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15.12.2009. Die FDP in den 60er Jahren zwischen Regierungsbeteiligung und Opposition. Referenten: Thorsten Holzhauser, Sonja Friederichs Leitung: Prof. Dr. Jürgen W. Falter. 15.12.2009. Leitfrage.
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15.12.2009 Die FDP in den 60er Jahren zwischen Regierungsbeteiligung und Opposition Referenten: Thorsten Holzhauser, Sonja Friederichs Leitung: Prof. Dr. Jürgen W. Falter
15.12.2009 Leitfrage Vom bürgerlichen Lager zur sozial-liberalen Koalition: Wie bahnte sich der Lagerwechsel der FDP in den 60er Jahren an?
15.12.2009 Gliederung • Die grundsätzliche Bedeutung der Koalitionsfrage für die FDP • Fragen der Zeit und politische Rahmenbedingungen der 60er Jahre • Die Entwicklung der FDP von 1956 bis 1969 3.1 Die Zeit der Opposition 1956-1961 3.2 Die bürgerliche Koalition 1961-1966 3.3 Die Opposition zur Großen Koalition 1966-1969 4. Schlussbetrachtung/Diskussion
1. Die grundsätzliche Bedeutung der Koalitionsfrage für die FDP 15.12.2009 Ihrem Selbstverständnis nach ist die FDP eine Partei fürs Regieren, nicht für die Opposition Kleinere Parteien in Mehrparteiensystemen sind zum Zweck der Regierungsbeteiligung auf Koalitionen angewiesen Klare Koalitionsaussage vor der Wahl erfüllt viele Funktionen: Orientierung für die Mitglieder, Mobilisierung von Wählergruppen, Signal an den potentiellen Partner, Schaffung von Distanz zu anderen Parteien
1. Die grundsätzliche Bedeutung der Koalitionsfrage für die FDP 15.12.2009 Mögliche Antworten auf die Koalitionsfrage: Benennung des gewünschten Partners; Benennung von Parteien, mit denen man nicht koalieren möchte; Unterlassung von Koalitionsaussage Dreiphasiges Verlaufsmuster: breite, parteiöffentliche Diskussion; öffentliche Festlegung oder Nichtfestlegung; Umsetzung im Wahlkampf; nach den Wahlen ggf. der Vollzug durch Koalitionsverhandlungen und Regierungsbildung
2. Fragen der Zeit und politische Rahmenbedingungen der 60er Jahre 15.12.2009 Deutschland- und Außenpolitik: Bau der Berliner Mauer 1961 zementiert die deutsche Teilung Die deutschlandpolitische Konzeption der Union (Hallsteindoktrin, Alleinvertretungsanspruch) führt nicht weiter Eine neue, flexiblere Ostpolitik ist gefragt Gleichzeitig: Auch die SPD akzeptiert grundsätzlich die Westbindung der BRD
2. Fragen der Zeit und politische Rahmenbedingungen der 60er Jahre 15.12.2009 Gesellschaftliche Veränderungen: Entkonfessionalisierung und Enttraditionalisierung der Gesellschaft, damit verbunden Entideologisierung der großen Parteien Stärkeres Hinterfragen von Autoritäten (vgl. Ende der Ära Adenauer) Besonders die Jugend drängt auf Gesellschaftsreformen, v.a. in den Bereichen der Bildungs- und der Rechtspolitik
2. Fragen der Zeit und politische Rahmenbedingungen der 60er Jahre 15.12.2009 Veränderungen in Soziologie und Mentalität der gesellschaftlichen Mitte: Abschmelzen der alten und Expansion der neuen Mittelschichten (Lösche/Walter: „urbaner, weltoffener, moderner, westlicher“) Wirtschaftliche Aussichten: Seit Mitte der 60er Jahre ist das Ende des Wirtschaftsbooms der Nachkriegszeit absehbar (Rezession 1967!)
