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Medienunterstützung in der klinisch-psychologischen Intervention. Selbsthilfe im Internet. Seminarleitung: Christiane Eichenberg Referentin: Nadine Pietruschka Datum: 18.06.2005. Gliederung. 1. Nutzungsmöglichkeiten des Internets 2. Arten von Informationen 3. Selbsthilfegruppen
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Medienunterstützung in der klinisch-psychologischen Intervention Selbsthilfe im Internet Seminarleitung: Christiane Eichenberg Referentin: Nadine Pietruschka Datum: 18.06.2005
Gliederung 1. Nutzungsmöglichkeiten des Internets 2. Arten von Informationen 3. Selbsthilfegruppen 4. Selbsthilfe-Kommunikationsszenarien 5. Beispiel 6. Studien zur Online-Selbsthilfe 7. Ausblick 8. Übung mit anschließender Diskussion
1. Nutzungsmöglichkeiten des Internets Internet Medium der Kommunikation Medium der Information Gruppen- kommunikation Individual- kommunikation Ressourcen zu Psychischen Erkrankungen Selbsthilfe Intervention
2. Arten von Informationen • Online-Informationen zerfallen in 3 Gruppen: • Infos für Psychotherapeuten http://www.psychotherapie.org/ • Infos für Patienten / Angehörige www.psychotherapiesuche.de www.lichtblick-newsletter.de/ • Selbsthilfematerialien http://psychcentral.com/
2. Arten von Informationen- Patienteninfos • Welche Therapieeinrichtungen und Behandlungsmethoden gibt es • Wie sieht es mit der Kostenübernahme aus • Woran erkennt man „den richtigen“ Psychotherapeuten • Adressenlisten therapeutischer Praxen • Online-Angebote einzelner Psychotherapeuten, die sich selbst, ihre Ausbildung, ihr Behandlungskonzept, ihre Räumlichkeiten usw. vorstellen
2. Arten von Informationen- Selbsthilfematerialien • Autobiographische Erzählungen • Expertenratschläge • Interventionsprogramme • Verweise auf weitere Online-Quellen • Selbst-Tests • Literatur-Tipps • Hinweise auf Beratungs- und Therapieangebote außerhalb des Netzes
2. Arten von Informationen- Selbsthilfematerialien • Chancen: • Einsicht + Zuversicht vermitteln • Zum Umdenken + Umlernen animieren • Geben Verhaltenstipps • Trainingsanleitungen • Möglichkeit zum Selbsttest • Schnelllebigkeit der heutigen Zeit: Suche nach Bestätigung, Orientierung u. Anleitung Bücher, Audio- und Videokassetten, Computerprogramme Gefahr der Überpsychologisierung
Arten von Informationen-Selbstdiagnostika • Zurzeit finden sich Online-Diagnostika im Internet v.a. in drei Kontexten: 1. Kommerzielle Testanbieter publizieren Testausschnitte zu Werbezwecken 2. auf Seiten klinischer Einrichtungen (selten) 3. Diverse einzelne Skalen Ursprung und Seriosität teilweise nicht feststellbar Im günstigsten Fall Personen über ihren Zustand aufklären, sie auf Online-Selbsthilfe-Materialien aufmerksam machen + an Beratungsstellen außerhalb des Netzes weiterleiten Häufig jedoch Gefahren!
