf und dass der mittelbare Erwerb von Anleihen im Sekundärmarkt, der erlaubt ist, nur für geldpolitische Zwecke („quantitative easing“) in Frage kommt. Die EZB kauft die Anleihen jedoch zum Zweck der Haushaltsfinanzierung. Sie unterläuft damit den Sinn des Artikels 123.
Der Euro-Rat hätte nicht im Mai 2010 an die EZB herantreten dürfen mit dem Wunsch, Anleihen der Problemländer zu kaufen. Dies verbietet Art. 130 AEUV: „Die Regierungen der Mitgliedstaaten verpflichten sich… nicht zu versuchen, die Mitglieder der Beschlussorgane der Europäischen Zentralbank oder der nationalen Zentralbanken bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beeinflussen“. • Auch der IWF darf seine Kredite nicht zum Zweck der Haushalts-finanzierung vergeben. Nach Art. V Abs. 3.b.ii seiner „Articlesof Agreement“ darf der IWF nur Kredite vergeben „on thecondition [thatthememberstate] has a needtomakethepurchasebecauseofitsbalanceofpaymentsoritsreservepositionordevelopmentofitsreserves“. • Wie die Deutsche Bundesbank in ihrem Monatsbericht vom März 2010 zutreffend schrieb, „ist ein finanzieller Beitrag des IWF bei der Lösung von strukturellen Problemen, die keinen Fremdwährungs- • bedarf implizieren – etwa der direkten Finanzierung von Budget- • defiziten oder der Finanzierung einer Bankenkapitalisierung – mit • seinem monetären Mandat nicht zu vereinbaren“ (S. 63). • Fazit: Die Beteiligung des IWF an den Bailout-Krediten ist mit • seinem Auftrag nicht zu vereinbaren.
Wie eine ökonomisch vernünftige und rechtlich akzeptable Lösung ausgesehen hätte: • Die Problemländer hätten ihren Schuldendienst 2010 eingestellt und mit ihren Gläubigern über eine Umschuldung verhandelt (so wie Griechenland schließlich im März 2012). Der Konkurs wäre nicht verschleppt worden. • Alle EU-Staaten hätten ihre Garantie bekräftigt, dass der Zahlungs-verkehr und die Geldmenge aufrecht erhalten werden. • Die Schuldnerstaaten hätten ihre Haushalte ohne Bailout-Kredite und ohne Bevormundung durch ausländische Kontrolleure in eigener Regie saniert. • Die EU oder die Eurogruppe hätten sich an der Garantie von Einlagen zahlungsunfähiger Banken in den Problemländern von Anfang an beteiligen können, denn das ist rechtlich zulässig. • Da nur ein Bruchteil der notleidenden Staatsanleihen von Banken gehalten wurde und wird und da fast alle Banken die notwendigen Abschreibungen verkraften können und hätten verkraften können, hätte dies die Steuerzahler unvergleichlich viel weniger belastet als der Bailout der Schuldnerstaaten.
Politisch-ökonomische Erklärung: • Welche Akteure waren und sind an der Bail-out-Politik vor allem interessiert? • Treibende Kraft: Präsident Sarkozy • Finanzminister Schäuble • die Europäische Kommission • der Internationale Währungsfonds • die Banken • SPD und Grüne • Die Wähler? Emnid-Umfrage vom Februar 2012: • 62 Prozent sind gegen die Bailout-Politik. Regierungspolitiker Bürokraten Interessengruppe Oppositionspolitiker
Präsident Sarkozy • Wie Peter Ludlow in seiner minutiösen Darstellung berichtet, trifft Sarkozy am 7. Mai 2010 schon vormittags in Brüssel ein und führt u.a. Gespräche mit Barroso, Juncker, Papandreou und Trichet. • Das Arbeitsessen des Euro-Rats am Abend wird von Juncker geleitet. • Zuerst spricht Papandreou, dann hält Trichet einen vorbereiteten Vortrag mit Charts usw. und warnt vor einer Lehman-artigen Panik. • Angela Merkel erklärt die Bailout-Politik zur „Ultima Ratio“. • Am folgenden Samstag lassen die im Euro-Rat versammelten Staats- und Regierungschefs Trichet gegenüber durchblicken, dass sie es begrüßen würden, wenn die EZB griechische Staatsanleihen kaufen würde. • Am darauf folgenden Sonntag organisiert Trichet eine Telefon-konferenz des EZB-Rats und setzt durch, dass die EZB ab Montag griechische Staatsanleihen aufkauft. Dagegen stimmen die deutschen Mitglieder Axel Weber und Jürgen Stark sowie der griechische Zentralbank-Gouverneur Provopoulos (noch von der konservativen Vorgänger-Regierung ernannt).
