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Ausgewählte Themen systemischer Theorie und Praxis

Ausgewählte Themen systemischer Theorie und Praxis. Festvortrag zum 10-jährigen Bestehen des Sächsischen Instituts für systemische Beratung und Therapie / Familientherapie Hohenstein-Ernstthal am 7. Juli 2007. Dr. Kurt Ludewig Münster / Hamburg. Happy Birthday … und viele Jahre mehr!!.

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Ausgewählte Themen systemischer Theorie und Praxis

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Presentation Transcript


  1. Ausgewählte Themen systemischer Theorie und Praxis Festvortrag zum 10-jährigen Bestehen des Sächsischen Instituts für systemische Beratung und Therapie / Familientherapie Hohenstein-Ernstthal am 7. Juli 2007 Dr. Kurt Ludewig Münster / Hamburg

  2. Happy Birthday… und viele Jahre mehr!! Dr. K. Ludewig

  3. Meine Themen der letzten Zeit: • Was ist systemisch an der systemischen Therapie? • Interaktionssysteme und psychische Systeme: Systemische Definitionen. • Die Unwahrscheinlichkeit von Kommunikation und die Alltäglichkeit von Problemen. • Die Bedeutung der therapeutischen Beziehung in der Therapie bzw. Thesen zu einem systemischen Veränderungskonzept. Dr. K. Ludewig

  4. Systemische TherapieLiteraturhinweise des Referenten Klett-Cotta 1992, 19974 Hogrefe 2000 Klett-Cotta 2002 Carl-Auer 2005 Dr. K. Ludewig

  5. Systemische TherapieErgänzende Literaturhinweise Wissenschaft • Haken, H., G. Schiepek (2006): Synergetik in der Psychologie. Selbst-organisation verstehen und gestalten. Göttingen (Hogrefe). • Maturana, H.R., K. Ludewig (2006), Gespräche mit Humberto Maturana. www.systemagazin.de • Sydow, K. von, S. Beher, R. Retzlaff, J. Schweitzer (2007): Die Wirksamkeit der Systemischen Therapie/Familientherapie. Göttingen (Hogrefe). • Wirsching, M., P. Scheib (Hrsg.)(2002), Paar- und Familientherapie. Berlin (Springer). Praxis • Klein, R., A. Kannicht (2007), Einführung in die Praxis der systemischen Therapie und Beratung. Heidelberg (Carl-Auer-Systeme). • Rotthaus, W.(Hrsg.)(2001): Systemische Kinder- und Jugendlichen-psychotherapie. Heidelberg (Carl-Auer-Systeme). Dr. K. Ludewig

  6. I Was ist systemisch an der systemischen Therapie? Dr. K. Ludewig

  7. Was ist Systemische Therapie? Pragmatische Umsetzungsystemischen Denkensin die (psycho)therapeutische Praxis mit dem Ziel, zur Linderung bzw. Beendigung menschlichen Leidens beizutragen. Dr. K. Ludewig

  8. Systemisches Denken Interdisziplinäre Denkbewegung mit dem Ziel, Komplexität (Verbundenheit) im Sinne von „komplexitätserhaltender Komplexitätsreduktion“ zu handhaben. Dr. K. Ludewig

  9. Systemisches Denken - das systemische Prinzip - Thesen: • Menschen sind konstitutiv veranlagt, ihre biologische Individualität durch Konsensualisierung zu überschreiten. • Dafür benötigen sie existentiell andere, denen Gleich-artigkeit zugeschrieben wird. • Erkennen heißt Unterscheiden.ICHkann als ICH erst im Unterschied bzw. Vergleich zu einem anderen Ich, also einemDU, entstehen. Ich und Du =>WIR. • Erst im WIR <Soziales System>entsteht das Menschsein. • DasWIRhebt in sich die biologisch-individuelleunddie sozial-kommunikative Identität des Menschen auf => das systemische Prinzip Dr. K. Ludewig

