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Herausforderung Altern

Herausforderung Altern. Franz Kolland Institut für Soziologie – Universität Wien 22. November 2010. Was zeigt uns der sozio-demographische Strukturwandel?. Strukturwandel seit Mitte des 19. Jahrhunderts!

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  1. Herausforderung Altern Franz KollandInstitut für Soziologie – Universität Wien22. November 2010

  2. Was zeigt uns der sozio-demographische Strukturwandel? Strukturwandel seit Mitte des 19. Jahrhunderts! Lebenserwartung wächst seit 150 Jahren jährlich um rd. 3 Monate; sie wird – so die Langlebigkeits-Optimisten - bis 2050 auf rund 100 Jahre an-steigen! Ausbau der Alterssicherung Wandel der Produktionsweise Demographische Alterung ist kein biologischer Prozess sondern soziales Ereignis!

  3. Bevölkerungspyramide 2008, 2030, 2050 „Aeging“- Alter 2030 boomer 58-78 Jahre Babyboomer Alter heute Jg. 1952-72 38-58 Jahre

  4. . . . . . ..

  5. Telefonapplikation für Baby Boomer • Are you one of the members of the vast Baby Boomer population looking to lead a normal and healthy life? • Discover how you can live a completely fulfilling life.

  6. Höchste Lebenserwartung von Frauen 1840-2000 (2040) Japan Norwegen Die Langlebigkeits-Optimisten Oeppen/Vaupel 2002 Schweden Oeppen/Vaupel 2002

  7. Kompression der Morbidität ? Alltagskompetenz verbessert sich im historischen Wandel(Manton/ Gu 2000) Anzahl der über 65-jährigen chronisch behinderten US-Amerikaner

  8. Was ist Altern? „Möchten Sie 150 Jahre alt werden?“ (Inst.Allensbach) Das Alter ist fremd in einer jugend-dominierten Kultur! Schokoladengeschäft, ganz originell (Der Standard, 27.11.2008)

  9. Einschränkungen in Aktivitäten des täglichen Lebens nach Alter und Geschlecht (Angaben in %) Quelle: Statistik Austria, Gesundheitsbefragung 2006/07

  10. Alternde Gesellschaften oder Gesellschaften des langen Lebens • Kritische Folgen der Langlebigkeit: •  Ökonomische Absicherung (Pensionen) •  Gesundheit/ Pflege: Demenz, Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen • Innovationsfähigkeit: Dequalifizierung Langlebigkeit und Gesundheit im Alter sind nicht die obersten Ziele der Natur! -> Die Natur liebt das Altern nicht (Paul Baltes): Aber…

  11. Die Langlebigkeitsdividende • Potentiale für Erwerbsarbeit • Potentiale für Freiwilligenarbeit • Potentiale für Pflegearbeit Aber auch: • Potential für eine Vita Activa, für selbstbestimmte und kreative Tätigkeiten – für ein bewusst gestaltetes Leben • „Späte Freiheit“ • Entwürfe von neuen Lebensformen: Wohnen, Nachbarschaft, active citizenship

  12. Entberuflichung Ruhestand ist ein „verbindlich normiertes soziales Konstrukt“ (Fürstenberg 2002); es ist kein notwendiges Übel sondern anstrebenswertes Ziel (Ehmer 1990). 1. „Pensions-Normale“ unter Kaiser Joseph II 1781 1889 Bismarcksche Alters- und Invaliditätsversicherung Gesetzliches Pensionsantrittsalter:ASVGMänner: 65 JahreFrauen: 60 Jahre (bis 2024) – bis 2033 dann 65 JahreÖffentlicher DienstMänner/Frauen: 65 Jahre Tatsächliches Pensionsantrittsalter:Männer: 58,9 Jahre (OECD: 63,5 Jahre)Frauen: 57,9 Jahre (OECD: 62,3 Jahre)

  13. Kompression der Erwerbsarbeit In den europäischen Wohlfahrtsstaaten wird einerseits eine Verlängerung der Erwerbsphase favorisiert und andererseits sehen sich Menschen ab 40 Jahren auf dem Arbeitsmarkt mit negativen Altersstereotypen konfrontiert. Es zeigt sich eine Öffnung der Schere zwischen individuell vorhandenem und gesellschaftlich nicht genutztem Alterspotential Die Kompression der Lebenserwerbsarbeit ist begleitet von einem Machtverlust der „abhängigen Bevölkerung“ (Junge/Alte) Die Medikalisierung der Gesellschaft verstärkt das Defizitmodell des Alters (Frailty, Anti-Ageing)

