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Ernst Jandl Dozentur für Poetik Ernst Jandl Dozentur für Poetik. Szenen aus dem wirklichen Leben? "Dichtung, ausgelöst durch den Zusammenstoß eines Menschen mit der Umwelt". Wie bei Jandl Welt in das Gedicht kommt. 4.5.2011.
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Ernst Jandl Dozentur für Poetik • Ernst Jandl Dozentur für Poetik. Szenen aus dem wirklichen Leben? • "Dichtung, ausgelöst durch den Zusammenstoß eines Menschen mit • der Umwelt". Wie bei Jandl Welt • in das Gedicht kommt. • 4.5.2011
um ein gedicht zu machen / habe ich nichts // eine ganze sprache / ein ganzes leben / ein ganzes denken / ein ganzes erinnern // um ein gedicht zu machen / habe ich nichts
Und dann erst eine Vorlesung! Nein – fünf! • Um eine Vorlesung zu halten / habe ich nichts // eine ganze Sprache – mir fehlen die Worte / ein ganzes Leben – zu viele Versäumnisse / ein ganzes Denken – nur noch Perseverationen / ein ganzes Erinnern – ausschließlich Lücken / um eine Vorlesung zu halten / habe ich alles.
"Dichtkunst kann als eine fortwährende Realisation von Freiheit interpretiert werden." (Ernst Jandl)
"er habe immer etwas zu sagen gehabt, und er habe immer gewußt, daß man es so und so und so sagen könne; und so habe er sich nie darum mühen müssen, etwas zu sagen, wohl aber um die art und weise dieses sagens. denn in dem, was man zu sagen hat, gibt es keine alternative; aber für die art und weise, es zu sagen, gibt es eine unbestimmte zahl von möglichkeiten. es gibt dichter, die alles mögliche sagen, und dies immer auf die gleiche weise. solches zu tun habe ihn nie gereizt; denn zu sagen gebe es schließlich nur eines; dieses aber immer wieder, und auf immer neue weise." (E. Jandl)
"[…] ihr auge will eine möwe werden. • aber nur eine dicke gelbe fliege • brummt mißvergnügt landeinwärts."
"[…] wieviel Liebe ließe sich augenblicklich gewinnen, wenn sich jetzt • eine Aschantinuß für dich • aufbrechen ließe."
von leuchten • wenn du haben verloren den selbst dich vertrauenen als einen • schreibenen; wenn du haben verloren den vertrauenen in den eigenen • kreativitäten; wenn du haben verloren den methoden, den techniken • zu richten den lebendigen und den toten; wenn du haben verloren • den zusammensetzen von worten zu satzen; wenn du haben verloren • den worten überhaupten, sämtlichen worten, du haben • nicht einen einzigen worten mehr: dann du vielleicht • werden anfangen leuchten, zeigen in nachten den pfaden • denen hyänenen, du fosforeszierenen aasen!
pissing-party • du setzt di aufs klo • i mochs in dein mund • so gehds auf amoe • wischerln is gsund
viele von Jandls Arbeiten haben einen "stark realistischen, weniger einen konstruktiven bezug zu den sie repräsentierenden inhalten" • Jandl ist "in manchen arbeiten, die seiner auffassung konkreter poesie verpflichtet sind, in einem realistischen und materialen sinne konkreter […], wenn eine solche steigerungsstufe erlaubt ist"(Reinhard Priessnitz: zu ernst jandl)
erkenntnistheoretischer Realismus • Primat im Erkenntnisprozess wird den Objekten der Erkenntnis zugesprochen und dem erkennenden Subjekt eine vorwiegend rezeptive Rolle zugedacht, wodurch den Objekten unabhängig von den menschlichen Unterscheidungs-leistungen Existenz zukommt
kritischer Realismus • nimmt zwar im Gegensatz zum naiven Realismus an, dass im Erkenntnisprozess subjektive Beimengungen die Vorstellung von den Gegenständen prägen, dass jedoch diese Eigenleistungen des Subjekts nach Maßgabe objektiv vorhandener Eigenschaften objektiv vorhandener Gegenstände erfolgen
Jandl: Beitrag zu einer "realistischen schreibweise, in der – einsichtiger vielleicht als dies durch beschreibung möglich ist – auf den konstituierenden anteil der sprache an der wirklichkeit verwiesen wird, ja einen mit dieser wirklichkeit geradezu konfrontiert." • (R. Priessnitz)
Konstruktivismus, wissenschaftstheoretisch: • Vorrangigkeit der Theorie vor den Daten der Wahrnehmung, wodurch nicht Welt abgebildet, sondern buchstäblich während des Wahrnehmungsvorganges erzeugt wird: "Wahrnehmung ist Interpretation, ist Bedeutungszuweisung."
