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Das Internationale Staatensystem als nullsummenspielhafte Konkurrenz oder rechtlich geordnete Gesellschaft seiner Akteure?. Gliederung der heutigen Sitzung. Der Systembegriff Das Westfälische Staatensystem Staatenzentrische und globalistische Sicht internationaler Beziehungen
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Das Internationale Staatensystem als nullsummenspielhafte Konkurrenz oder rechtlich geordnete Gesellschaft seiner Akteure?
Gliederung der heutigen Sitzung • Der Systembegriff • Das Westfälische Staatensystem • Staatenzentrische und globalistische Sicht internationaler Beziehungen • Staatenzentrische und postinternationale Weltpolitik
Systemtheorie Der zentrale Grundbegriff der Systemtheorie ist das System (nach gr. to systeme = Zusammenstellung). Die Annahme, es gäbe Systeme, kann als Grundaxiom der Systemtheorie betrachtet werden. Ein System ist wie folgt definiert: Ein System ist begrenzt und abgrenzbar (System/Umwelt-Differenz). Es besteht aus einer Systemgrenze („Boundary“), einem Systemkern, Systemelementen, dem Zusammenwirken dieser Elemente sowie aus Energie oder Signalen. Wird etwas über die Systemgrenzen hinweg transportiert ist dieses System ein offenes, sonst ein geschlossenes System. Alles außerhalb der Systemgrenze Liegende ist nicht Teil des Systems, sondern dessen Umwelt. Ein System ist eine Menge von Elementen, die in einem abgegrenzten oder abgrenzbaren Bereich so zusammenwirken, dass dabei ein vollständiges, sinnvolles, zweck- und zielgerichtetes Zusammenwirken in einem funktionellen Sinne erzielbar wird. Aufbau und Funktionsweise eines Systems hängen von dem Standpunkt des Betrachters ab.
Allgemeiner Systembegriff Ein System ist das Modell einer Ganzheit, die Beziehungen zwischen Attributen aufweist, die aus miteinander verknüpften Teilen besteht, und die von ihrer Umgebung abgegrenzt wird. • Ein System besteht aus einer angebbaren Menge von Akteuren, zwischen denen Prozess- und/oder Strukturbeziehungen bestehen, und die durch eine Systemgrenze von ihrer Umwelt oder anderen Systemen abgegrenzt werden. • Definition vereint drei Systemkonzepte: • Strukturales Systemkonzept(Beziehungen der Elemente zueinander) • Funktionales Systemkonzept(Verhalten eines Systems, seine Außensicht) • Hierarchisches Systemkonzept(Teil-Ganzes-Beziehung)
Abteilungsleiter Rechnungswesen erteilt Anweisungen Sachbearbeiter Rechnungswesen nutzt Finanzbuchhaltungssoftware Strukturales Systemkonzept Beziehungen der Elemente zueinander System Systemkomponente Beziehung
Menge von Kundenaufträgen Produktionsplan Funktionales Systemkonzept Verhalten eines Systems, seine Außensicht Reaktion auf Umwelteingabe Ausgabe Eingabe System Erfüllung der Systemfunktion
Betriebssystem Festplatte Computer Hierarchisches Systemkonzept Teil-Ganzes-Beziehungen System (Teil-) System Ist Teil von (Teil-) System Ist Teil von
Universalitätsanspruch Ein Charakteristikum aller Systemtheorien ist der Anspruch, eine formale Theorie zu formulieren, die möglichst umfassend anwendbar ist ( Isomorphie- Prinzip) Dieser Anspruch beruht auf Ludwig v. Bertalanffys Werk Allgemeine Systemtheorie : „Wenn wir … den Begriff des Systems entsprechend definieren, so finden wir, daß es Modelle, Prinzipien und Gesetze gibt, die für verallgemeinerte Systeme zutreffen, unabhängig von der Natur dieser Systeme.“ Auch heute ist es diese Ausrichtung, die systemtheoretische Ansätze attraktiv erscheinen lässt, auch wenn das Ziel bislang unerreicht ist. Universeller Erklärungsanspruch. Theorie komplexer adaptiver Systeme
Literaturtipp • Helmut Willke: Systemtheorie I: Grundlagen. 6. Auflage Stuttgart 2000. UTB. • David J. Krieger: Einführung in die allgemeine Systemtheorie. 2. Auflage Stuttgart 1996. UTB. • Dirk Baecker: Schlüsselwerke der Systemtheorie. Wiesbaden 2005. VS Verlag. • David Easton: A Systems Analysis of PoliticalLife. Chicago 1979. Pb. U. of Chicago Press. • Bertalanffy, L. von: General System Theory. New York 1979. • Watzlawick, Paul: Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Wahn - Täuschung - Verstehen. München 1993.
