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Seminar Dr. Fischer, FFU, FU Berlin. Internationale Klimapolitik Klimarahmenkonvention und Kioto-Protokoll. Lambert Schneider. Berlin, 6. Januar 2005. Wissenschaftlicher Hintergrund (I). Anthropogene Treibhausgase (ohne Montreal) Anteile in Industriestaaten: Kohlendioxid (CO2) 80%
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Seminar Dr. Fischer, FFU, FU Berlin Internationale Klimapolitik Klimarahmenkonvention und Kioto-Protokoll Lambert Schneider Berlin, 6. Januar 2005
Wissenschaftlicher Hintergrund (I) • Anthropogene Treibhausgase (ohne Montreal) Anteile in Industriestaaten: • Kohlendioxid (CO2) 80% • Methan (CH4) 10% • Lachgas (N2O) 8% • F-Gase (HFC, HCFC, SF6) 2% • Emissionsquellen • Verbrennung fossiler Energieträger (Kohle, Öl, Gas) • Abholzung • Industrieprozesse (Zement, Aluminium, Adipinsäureherstellung) • Förderung fossiler Energieträger • Abfall- und Abwasserbehandlung • Kühe • Reisanbau • Düngung landwirtschaftlicher Böden
Wissenschaftlicher Hintergrund (III) • Klimawandel • Temperaturanstieg: 1.4 – 5.8 °C bis 2100 • Meeresanstieg: bis zu 1 m bis 2100, 7-9 Meter in 1000 Jahren • Häufigere und stärkere extreme Wetterereignisse (Stürme, Regenfälle, Dürren) • Auswirkungen • Verwundbarkeit der Küstenregionen • Landwirtschaft (Ernteverluste, Erosion, etc) • Wasserkreislauf (Hochwasser) • Verlust von Biodiversität
UN-Klimapolitik: Historischer Überblick (I) 1988: Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) • Gründung durch UNEP und WMO 1990: UN-Generalversammlung startet Verhandlungen 1992:Klimarahmenkonvention (KRK) in Rio • United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) 1994: Inkrafttreten der Klimarahmenkonvention • Vertragsstaatenkonferenzen / Conferences of the Parties (COP) 1995: 1. VSK (COP 1): Berlin-Mandate
UN-Klimapolitik: Historischer Überblick (II) 1997: 3. VSK (COP 3): Kyoto-Protokoll (KP) • Industrieländer (Annex I) verpflichten sich, ihre THG-Emissionen bis 2010 um durchschnittlich 5,2% gegenüber 1990 zu senken (Deutschland: -21%) • Keine Verpflichtungen zur Emissionsminderung für Entwicklungsländer (Nicht Annex I) in der ersten Verpflichtungsperiode (2008 – 2012) 1998: 4. VSK (COP 4): Buenos Aires Plan of Action • Regelung aller wesentlichen Detailfragen des Kyoto-Protokolls bis zur 6. Vertragsstaatenkonferenz (VSK) 2000: 6. VSK (COP 6): Scheitern in Den Haag 2001: USA erklärt Rückzug aus dem Kioto-Protokoll
UN-Klimapolitik: Historischer Überblick (III) 2001: Fortsetzung 6. VSK (COP 6bis): Bonn Agreement • Politische Einigung in den wichtigsten Elementen des BAPA • Indirekte Nachverhandlung der Kioto-Ziele (Emissionssenken) 2001: 7. VSK (COP 7): Marrakech Accord • Verabschiedung aller wichtigen Richtlinien • Kioto-Protokoll kann ratifiziert werden 2004: Ratifikation des KP durch Russland • Erforderliches Quorum erreicht (55 Länder, 55% der Emissionen der Industriestaaten) 16. Februar 2005: KP tritt in Kraft 2005: Verhandlungen über post-Kyoto Klimaregime
Institutionelle Architektur VSK unter KP Conferences of the Parties serving as the meeting of the Parties to the Kioto Protocol (COP/MOP) Nebenorgane unter KP SBI / SBSTA CDM Executive BoardJI Supervisory Committee Compliance Committee (Technische) Richtlinien Kioto-Protokoll (KP) Vertragsstaatenkonferenzen Conferences of the Parties to the Convention (COPs) Nebenorgane SBI / SBSTA Klimarahmenkonvention UN Framework Convention on Climate Change (UNFCCC)