  14. Lebenserwartung und ErwerbsarbeitOECD-Länder

  15. Veränderungen der Struktur des Lebenslaufs Alter früher: heute und in Zukunft: alt mittel jung Freizeit Bildung Arbeit Freizeit Arbeit Bildung nach Riley & Riley, 1992

  16. Wohnen im Alter: Was wissen wir? Die Mehrheit älterer Menschen lebt in Privatwohnungen. Trotz wachsenden Pflegebedarfs lebt die Mehrheit selbständig. Dies gilt auch und zukünftig verstärkt für Hochaltrige (80+). Wohnen als Zusammenspiel von Wohnstandard und Wohnerleben; z.T. gegensätzliche Wohnwünsche: Anregung – Ruhe; Privatheit – soziale Kontakte Alterswohnen kann und muss gelernt werden (Saup/Reichert 1997) Durchschnittlich halten sich Ältere mehr als drei Viertel des Tages zu Hause auf (Baltes et al. 1998) • Daher: Alltag im Alter ist Wohnalltag

  17. Alter ist nicht gleich Alter, daher: Es gibt kein altersgerechtes Wohnen. Schichtzugehörigkeit bestimmt Wohnverhalten. Wohnbedürfnisse sind lebensgeschichtlich geprägt (nicht das Nützliche wird beim Umzug mitgenommen!). Bedarf und Nachfrage können auseinanderfallen. Ein hoher Bedarf an Wohnanpassung kann mit einer geringen Nachfrage verknüpft sein. Ursache: Kosten werden überschätzt, Behinderungen werden verdrängt. Wohnen im Alter: Was wissen wir?

  18. Angenommen Sie werden eines Tages pflegebedürftig: Welche Wohnform wünschen Sie sich? (Österreich, IFES 2010)

  19. Gesundheit (Majce 2006) • Zwei Drittel der 50-und-Mehrjährigen in Österreich bezeichnen ihren Gesundheitszustand als „gut“ oder „sehr gut“. • Multimorbidität („Frailty“): das gleichzeitige Vorhandensein mehrerer, in der Regel chronisch-degenerativer Krankheiten, nimmt mit dem Alter markant zu. • Je mehr Krankheiten man hat, je schlechter man die eigene Gesundheit einstuft, desto pessimistischer und defensiver ist die Grundhaltung und desto negativer ist das allgemeine Lebensgefühl. • Soziale Integration hat einen bedeutenden protektiven Wert für die Gesundheit im Alter.

  20. Soziale Ungleichheit und Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen (SHARE, D, n=1.921, 50+, in %) Knesbeck/Mielck: Z Gerontol Geriat 42:39–46 (2009)

  21. Soziale Ungleichheit und geriatrisches Assessment durch den Hausarzt (SHARE, D, n=1.921, 50+, Angaben in %) Knesbeck/Mielck: Z Gerontol Geriat 42:39–46 (2009)

  22. Soziale Determinanten von Gebrechlichkeit (Frailty) • Alter/ Geschlecht • Bildungsstand/ Einkommen • Soziale Unterstützung/ Soziale Netzwerke • Physische Aktivität/ Outdoor-Bewegung • Ernährung Woo, J., Goggins,W., Sham, A., Ho, S.C., 2005. Social determinants of frailty. Gerontology 51, 402–408.

  23. Altern und soziale Beziehungen Je älter jemand wird, desto wahrscheinlicher ist ein kleineres soziales Netzwerk. Einschränkungen der Mobilität und Singularisierung bestimmen das Alter als strukturell isolierte Lebenssituation. Soziale Beziehungen haben eine wesentliche salutogene Wirkung, d.h. es besteht ein Zusammenhang zwischen der Größe bzw. Dichte des sozialen Netzwerks und (psychischer) Gesundheit.

  24. Soziale Beziehungen im hohen Alter • Wir bewegen uns in Jahrgangskohorten durch alters-differenzierte Institutionen (z.B. Schule, Freizeitorga-nisationen). Das hat Konsequenzen im hohen Alter. Peer-Group-Beziehungen sind über den Lebenslauf zwar günstig, im hohen Alter aber für jene problematisch, die überleben. • Der Verlust sozialer Beziehungen im Alter ist nicht nur ein Verlust, der durch die Langlebigkeit entsteht, sondern auch Ergebnis von Alterstypisierungen und Altersdifferen-zierungen, die im Zuge der Industrialisierung entstanden sind.

