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Gier, Solidarität und Wirtschaftliche Entwicklung Stephan Klasen Universität Göttingen zur Vorlesungsreihe in der Paulinerkirche „Gier, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft“ 14. Juni 2012. 1. Drei Arten der Interpretation.
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Gier, Solidarität und Wirtschaftliche EntwicklungStephan KlasenUniversität Göttingenzur Vorlesungsreihe in der Paulinerkirche„Gier, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft“14. Juni 2012 1
Drei Arten der Interpretation • „Unsere“ Gier, Solidarität und wirtschaftliche Entwicklung in Industrieländern: • In anderen Vorträgen der Ringvorlesung behandelt; • Hier geht es um die wirtschaftliche Entwicklung von sogenannten Entwicklungsländern; • „Unsere“ Gier, Solidarität und wirtschaftliche Entwicklung in Entwicklungsländern: • Hat unsere Gier historisch zur Unterentwicklung beigetragen? • Studien von Acemoglu und Ko-Autoren: Art der Kolonisierung hat Unterentwicklung befördert; • Siedlungskolonien versus beherrschte Kolonien; • Entscheidender Einfluss über Institutionen; • Trägt Gier und fehlende Solidarität heute zur Unterentwicklung bei? • Einfluss eher gering und nicht eindeutig (mit wichtigen Ausnahmen);
Drei Arten der Interpretation • Thema: Inwiefernbefördernoderbehindern “Gier” bzw. “Solidarität” derdortigenBevölkerung die wirtschafticheEntwicklung in Entwicklungsländern? • Fragen: • Gibteszuwenigoderzuviel “Gier”? • Gibteszuwenigoderzuviel “Solidarität”? • KönnendamitUnterschiede in derwirtschaftlichenEntwicklungerklärtwerden? • Kann man darausPolitikempfehlungenfür die Förderung von Entwicklungableiten? • Was ist “Gier” hier? Verfolgung des wirtschaftlichenEigennutzes von Individuen (oderggf. Nuklearfamilien), ohneBerücksichtigungderGemeinschaftsinteressen;
Fakten zur Entwicklung • Riesige globale Ungleichheiten 1950: • Einkommen in Industrieländern 10-15 mal so hoch wie in Entwicklungsländern; • Seit 1950: Aufholen von manchen Entwicklungsländern (Ost- und Südostasien) • Seit 1980: Aufholen von China, Indien • Seit 1990: Aufholen von Lateinamerika, Südasien • Seit 2000: Aufholen auch von Afrika, aber dauerhaft?
Fokus auf Afrika • Viele Gründe für Entwicklungshindernisse in Afrika: • Koloniale Hinterlassenschaft: Grenzen, Institutionen, wirtschaftliche Strukturen, (fehlende) Bildung/Infrastruktur; • Geographische/klimatische Nachteile; • Verfehlte Wirtschaftspolitik und Rolle von Eliten; • Aber gibt es auch kulturelle Erklärungen, die mit Gier oder Solidarität zu tun haben? • Neuere (z.T. spekulative) Literatur zu dieser Frage seit ca. 2000 (Platteau, Bulte, Grimm)
Solidarität in Afrika • Ausgangssituation: • Fehlende staatliche Sozialsysteme; • Große Armut; • Enorme Arbeitslosigkeit; • Erhebliche Bedeutung der Großfamilie; • Starke Normen der Solidarität innerhalb der Großfamilie (auch relativ zur Nuklearfamilie); • Historische Ursachen für größere Solidarität? • Hohe Risiken; • Fehlende staatliche Institutionen der Absicherung; • Mobile Gesellschaften; • Geringe Bevölkerungsdichte? • Rolle der Entkolonisierung(e.g. Nyerere)?