Nützliche Website Portal systemische Theorie und Praxiswww.systemische-beratung.de http://www.systemische-beratung.de/index.html http://www.systemische-beratung.de/systemtheorie/theorie.htm www.ehs-dresden.de/fileadmin/uploads_profs/.../Systemgesetze.ppt - -
Systemgesetze Ein System ist ein Ganzes bestehend aus Elementen, die miteinander in Beziehung stehen
Systemgesetze Ganzheit Übersummation Prinzip des Feedback Prinzip des zyklischen Charakters von Systemen Prinzip der Offenheit lebender Systeme Prinzip der negativen Entropie Prinzip der Differenzierung und Integration Prinzip des dynamischen Gleichgewichts Prinzip der Äquifinalität Prinzip der Selbstorganisation
1. Systemgesetz der Ganzheit Eine Änderung in einem Teil des Systems verursacht eine Änderung im gesamten System Ein System verhält sich wie ein zusammenhängendes, untrennbar Ganzes. Das Ganze erzeugt ein Zusammenfließen der Energien- Synergie
2. Systemgesetz: Übersummation Ein lebendes System ist mehr und anders als die Summe seiner Teile (z.B. Gruppe Schüler, Streber- Clown-oder Außenseiterrolle; Musik: Melodie - Töne) Die Individuen entwickeln Prozesse, die über die Eigenschaften der Einzelnen hinausgehen
3. Prinzip des Feedback Jedes System kann durch seine Fähigkeit zur Rückkoppelung sich selbst regulieren (Beispiel des Thermostats) Gruppen oder Organisationen steuern sich durch Informationen, Energie oder Material
4. Prinzip des zyklischen Charakters von Systemen Systeme können als Zyklen von Ereignissen verstanden werden Einzelne Ereignisse können nur auf dem Hintergrund der Zyklen verstanden werden (z.B. verkehrs- oder ökologische Probleme)
5. Prinzip der Offenheit lebender Systeme Geschlossene – technische – Systeme Offene – lebende – Systeme Organische oder lebende Systeme tauschen mit ihrer Umwelt Informationen, Energie oder Stoffe aus Systeme haben Grenzen
6. Prinzip der negativen Entropie Systeme haben die Tendenz, sich in Richtung Desorganisation, Chaos oder Tod zu entwickeln Dem System kann man neue Energie zuführen z.B. durch Feedback, neue Ressourcen, neue Mitarbeiter
7. Prinzip der Differenzierung und Integration Offene Systeme entwickeln sich Richtung Differenzierung, z.B. Arbeitsteilung Dem wirkt man entgegen durch neue Integrationen und Koordination, z.B. Teamarbeit, ganzheitliches Lernen
8. Prinzip des dynamischen Gleichgewichts Jedes System hat die Fähigkeit, ein Gleichgewicht herzustellen – ein Fließgleichgewicht. Es erhält seinen Charakter trotz Abgabe und Aufnahme von Energie
9. Prinzip der Äquifinalität Jedes System kann den gleichen Endzustand auf unterschiedlichen Wegen, von unterschiedlichen Bedingungen ausgehend, erreichen. Viele Wege führen nach Rom.
10. Prinzip der Selbstorganisation Lebende Systeme haben die Fähigkeit, sich selbst zu organisieren z.B. Selbsthilfegruppen, Kippbilder als Ausdruck der Selbstorganisation der Wahrnehmung
Ausgangspunkt:Nullsummenspielartig organisiertes Staatensystem • Das Staatensystem besteht aus unabhängigen, souveränen Staaten. Über ihnen gibt es keine andere Autorität oder Macht. Die Staaten bestimmen selbst über ihr Zusammenwirken oder ihre Konflikte, freiwillig oder unter dem Druck äußerer oder innerer Umstände. Anarchie • Jeder Staat setzt sich seine Ziele selbst. Die Beziehungen der Staaten untereinander beruhen auf dem Prinzip der Selbsthilfe. Selbsthilfe bedeutet den Einsatz von Macht. Von ihr hängen das Bestehen des Staates und die Erreichung seiner Ziele ab. Die Staatengesellschaft ist folglich anarchisch. Daraus folgt die Unsicherheit des einzelnen Staates als dauerndes Merkmal seiner Existenz. Sicherheitsdilemma Self-Help-System
Kennlinien des klassischen Realismus Ideengeschichtliche Quellen: • Historischer Hintergrund: • Radizierung von Herrschaft • Genese der friedens- und sicherheitsstiftenden Funktion des Territorialstaats • Trennung von Innen und Aussen • Entstehung des europä-ischen Staatensystems seit 1648/1713 Machiavelli Entwicklung des Staatsräsongedankes als legitimatorischer Bezugspunkt für die Selbstbehauptung des modernen Territorialstaats. Hobbes Überwindung des innergesell-schaftlichen Naturzustands durch gesellschaftsvertragliche Begründung des Leviathan; Legitimation von Herrschaft als Garant einer territorial abgegrenzten sicherheitsgemeinschaftlichen Schutzzone: Basis der Souveränitätsanspruchs; Freisetzung des Naturzustands-Konzepts zur Charakterisierung der Beziehung zwischen solchen Schutzzonen (d.h. souveränen Staaten) Idealtypisch-metaphorische Charakteristika der internationalen Politik