Interessengruppen bei den Verhandlungen • Europäische Union (EU) • Umbrella Group (UG) USA, Kanada, Japan, Russland, Australien, Neuseeland, Norwegen • G77 • 123 Entwicklungsländer, wichtig: China + Indien • Untergruppen: GRULAC, AFRICA, ASIA, OPEC, AOSIS • CG 11 Osteuropäische Staaten • Environmental Integrity Group Schweiz, Südkorea, Mexiko
Klimarahmenkonvention Ziel in Artikel 2: „Das Endziel dieses Übereinkommens (...) ist es, (...) die Stabilisierung der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre auf einem Niveau zu erreichen, auf dem eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems verhindert wird.“ Verpflichtungen für Annex-I Staaten in Artikel 4.2: • Rückführung der Emissionen bis 2000 auf das Niveau von 1990 (Keine rechtsverbindliche Verpflichtung) • Aufstellung von Treibhausgasinventaren und Nationalberichte • Umsetzung von Politiken und Maßnahmen zum Klimaschutz • Finanzierung von Entwicklungsländern (Nationalberichte, Technologietransfer, Anpassung an Klimawandel)
Kioto-Protokoll: Reduktionsverpflichtungen THG-Reduktionsverpflichtungen im Zeitraum 2008-2012 gegenüber 1990: Umbrella Group: USA: -7% Kanada: -6% Australien: +8% Japan: -6% Neuseeland: 0% Norwegen: +1% Russland: 0% Europäische Union: -8% Deutschland: -21% Dänemark: -21% Österreich: -13% UK: -12,5% Belgien: -7,5% Italien: -6,5% Niederlande: -6% Frankreich: 0% Irland: +13% Spanien: +15% Griechenland: +25% Portugal: +27% => Heiße Luft!!!
Schlupflöcher im Kioto-Protokoll nach Marrakesch • Umfassende Anrechnung von Emissionssenken • Kohlenstoffaufnahme in Wäldern und Böden • Unbegrenzte Nutzung flexibler Mechanismen • Keine weitreichende Verpflichtung zu nationaler Klimapolitik • Weitgehende Erfüllung der Verpflichtungen im Ausland möglich • Unbegrenzter Verkauf von heißer Luft („Hot Air“) • Russland und Ukraine können überzählige Emissionsrechte („Hot Air“) unbegrenzt verkaufen
Anrechnung von Treibhausgassenken für Industriestaaten • Art. 3.3 KP: • Annex-I-Staaten müssen Kohlenstoffaufnahme / -abgabe durch Aufforstung oder Abforstung gegenüber 1990 erfassen. Die meisten Staaten werden im Zeitraum 2008-2012 gegenüber 1990 Kohlenstoff in Wäldern aufnehmen. • Art. 3.4 KP: • Annex-I-Staaten können sich optional Emissionsminderungen gegenüber 1990 aus anderen Aktivitäten anrechnen lassen (z.B. Landwirtschaft, Waldmanagement) • Indirekte Nachverhandlung der Kioto-Ziele • Ca. –1,8% anstelle von –5,2% gegenüber 1990
Flexible Mechanismen im Kioto-Protokoll • Joint Implementation (JI) • Art. 6 KP: Industrieländer (Annex I) können Emissionsminderungsprojekte in anderen Industrieländern durchführen und sich die erzielten Emissionsminderungen auf ihre eigenen Verpflichtungen anrechnen lassen • Clean Development Mechanism (CDM) • Art. 12 KP: Industrieländern (Annex I) investieren in Emissionsminderungsprojekte in Entwicklungsländern (Non-Annex-I) und können sich die erzielten Emissionsminderungen auf ihre eigenen Verpflichtungen anrechnen lassen • Emissions Trading (ET) • Art. 17 KP: Industrieländern können untereinander Emissionsrechte handeln