Weshalb betreibt Sarkozy den Bailout? • Sarkozy erklärt auf der Pressekonferenz, er habe „den Euro gerettet“: Keine Austritte aus der Währungsunion! Wenn Griechenland austritt, könnte irgendwann auch Deutschland austreten wollen. • Errichtung eines Europäischen Währungsfonds (wie schon in den siebziger Jahren von Raymond Barre und Giscard d’Estaing gefordert): „Sarkozy sagte nach dem Treffen, dies sei der Beginn eines Europäischen Währungsfonds: ‘Von den Beschlüssen vom Mai 2010 zu den heutigen Beschlüssen führt ein gerader Weg’“ (faz.online 22.7.11). • IFOP (Januar 2011): 61 Prozent der Franzosen, aber nur 34 Prozent der Deutschen glauben, einmal in die gleiche Lage wie die Griechen kommen zu können. • Französische Banken halten prozentual und absolut die größten Bestände an griechischen Staatsanleihen. • Sarkozy ist Gründer und Präsident der „Europäischen Mittelmeer-Union“. • Auch in den Verhandlungen über den Maastricht-Vertrag hat Paris (Finanzminister Bérégévoy) gegen eine unabhängige EZB gekämpft. • Sarkozy will sich vor der Präsidentschaftswahl als führender europäischer Krisenmanager profilieren.
Weshalb spielte Trichet mit? • Trichet hatte bis zum Mai auch in Deutschland eine gute Reputation. • Er war in seinen Entscheidungen unabhängig, aber er wusste, dass seine Amtszeit im Oktober 2011 enden würde und dass er dann nach Frankreich zurückkehren würde. • Zu diesem Zeitpunkt würde Sarkozy noch Präsident sein, dieser könnte ihm daher zu attraktiven Altersbeschäftigungen verhelfen. • Sarkozy hat Wort gehalten: • Trichet wird Vorsitzender der Group of Twenty. • Trichet wird neues Mitglied im Verwaltungsrat des Luftfahrt- und Rüstungskonzerns EADS (Airbus). • Trichet wird Vorsitzender des Brüsseler Think Tank’s Brueghel, der von dem Franzosen Pisani-Ferry gegründet worden ist.
Weshalb ist Schäuble für die Bailout-Politik? • ‚„Wecanonlyachieve a politicalunionifwehave a crisis‘, Mr. Schäuble said“ (New York Times, 18.11.11). • Schäuble war schon vor der Wiedervereinigung einer der Hauptverfechter der Europäischen Währungsunion. Als Gegenleistung für die Preisgabe der D-Mark forderte er eine gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik einschließlich einer „nuklearen Komponente“. • Er ist an der deutsch-französischen Grenze aufgewachsen. • Er ist kein Ökonom, sondern Jurist • Er will nicht nur Krisenmanagement (EFSF), sondern eine neue, auf Dauer angelegte zusätzliche europäische Institution (ESM). • Er will sich damit zum Schluss seiner politischen Karriere ein bleibendes Denkmal setzen.
Schäuble versucht, den Eindruck zu erwecken, dass die fatalen Anreizwirkungen des ESM durch seinen „Fiskalpakt“ beseitigt würden. Dem ist nicht so. • Wie die Erfahrungen mit Art. 115 GG zeigen, sind Gerichte nicht geeignet, gegen übermäßige Haushaltsdefizite vorzugehen. Richter (Juristen) – selbst wenn sie gar nicht von den Regierungsparteien ernannt worden sind – tun sich schwer, sind vielleicht auch überfordert, wenn es um die Beurteilung volkswirtschaftlicher Zusammenhänge geht, zumal wenn die Kriterien so schwammig sind. • Der Fiskalpakt ist kein EU-Recht, sondern ein einfacher völkerrechtlicher Vertrag. Der Gerichtshof wird nur im Rahmen eines Schiedsverfahrens nach Art. 273 AEUV tätig. Sein Schiedsspruch ist kein verbindliches EU-Recht. • Der „Fiskalpakt“ widerspricht sogar dem EU-Recht. Denn während der „Fiskalpakt“ ein Defizit zwischen 0,5 und 3 Prozent des BIP verbietet, ist es nach Art. 125 AEUV erlaubt. Der Gerichtshof könnte den Fiskalpakt daher für unvereinbar mit den europäischen Verträgen erklären.