3. Die Entwicklung der FDP von 1956 bis 19693.1 Die Zeit der Opposition 1956-1961 15.12.2009 Die Initiative der „Jungtürken“ 1956/57: • Landesverband NRW unter Führung der Jungpolitiker Willi Weyer (*1917) und Wolfgang Döring (*1919) übernimmt die Initiative • Idee der Positionierung als „Dritte Kraft“ (oder liberale Volkspartei, vgl. Berliner Programm 1957) • Ziel: Öffnung der Partei für neue Wählerschichten, auch im Arbeitermilieu • Machtstrategische Überlegungen im Vordergrund
3.1 Die Zeit der Opposition 1956-1961 15.12.2009 1956 Bruch der christlich-liberalen Koalition in NRW und Bildung einer Koalition mit SPD und Zentrum Führt zum Bruch der Bonner Koalition und zur Spaltung der Partei, FDP erstmals in der Opposition Strategie der „Dritten Kraft“ ohne Koalitionsaussage führt bei den Bundestagswahlen 1957 zur Niederlage (7,7 Prozent, absolute Unionsmehrheit) FDP bleibt in der Opposition
3.2 Die bürgerliche Koalition 1961-1966 15.12.2009 Beginn der Ära Mende 1960 übernimmt Erich Mende die Parteiführung Mende (*1916) verkörpert den Generationswechsel, gehört aber zum konservativ-national-liberalen Parteiflügel Strategie der Rückkehr ins bürgerliche Lager als „liberales Korrektiv“ zur Union, Absage an die „Dritte Kraft“ Ziel: Brechen der absoluten Unionsmehrheit, Rückkehr in die bürgerliche Koalition
3.2 Die bürgerliche Koalition 1961-1966 15.12.2009 Bundestagswahlen 1961 Wahlkampf-Motto 1961: „Mit der CDU ohne Adenauer“ (Wahlkampfleiter: K.-H. Flach) Großer Wahlsieg: 12,9 Prozent Aber: Adenauer setzt sich bei den Koalitions-verhandlungen durch, FDP wählt ihn erneut zum Kanzler, Neuauflage der bürgerlichen Koalition Empörte Reaktionen der Öffentlichkeit: Wahrnehmung der FDP als „Umfallerpartei“
3.2 Die bürgerliche Koalition 1961-1966 15.12.2009 Spiegel-Affäre 1962 FDP kündigt infolge der Spiegelaffäre die Koalition auf, Strauß muss das Kabinett verlassen, Koalition wird erneuert Die FDP präsentiert sich als Wahrer der Bürgerrechte und gewinnt Sympathien zurück Erfolg für die Strategie des „liberalen Korrektivs“, Etablierung der FDP als bürgerliche Anti-Strauß-Partei
3.2 Die bürgerliche Koalition 1961-1966 15.12.2009 Bundestagswahlen 1965 Seit 1963 ist der „FDP-Lieblingskandidat“ Erhard Kanzler, Mende wird Vizekanzler und Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen Wahlkampf 1965: Eindeutiges Bekenntnis der FDP zur CDU/CSU unter Erhard, deutschnationale Anklänge Mendes - 9,5 Prozent für FDP Fortführung der CDU/CSU-FDP-Koalition Nach 1965 zunehmend Spannungen mit der Union in der Ostpolitik und der Steuer- und Wirtschaftspolitik
3.2 Die bürgerliche Koalition 1961-1966 15.12.2009 Bruch der Koalition 1966 Haushaltsfrage führt 1966 zur Aufkündigung der Koalition durch die FDP Bildung einer Großen Koalition unter K. G. Kiesinger, FDP muss in die Opposition Ausschluss der FDP durch Union und SPD: ständiges Damoklesschwert Wahlrechtsreform bringt die FDP in Existenznöte, die kleine FDP-Fraktion stellt nur eine schwache parlamentarische Opposition dar
3.3 Die Opposition zur großen Koalition 1966-1969 15.12.2009 Neue Schnittstellen FDP entfernt sich in der Oppositionszeit von der CDU und nähert sich durch politische Entscheidungen der SPD Rückblick: Bereits Mitte der 60er Jahre haben sich die Schnittstellen zwischen Sozialdemokraten und Liberalen vermehrt Forderungen nach Reformen in der Bildungs- und Rechtspolitik -> hier auch Versuch der FDP, Wähler im weiten Feld der außerparlamentarischen Opposition (APO) zu erreichen
3.3 Die Opposition zur großen Koalition 1966-1969 15.12.2009 Übereinstimmungen in der Deutschland- und Ostpolitik (Konzept der kleinen und mittleren Schritte) Skepsis von Herbert Wehner und Helmut Schmidt gegenüber den Politikern der FDP, trotz deutschland- und ostpolitischer Gemeinsamkeiten mit der FDP geben sie 1966 der Großen Koalition den Vorzug
3.3 Die Opposition zur großen Koalition 1966-1969 15.12.2009 National-liberaler Flügel vs. Reformer National-liberaler Flügel bekennt sich traditionell zur Koalition mit der CDU/CSU, die Reformer wollen weg vom bürgerlichen Traditionalismus Kontoverse um den zukünftigen deutschlandpolitischen Kurs auf dem Bundesparteitag in Hannover 1967 wird zur Kraftprobe zwischen dem national-liberalen Flügel um den Parteivorsitzenden Mende und den Reformern um Rubin, Genscher, Scheel u.a.
