1 / 40

Bildungsbiographien - zwischen gesellschaftlichem Innovationspotential und der Verschleuderung von Begabungsressourcen P

Bildungsbiographien - zwischen gesellschaftlichem Innovationspotential und der Verschleuderung von Begabungsressourcen Prof.Dr.Dieter Nittel Leipzig 21.11.2007 . 1. Zur Einstimmung: Ein typischer Fall? Die Geschichte von Joel Domingos………………. Vom Hauptschulkurs zum Abendgymnasium (AG)?.

adamdaniel
Download Presentation

Bildungsbiographien - zwischen gesellschaftlichem Innovationspotential und der Verschleuderung von Begabungsressourcen P

An Image/Link below is provided (as is) to download presentation Download Policy: Content on the Website is provided to you AS IS for your information and personal use and may not be sold / licensed / shared on other websites without getting consent from its author. Content is provided to you AS IS for your information and personal use only. Download presentation by click this link. While downloading, if for some reason you are not able to download a presentation, the publisher may have deleted the file from their server. During download, if you can't get a presentation, the file might be deleted by the publisher.

E N D

Presentation Transcript


  1. Bildungsbiographien - zwischen gesellschaftlichem Innovationspotential und der Verschleuderung von Begabungsressourcen Prof.Dr.Dieter Nittel Leipzig 21.11.2007

  2. 1. Zur Einstimmung:Ein typischer Fall?Die Geschichte von Joel Domingos………………..

  3. Vom Hauptschulkurs zum Abendgymnasium (AG)? • Joel Domingo ist 21 Jahre alt und kam als einjähriges Kind mit seinen Eltern aus Angola • Abbruch der Hauptschule mit der 9. Klasse • Besuch der Lehrerkooperative und Erwerb des Hauptschulabschlusses • Zwei Jahre Tätigkeit als Rapper • Berufsziel Ton-Ingenieur

  4. Rap-Song „Letzte Chance“: „Eine letzte Chance, ich hoffe, dass ich sie endlich ernst nehme. Eine letzte Chance, die ich ergreife, weil ich nach all‘ meinen Dummheiten das Leben endlich begreife“.

  5. 2. Lern- und Bildungsbiographien – „jeder hat eine, aber keiner blickt durch“

  6. Definition „Bildungsbiographie“ • Biographien = durch sprachliche Symbolsysteme gestützte Instrumente der Selbstbeschreibung • Universalisierung von Bildungsbiographien • Bildungsbiographien >>>> Homo Educandus • Bildungsbiographien vereinigen informelles, nonformales und formales Lernen

  7. Historische Einbettung >> Bildungsbiographien • Sie fangen nicht bei Adam und Eva an! • Zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts: Aufklärung, Industrialisierung, Durchsetzung der allgemeinen Schulpflicht • Zukunftsoffenheit, Abkehr von der Determination des Lebensschicksals durch Stand und Klasse • Säkularisiertes Menschenbild: das sich selbst erschaffende Subjekt/ das für sich selbst verantwortliche Individuum

  8. Sind wir wirklich die Regisseure unserer Bildungsbiographien? • Die Haltung „jeder ist seines Glückes Schmied“ ist wichtig für die Aufrechterhaltung unseres psychischen und sozialen Gleichgewichts ….. • aber sie stimmt nicht! • Die Macht der Rahmenbedingungen und Gelegenheitsstrukturen des Wohlfahrtsstaates sind größer als gemeinhin angenommen.

  9. Frage: Von 100 Kindern aus den unteren sozialen Schichten und Milieus – wie viele von ihnen besuchen später die Universität?

