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Humangeographie – Quo vadis?

Humangeographie – Quo vadis?. Peter Weichhart Institut für Geographie und Regionalforschung Universität Wien. Geographie heute – Einheit in der Vielfalt? Festkolloquium, Institut für Geographie der Universität Innsbruck und Innsbrucker Geographische Gesellschaft, 7. März 2008, Aula

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Humangeographie – Quo vadis?

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Presentation Transcript


  1. Humangeographie – Quo vadis? Peter Weichhart Institut für Geographie und Regionalforschung Universität Wien Geographie heute – Einheit in der Vielfalt?Festkolloquium, Institut für Geographie der Universität Innsbruck und Innsbrucker Geographische Gesellschaft, 7. März 2008, Aula Axel Borsdorf zum 60. Geburtstag P255HumQvInnsbr01

  2. Wir können die Zukunft nicht wissen Es gibt keine Möglichkeit, mit wissenschaftlichen Argumenten den Verlauf der Geschichte vorher- zusehen. Die prinzipielle Kontingenz der Zukunftsentwicklung gilt auch für die Geistesgeschichte. Wie sich eine wissenschaftliche Disziplin entwickeln wird, kann niemand mit Sicherheit voraussagen. Kontingenz =def Nicht-Notwendigkeit P255HumQvInnsbr02

  3. Dennoch gibt es eine „Zukunftsforschung“ Man kann Spekulationen darüber anstellen, wie die Pfade aussehen könnten, entlang derer sich gesell- schaftliche oder kognitive Systeme entlang der Zeit- achse bewegen werden. Dafür lassen sich plausible und gut nachvollziehbare Argumente und Begründungen anführen. Dennoch kann eine nicht berücksichtigte winzige Änderung der Rahmenbedingungen eine hoch wahrscheinliche Prognose bedeutungslos machen. P255HumQvInnsbr03

  4. Spekulationen über mögliche Entwick-lungspfade der Humangeographie… … können immer auch normativ gedeutet werden; … können, wenn sie entsprechend rezipiert werden, im Sinne einer self-fulfilling prophecy wirksam sein; … können bewirken, dass prognostizierte Entwick- lungspfade (obwohl sie wahrscheinlich gewesen wären) gerade als Folge der Prognose schließlich doch nicht eingeschlagen werden. P255HumQvInnsbr04

  5. Möglicher methodischer Zugang Analyse der Entwicklungstrends der jüngeren Fach- und Geistesgeschichte: • Aktuelle Tendenzen und Diskurse in der Geographie des • englischen Sprachraumes finden (nach einem meist län- • geren Timelag) auch bei uns ihren Niederschlag; • generelle Entwicklungstrends der Geistesgeschichte, der • der Philosophie und der Erkenntnistheorie haben in der • Regel Auswirkungen auf Einzeldisziplinen: Geographie als • „lateadopter“; • „Konjunkturzyklen“ von Themen und Forschungsfragen • (z.B. ethische Probleme laut N. LUHMANN). P255HumQvInnsbr05

  6. Die folgenden Thesen zur Fachentwicklung… … sind subjektiv gefärbte Spekulationen des Autors; … sind nicht als systematische und flächendeckende Darstellung für das Gesamtfach anzusehen; … können weder erkenntnis- noch fachtheoretisch begründet werden; … verweisen auf Entwicklungen, die bereits erkennbar sind, vom „Mainstream“ aber noch ignoriert werden; … lassen (im Einzelfall) vermuten, dass der Wunsch als Vater der Prognose anzusehen ist. P255HumQvInnsbr06

  7. Gliederung • Anmerkungen zum Status quo • Generelle Entwicklungstendenzen für das • Gesamtfach • Konjunktur spezifischer Forschungsfragen • methodische, konzeptionelle und erkenntnis- • theoretische Innovationen P255HumQvInnsbr07

  8. Status quo „Die“ Geographie wird vielfach immer noch als ein kompaktes, einheitliches Fach angesehen. Die „Einheit“ ist heute ein Mythos, der über „Ver- bandslyrik“ und fachpolitische Rhetorik produziert und inhaltlich vor allem über die Studienpläne um- gesetzt wird. De facto ist die Geographie jedoch ein Zwei-Fächer- Studium. Inhaltlich eint die beiden Geographien nur die räumliche Betrachtungsperspektive und das ge- meinsame Interesse an der Räumlichkeit der Welt. P255HumQvInnsbr08