  10. Systemisches Denken- ethische Folgerungen - Grundmatrix menschlicher Existenz ICHDU / DUICH WIRICH/DU Ethische Folgerungen: Akzeptanz: Achte die Vielfalt individueller Welten! Respekt : Achte den anderen als ebenbürtig! Dr. K. Ludewig

  11. II Interaktionssysteme und psychische Systeme: Systemische Definitionen Dr. K. Ludewig

  12. Systeme <nach N. Luhmann 1984 > Dr. K. Ludewig

  13. Grundlagen systemischer Therapie:Das soziale System<n. Niklas Luhmann> Systemesind beschreibbar durch Angabe ihrer Elemente, Relationen und Grenze • Für soziale Systeme gilt: • Elemente = Kommunikationen • Relationen = Anschlußbildungen • Grenze = Sinngrenze Dr. K. Ludewig

  14. Soziale Systeme Interaktionssystem nach K. Ludewig (1992) wobei: Elemente = Mitglieder <soziale Operatoren bzw. Funktionseinheiten> Relationen = Anschlüsse < der Kommunikationen > Grenze = Sinngrenze <Sinnkontinuität in der Zeitdimension> Dr. K. Ludewig

  15. Das Mitglied-Konzept: Vorteile für die klinische Theorie Das Mitglied-Konzept erlaubt zusätzlich zum abstrakten Kommunikationsbegriff: • eine systemisch korrekte Zuordnung der Kommunikationen auf die an einer Interaktion beteiligten Personen • Unterscheidung von Person (Mensch), Rolle (Programm zur Ausführung von Mitgliedschaften) und Mitglied (aktuell interagierender sozialer Operator) • Konzeptualisierung des Therapieziels als „Auflösung der Mitgliedschaft im Problemsystem“ • Orientiert die Praxis durch eine allgemeine, im voraus bestimmbare Definition der „Therapeutenrolle“ (z.B. 10+1 Leitsätze bzw. Leitfragen) wobei: Mensch≠ Therapeut als Rolle ≠ Therapeut als Mitglied Dr. K. Ludewig

  16. Psychische Systeme I Nachdenkenswerte Gedanken zum «Selbst» Die Kognitionswissenschaftler Francisco Varela und Evan Thompson berichteten 1991: „Wir traten also mitten ins Auge des Wirbelsturms der Erfahrung ein, konnten dort aber kein Selbst, kein «Ich» entdecken“ (S.117) „Die Kognitionswissenschaft belehrt uns, dass wir kein wirkendes oder freies SELBST besitzen“ (S. 183) „… die Kognition (kann) als emergentes Phänomen selbst-organisierter, verteilter Netzwerke untersucht werden“ (S. 175) Aus: Varela, F.J., E. Thompson (1991), The Embodied Mind. Cambridge, Mass. (M.I.T. Press). Dtsch. (1992), Der mittlere Weg der Erkenntnis. Bern (Scherz). Dr. K. Ludewig

  17. Psychische Systeme IITemporalisierte Kohärenzen und Polyphrenie • Psychische Systeme stellen keine beständigen, beobachtbaren Strukturen dar, sondern in Kommunikation rekonstruierte Prozesse. • Reproduzierte kognitiv-emotionalen Kohärenzen werden als Identitäts-aspekte erlebt. Sie resultieren aus einer selektiven Rekonstruktion von Mitgliedschaften im biografischen Ablauf. • Die einzelnen Kohärenzen verweisen immer auf eine Relation zu einem speziellen oder generalisierten Anderen, der daran beteiligt ist oder nicht. Sie stellen also relationale Kohärenzen (= psychische Systeme) dar. • Psychische Systeme stellen also variable, temporalisierte Prozesse dar, die immer neu als Reaktion auf innere oder äußere Ansprüche produziert und reproduziert werden. Sie stellen das psychische Gegenstück zu den sozialen Mitgliedschaften eines Menschen dar. • Jeder Mensch verkörpert vielfältige psychische Systeme, ist also im Normalzustand polyphren. Polyphrenie ist Normalität. Dr. K. Ludewig