  10. Antwort: 8

  11. Frage: Von 100 Kindern aus den oberer sozialen Schichten – wie viele von ihnen besuchen später die Universität?

  12. Antwort: 72

  13. Die Bildungsbiographien bestimmen und prägen die Verteilung von Lebensrisiken (Krankheit, Arbeitslosigkeit):OECD Statistik 2005: Nur 5,3 % der Hochschulabsolventen waren arbeitslos

  14. Bildungsbiographien spiegeln die Janusköpfigkeit des Bildungssystems wider • Sozialisationsfunktion • Selektionsfunktion • Qualifikationsfunktion

  15. Durch welche Faktoren bekommt die Bildungsbiographie ihre spezifische Prägung?

  16. Prozessmechanismen in Bildungsbiographien • Relation zwischen Sozialisations-, Qualifikations- und Selektionsfunktion • Organisches Ineinandergreifen der Elemente des Bildungssystems • Ausstattung und Aufstellung der Organisationen • Handlungsspielräume und Professionalität der pädagogischen Praktiker

  17. Prozessmechanismen sind entscheidend, ob Begabungs-ressourcen ungenutzt bleiben oder gefördert werden ......

  18. Innovations- und Kreativitätspotentiale werden ….. gefördert, entdeckt, entfaltet verkannt, ignoriert, blockiert

  19. These: Noch niemals in der Geschichte Deutschlands hat die Bildungsforschung so viele Befunde geliefert, welche die Diagnose belegen, dass das Verhältnis von Sozialisations-, Qualifikations- und Selektionsfunktion kontraproduktiv geworden und aus dem Lot geraten ist.

  20. Krisenherd „Hauptschule“ • Die Hauptschule produziert Absolventen, die sich selbst als „Bildungsverlierer“ definieren • 2005 verließen deutschlandweit mehr als 78 000 junge Leute die Hauptschulen ohne Abschluss (8,2 %) • Hamburg 11,5 %, in Niedersachsen 9,1 % und in Schleswig-Holstein 9,6% • Institut der deutschen Wirtschaft errechnet für 2005 die Kosten von Schul- und Ausbildungsabbruch von 1,4 Milliarden Euro

  21. Alter bei der ersten Selektion im Bildungssystem im internationalen Vergleich Alter in Jahren Quelle: OECD, Bildung auf einen Blick, 2005

  22. Krisenherd „Universität“ • Wir bilden zu wenig Akademiker aus • Im OECD-Mittel kommen auf 1000 Personen 44 Ingenieure; Deutschland bringt es nur auf 32 • Deutschland fiel in dem Zeitraum von 2000 bis 2005 vom 10. Platz im Bildungsbericht der OECD auf den 22. Platz zurück • Die Quote der Personen mit Studienabschluss liegt in Deutschland bei circa 22 %, während sie im OECD Durchschnitt von 19% auf 32% stieg.

  23. Krisenherd „Weiterbildung“ • Die Weiterbildung kompensiert die Disparitäten in der schulischen und universitären Ausbildung nicht, sondern verschärft sie noch. • Die Bundesagentur hat im Jahr 2003 259.923 Maßnahmen im Bereich der beruflichen Wiedereingliederung finanziert - 2005 waren es nur noch 114.350 Maßnahmen • 2003 lag Deutschland bei der Beteiligung am Lebenslangen Lernen in Europa von 15 Ländern auf dem 11. Platz

  24. IAB-Betriebspanel

  25. Zwei Beispiele: Bildungsbiographien von Hochbegabten und Analphabetinnen

  26. Bildungsbiographien von Hochbegabten • Häufiges Auftreten schulischer Leidensprozesse • Negative Folgen von familiären und schulischen Etikettierungsprozessen – Gleichaltrigenkultur fällt als stabilisierender Faktor aus • Widersprüchliches Verhalten der Schule • Pädagogische Aufgabenstruktur: Gezielte fachliche Förderung bei gleichzeitiger Normalisierung der Persönlichkeitsentwicklung, d.h. Verhinderung einer Mystifizierung

  27. Bildungsbiographien von Analphabetinnen • Körperliche Gewalt und geschlechtsspezifische Diskriminierung bei deutschen und muslimischen Frauen ähnlich • Partikulare Nutzung des Angebots durch deutsche Frauen • Emanzipatorische Nutzung des Angebots durch muslimische Frauen • Erschließung von sonst unzugänglichen Erfahrungsräumen, neuer Ich-Welt-Bezug