  25. Bewegung im Pflegeheim Wie wird man bettlägrig? Immobilität wird als „normaler“ Prozess gesehen. Liegen hat patho-physiologische Folgen (z.B. abnehmende Muskeltätigkeit,Thromboseneigung,eingeschränkte Wahrnehmung) Ortsfixierte Patienten brauchen Bewegung. Lösungen: Rollstuhlfreie Tage; täglich: bewusstes Stehen. Pflegecharta: Ältere Menschen haben das Recht, an die frische Luft zu kommen. Angelika Zegelin (2005): „Festgenagelt sein“ - Der Prozess des Bettlägerigwerdens. Bern: Huber.

  26. Ich habe es sehr deutlich bemerkt,dass ich eine andere Meinung habe,wenn ich liege und eine andere, wenn ich stehe. Georg Christoph Lichtenberg

  27. 12. 01. 2007 100-Jährige verlässt Seniorenheim „Für den Laden war ich noch nicht reif“ Man muss sich nicht alles bieten lassen, findet Maria Milz. Weil sie sich schlecht behandelt fühlte, zog die 100-Jährige nach knapp zwei Monaten wieder aus dem Altenheim aus. Nun wohnt sie wieder im eigenen Haus. Frau Milz war noch nicht reif für das Altenheim: „Da hab ich meine Tochter angerufen und gesagt: 'Komm sofort, sag ich, 'hier bleib ich keine Stunde mehr!'„ Foto: Laif

  28. Altersbilder beeinflussen das Handeln in der Spätlebensphase

  29. Der menschliche Lebenslauf:Aufstieg, Stillstand und Niedergang In vorindustriellen Gesellschaften hohe Unsicherheit und Unberechenbarkeit des Lebenslaufs Versuch, biologische Prozesse in vertrauten Denkfiguren zu interpretieren, als Rhythmen der Natur = Suche nach Stabilität und Regelmäßigkeit

  30. Das Leben erzählt in vier Flaschen

  31. Altersbilder in der Gegenwart Kehrseite der Einführung der Pensionsversicherung: Funktionsverlust des Alters Von der unsicheren zur sicheren Lebenszeit Entstehung eines Jugendkultes Defizitmodell des Alters Folge: Age-ism, d.h. zu alt, zu teuer, zu krankheitsanfällig

  32. „Ordnung“ des Lebenslaufs im 20. Jh. Paul Steinberg 1954, n. P.Thane 2005: 276

  33. „Ich fühle mich jünger als ich bin.“ Altersgruppen % (n=1.000; 50 Jahre und älter, 2006, Österreich)Gesundheitszustand, Soziale Schicht, Lebensform, Alter: p<.01

  34. Altersverweigerung

  35. Alterskultur: Sun City in den USA : Active Adult Retirement Communities

  36. Alterskultur? So…

  37. oder so?

  38. Selbstbestimmung und Würde des Alters Neben der Selbständigkeit im Alter gilt die Selbstbestimmung als wesentlich für das späte Leben (vgl. Ganner 2006) Die Erziehung zum autonomen Bürger wurzelt in Kants Forderung nach dem „Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“ Autonomie ist ein „Zustand, in dem der alte Mensch sich in der Lage sieht, seine Lebensziele durch den Gebrauch eigener Verhaltenskompetenzen und Ressourcen zu erreichen Autonomieförderung steht im Zusammenhang mit der „Normalisierung“ von Lebenslagen im Fall von Hilfe- bzw. Pflegebedürftigkeit

  39. Ausblick: Neue Leitbilder des Alters • Erfolgreichen Altern: Aktive Gestaltung der Lebensphase Alter: Bewegung, lebenslanges Lernen, Gesundheit. Gesellschaftspolitisch hat es vor allem gesundheitsfördernde Ansätze und individuelle Strategien eines aktiven Alterns zur Folge. • Produktives Altern: Alte Menschen erbringen gesellschaftlich wertvolle Leistungen. Sozialpolitisch heißt das Ausdehnung der Lebensarbeitszeit und Aufwertung der Freiwilligenarbeit. • Bewusstes und selbstgestaltetes Altern: Lebenslange Entwicklung und Selbstverwirklichung in einer sich ständig wandelnden Gesellschaft. Sozialpolitisch richtet es sich gegen negative Altersbilder. • Solidarisches Altern: Gerechtigkeit und Generationensolidarität zwischen Jung und Alt. Neue Kultur der Pflege.

  40. „Hätte ich gewusst, dass ich so lange leben werde, hätte ich besser auf mich aufgepasst.“ (Eubie Blake, Komponist, an seinem 100. Geburtstag)

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