"viel mehr als ähnliche schreibweisen wie er praktizierende autoren, an den unmittelbaren wirkungsweisen sprachlicher setzungen oder auch an den lautlichen einheiten interessiert [...] als an den theoretischen aspekten über das verhältnis von wort und wirklichkeit, ja er [besitze] einen primär materiell-sinnlichen bezug zu dem von ihm aufgegriffenen sprachelemen-ten und er [verfüge] insgesamt über einen stark ausgeprägten, sich ingeniös kleinsten einheiten widmenden wirklichkeitssinn." • (R. Priessnitz)
"überhaupt findet man meines erachtens in den arbeiten jandls stets ein prinzip der grenzüberschreitung zwischen der realität der sie konstituierenden sprache, und einer, bestimmte ihrer dimensionen ver-fremdenden verwendung vorherrschen." • (R. Priessnitz)
"Sie [die moderne Weltdichtung] ist 'konkret', indem sie Möglichkeiten innerhalb von Sprache verwirklicht und Gegenstände aus Sprache erzeugt (statt, didaktisch-abstrakt, Aussagen zu machen über Gegenstände die außerhalb von Sprache angenommen werden, und, illusionistisch-abstrakt, mit sprachlichen Mitteln die Verwirklichung von Möglichkeiten die außerhalb von Sprache angenommen werden vorzuspiegeln)."(E. Jandl)
"Ich könnte mir denken, daß ein Gedicht und ein Erlebnis vollständig identisch werden, so vollständig, daß sie dann ein und dasselbe sind, das Gedicht ist dann das Erlebnis, und das Erlebnis ist das Gedicht, und jedes von beiden ist darüber hinaus nahezu nichts, aber daß beide zu einem einzigen geworden sind, scheint mir außergewöhnlich viel." (E. Jandl)
"1955 stieß ich zum ersten Mal auf ein Gedicht von Eugen Gomringer und erfuhr, daß es eine neue Art von Dichtung gab, 'konstellationen', 'konkrete poesie'. Wörter werden in sparsamsten Versen gereiht, oder flächig angeordnet, als visuelles Gedicht. Das einzelne Wort begegnet dem einzelnen Wort, unter weitgehendem Verzicht auf syntaktische Bindeglieder. Das war schon viel früher bei August Stramm geschehen, im radikalen Expressionismus. Die These aber, wie die konkrete Theorie sie vortrug, daß ein Gedicht ein Gegenstand sei, keine Aussage über einen Gegenstand, hätte auch auf Gedichte von Stramm gepaßt."(E. Jandl)
erfolg beim dritten versuch sich durch den • er versucht jakopfgen eine kugel zu sich durch den • er versucht jkaogpfen eine kugel zu sich eine • er jagt kkuogpefl durch den
"Sie, die außerpoetische Wirklichkeit, die zusammen mit aller poetischen die Wirklichkeit überhaupt ergibt, ohne Trennung, die wir nur für heute, für den Zweck dieser Vorlesung, hypothetisch vollzogen haben, trägt dazu bei, kann es tun, daß ein Gedicht überhaupt zustande kommt, sofern der Zufall nur kräftig und freundlich genug mitwirkt."(E. Jandl)
urgrossvauto • urgrossmauto • urgrossvauto • urgrossmauto • urgrossvauto • urgrossmauto • urgrossvauto • urgrossmauto • grossvauto • grossmauto • grossvauto • grossmauto • vauto • mauto • auto
"Konkrete Dichtung" und "Mimesis" werden ja üblicherweise als einander ausschließenden Begriffe betrachtet, "konkrete Literatur" ist geradezu als "anti-mimetisch" kalssifiziert worden. Denn "Konkrete Dichtung" nehme auf sich selbst und ihre sprachlichen Mittel Bezug, während "Mimesis" ein auf Aristoteles zurückgehender (literaturwissenschaftlicher) Begriff ist, der vor allem die Art der Darstellung und Nachahmung einer existenten Welt in einem Symbolsystem bezeichnet.
