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Johann Sebastian Bach 5. Brandenburgisches Konzert. Dr. Bert Gerhardt gerhardt@seminar-stuttgart.de. Analysen und Materialien zum Schwerpunktfeld „Wetteifern und Wettstreiten im Barock“ für das Abitur 2011/12/13. Übersicht.
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Johann Sebastian Bach 5. Brandenburgisches Konzert Dr. Bert Gerhardtgerhardt@seminar-stuttgart.de Analysen und Materialien zum Schwerpunktfeld „Wetteifern und Wettstreiten im Barock“ für das Abitur 2011/12/13
Übersicht Analysen und Materialien zum Schwerpunktfeld Abitur 2011/12/13„Wetteifern und Wettstreiten im Barock“ • Aspekte der Entstehungsgeschichte • 1. Allegro: „stile concitato“ / Gliederungsansätze • Affetuoso: Schüler-Analysen – „Abi-Probe-Korrektur“ • 3. Satz: Fuge + Lied / Affekte • MethodischeOptionen • Materialien 5. Brandenburgisches Konzert gerhardt@schulmusiker.info
Entstehung Zyklus • Originaltitel : « Six Concerts Avec plusieurs Instruments » • Sammlung vorhandener Kompositionen für den Widmungsträger – Christian Ludwig, Markgraf zu Brandenburg bzw. Schwedt – zusammengestellt • der ihn vermutlich 1719 in Berlin als Cembalist beim Instrumentenbauer Mietke gehört hatte (evtl. auch schon 1718 in Karlsbad bei Badekur) • 1. + 3. in Weimar – andere Konzerte bei dem „gnädigen und die Music so wohl liebenden als kennenden“ Fürsten (Bach 1730) in Köthen • „Da ich vor ein paar Jahren das Glück hatte, mich vor Ihrer Königlichen Hoheit auf Ihren Befehl hin hören zu lassen ...„ schreibt Bach erst zwei Jahre später: 1721 • Zyklenbildung wird sonst bei Bach selbst üblich, hier allenfalls Berücksichtigung verschiedener Soloinstrumente • Sorgfalt und Wertschätzung: genaue Ausarbeitung bis zu Taktstrichen • erst 1869 von der Bachgesellschaft herausgegeben und damit bekannt gemacht • Benennung durch Philipp Spitta (1873) gerhardt@schulmusiker.info
Widmung und Rezeption • „… bitte ich Eure Hoheit ergebenst, die Güte zu haben, … zu Gelegenheiten herangezogen werden, die Ihrer und Ihres Dienstes würdig sind, ich, der ich mit unvergleichlichem Eifer Eurer königlichen Hoheit ergebenster und gehorsamster Diener bin Johann Sebastian Bach“ = verkappte Bewerbung? • Widmung in französich, devote Wortwahl, von Anderem übersetzt • „quelques pieces de ma composition“: Christian Ludwig kannte diese vermutlich noch nicht (hat sie nicht schon in Berlin gehört) • Bach in Köthen im Prinzip zufrieden, aber lebenslang „unstet“ • Tod des Dienstherrn immer Gefahr: freie Reichsstädte sicherer • Ab 1800 in Kennerkreisen aufgeführt, aber keine große Rolle für Bach-Renaissance • kompositorische Einflüsse möglich bei Haydn, Brahms, Wagner, Reger • Bach: kein „Viel-Schreiber“ wie Telemann: kompositorische Ideen entwickeln - hartnäckig, zäh, bedächtig, mit Selbstzweifeln - tw. Selbstüberforderung (Charakterisierung von Schleuning) gerhardt@schulmusiker.info
Entstehung 5. Konzert • 1,3,6: Konzertsatz, langsamer Satz, Tanz = « italienische Ouvertüre » • 2,4,5: moderneres « Concerto Grosso » = Schluss-Satz Fuge/Fugato • Keine « saubere » Trennung der instrumentalen Funktionen (Vgl. « Solo-Cembalo ») • keine 2. Violine, da nicht vorhanden vermutlich • Solokadenz 1. Fassung nur 18 Takte • „vermittelnde“ Solo-Instrumente Flöte / Vl. auch in 4. Konzert und Tripelkonzert a-moll • Vorbild Vivaldi (v.a. Ecksätze: Akkord-Thema, Sechzehntel-Repetitionen)/ italienisches Concerto Grosso – gehört z.B. 1717 in Dresden • Ritornell-Strukturen von Tomaso Albinoni • Formteile bei Bach größer, Harmonik komplexer • Frühfassung ca. 1718 komponiert (nach I und III; vor II und IV, die nochmal deutlich komplexer sind) gerhardt@schulmusiker.info