Nutzen der Solidarität • Entscheidende Überlebensstrategie bei knappen Ressourcen und großem Risiko; • Beispiel Kinder („Ittakes a village“): • Großer Anteil von Kindern wird von Großeltern und Tanten/Onkel großgezogen (15-50%); • AIDS Waisen werden fast ausschließlich von Verwandten aufgezogen (ca. 15 Millionen); • Beispiel Arbeitslosigkeit: • 30% Arbeitslosigkeit aber weniger Haushalte ohne Beschäftige als in England! • Arbeitslose werden von Eltern, Großeltern und verwandten versorgt; • Zentrale Rolle der Pensionszahlungen für Rentner.
Schattenseiten der Solidarität • Solidarität als Steuer auf Erfolg? • Enorme Belastungen der Solidarität (Bsp. Südafrika) • Erfolg einzelner durch Forderungen von Solidarität der Gruppe gefährdet? • Beispiele: • Solidarität als Investitionshemmnis? Investitionen von Kleinunternehmern in Westafrika (Grimm et al.); • Solidarität als Anreizproblem? Arbeitslosigkeit und Haushaltsformation in Südafrika; • Hadnes (2012): Solidarität reduziert Investitionen von Kleinunternehmern in Burkina Faso (Experiment); • Rolle von Minoritäten in Westafrika (Platteau, 2000)
Ausweichreaktionen • Di FalcoandBulte (2011): Haushalte mit mehr Verwandten reduzieren teilbare Ausgaben, um Forderungen der Verwandten zu reduzieren; • Anderson andBaland (2002): Frauen ‚verstecken‘ Geld vor Ehemännern in Spargruppen in Keynias Slums; • Baland, Guirkinger, Mali (2009): Verschuldung (trotz Ersparnisse) Signal der Unfähigkeit, Verwandten zu helfen (Kamerun); • Edmunds: Private Unterstützung reduziert Anreize für eigene Arbeitsbeteiligung in Südafrika (kontrovers!) • Ausweichreaktionen reduzieren wirtschaftlichen Erfolg!
Armutsfalle? • Anfänglich große Anzahl an Armen; • Wenige Erfolgreiche; • Müssen viele Arme unterstützen, Erfolg ggf. damit zunichte gemacht; • Reduziert Motivation; • Gesellschaft bleibt arm; • Zentrales Problem: Verhältnis erfolgreiche zu Arme zu klein; • Auswege: • Weniger Solidarität? • ‚Big Push‘, um Verhältnis zu ändern; Beispiel Südafrika? • Alternative Sicherungssysteme;
Soziale Sicherungssysteme • Ziele: • Entlastung des privaten Sicherungssystems; • Ergänzung des privaten Sicherungssystems (vor allem für die ohne Zugang); • Bezahlbar, anreizkompatibel, und administrativ umsetzbar; • Beispiele: • Steuerfinanzierte soziale Renten im südlichen Afrika; • Öffentliche Arbeitsprogramme in Äthiopien; • Krankenversicherung in Ghana und Ruanda; • Ergebnisse (ERD, 2010): • Bezahlbar, administrativ umsetzbar, kaum Fehlanreize; • Unterstützen Wachstumsprozess; • Ersetzen teilweise private Sicherungssysteme;
Zusammenfassung • Solidarität ein wichtiger Mechanismus, um Überleben der Gruppe zu sichern; • Größer in Afrika? Wenn ja, warum? • Enorme Kosten für die Helfenden; • Versuche, sich der ‚Steuer auf Erfolg‘ zu entziehen; • Armutsfalle kann entstehen; • Soziale Sicherungssysteme können helfen; • Relevanz auch für Debatten über Nutzen der Sicherungssysteme in reichen Ländern!
Viele offene Fragen • Gibt es hier eine Besonderheit in Afrika? • Oder eine Frage der Entwicklungsphase? • Wie entwickelt sich Solidarität im Entwicklungsprozess? • Europa: schon sehr früh staatlich organisierte Solidarität (Poor Laws, Armenfürsorge der Gemeinden); • Rolle von Solidarität in Asien? • Nuklearfamilie versus Großfamilie? • Können soziale Sicherungssysteme das Problem lösen? • Erhöhung von Anreizen und Investitionen; • Erhöhung von Risikobereitschaft;