Ausgehend von Gebauer/Wulfs Ansatz, daß "in der mimetischen Bezugnahme [...] von einer symbolisch erzeugten Welt aus eine vorgängige (aber nicht notwendigerweise existierende) Welt interpretiert [wird], die selbst schon interpretiert ist" und daß "Mimesis [...] eine Neudeutung von bereits gedeuteten Welten" (Gebauer/Wulf 1992, 433) erteilt, müsste die Besonderheit einer Bezugnahme qua Mimesis innerhalb eines allgemeinen Symbolsystems der Künste herausgearbeitet werden.
Exemplifikatorische oder • selbst-referentielle Mimesis
Exemplifikation: • ein Gegenstand exemplifiziert das Etikett, von dem er denotiert wird – Exemplifikation ist Besitz plus Bezugnahme (Goodman 1978, 60) • Beispiel: Die Stoffprobe eines Schneiders von einem Stoffballen exemplifiziert z.B. die Prädikate: "ist grün-gelb", "hat dieses karierte Muster" etc., weil sie diese Eigenschaften besitzt und darauf Bezug nimmt.
Exemplifikation: • Goodman: • ein Prädikatsvorkommnis einer natürlichen Sprache exemplifiziertnicht nur seine sinnlich wahrnehmbaren, materiellen Eigenschaften, • sondern auch seine syntaktischen und seine semantischen Klassifikations-merkmale
Exemplifikation: • "lang" denotiert 'lange Gegenstände' (auch: Wörter), exemplifiziert jedoch nicht die physischen Klassifikationsmerkmale des Wortes "lang", weil es nicht seine eigenen physischen Klassifikationsmerkmale ("kurz zu sein") denotiert • "kurz" denotiert 'kurze Gegenstände', exemplifiziert auch die physischen Klassifikationsmerkmale des Wortes "kurz", weil es seine physischen Klassifikationsmerkmale besitzt und darauf Bezug nimmt.
Exemplifikation: • Monroe C. Beardsleys (Beardsley 1997, 43-66): • es sind schwerlich Prädikate vorstellbar, die zu den sinnlich wahrnehmbaren auch die syntaktischen und semantischen Klassifikationsmerkmale eines Prädikatsvorkomnisses denotieren
Exemplifikation: • Dennoch könnte entgegen dieser Kritik ein sich umfassend selbst exemplifizierendes Prädikatsvorkommnis im Falle der Konkreten Poesie als exemplifikatorische oder selbstbezogene Mimesis zumindest als weiter zu hinterfragende Annahme vermutet werden.
Exemplifikation: • Denn es scheint in der Konkreten Poesie nicht nur naiv-mimetische, auf das sinnlich Wahrnehmbare abzielende Bezugnahme eine Rolle zu spielen (wie etwa in Reinhard Döhls berühmtem Text "apfel"), sondern eine Bezugnahme auf die syntaktischen und semantischen Klassifikationsmerkmale wird zumindest versucht.