  18. Psychische Systeme IIISystemtheoretische Definitionen Systeme sind durch ihre Elemente, Relationen und Grenze definiert. Psychische Systeme stellen temporalisierte Prozesse dar, die körperliche Aktivitäten/Veränderungen (Kognitionen, Emotionen, Handlungen) zu Bewusstsein verarbeiten. Sie entstehen im Zusammenhang mit tatsächlicher sozialer Interaktion oder als Reaktion auf innere Aktivitäten. Für psychische Systeme gilt: Elemente := kognitiv-affektive Einheiten des Bewusstseins Relationen := Anschlussbildung Grenze := Sinngrenze Dr. K. Ludewig

  19. Psychische Systeme IV Entwicklung relationaler Kohärenzen ⇆ KINDMUTTER⇆MUTTERKIND KINDMUTTER RELATIONALEMITGLIED MITGLIED IDENTITÄT INTERAKTIONSSYSTEM ⇆MUTTERKIND ⇆KINDMUTTER MUTTERKIND Dr. K. Ludewig

  20. Entwicklungsmodelle Einzigartiges erwachsenes SELBST Vielfältige Selbste eines Individuums Dr. K. Ludewig

  21. Zusammenfassung: Jedes ICH – jede psychische Kohärenz bzw. jedes psychische System – entsteht erst aus einer Relation zu einem anderen ICH, also einem DU im gemeinsamen WIR. Der Mensch beginnt mindestens zu zweit ! ∆ ICH/DU⇆WIR⇆ICHDU⇆DUICH Dr. K. Ludewig

  22. III Die Unwahrscheinlichkeit von Kommunikation und die Alltäglichkeit von Problemen Dr. K. Ludewig

  23. Grundlagen systemischer Therapie:Kommunikation I <nach Niklas Luhmann> Kommunikation - ein dreistelliger Selektionsprozeß, bei dem erst der Adressat die Kommunikation als solche qualifiziert: 1) Wahl einer Information:was? 2) Wahl eines Mitteilungsverhaltens:wie? 3) Verstehen: Beobachten, d.h. Erzeugung der Differenz von Information/Mitteilung und Auffassung der Beobachtung als Mitteilung Dr. K. Ludewig

  24. Kommunikation: Problem doppelter Kontingenz I Soziale Begegnung ? ? Denn: Beide sind sich undurchschaubar und unberechenbar Dr. K. Ludewig

  25. Kommunikation: Problem doppelter Kontingenz II Doppelte Kontingenz: Denn: für beide gilt: Ich kann dies oder das so oder so mitteilen … sie/er kann dies oder das verstehen UND Dr. K. Ludewig

  26. Kommunikation: Problem doppelter Kontingenz III Lösung: Sie beobachtet Ich winke Also: Ich handle ---sie „versteht“ D.h.: Ich gehe ein Risiko ein, vertraue aber darauf, dass es ihr auch so geht… … sie differenziert zwischen Information und Mitteilung… und reagiert… Dr. K. Ludewig

  27. Grundlagen systemischer Therapie:Kommunikation II <nach Niklas Luhmann> • Die Folgen: • Kommunikation ist als Ereignisabfolge ein selbstreferen-zielles, temporalisiertes Geschehen (= nicht räumlich), das prinzipiell instabil und offen für Zufälle, Unerwartetes, Mißver-ständnisse, also einriskanter Ablauf ist. • Über die Zeit bilden sich Redundanzen und so auchErwartungsstrukturen,die das Risiko verringern, jedoch nicht ausschließen • Erst derAdressatqualifiziert eine Handlung alsKommuni-kation,wenn er der beobachteten Handlung den Sinn einer Mitteilung und nicht den einer bloßen Information über ein Verhalten gibt. Dr. K. Ludewig