3. Selbsthilfegruppen • Menschen, die am selben Problem leiden und gemeinsam Bewältigungsstrategien suchen • Wesentlicher Bestandteil des psychosozialen Versorgungssystems, können andere therapeutische Interventionen ersetzen oder begleiten • Enthalten auch nach außen gerichtete Aktivitäten: • telefonische oder persönliche Beratung für Nicht-Mitglieder, Veröffentlichungen von Infomaterialien, Entwurf von Zeitungsanzeigen und Plakaten, Teilnahme an Kongressen • In erster Linie Unterstützung bei Behinderung, Suchtabhängigkeit, chronischen Erkrankungen und psychosozialen Problemen
Selbsthilfegruppen-im Internet • Funktionen der face-to-face (f2f) Gruppen auch im Netz erfüllt: sich aussprechen, einander zuhören, Tipps geben, Trost spenden • Teilnehmer kann anonym bleiben und die Hilfe zu jeder Zeit von jedem Ort nutzen • Nicht alleine dazustehen, kann dazu ermutigen, sich mit den eigenen Problemen auseinander zu setzen und weitere Hilfsmöglichkeiten vor Ort anzunehmen • Erweitern das Informationsspektrum und erleichtern die Selbstoffenbarung, was schließlich auch das Coming-Out außerhalb des Netzes begünstigt
Selbsthilfegruppen-im Internet • 3 Kategorien von Selbsthilfebereichen im Internet: 1. Bereich, der sich unter einem allgemeinen Oberthema vielen, detaillierten Themen zu wendet 2. Konkrete spezifizierte Probleme und Krankheitsbilder = Selbsthilfe im klassischen, engerem Sinne 3. Marginalisierte Gruppen, die im Alltag von bürgerlicher Normalität nicht auftauchen oder in den Medien nur skandalisiert werden
3. Selbsthilfegruppen- Teilnehmer im Internet • Können ihr Problem benennen • Häufig liegt schon eine Diagnose vor + die Online-Selbsthilfegruppe wurde vom Therapeuten parallel zur Behandlung empfohlen Ergänzung • Auch Angehörige und Ärzte schauen in Online-Foren vorbei, um sich zu informieren und Rat einzuholen • Gelegentlich auch Auftreten von Journalisten zur Recherche
3. Selbsthilfegruppen- Vergleich F2F mit Internet • F2F: Gemeinschaft, die alle Mitglieder verbindet vs. Reihe schwacher Bindungen • trauriges Schweigen oder verletzter Rückzug wird bemerkt und aufgefangen vs. beträchtlicher Personenkreis, der sich gekränkt, missverstanden oder übergangen fühlt und unbemerkt wieder verschwindet • ABER: Teilnehmerzahl nicht begrenzt + große Heterogenität größere Menge an verfügbaren Informationen • Schriftliche Darstellung für die Schilderung emotional sehr belastender Erlebnisse von Vorteil Ereignis aus eigener Perspektive kohärent schildern und deuten kann den Betroffenen das Gefühl der Kontrolle vermitteln • Orts- und Zeitunabhängigkeit • Keine Teilnehmerbeschränkung
Kommunikationsszenarien-Selbsthilfe-Newsgroups • Eine Art Online-Zeitung in der jeder Beiträge veröffentlichen kann • Lurking vs. De-lurking • Hoher Zeitaufwand: effizienter Informationsservice für den eiligen Benutzer geht nicht das eigene Engagement ist gefordert • Kombination von Gruppenkommunikation und kollaborativer Massenkommunikation Gefahren!
Kommunikationsszenarien-Selbsthilfe-Mailinglisten • Neben Newsgroups die am häufigsten genutzten Formen der Selbsthilfe im Internet • Mailinglisten gewähren im Gegensatz zu Newsgroups ein gewisses Maß an Schutz: Es sind geschlossene Listen, die man abonnieren muss • Kleiner als Newsgroups Vorteile größerer Vertrautheit und Privatheit • ABER: Problem der kritischen Masse • Diskontinuierlicher Verlauf ist für kleine Mailinglisten typisch • Listen von Selbsthilfe-Mailinglisten: http://www.selbsthilfe.org/mailinglisten.html
Kommunikationsszenarien-Selbsthilfe-Chats • z. B. via ICQ oder via Web-Chat • Hier keine zeitversetzte Kommunikation, sondern das unmittelbare Gefühl der Verbundenheit in der aktuellen Situation • Gerade in Krisensituationen ist der direkte Kontakt zu anderen entscheidend • Mit mehreren Personen gleichzeitig sprechen + parallel private Zwiegespräche führen • Im Unterschied zu f2f: häufigeres „Kommen und Gehen“