Es ist unwahrscheinlich, dass der Fiskalpakt zu Klagen führen wird. • Die Kommission soll Überschreitungen der Defizitgrenze von 0,5 Prozent des BIP „unter Berücksichtigung der länderspezifischen Risiken“ und „auf der Grundlage einer Gesamtbewertung“ beurteilen und „eine rasche Annäherung“ akzeptieren. • Ein negatives Votum der Kommission führt zwar im ersten Schritt zu einer automatischen Klage des Dreiervorsitzes beim Gerichtshof. Dieser darf jedoch im ersten Schritt keine Sanktionen verhängen, sondern nur Korrekturmaßnahmen verlangen. • Für den Fall, dass die geforderten Korrekturmaßnahmen nicht ergriffen werden, sind weder eine automatische Klage noch automatische Sanktionen vorgesehen. • Automatische oder (quasi-)automatische Sanktionen gegen Defizitsünder gibt es weder im Fiskalpakt noch im reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakt, und Wolfgang Schäuble weiß das. Er war schon immer ein Meister der politischen Irreführung.
Weshalb will die Europäische Kommission die Bailout-Politik? • Die Europäische Kommission erhält zusätzliche Kompetenzen. • Kommissionspräsident Barroso ist Portugiese. • Die Kommission dringt darauf, dass zumindest der Fiskalpakt nach fünf Jahren in EU-Recht überführt wird. • Auch die Kommission will das vorübergehende Problem der Staatsschuldenkrise zum Anlass nehmen, auf Dauer eine neue Institution – den ESM – zu gründen.
Weshalb unterstützt der IWF die Bailout-Politik? • Dass der IWF Kredite zur Haushaltsfinanzierung vergibt, ist nicht nur rechtswidrig, sondern auch neu – eine Idee von Dominique Strauss-Kahn und Chefökonom Olivier Blanchard. • Da sich der IWF über die Zinsmarge finanziert, die er bei der Kreditvergabe einstreicht, hat er ein starkes Interesse daran, Kredite zu vergeben (auch wenn die Empfänger die Kredite vielleicht nicht verdienen und die wirtschaftspolitischen Auflagen des IWF nicht einhalten). Wenn der IWF eine Kreditvereinbarung wegen Nichterfüllung der Auflagen kündigt, so schließt er doch meist im Folgejahr eine neue Kreditvereinbarung ab. Die Präferenzen der IWF-Beamten sind in Richtung Kreditvergabe verzerrt. • Die beiden Geschäftsführenden Direktoren (Dominique Strauss-Kahn und Christine Lagarde) kommen aus Frankreich und unterstützen die französische Politik. Lagarde war sogar Finanzministerin von Sarkozy.
Weshalb fordern die Banken (Bank-Ökonomen) die Bailout-Politik? • Wenn die zahlungsunfähigen Schuldnerstaaten hochsubventionierte Kredite von den anderen Euro-Staaten erhalten und ihre maroden Anleihen von den anderen Euro-Staaten garantiert werden, können die Banken ihre Abschreibungen verringern. Dabei kommen die Steuerzahler für die Fehler der Banken auf, obwohl die allermeisten Banken die Verluste verkraften könnten. • Dies gilt nicht nur für die Banken in der Eurozone, sondern auch z.B. für die City of London und die Wall Street. Deshalb ermuntern Premierminister Cameron, Präsident Obama und die OECD die Regierungen der Euro-Gruppe, das Volumen der Bailout-Fonds immer weiter zu erhöhen und zu hebeln. Ihre Forderungen richten sich vor allem an die deutsche Adresse, denn sie wissen, dass Schäuble sie unterstützt und Merkel nachgeben wird. • Das Interesse der amerikanischen Banken erklärt auch, weshalb die USA den IWF-Krediten an die Problemländer der Eurozone zustimmen. (Die amerikanischen Großbanken setzten schon 1982 durch, dass der IWF riesige Kredite an die lateinamerikanischen Schuldnerstaaten vergab.) • Banken-Volkswirte, die sich auch nur ansatzweise eine eigene Meinung leisten, werden – wie Thomas Mayer von der Deutschen Bank – kurzerhand entlassen.