  28. Konzepte systemischer Therapie: „Störungskonzept“:Lebensproblem / Problemsystem • Lebensprobleme folgen auf eineemotionale Dynamik, die bei einem Individuum im Zusammenhang mit überfordernden Stress entsteht und in Folge von Vermeidung stabilisiert wird. • Problemsysteme sind soziale Systeme, die einen Sachverhalt durch Wertung als Problem (=veränderungsbedürftig!)thematisieren. Sie werden „klinisch“ relevant,wenn die auslösende Wertung ein Verhalten oder die Seinsweise eines Menschen betrifft, sofern: • dies alsentwertend(=> veränderungsbedürftig)verstanden wird, und • Leidenauslöst. Dr. K. Ludewig

  29. Konzepte systemischer Therapie: Das Problemsystem - eine Alternative zur Psychopathologie Thesen: Klinische Problemsystemefolgen auf einekommunikativeVermeidungsdynamik, die jede Veränderung verhindert undeineWiederholungsstruktur(Ritual) etabliert  ein natürliches Vergehen oder eine dialogische Fortentwicklung sind verhindert. Emergenz:beliebig, u.U. „Begabung“; jeder kann jederzeit mit jedem ein Problem erzeugen.  Stabilität:Die Ritualisierung findet in dauerhaften emotional relevanten Beziehungen statt. Sie stellt eineVermeidungs-dynamik dar, die vor einer eventuellen Zunahme des Leidens und einer Bedrohung der Beziehung schützt (mehr-vom-selben). Dr. K. Ludewig

  30. IV Die Bedeutung der therapeutischen Beziehung in der Therapie bzw. Thesen zu einem systemischen Veränderungskonzept Dr. K. Ludewig

  31. Konzepte systemischer Therapie: Thesen zur Problementstehung und -veränderung These: Menschliche Probleme folgen der „Logik“ einer konservativenemotionalen Dynamik: • Angesichts vonUngewissheitgilt es, lieber auszu-halten als eine Veränderung zu riskieren, die alles noch verschlimmern könnte (…Taube auf´m Dach!). • Alsriskanterlebte, notwendige Veränderungen erfordern daher ein Wagnis. Also: Psychotherapie soll Bedingungen schaffen, die einWagnisbegünstigen und so auch einenWechsel der Präferenzen( mehr-vom-anderen). Dr. K. Ludewig

  32. Konzepte systemischer Therapie: Veränderungskonzept • Systemische Therapie versteht sich als Beitrag zur Herstellung eines günstigen Rahmens für dieSelbstveränderungder Hilfesuchenden . • Dafür strebt sie die Herstellung einer stabilen, tragfähigen therapeutischen Beziehung an, die Vertrauenfördert und so auch • einen Wechsel der Präferenzen erleichtert. • Sie versteht sichnicht als kausales Verändern Dr. K. Ludewig

  33. Veränderungskonzept – ein Beispiel • Ein Beispiel an Hand der topologischen Analogie von Bergen und Tälern: Talsohle = Zustand maximaler Stabilität Bergspitze = Maximale Instabilität • Therapieversteht sich hier als Ultrastabili-sierung des Übergangs zu einem anderen Zustand durch die tragfähige Stabilität derTherapeutischen Beziehung. Dr. K. Ludewig

  34. Therapeutischer Prozess - eine topologische Analogie Dr. K. Ludewig

  35. Konzepte systemischer Therapie: Aufgaben des Therapeuten 1. Anliegen/Auftrag Klärung/Erarbeitung des/derAnliegen/s und Aushandlung/ Vereinbarung eines operablenAuftrags 2. Intervenieren a. Würdigung Das Anerkennen/Bestätigen des/der Klienten fördert Vertrauen und so die Bereitschaft zum Wagnis. b. Intervention Auftragsbezogene Anregung, Alternativen zu wagen(=>Wechsel der Präferenzen) Dr. K. Ludewig

  36. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und liebe Kolleginnen im SIS: Viele Jahre des weiteren erfolgreichen Wirkens! Dr. K. Ludewig

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