  28. Exemplarische Bedeutung von Extremgruppen • Weder gelingt die Förderung der Begabungsressourcen bei jenen, die optimale Voraussetzungen mitbringen, noch gelingt die Kompensation bei denen, die unter extrem widrigen Bedingungen aufwachsen mussten • Die Qualität eines Bildungssystems zeigt sich unter den Bedingungen solcher „echter“ pädagogischer Herausforderungen

  29. Klassische Aufgabenstellung Historisch neue Aufgabestellung 3. Bildungsbiographische Funktion des AG

  30. Klassische Funktion • Kompensation ungünstiger Startchancen, Chancengleichheit • Ausgleich persönlich nicht zurechenbarer Schicksalsschläge • „sozialer Reservemechanismus“ (Dahrendorf) • Organisatorische Ergänzung zum Standardangebot • Angleichung an den internationalen Standard

  31. Historisch neue Funktion • Identitätsmoratorium für Personen mit mehrfach unterbrochenen und abgebrochenen Bildungskarrieren – Problem bei Aufbau biographischer Commitments • Herstellung von Reversibilität im Erwachsenenalter – Bearbeitung der Postadoleszenz • Institutionelle Bearbeitung von diffuser biographischer Zielgerichtetheit

  32. Prägung der Bildungsbiographien des AG durch die historischen Umstände • 1940/1950er Jahre: Nachholen entgangener Bildungsoptionen • 1950/1960er Jahre: Parallelität von wirtschaftlichem Aufschwung, kulturellem Fortschritt und persönlichem Aufstieg • 1960/1970er Jahre: Motiv der persönlichen Befreiung unter den Bedingungen der Vollbeschäftigung

  33. Prägung der Bildungsbiographien des AG durch die historischen Umstände • 1980/1990er Jahre: Nach wie vor gültiger Zusammenhang von Bildung und sozialem Aufstieg mit jeweils unterschiedlicher historischer Interpunktion • 2000er Jahre: Bildung bietet kein Versprechen für sozialen Aufstieg, sondern ist eher ein Instrument zur Verhinderung von sozialem Abstieg

  34. Neue Lagerung des AG in der Berufsbiographie • Früher: Erfahrungen im Arbeitsleben + Abschluss am AG= berufsbiographischer Synergieeffekt • Vom abgebrochenen KFZ-Lehrling zum Maschinenbauingenieur • Heute: Prekäre Erfahrungen im Bildungssystem und im Arbeitsleben + Abschluss am AG = berufsbiographischer Spurwechsel • Vom abgebrochenen KFZ-Lehrling zum Sozialpädagogen

  35. Das Abendgymnasium vor neuen Herausforderungen • Aufwertung informeller Kompetenzen – Erleichterung des Hochschulzugangs für Berufstätige • Weitere Ökonomisierung der Bildung • Brüchigwerden des bürgerlichen Bildungskanons

  36. Wie kann sich das Abendgymnasium heute in der Bildungslandschaft behaupten?

  37. Neue Bedingungen des Aufwachsens führen zu einem Funktionswandel des AG • Das Abendgymnasium bearbeitet keine untypische Statuspassage, sondern typische Problemlagen der reflexiven Moderne • Patchwork-Biographien, Individualisierungs-tendenzen, Hinauszögern des Übergangs vom Bildungs- ins Beschäftigungssystem • Es muss seine Identität weder durch trotzige Abgrenzung noch durch eilfertige Anpassung an die Tagesschule definieren

  38. Mit Blick auf den säkularen Trend der verlängerten Jugend trägt das AG …. …..zur Reversibilität biographischer Weichenstellungen, ….zur Sammlung von Erfahrungen in Gleichaltrigenkulturen, …..zur Aneignung von Bildungswissen, …..zur kritischen Überprüfung des eigenen Begabungsselbstbildes ….und (in bestimmten Fällen) zur Aufnahme eines Universitätsstudiums bei.

  39. These: Das AG leistet einen wichtigen Beitrag zur Kultivierung und Förderung biologisch geprägter, gesellschaftlich entfalteter und individuell zurechenbarer Begabungsressourcen.

  40. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!Vortrag im Internet: www.wissensjongleure.de

More Related