Idealtypisch-metaphorische Charakteristika der internationalen Politik Sytemebene Akteursebene • anarchische Struktur • Sicherheitsdilemma: Erhöhung der eigenen Sicherheit durch Stärkung militärischer Fähigkeiten verringert die Sicherheit anderer; Folge: spiralenförmiger Rüstungswettlauf • Gleichgewicht der Mächte durch Abschreckung • Internationale Politik als Nullsummenspiel staatlicher Akteure um Macht, Ressourcen, Einfluss • exklusiver Handlungsanspruch der Akteure im Bereich der „high politics“ • Territorialität: Schutzfunktion der harten Schale • zweckrationales, nutzenmaximierendes /nutzen-optimierendes Handeln • Prinzip der (notfalls militärischen) Selbsthilfe bei der Durchsetzung von Interessen
Grundsätze des klassischen Staatensystems • Rex est imperator in regno suo– Souveräne sind keiner höheren Gewalt unterworfen, sondern unabhängig und anderen Souveränen gleich • Cuius regio, eius religio – Der Herrscher bestimmt die Religion der Untertanen, Fremde haben kein Recht, aus religiösen Gründen in eine souveräne Jurisdiktion zu intervenieren • Balance of Power – Gleichgewichtspolitik soll durch Bildung von Koalitionen und den jederzeit möglichen Wechsel der Partner verhindern, dass sich ein Staat zur Vormacht über alle anderen aufschwingt
Sehr nützliche Website: http://www.uni-muenster.de/FNZ-Online/ Einführung in die Frühe Neuzeit
Konsequenz I • Ausbildung einer durch rechtsförmige Verfahren regulierten, labilen, als Ganzes aber dennoch dauerhaften Staatengesellschaft, die durch die Idee des Gleichgewichts überwölbt wird und Selbstbehauptung und Überleben der Staaten dadurch sichern, dass die großen Mächte sich gegenseitig in der Balance halten. • Beziehungen der Staaten zueinander gebunden durch einen gemeinsamen Wertekanon: gemeinsame Interessen, gemeinsame Rechtsordnung, gemeinsame philosophische & politische Werte, gemeinsamer Zivilisationsstandard.
Konsequenz II • Vergesellschaftung zwischenstaatlicher Beziehungen im Rahmen gemeinschaftlich anerkannter Verhaltensregeln und über Zeit ausgebildeter formeller wie informeller Institutionen (Völkerrecht, Konzert der Mächte) • Motivation durch das aufgeklärte, rationale Selbst-Interesse der Staaten an der durch Eigenbindung garantierten Erwartungsverlässlichkeit künftigen Akteurshandelns. • „a civil order even in the context of anarchy“ (Linklater) • Literaturtipp: Reinhard Meyers 1997, 381ff. (auf der GK III-CD)
Konsequenz III Ausbildung eines Minimalkonsens der Staaten über individuell wie gemeinschaftlich zu verfolgende Ziele: • Erhaltung und Schutz der Staatengesellschaft selber # universalistische und transnational- revolutionäre Akteure • Erhaltung der Unabhängigkeit und Souveränität ihrer Mitglieder • Erhaltung des negativen Friedens als Normalzustand zwischenstaatlicher Beziehungen • Einhegung tödlicher Gewalt, Einhaltung von Verpflichtungen [pacta sunt servanda], Garantie der Verfügungsgewalt über das Eigentum durch wechselseitig anerkannte Rechtsnormen
Konsequenz IV • Regulierung der Anarchie im Binnenverhältnis der (zunächst europäischen, dann europäisch-atlantischen) Staatengesellschaft verknüpft sich mit der Expansion nach aussen, vorangetrieben vom Prozess der technologischen, sozioökonomischen und politischen Modernisierung • Kreuzzüge des Mittelalters • Streben nach überseeischen Kolonialreichen des 16. – 18. Jhs. bei gleichzeitigem Ausbau der BofP • Ausweitung des europazentrischen Staatensystems auf einen europazentrischen Weltzusammenhang (Imperialismus, 19.Jh.) • Ausweitung des Gleichgewichtsrahmens auf die Flügelmächte USA und UdSSR nach 1917; Übergang zur bipolaren Systemstruktur nach 1945
Literaturtipp • Edward L. Morse: Modernization and the Transformation of International Relations. New York 1976. • Adam Watson: The Evolution of International Society. A comparative historical analysis. London 1992. • William Brown / Simon Bromley / Suma Athreye (Hrsg.): Ordering the International. History, Change, and Transformation. London 2004.