3.3 Die Opposition zur großen Koalition 1966-1969 15.12.2009 Mende kritisiert einen Artikel des FDP-Schatzmeisters Rubin, in dem die Realität der DDR und die Notwendigkeit der Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze postuliert wird Zum Schluss greift Mende die „Reformatoren“ an, die „nur noch mit der SPD zu koalieren bereit sind“ Mende verliert merklich an Einfluss
3.3 Die Opposition zur großen Koalition 1966-1969 15.12.2009 1968 wird auf dem Parteitag in Freiburg mit Scheel (*1919) ein Repräsentant des Reformflügels zum neuen Parteivorsitzenden gewählt Massenmedien legen den Wechsel im Parteivorsitz als Positionsänderung der Partei im politischen System aus Scheels Abschlussrede bringt keine richtungspolitische Klärung, aber der personelle Wechsel in der Führung deutet auf eine herrschende Neigung hin, die Koalition mit der SPD zu suchen
3.3 Die Opposition zur großen Koalition 1966-1969 15.12.2009 Bundespräsidentenwahl 1969 Am 5. März 1969 stimmt die FDP-Fraktion fast geschlossen für Gustav Heinemann (SPD) Die FDP beweist, dass sie fähig ist, einen Partner auf der Linken zu wählen Die Wahl signalisiert die Richtung des koalitionspolitischen Interesses Scheel betont jedoch: Nachweis der Entscheidungsfreiheit, keine Vorentscheidung für die Kanzlerwahl
3.3 Die Opposition zur großen Koalition 1966-1969 15.12.2009 Wahlprogramm 1969 Der begonnene Innovationsprozess wird deutlich: Deutschland- und Ostpolitik: Forderung nach Gewaltverzicht, Preisgabe des Alleinvertretungsanspruches, Abschluss eines Staatsvertrags mit der DDR, Entspannungs- und Vertragspolitik mit der Sowjetunion Innenpolitik: Leitbild einer offenen Gesellschaft, die die Freiheitsrechte des Einzelnen sichert und ausbaut
3.3 Die Opposition zur großen Koalition 1966-1969 15.12.2009 Scheel legt sich in der Koalitionsfrage nicht fest Neue Akzente jedoch vorrangig in Politikbereichen, in denen sich am ehesten inhaltliche Übereinstimmungen mit der SPD ergeben Medienberichterstattung betont diese Tendenz
3.3 Die Opposition zur großen Koalition 1966-1969 15.12.2009 Bundestagswahl 1969 Wegen ihrer Unschlüssigkeit in der Frage der Koalition prophezeien Meinungsforscher der FDP nur 3,5% Scheel äußert kurz vor den Wahlen doch noch Präferenz für die SPD Wahlergebnis von 5,8% für die FDP Sozial-liberale Koalition mit der SPD unter Brandt (obwohl eine Mehrheit mit der Union rechnerisch möglich ist)
4. Schlussbetrachtung/Diskussion 15.12.2009 Fazit Strategische Zwangslage erfordert Bemühungen, den zwischenparteilichen Standort zum Zweck erneuter Regierungsbeteiligung zu verändern -> Resultat: Vom Mehrheitsbeschaffer für die Union zum „Zünglein an der Waage“ Gleichzeitig ist auch inhaltlich eine Annäherung an die SPD erfolgt
4. Schlussbetrachtung/Diskussion 15.12.2009 Im innerparteilichen Konflikt werden die Reformer gestärkt (angetrieben durch den gesellschaftlichen Wandel) -> Führungswechsel Mende-Scheel
4. Schlussbetrachtung/Diskussion 15.12.2009 Diskussionsanregungen: Warum bekennt sich die FDP im Wahlkampf 1969 nicht ganz offen zur sozial-liberalen Koalition? Ist die Strategie der koalitionspolitischen Offenheit für die FDP sinnvoll? Sind regelmäßige Koalitionswechsel in längeren Intervallen generell notwendig, um die Existenz der FDP im Mehrparteiensystem zu sichern?