1. Allegro: „stile concitato“ • Beginn wie italienisches Concerto • Prägnantes Thema, einfache Harmonik • Prinzip „Einheit in der Vielfalt“, v.a. harmonisch in Folge • Flöte -„Französisch“ / Violine -„Italienisch“ / Klavier -„Deutsch“ (Dahlhaus 1955) => Synthese nationaler Stile mit deutscher „Dominanz“ • Idealtyp der Gliederung „Vordersatz-Fortspinnung-Epilog“ (2,4,2 Takte) oder Frage mit 2 verschiedenen Antworten (3-5, 6-8) ? (wäre übertragbar auf Gesamtform: 2 Teile mit gleichem Beginn und verschiedenen Enden: 1-100; 101-227)? • Dreiklangsaufstieg und Oktavabstieg, dann mit Quintabsprung … Sequenzierung … • Repetition ist gewollter Zusatz-“Effekt“ der Melodielinie gerhardt@schulmusiker.info
1. Allegro: „stile concitato“ • „stile concitato“ (Kampf, Erregung, Krieg) in Folge Monteverdis (R. Goebel)? • dagegen: später Kantilenen von Vl/Fl • => dualistisches Prinzip (Tutti-Solo; „Streit-Frieden“) oder semantisch überfrachtet (Hörgewohnheiten heute sowieso andere)? • dagegen spricht die dabei kaum berücksichtigte Rolle des Solo-C. • - Übergang Ritornell-Solo kunstvoll: Sechzehntel-Abgang als Reminiszenz an Bachs Weimarer Vorlieben- 32-tel-Beginn des Cembalos markiert Start, gliedert sich zugleich organisch ein; wird „Eigentum“ des C.; wird mehrfach noch als gliederndes Moment genutzt (Solo-Einsätze von Fl/Vli.G. dazu „vergrößerte“ absteigende Linie)- Bezug Ritornell-Solomotiv T. 3 zu T. 21ff in Melodielinie gerhardt@schulmusiker.info
1. Allegro: „stile concitato“ • „Reprise“ in T. 101 in A-Dur („falsche Tonart“ existiert in Konzertsatz nicht; 121ff. in D-Dur wird ganz anders fortgeführt) • vergleichsweise einfache Gestaltung der Flöte im 1. Satz: 1. Komposition Bachs für Querflöte, 1. deutscher Komponist, der sie im Solokonzert nutzt ? • oder: Aufführungspraktische Gründe (vorhandene Musiker)? • oder: Hierdurch wird Rolle des C. hervorgehoben (unterstützt These des „C.-Konzertes“; in richtigen Tripelkonzerten wie BWV 1044 deutliche Angleichung der Schwierigkeiten; Erweiterung der Solo-Kadenz des C. in der 2. Fassung spricht ebenfalls hierfür)? gerhardt@schulmusiker.info
1. Allegro: „stile concitato“ • Form: komplexe Gliederung ergibt sich bei herkömmlicher Analyse • stattdessen: Individualität, Komplexität von immer wieder neuen Motivabspaltungen, Teilritornellen, Kombinationen, neuen Klangelementen, Variationen, modulierenden Sequenzen, … • es offenbart sich eine nahezu beliebige, assoziative Abfolge; • Spannungsaufbau zwischen Neuem und Bekanntem • Besonderheit: T. 71 ff. – „Nebel“, ziellos, Sequenzierungen, ab 93 DD-Spannung , erst auf- dann ab-steigende Akkordlinien, Triller • Alternativen: 72+36+72 („chiastisch-zyklisch“) oder41+29 + 29+41 Takte gerhardt@schulmusiker.info