Exemplifikation: • Bestätigt sich diese Vermutung einer umfassenden Exemplifikation der sprachlichen Weltrepräsentation, so würde es dadurch möglich, von Mimesis an das Darstellungs-medium zu sprechen, die das Darzustellende selbst mit umgreift. • Denn die Konkrete Poesie bezieht ihr ästhetisches Potential häufig aus dem Umstand, dass die verwendeten Sprachmittel – trivialerweise – die materiellen, syntaktischen und semantischen Eigenschaften besitzen, solche Sprachmittel zu sein, und zudem auf diese Eigenschaften Bezug nehmen.
"Es ist absolut notwendig zu erkennen, daß Sprache aus Dingen besteht, die aus Dingen bestehen, und daß alle diese Dinge von Menschen erfunden und aus dafür geeigneten Materialien zum dauernden und wiederholten Gebrauch hergestellt wird. Es ist notwendig, das zu erkennen und im Auge zu behalten, um zu wissen, was ein Gedicht ist, und zu wissen, daß es, auch wenn es als einziges aus Sprache besteht, nicht grundsätzlich etwas anderes ist als eine Plastik oder ein Musikstück oder eine Zeichnung oder ein gemaltes Bild." (E. Jandl)
ottos mops • ottos mops trotzt • otto: fort mops fort • ottos mops hopst fort • otto: soso • otto holt koks • otto holt obst • otto horcht • otto: mops mops • otto hofft • ottos mops klopft • otto: komm mops komm • ottos mops kommt • ottos mops kotzt • otto: ogottogott
"dann wirklich eine große Menge von Wörtern auf dem Papier [gab], [...] und was sollte man mit so vielen Wörtern mit o nun anfangen? Gar nichts hätte man anfangen können, wenn sich nicht, wie von selbst, einige davon zu bewegen begonnen hätten und aufeinander zugekommen wären und gesagt hätten: wir hier, wir passen doch zusammen, wir können miteinander etwas anfangen, wir können miteinander eine kleine Geschichte anfangen; fangen wir doch die Geschichte von 'ottos mops' an. Das haben sie getan, und so ist dieses Gedicht entstanden." (E. Jandl)
"Wie sollte man selektieren? Doch wohl so, daß man mittels dieser Wörter [...] nach einem Modell in der außer-sprachlichen Wirklichkeit zu suchen begann, das man dann fand oder nicht fand, und wenn man nichts fand, dann entstand auch nichts." (E. Jandl)
Ontologischer Realismus (J. Searle) • Zumindest eine der Funktionen von Sprache besteht darin, Bedeutungen von Sprechern zu Hörern zu übermitteln, und manchmal ermöglichen diese Bedeutun-gen es der Kommunikation, sich auf Gegenstände und Zustände in der Welt zu beziehen, die sprachunabhängig existieren.
"ernst jandl ist nach kurt schwitters derjenige unter den dichtern, für den jedes sprachelement baustein für die realisation von wirklichkeit darstellt, die in der dichtung erst kontur erhält, für den, um es anders zu sagen, die bedeutung eines wortes, sein gebrauch in der dichtung ist." • (R. Priessnitz)
Interner Realismus (H. Putnam) • "daß eine Aussage genau dann auf eine Situation zutrifft, wenn es richtig wäre, die Wörter, aus denen die Aussage besteht, bei der Beschreibung der Situation in dieser Weise zu verwenden."
limitierte Grundlagenforschung der Poesie, in der die Demonstration einfacher Verhältnisse, im Sinn einer Propädeutik, vorrangig die sinnlich wahrnehmbare "Materialität" der Dichtung vollständig beleuchtet • ein solcher – von Putnam geforderter – "hinreichend gut plazierter", ja: wohl bestplazierter Sprecher des Gedichts kann nur Ernst Jandl heißen