Weshalb unterstützen die Oppositionsparteien SPD und Grüne die Bail-out-Politik der Bundesregierung? • Internationale Solidarität? • Die Zentralisierung der Wirtschaftspolitik stärkt die Macht des Staates über Märkte und Bürger, weil die Wirtschaftssubjekte den staatlichen Regulierungen und Abgaben nicht mehr so leicht ausweichen können. • Gabriel und Trittin wissen, dass Schäuble die Bailout-Politik bejaht und die meisten FDP-Wähler sie ablehnen. Indem SPD und Grüne den Schäuble-Kurs unterstützen, hoffen sie, die FDP zu vernichten. Sie bieten sie sich der Union als alternative Koalitionspartner an und nehmen der FDP den Mut, die Koalitionsfrage zu stellen.
Ich glaube jedoch nicht, dass eine Mehrheit der Unionsabgeordneten im Bundestag für eine große Koalition stimmen würde, solange die Union auch mit einem kleineren, bürgerlichen Koalitionspartner regieren kann. Schon allein der Verlust an Minister- und Staatssekretärposten würde in der Fraktion Widerstand auslösen. Außerdem hätte die SPD ohne die FDP keine Scheu mehr, wenn nötig, mit der „Linken“ zu koalieren, denn ohne die FDP hätte die Union keine Alternativen mehr. Sie wäre wehrlos. • Gabriel und Trittin sehen eine Chance, die FDP ein für alle Mal zu erledigen. Zu dieser Regie passt, dass die SPD in Nordrhein-Westfalen und im Saarland die Chance zu Neuwahlen entschlossen genutzt hat. • Trittin ist bereits dabei, die Beute zu verteilen, wenn er erklärt, die liberalen Wähler seien bei den Grünen gut aufgehoben. • Da der Fiskalpakt und angeblich auch der ESM einer verfassungs-ändernden Mehrheit bedürfen, wird die SPD ihre Zustimmung an kaum erfüllbare Bedingungen – die Finanztransaktionssteuer – knüpfen und die Verhandlungen in die Länge zu ziehen, um der FDP ihre Wähler möglichst bis zur Bundestagswahl abspenstig zu machen.
Schluss: Das Dilemma der FDP • Die FDP steht vor dem Dilemma, dass ihre bisherigen Wähler etwas Anderes wünschen als ihre bisherigen Geldgeber – die Banken und die von diesen beeinflussten Unternehmen. • Es nützt der FDP nichts, dass eine knappe Mehrheit ihrer Mitglieder und eine deutliche Mehrheit der Parteitagsdelegierten für den Bailout-Kurs stimmt. Um zu überleben, braucht sie Wähler. • Schäuble schafft, was seinem Landsmann und Parteigenossen Kurt-Georg Kiesinger 1967 nicht gelang: die FDP zu zerstören. (1967 sollte die FDP durch Einführung des Mehrheitswahlrechts ausgeschaltet werden – Herbert Wehner zog aber später sein Angebot zurück, als die FDP 1968 auf Linkskurs ging und ihm für 1969 die Koalition versprach.) • Wie schon Bismarck mit seiner Schutzzollpolitik (1879) spaltet Schäuble die deutschen Liberalen auch programmatisch an ihrer schwächsten Stelle: bei ihrem unreflektierten Verhältnis zur politischen Einigung, d.h., Zentralisierung. Die Nationalliberalen hielten dem Kanzler der Einheit die Treue und stimmten für die zusätzlichen Einnahmen, die dem Reich mehr Einnahmen und Macht verschaffen sollten. Der Wirtschaftsflügel um Eugen Richter dagegen gründete die liberale Fortschrittspartei und blieb seinem Bekenntnis zur Marktwirtschaft treu. • Auch heute sind es vor allem die Nicht-Ökonomen (Juristen) wie Westerwelle, Genscher, Leuthäuser-Schnarrenberger, Niebel und Wissing, die die politische Zentralisierung betreiben, obwohl doch jede Zentralisierung dem Staat mehr Macht über die Bürger verleiht und die Freiheit des Einzelnen untergräbt. Die Gegner des ESM sind dagegen zumeist Ökonomen.