1. Allegro: Solokadenz • Parallelstelle zu T. 71 • erst 18, später daraus 22 Takte + 42 neue • Impuls zur Erweiterung: stärkere thematische Arbeit (vorher eher „Toccata“) • erst Themenverarbeitung, dann freiere, virtuosere „Kadenz in der Kadenz“ • mehrere Orgelpunktstellen zur Strukturierung • Triller als Element aus 71 ff. – hier aber deutlich anderes Klangergebnis durch Cembalo ! gerhardt@schulmusiker.info
2. Affetuoso: Probe-Korrektur • imitierende Setzart (wie in anderen Mittelsätzen) • Bezug zu Thema von Louis Marchandnicht nachgewiesen • auffällige Eröffnung des Cembalo-Solos in T. 6 mit 32-tel-Figur, die in erster Version noch nicht vorhanden war • vermutete Intention Bach´s: Vorbild für Ausführende im langsamen Satz bezüglich „Verzierung“ geben (bzw. „Manieren“ wie Triller, Mordente, Doppelschläge) • früher europäischer Konflikt zwischen Produzent und Reproduzent hier dokumentiert gerhardt@schulmusiker.info
2. Affetuoso: Probe-Korrektur • 1-taktiges Thema • von ViolinoPrincipale vorgestellt; • Quart-Achtelauftakt, • durchgängiger Rhythmus 2 Achtel, punktierte Sechzehntel-Figur; • sequenzierend; ausgehend von h-moll, • Absprung nach unten zur Terz der Dominante au f der „3“ im 1. Takt • Verarbeitung: • Frage-Antwort-Spiel mit Themenkopf zu Beginn; • im Laufe des Satzes vor allem Verarbeitung, Abspaltung, Kombination • 1. „Zug“ (Entwicklungslinie) in „Axialsymmetrie“: • nach Einsatz der Cembalo-Verzierungsfigur dreimal in Vl/Fl/Vl; • dann „Ritornell“ in D-Dur (T. 10-13); dann wiederum 3x, aber abwärts gerichtet, kadenzierend in T. 18; • dann „Ritornell“ in fis-moll; • danach umgekehrte Reihenfolge der Instrumente („Frage“ nicht mehr von Vl.) ab T. 24; • nach „durchführungsartigem“ Zentrumsteil ab T. 38 wieder Beginn mit Cembalo angedeutet gerhardt@schulmusiker.info
2. Affetuoso: Probe-Korrektur • 2. „Zug“: • Antwort-Geste aus Sechs-Sechzehntel-Figur etabliert sich als eigenes Motiv (Vgl. Takt 25/26; erstes Erscheinen in Auftakt zu T. 7 im Cembalo), • abfallend, akkordischer Anfangsgestus, seufzerartig, Wechselnote; • Steigerung in T. 28 durch Terzführung in Vl/Fl; (Beantwortung im C. mit Motiv aus dem 1. Satz Achtelauftakt -2 Sechzehntel – Achtel); • „jubelnd“ und abschließend in e-moll; • dann fortgeführt: Kanon / Motivarbeit (Fl/Vl), dann „Überlagerung“ der beiden Entwicklungszüge im durchführungsartigen Teil • vor dem Schluss-„Ritornell“ nochmals „jubelnde Terzparallelen“ mit zweifacher Vorankündigung (Umkehrung in C. in T. 42); • Verknüpfung von Umkehrung und Ursprungsgestalt; • Ausnahmestellung dieses Abschnitts durch eindeutige „3-Takt-Gruppe“ • Zsfssg.: • statischer, axialsymmetrischer Formprozess verknüpft mit dynamischem Entwicklungs-Zug; • eingängige Motive, • „schmachtendes“ Antwortmotiv (erschien Mattheson als wenig „galant“); • Dichte und Konzentration in relativ kurzem Satz gerhardt@schulmusiker.info
3. Fuge + Lied • Fugenbeginn oder „liedhafte Periode“: 4-taktiger Vordersatz aus Dux + Comes, je 2 Takte Vl / Fl als Nachsatz bis C.-Themen-Einsatz • Gesamtform grob A-B-A (wie in 3. Sätzen von I. und VI. Konzert) • Mittelteil in h-moll (79-233); • 4x wechselnde Instrumentenkombinationen, Bsp. T. 89-96: Melodie + Begleitung aus Thema entwickelt, periodischer Vorder-/Nachsatz, „kantables Allegro“ • neuer Affekt(„Wohlklang“ vers. „frisch dahinspringend“ – unüblich in der Zeit 2 Affekte in einem Satz vorzustellen) • Zentrum des Mittelteils in A-Dur (T. 148), dann Ausweichung zu fis-moll vor direkter Rückkehr von da aus zur Tonika (vergleichbar dem unvermittelten „Sprung“ in der Reprise des IV. Konzertes, 1. Satz von h-moll zu G-Dur) • gleicher 8-Takter wie T. 89, hier aber eben in Dur (durus=hart), deshalb hier strahlender gerhardt@schulmusiker.info