Clean Development Mechanism (CDM) • Ziele • Förderung einer nachhaltigen Entwicklung in Entwicklungsländern (Nicht-Annex I Staaten) • Minderung der Kosten für die Industrieländer (Annex I Staaten) zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen • Emissionsminderungsprojekte müssen • tatsächliche, erfassbare und langfristige Emissionsminderungen erbringen, • zusätzlich zu dem sein, was sonst passiert wäre (additionality) • zur nachhaltigen Entwicklung des Gastlandes beitragen und • Executive Board (EB) ist Aufsichtsrat des CDM • Prompt Start des CDM in 2000
EU Emissionshandel (I) • Cap and trade • Ausschließlich CO2 • 50% der CO2-Emissionen erfasst • Sektoren • Energie (alle thermischen Kraftwerke > 20 MW th) • Eisen- und Stahlindustrie • Zement, Papier, Keramik, Glas, etc • Insgesamt 12.000 Anlagen (4.000 in D) • EU25 • Vereinbarung mit Norway kurz vor Abschluss • Verhandlungen mit Kanada, Japan, US-Bundesstaaten
EU Emissionshandel (II) • Zwei Phasen • Pilotphase (2005 – 2007) • Kyoto-Phase (2008 – 2012) • Jeder Mitgliedsstaat • setzt ein nationales Emissionsminderungsziel für den Emissionshandel (z.B. –5%) • wählt einen Bezugszeitraum (z.B. 2000 – 2002) • stellt Allokationsregeln auf => Nationaler Allokationsplan (NAP) • In D Treibhausgasemissionshandelsgesetz (TEHG) verabschiedet • Etwa 12 NAPs von der Kommission genehmigt • CDM/JI linking directive angenommen • Anlagenbetreiber können auch CERs und ERUs zur Erfüllung der Verpflichtungen einsetzen
Chancen und Probleme des Emissionshandels • Emissionshandel kann zum Motor für weitergehende zukünftige Verpflichtungen werden • Frühzeitige Einbindung von Entwicklungsländern: Entwicklung von Kapazitäten, Bildung institutioneller Strukturen, wirtschaftliches Interesse der Industrie am Klimaschutz • US-Bundesstaaten: Druck auf die föderale Regierung durch Umsetzung von Emissionshandel in Bundesstaaten • Ambitionierte Ziele schwer durchsetzbar • Große Teile der Industrie von Emissionshandel betroffen => sehr starke Lobby gegen ambitionierte Ziele • Internationalen Wettbewerb => Märkte nicht komplett vom Emissionshandel erfasst • In D Ziele unterhalb der Selbstverpflichtung der Industrie
Ansätze für „Further Action“ (I) • Weiterentwicklung von Kioto • Annex I und Nicht-Annex I Staaten • Absolute Emissionsgrenzen für Kioto-Gase (Intensitätsziele ggf. möglich) • Flexible Mechanismen (z.B. CDM Sektoransatz) • Multistage Approaches • Anteilung der Länder in verschiedene Gruppen, z.B. • keine Verpflichtung, • Intensitätsziele, • Emissionsstabilisierung, • Emissionsreduktion • Gruppenzugehörigkeit wird durch Index festgelegt(z.B. BIP/Kopf)
Ansätze für „Further Action“ (II) • Contraction and Convergence • Globales Immisionsziel (z.B. 450 ppm CO2 eq) • Absolute weltweite Emissionsobergrenze für jährliche Emissionen • Verteilung der Emissionsrechte nach Einwohnern ab einem Zeitpunkt X • Festlegung des Pfades zur Reduktion (schnell, erst langsam dann schnell) • Industriestaaten müssen Emissionsrechte von Entwicklungsländern kaufen
Ansätze für „Further Action“ (III) • Brazilian proposal • Reduktionsanstrengungen für jedes Land proportional zum historischen Beitrag zur Temperaturerhöhung • Problem: Methodisch komplex • Triptych approach • Berücksichtigung der unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten in Sektoren • Einteilung in drei Sektoren: • Stromerzeugung • Energieintensive Industrien • Haushalte / Verkehr • Entwicklung eines nationalen Ziels aus Charakteristika der Sektoren