Das Westfälische System – ein zerklüftetes System? • Die Welt politisch anno 2001
Zerklüftung:Einkommensverteilung im Weltmaßstab • Diese Karten, im Original im Atlas of Global Inequality, zeigen die Einkommensverteilung eines Landes im weltweiten Vergleich. • Rot gekennzeichnete Länder besitzen weniger als ein Viertel des weltweiten Durchschnitteinkommens. Dunkelblau gekennzeichnete Länder besitzen mehr als das dreifache des weltweiten Durchschnittseinkommens. Die übrigen Farben kennzeichnen Einkommen zwischen diesen Eckpunkten: dunkelrosa (0.25 – 0.75), hellrosa (0.75 – 1.25) und hellblau (1.25 – 4). • Einkommen wird hierbei definiert als BIP/Kopf (Kaufkraftparität). Diese wird definiert als durchschnittliche Produktion von Gütern und Dienstleistungen pro Person. Bei der Betrachtung derKaufkraftparität wird diese Produktion in Relation zum weltweiten Durchschnitt gesetzt. Der globale BIP/Kopf-Durchschnitt ist das totale weltweite BIP dividiert durch die Weltbevölkerung.
Prämissen der staatszentrischen und globalistischen Sicht der IB Staatszentrische Prämissen Globalistische Gegenposition Die Staaten sind die einzigen bedeutenden Akteure der iB. Zu erforschen sind daher ihre Motive und Verhaltensweisen – oder genauer: die Motive und Verhaltensweisen der sie nach außen vertretenden politischen Entscheidungsträger. Anderen internationalen Akteuren kommt allein in ihrer Funktion als Mittel, Agenten oder Auftragnehmern der Staaten Bedeutung zu. Staaten sind nicht die einzigen bedeutenden Akteure der iB. Manche internationale Transaktio-nen & deren Resultate können nur im Hinblick auf die Motive und Verhaltensweisen internationaler gouvernementaler bzw. nicht gouvernementaler Organisationen oder Bürokratien, längerfristig bestehender oder ad hoc gebildeter transnationaler Koalitionen von Entscheidungsträgern und Beamten, multinationalen Konzer-nen, transnationalen gesellschaft-lichen Gruppierungen oder ande-ren in der staatenzentrischen Sicht für bedeutungslos gehalte-nen Akteuren erklärt werden
Staatszentrische Prämissen Globalistische Gegenposition Die internationalen Beziehungen sind ein Nullsummenspiel; der (Macht- und Status-) Gewinn eines Akteurs im internationalen System geht zu Lasten eines/mehrerer/aller anderen Mitspieler. Der Austragungsmodus des Spiels ist der Konflikt; (militärische) Gewalt dient latent oder offen als Konfliktentschei-dungsmittel Die internationalen Bezie-hungen sind ein Nicht-Nullsummenspiel; Gewinne der Akteure resultieren aus einer kontinuierlich durch technischen Fortschritt und Verbesserung der internationalen Arbeitsteilung ver-mehrten Gesamtmenge gesellschaftlicher Ressour-cen. Austragungsmodus des Spiels ist der der Kooperation. Alle wesentlichen Spielergebnisse nehmen die Form der Verteilung von Belohnungen unter den kooperierenden Akteuren an.
Staatszentrische Prämissen Globalistische Gegenposition Internationaler Einfluss resultiert aus dem Einsatz von oder der Drohung mit dem Einsatz von Macht, definiert als aktuelle oder potentielle militärische und/oder wirtschaftliche Handlungsbefähigung. Internationaler Einfluss resultiert aus dem gekonnten Umgang mit den Banden der internationalen Interdependenz, die die Akteure des internationalen Systems miteinander verknüpfen. Die Überzeugung anderer dient als Hilfsmittel bei der Erringung von Einfluss.
Strukturen und Prozesse staatszentrischer und postinternationaler Weltpolitik
Konsequenzen unterschiedlicher Perspektiven für die inhaltliche Füllung von Grundbegriffen • Strukturen und Prozesse des Internationalen Systems