  9. Status quo Es existiert heute für beide Fächer keine gemein- same Hintergrundtheorie (wie das für die klassische Einheitsgeographie der Fall war). Die Themenfelder und Forschungsfragen der Humangeographie (Global Cities, Standortstruktur des Einzelhandels im Postfordismus, kreative Milieus, Themenorte und inszenierte Tourismus- destinationen, Offshore Bankenzentren etc.) haben inhaltlich nicht das Geringste mit Fragestellungen und Theorieansätzen der Physiogeographie zu tun und umgekehrt. P255HumQvInnsbr09

  10. Status quo Die Humangeographie hat sich seit der Kieler Wende immer mehr den Sozialwissenschaften an- genähert, die Physiogeographie der Physik. Damit wurde auch der „Exceptionalismus“ der Geo- graphie zunehmend aufgegeben, und die beiden Fächer fügen sich heute weitgehend problemlos in das Gesamtsystem der Wissenschaften ein. In der Zwischenzeit haben beide Fächer eine gute Reputation bei den Nachbardisziplinen und werden akzeptiert und anerkannt. Positive Auswirkung des „Spatial Turn“? P255HumQvInnsbr10

  11. Status quo Die früher so charakteristische „Theorien-Phobie“ ist in der jüngeren Generation der Fachkollegen nicht mehr zu beobachten. (Bei der Generation 50+ kommt sie – oft in Verbindung mit einem naiven Realismus – noch relativ häufig vor). In der Wahrnehmung vieler Fachvertreter weist die Geographie immer noch eine klare Binnendifferen- zierung in Teilgebiete und Spezialbereiche auf, die in etwa dem klassischen „Logischen System“ bei H. BOBEK entsprechen. (Bindestrich-Geographien, Spezialisierung) P255HumQvInnsbr11

  12. Quelle: P. Weichhart, 1997, Abb. 2 These 1: „Reintegration“ der Teil-disziplinen der Humangeographie oder: Das Ende der „Schubladen- Geographien“ Sie waren theoretisch begründet als „Geofaktoren- lehren“ P255HumQvInnsbr12

  13. Reintegration Bereits Dietrich BARTELS (1970) wies darauf hin, dass die komplexen Zusammenhänge der Realität aus der engeren Perspektive von Teildisziplinen nur ungenügend erfasst werden können (Reduktionismus). „Wirtschafts- und Sozialgeographie“ als Synonym für den Gesamtbereich der Humangeographie Bedeutungszunahme „hybrider“ Theorien und Kon- zepte (Strukturationstheorie, Handlungstheorien, Regulationstheorie …) P255HumQvInnsbr13

  14. Reintegration Besonders deutlich erkennbar ist die Reintegration in der „Relationalen Wirtschaftsgeographie“ (J. GLÜCKLER und H. BATHELT, 2003) und der „Neuen Kulturgeographie“ (H. GEBHARDT et al., Hrsg., 2003). H. BOBEKs Vision einer die Teilsdisziplinen über- greifenden und integrativen Sozialgeographie wurde Realität. Dieser Trend wird sich in Zukunft verstärken. P255HumQvInnsbr14

  15. These 2: (Human-)Geographie als „Multi-Paradigmenspiel“ So wie alle anderen Wissenschaften auch weist die Geographie heute eine multiparadigmatische Struk- tur auf und ist durch die Koexistenz rivalisierender Paradigmen gekennzeichnet. Th. S. KUHNs These, dass sich immer nur ein Para- digma in der „normalwissenschaftlichen Phase“ be- finden könne, ist empirisch widerlegt. Aber: Auch koexistierende Paradigmen sind inkommensurabel! P255HumQvInnsbr15

  16. Koexistenz rivalisierender Paradigmen P255HumQvInnsbr16

  17. Koexistenz rivalisierender Paradigmen P255HumQvInnsbr17

  18. „Anomalien“ t Koexistenz rivalisierender Paradigmen Die „radikale Lesart“ KUHNs: „normalwissen- schaftliche Phase“ P 1 „normalwissen- schaftliche Phase“ P 2 In der normalwissenschaft- lichen Phase ist immer nur ein Paradigma vorhanden! vorwissenschaftliche Phase P 1 ist inkommensurabel mit P 2 (P1 und P2 sind rational unvergleichbar) Die Entwicklung in der Geographie wird meist nach dieser „radikalen Lesart“ KUHNs interpretiert! P255HumQvInnsbr18