Kommunikationsszenarien-Selbsthilfe MUDs • Multi User Dimensions • Ursprünglich virtuelle Rollenspiele • Dauerhafte virtuelle Umgebung + Rollen, die jeder Mitspieler individuell schaffen und ausfüllen kann • Teilnehmer können aktiv in das Spielgeschehen eingreifen • Bandbreite möglicher Selbstdarstellungen • Bühnen der Exploration und Selbstheilung • Bisher kaum für therapeutische Zwecke genutzt
6. Studien zur Online-Selbsthilfe Pew Research Center (2000): Repräsentative Telefonumfrage mit 12751 Amerikanern 55% d. Personen mit Internetzugang haben das Netz genutzt, um an medizinisch Infos zu gelangen
6. Studien zur Online-Selbsthilfe Studie zu internetbasierten Selbsthilfegruppen: Mandara & White (1997) • N=52, Teilnehmer von Online-Selbsthilfegruppen • Teilnehmer größtenteils gleichzeitig in traditionellen Einzel- und Gruppentherapien • Frage nach dem therapeutischen Wert der virtuellen Gruppe • 5-stufige Linkert-Skala (5=sehr hoch) • Ergebnis: Mittelwert von 4.3 Online-Selbsthilfegruppen als zusätzliche Hilfe um sich von Beschwerden zu befreien
6. Studien zur Online-Selbsthilfe • Dunham (1997): Studie mit jungen allein erziehenden Müttern über die Hälfte der ausgetauschten E-Mails waren unterstützender Natur • Salem, Boger & Raid, 1997: • 2-wöchige Analyse von „notes“ eines Internet-Selbsthilfe- Forums für Depressive • Äußerungen, die Unterstützung, Akzeptanz und pos. Gefühle vermitteln 7x so häufig wie negative Äußerungen • 50% der „notes“ hatten Absicht einem anderen Mitglied zu helfen • Höhere Selbstenthüllungsrate als in f2f-Gruppen, aber „less formal structure and group process“ • Keine Geschlechtsunterschiede in der Häufigkeit und Art der „notes“
6. Studien zur Online-Selbsthilfe • ABER auch Probleme: • Lavitt (1994) analysierte ein Internet-Forum für Überlebende von sexuellem Missbrauch • Betroffene schrieben eher kurze postings, keine ganzen Geschichten • Frauen sahen Probleme in dieser Form der Offenheit keine Sicherheit vor lurking • Allgemein Probleme damit, dass Leute häufig nicht daran denken, dass in Internet-Foren auch Beobachter sind, die ggf. Gelesenes veröffentlichen
7. Ausblick • Informationsangebot des Internets ist positiv • 2000 haben 55% der Amerikaner mit Internetzugang das Netz bereits genutzt, um an medizinische Infos zu gelangen • ABER: Problem der Qualitätssicherung + fragwürdiger Einfluss von Online-Diagnostika • Fachleute sind gefragt • Wichtig ist auch ein genaues Verständnis der sozialen Implikationen computervermittelter Kommunikation hier noch erhebliche Defizite • Netzanbindung könnte die soz. Integration von Bettlägerigen, Suchtkranken oder Taubstummen entscheidend verbessern; v.a. im Krankenhaus: Kontakt „nach draußen“ aufrechterhalten
8. Übungsbeispiele + Diskussion • www.kompetenznetz-schizophrenie.de • www.essprobleme.de • www.hungrig-online.de • www.stotterer-selbsthilfegruppen.de • www.selbstmordforum.de
Literatur • Döring, N. (2000). Selbsthilfe, Beratung und Therapie im Internet. In B. Batinic (Hrsg.), Internet für Psychologen (2., überarbeitete und erweiterte Auflage) (S. 509-548). Göttingen: Hogrefe • Eichenberg, C. (2004). Das Internet als therapeutisches Medium: Die Besonderheiten des Online-Settings in Selbsthilfe und Intervention. Deutsches Ärzteblatt, 19, 14-16 [Supplement: Praxis Computer]. [On-line]. Available: http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/pdf.asp?id=41731 • Eichenberg, C. (2003). Internetbasierte Hilfe für Betroffene psychischer Störungen. In R. Ott & C. Eichenberg (Hrsg.), Klinische Psychologie und Internet. Potenziale für klinische Praxis, Intervention, Psychotherapie und Forschung (S. 173-189). Göttingen: Hogrefe • Janssen, L. (Hrsg.) (1998). Auf der virtuellen Couch- Selbsthilfe, Beratung und Therapie im Internet. Bonn: Psychiatrie Verlag. • King, S.A. & Moreggi, G. (1998). Internet therapy an self help groups-the pros and cons. [On-line]. Available: http://webpages.charter.net/stormking/Chapter5/index.html • Artikelsammlung: http://construct.haifa.ac.il/~azy/refsupp.htm