Weitere Diskussionen um „Further Action“ • Technologiekooperation (USA) • Type II Abkommen • Sektoraler CDM • Koordinierte Politiken und Maßnahmen
Links im Internet Klimasekretariat der Vereinten Nationen: www.unfccc.de NGOs: www.klimabuendnis.dewww.climatenetwork.org IPCC: www.ipcc.ch Further Action: www.fiacc.net Treibhausgasmärkte: www.pointcarbon.com
Kontakt Lambert Schneider Öko-Institut Novalisstr. 10 10115 Berlin Tel.: 030 – 280 486 – 74 Fax: 030 – 280 486 – 88 Email: l.schneider@oeko.de
Verfahren für CDM-Projekte Projektkonzeption => Projekt Design Document (PDD) Überprüfung durch unabhängigen Zertifizierer (Zusätzlichkeit der Emissionsminderung, Baselines, UVP, öffentliche Beteiligung, ...) Genehmigung durch beteiligte Länder und Executive Board (EB) Umsetzung des Klimaschutzprojektes Nach Monitoring und Prüfung Ausstellung von Zertifikaten (Certified Emission Reduction Units = CERs)
Treibhausgassenken im CDM • Beschränkungen für Senkenprojekte • Nur Aufforstung und Wiederaufforstung möglich • Keine Vermeidung von Abholzung • Cap: 1% der 1990 Emissionen, d.h. jährlich ca. 180.000.000 t C • Spezifische Probleme bei Senkenprojekten • Kohlenstoff wird nur vorübergehend eingebunden (Permanence) • Auswirkungen auf die Biodiversität • Methodische Unsicherheiten bei der Bestimmung der Kohlenstoffmengen, z.B. Rückkopplungen auf dem Weltmarkt für Holz (leakage)
Permanence • „temporary“ Certified Emission Reductions (tCER‘s): verfallen alle 5 Jahre automatisch und müssen anschließend neu ausgestellt werden • „long-term“ Certified Emission Reductions (lCER‘s): gelten für 20 oder 30 Jahre und müssen alle 5 Jahre überprüft werden • Kompliziertes Vertragswerk auf der 9. Vertragsstaatenkonferenz in 2003 verabschiedet
Schlussfolgerungen • Die ökologische Wirkung von Senkenprojekten ist sowohl lokal als auch für das globale Klima fragwürdig • Signale für eine nachhaltige Entwicklung werden nur in Ausnahmefällen von Senkenprojekten ausgehen • Keine hohe Nachfrage nach tCERs und lCERs • Solange Regierungen in der EU keine ernsthaften Ziele beim Emissionshandel setzen, wird der Preis für Zertifikate und die Nachfrage nach CDM-Projekten relativ gering bleiben • Das Potenzial ist begrenzt durch Angebot und das Cap von 1% der Emissionen der Industriestaaten in 1990 • Ohne Russland und USA dürfen jährlich „nur“ ca. 90 Millionen t CO2 aus Senkenprojekten genutzt werden
CDM im Europäischen Emissionshandel • EU Emissionshandel • Erfasst über 40% der CO2-Emissionen in der EU • Cap and Trade: Anlagenbetreiber müssen Emissionen gegenüber Referenzszenario reduzieren • Koppelung mit Emissionshandel unter dem KP • Linking Directive • EU-Unternehmen wird die Nutzung von Zertifikaten aus CDM-Projekten erlaubt • Waldprojekte dürfen zunächst nicht genutzt werden
Finanzierungsmechanismen • Bonn Agreement • Special Climate Change Fund: Anpassungsmaßnahmen, Technologietransfer, Diversifizierung der Ökonomien • Least Developed Countries Fund • Kyoto Adaption Fund • Ziel: 1 Milliarde US$/Jahr ab 2005 zusätzlich • Politische Erklärung EU + weitere IL: 410 Millionen US$ • Abwicklung durch GEF • Zahlreiche bestehende Fonds (bilateral / multilateral) • Clean Development Mechanism (CDM)