  19. P 1 P 2 P 3 P 4 P 5 Koexistenz rivalisierender Paradigmen t Dem Paradigmenpluralismus entspricht auch ein Pluralismus der Theorien. These: Der Paradigmenpluralismus wird in Zukunft nicht abgebaut, sondern eher verstärkt. P255HumQvInnsbr19

  20. Koexistenz rivalisierender Paradigmen Es gibt keine „Übersetzungs- möglichkeit“! Poststruktura- lismus, Neue Kulturgeo- graphie Systemtheorie GESELL- SCHAFTS- THEORETISCHE Feministische Geographie Radical Geography, Welfare Geography Handlungstheoretische Sozial- geographie P E R S P E K T I V E Behavioral Approach MIKRO- Kognitionsmodelle Stimulus-Wahrnehmungs- Reaktions-Modelle ANALYTISCHE „Raumstrukturforschung“ MAKRO- Wien-MünchenerSchule 1950 1980 2000 Quelle: P. WEICHHART, 2008, Abb. 11, S. 107 P255HumQvInnsbr20

  21. Koexistenz rivalisierender Paradigmen Quelle: P. WEICHHART, 2008, Abb. 83, S. 390 P255HumQvInnsbr21

  22. Koexistenz rivalisierender Paradigmen Folgerungen: • Eine „Synthese“ der konkurrierenden Paradig- • men ist nicht möglich (Inkommensurabilität). • Es ist nicht entscheidbar, welches das „bessere“ • Paradigma ist. • Es wird auch keine „sozialdarwinistische“ Lö- • sung geben. • Koexistenz rivalisierender Paradigmen hat • methodische Konsequenzen (These 10). P255HumQvInnsbr22

  23. Koexistenz rivalisierender Paradigmen Konsequenzen für die zukünftige Entwicklung der Humangeographie: • Zunehmende Desintegration entlang der „Para- • digmenfronten“ • Erfordernis der „Mehrsprachigkeit“ (Konsequen- • zen für Lehre, Förder- und Berufungspolitik) • „Komplementaritätsidealismus“ und reflektierter • Erkenntnispluralismus P255HumQvInnsbr23

  24. These 3: „Rematerialisierung“ der Humangeographie Im Vollzug der verschiedenen Varianten des „Cultur- al Turns“ hat sich die Humangeographie qua „Neue Kulturgeographie“ immer stärker den Phänomenen der Zeichen und Sinnkonstitutionen zugewandt. Dies war ein sehr wichtiger und notwendiger Schritt, der das Fach in den Mainstream der Sozial- und Kulturwissenschaften eingebunden und viele neue Themenfelder eröffnet hat („Dekonstruktivistische Länderkunde“, Diskurstheorie, Themenorte etc.) Wo bleibt die physisch-materielle Welt? P255HumQvInnsbr24

  25. „Rematerialisierung“ der Humangeographie In der Zwischenzeit häufen sich im englischen Sprachraum Stimmen, die eine „Rematerialisierung“ der Humangeographie fordern und davor warnen, im Gefolge der kulturalistischen Wende „Babies mit dem Badewasser auszuschütten“. Ein besonders prominenter Vertreter dieser Forde- rung ist Peter JACKSON (z. B. 2000), der als einer der Begründer der „Neuen Kulturgeographie“ gilt. Deutliche Anzeichen für einen „Material Turn“ lassen sich in den Kulturwissenschaften erkennen (IFK). P255HumQvInnsbr25

  26. These 4: Das „Skalen-Problem“ In der Physiogeographie wird seit einiger Zeit das so genannte „Skalen-Problem“ diskutiert (vgl. z. B. R. DIKAU, 2007). Dabei geht es um die Frage, welche Zusammen- hänge und Wechselwirkungen zwischen Phänome- nen auf unterschiedlichen Maßstabsebenen existie- ren und wie derartige Zusammenhänge im Sinne einer Art „Mehrebenensteuerung“ erklärt werden können. Dieses Problem ist auch für die Humangeographie von hoher Relevanz. Ein typisches Beispiel wäre die Dialektik von Globalisierung und Regionalisierung. P255HumQvInnsbr26