Methodische Optionen - Melodie-Analyse: Motivverbindungen zwischen den Sätzen, Emotionalität vers. Rationalität (Fantasie vers. Plan), "Italienische" Einflüsse (Vivaldi) oder "Französische" (Satz, Triolen)- Diskussion: "Ist es ein 1. Klavierkonzert?" (gestützt auf eigene Materialsammlungen der Schüler in differenzierter Gruppenarbeit) - Schreib-Übungen ("Klausur-Training"), z.B. sehr genaue Analyse von T. 1-8 (1. Satz) - dann Vgl. mit Textauszug von Schleuning (Partner-Texttausch) - Anlegen eines Glossars über die Einheit (von Ripieno bis Affetuoso ...)- Solo-Kadenz: Bezugs-Analyse; Interpretationsvergleich- Barocke Satztechnik: Fugati - Fugen - Imitationen ...- Form-Vergleich: Vivaldi - Schütz - Bach - .... Ideen für die Annäherung mit Schülern: - Musik-Praxis: Auf jeden Fall auch Ausschnitte selber musizieren, dies eröffnet einen ganz anderen Zugang zur Musik von Bach - und sei es nur ein Ausschnitt aus der Cembalo- oder der Flöten-Stimme im 2. Satz- Schülerreferate zu Themen im Umfeld (Bach-Biographie mit Schwerpunkt Köthen, Kultur und Philosophie in der Barockzeit, Concerto-Begriff im Wandel)- Höranalysen: Umsetzung in andere ästhetische Bereiche (Bewegung, Multimedia, Grafische Skizze ...)- Material- und Quellen-Auswertung (Widmungstext, Urtext, Fotos ...)- Harmonische Analysen: Kadenzformeln, Tonartenverlauf, Floskeln, Generalbass selbst aussetzen ... gerhardt@schulmusiker.info
Material • http://www.schule-bw.de/unterricht/faecher/musik/sekundarstufe2/bach/www.musik-bw.de gerhardt@schulmusiker.info
Material • Schleuning, Peter: Johann Sebastian Bach - die Brandenburgischen Konzerte / Peter Schleuning (Bärenreiter Werkeinführungen) - 2003 • Lang-Becker, Elke: Johann Sebastian Bach, die Brandenburgischen Konzerte / Elke Lang-Becker (Meisterwerke der Musik ; H. 51) – 1990 • Gerber, Rudolf: Bachs Brandenburgische Konzerte : Eine Einführung in ihre formale und geistige Wesenart / Rudolf Gerber – 1951 • Voss, Egon: Bachs Konzerte : ein musikalischer Werkführer / Egon Voss - Orig.-Ausg. ( C. H. Beck Wissen) – 2006 • Smend, Friedrich: Bach in Köthen • Bibliographie zum 2. Konzert (.pdf) Bibliotheks-Bestände: • Musikbibliothek der Stadtbücherei Stuttgart - http://www.stuttgart.de/stadtbuecherei/ - (Literaturauswahl in zeitlicher Reihenfolge - Recherchemöglichkeit online - auch für die "Region Stuttgart" oder einzelne Stadtteilbibliotheken - unter http://141.31.128.163/wwwopac/index.asp - dort finden sich auch zahlreiche DVD und CD-Aufnahmen sowie Noten und Textbücher) • Bach, Johann Sebastian : Sämtliche Orchesterwerke : Urtext der neuen Bach-Ausgabe. - 1. : Ouvertüren, Konzerte - Studienpartitur - 1999. - 812 S. • Video: Bach, Johann Sebastian: Brandenburg Concertos / Johann Sebastian Bach. Concentus Musicus Wien. Nikolaus Harnoncourt. Klaus Lindemann – 1998 gerhardt@schulmusiker.info
Johann Sebastian Bach 5. Brandenburgisches Konzert Dr. Bert Gerhardtgerhardt@seminar-stuttgart.de Analysen und Materialien zum Schwerpunktfeld „Wetteifern und Wettstreiten im Barock“ für das Abitur 2011/12/13