  27. Das „Skalen-Problem“ Von Ökologen wurde als Versuch zur Lösung der- artiger Probleme das „Panarchie-Konzept“ entwickelt (L. H. GUNDERSON und C. S. HOLLING, 2002). In der Zwischenzeit wird das Skalen-Problem auch in verschiedenen Nachbardisziplinen der Human- geographie intensiv diskutiert („Scale and Politics“, 2007). Es handelt sich um eine wichtige Fragestellung, die für zentrale Aspekte des Erkenntnisobjekts der Hu- mangeographie bedeutsam ist und zukünftig die Forschungsagenda maßgeblich beeinflussen wird. P255HumQvInnsbr27

  28. Das „Skalen-Problem“ P255HumQvInnsbr28

  29. These 5: Strukturelle Koppelung und Koevolution Mit der Rezeption der „Theorie sozialer Systeme“ von N. LUHMANN wurde auch in der Humangeo- graphie die hohe Autonomie gesellschaftlicher Teil- systeme wahrgenommen, die nach einem je eige- nen Code operieren und einander bestenfalls „irritieren“ können. Um die Wechselwirkungen zwischen diesen Teil- systemen erfassen und erklären zu können, müssen wir uns von den gängigen Vorstellungen einer funk- tionalistischen Kausalität verabschieden. P255HumQvInnsbr29

  30. Strukturelle Koppelung und Koevolution Zur Analyse derartiger Wechselwirkungen werden die von U. R. MATURANA und F. J. VARELA ent- wickelte Konzepte der „strukturellen Koppelung“ und der „Koevolution“ eingesetzt. Beide Konzepte dürften in nächster Zeit in der Geo- graphie intensiv diskutiert werden (auch im Kontext der „Dritten Säule“). Workshop in Salzburg, 13./14. 6. 2008, (Gesprächskreis „Integrative Projekte in der Geographie“). P255HumQvInnsbr30

  31. These 6: „Materialisierung“ der hand-lungszentrierten Sozialgeographie Die empirische Forschungspraxis der handlungs- zentrierten Sozialgeographie war bisher überwie- gend auf den Bereich der informativ-signifikativen Regionalisierungen (B. WERLEN, 2007) ausge- richtet. Im Vordergrund stand also die „Raumproduktion“ im Rahmen signifikativer Prozesse des Sprach- handelns („Mitteldeutschland-Projekt“, T. FELGEN- HAUER, A. SCHLOTTMANN). P255HumQvInnsbr31

  32. „Materialisierung“ der hand-lungszentrierten Sozialgeographie WERLENs Konzept des „Geographie Machens“ be- zieht sich aber auch auf produktiv-konsumptive Re- gionalisierungen. Er erhebt den Anspruch, auch die räumliche Konfiguration von Artefakten auf der Erd- oberfläche als Integral der intendierten und nicht in- tendierten Folgen vergangener und aktueller Hand- lungen erklären zu können. Der Bereich der produktiv-konsumptiven Regionali- sierung wird in nächster Zeit in den Vordergrund der Arbeiten zur handlungszentrierten Sozialgeo- graphie rücken (vgl. R. SEIß, 2007, Wer baut Wien). P255HumQvInnsbr32

  33. These 7: „Konjunkturaufschwung“ bei den Themen „Armut“ und „Disparitäten“ In den 1970er-Jahren war im englischen Sprach- raum eine dezidierte Hinwendung zu „sozialen Fra- gen“ zu beobachten („Radical Geography“). Soziale und räumliche Disparitäten, Zugangsbeschränkun- gen zu Ressourcen, Armut und Ausbeutung wurden wichtige Themen der Humangeographie. Gegenwärtig finden derartige Themen auch im deut- schen Sprachraum zunehmend Beachtung (F. SCHOLZ, Theorie der globalen Fragmentierung, B. KLAGGE, 2005). P255HumQvInnsbr33

  34. „Konjunkturaufschwung“ bei den Themen „Armut“ und „Disparitäten“ Da sich die Schere zwischen Arm und Reich gegen- wärtig immer weiter öffnet und regionale wie soziale Disparitäten als Folge der Globalisierung und der Dominanz der neoliberalen Doktrin zunehmen, ist mit einem Konjunkturschwung einschlägiger For- schungen auch in der Humangeographie zu rechnen (und vermutlich auch mit einem Bedeu- tungsgewinn „kapitalismuskritischer“ und neo- marxistischer Ansätze). P255HumQvInnsbr34

  35. These 8: Wachsendes Interesse an der „Dritten Säule“ Ab der Jahrtausendwende wird (nicht nur im deutschen Sprachraum) die Frage der Einheit der Geographie neu thematisiert. Ein wichtiger Mei- lenstein dieses Diskurses war die „Münchener Ta- gung 2003“, bei der fachtheoretische Reflexionen in den Vordergrund rückten. Bei dieser Tagung wurde das Konzept der „Dritten Säule“ vorgestellt, das seither sowohl von Physio- geographen als auch von Humangeographen dis- kutiert wird – besonders auch hier in Innsbruck. P255HumQvInnsbr35

  36. Wachsendes Interesse an der „Dritten Säule“ Bei diesem Konzept wird davon ausgegangen, dass durch das Thema der Gesellschaft-Umwelt-Inter- aktion ein eigenständiges Erkenntnisobjekt konsti- tuiert wird. Es ist durch einen Komplex spezifischer Frage- stellungen gekennzeichnet, die in dieser Form weder in der Physiogeographie noch in der Humangeographie bearbeitet werden. P255HumQvInnsbr36

  37. Wachsendes Interesse an der „Dritten Säule“ In diesem Modell wird die Eigenständigkeit von Physiogeographie und Humangeographie respektiert und der geographischen Gesellschaft-Umwelt-For- schung ein davon abgesetzter, ganz spezifischer Problematisierungsstil zugebilligt. Aktuelle Publikationen und Projekte lassen vermu- ten, dass dieses Arbeitsfeld in nächster Zeit auch für Humangeographen an Attraktivität gewinnen wird. P255HumQvInnsbr37

  38. These 9: Konstruktivismus und Realismus Mit neueren Paradigmen (Handlungstheorie, Neue Kulturgeographie, Systemtheorie) sind in die Humangeographie verstärkt konstruktivistische Konzepte eingedrungen, die in ausdrücklicher Konkurrenz zu realistischen Ansätzen stehen. Es ist anzunehmen, dass in nächster Zeit ein Dis- kurs über die Möglichkeit einer „Kopenhagener Deutung“ dieser erkenntnistheoretischen Ansätze einsetzen wird, weil in unserem Fach der „Zusam- menhang zwischen Sinn und Materie“ ein zentrales Element des Erkenntnisobjekts darstellt. P255HumQvInnsbr38

  39. These 10: Ein neues Verständnis von Validität und das Konzept der Viabilität „Validität“ (früher „Wahrheit“) ist zweifellos das zen- trale Schlüsselkonzept des Wissenschaftssystems (Leitdifferenz nach LUHMANN). Wegen der multiparadigmatischen Struktur der Humangeographie muss „Validität“ heute aber als relationaler Begriff verstanden werden, dessen konkrete inhaltliche Bedeutung erst durch eine Re- ferenzierung auf ein jeweils spezifisches Paradigma bestimmt werden kann. (Spatial Approach/GIS versus Hermeneutik) P255HumQvInnsbr39

  40. Ein neues Verständnis von Validität und das Konzept der Viabilität Diese Relationalität hat dramatische Auswirkungen auf unser Verständnis von „Qualität“ und „Exzellenz“. Als Korrektiv gegenüber den Möglichkeiten einer Deutung relationaler Validität im Sinne „postmoder- ner Beliebigkeit“ bietet sich das konstruktivistische Konzept der „Viabilität“ an. P255HumQvInnsbr40

  41. Ein neues Verständnis von Validität und das Konzept der Viabilität „Handlungen, Begriffe und begriffliche Operationen sind dann viabel, wenn sie zu den Zwecken oder Beschreibungen passen, für die wir sie benutzen. Nach konstruktivistischer Denkweise ersetzt der Begriff der Viabilität im Bereich der Erfahrung den traditionellen philosophischen Wahrheitsbegriff, der eine ,korrekte’ Abbildung der Realität be- stimmt“ (E. v. GLASERSFELD, 1997, S. 43). Handlungstheoretische versus poststrukturalistische Diskurstheorie (FOUCAULT). P255HumQvInnsbr41

  42. Resümee „It is difficult to make predictions, especially about the future.“ (Mark Twain zugeschrieben) Die Geographie ist eine überaus spannende und in höchstem Maße anregende Disziplin, deren Charme wohl auch in der Dialektik zwischen Traditionalismen und innovativer Entwicklungs- dynamik liegt. Viele aufregende „Baustellen“ warten auf uns, packen wir es an! P255HumQvInnsbr28

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