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Stadt Nürnberg Referat für Jugend, Familie und Soziales. Reiner Prölß Referent für Jugend, Familie und Soziales Die Geringsten im Blick: Soziale Herausforderungen und kirchliches Handeln in Nürnberg 22. April 2008. Strukturelle Herausforderungen.
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Stadt NürnbergReferat für Jugend, Familie und Soziales Reiner Prölß Referent für Jugend, Familie und Soziales Die Geringsten im Blick: Soziale Herausforderungen und kirchliches Handeln in Nürnberg 22. April 2008
Strukturelle Herausforderungen • Globalisierung der Absatz- und Arbeitsmärkte • Wandel von der Industrie- zur Informations- und Wissensgesellschaft • Demographischer Wandel
Bevölkerungs-entwicklung in Nürnberg 1975 - 2004 Quelle: Statistisches Amt
Bevölkerungs-prognose für Nürnberg 2004 - 2020 Quelle: Statistisches Amt
Rahmenbedingung: eingeschränkte finanzielle Spielräumeder öffentlichen Hand und der Sozialkassen Grundsicherung statt Lebensstandardsicherung Aktivierender Sozialstaat(Fördern und Fordern) Eigenverantwortung Paradigmenwechsel in der Sozialpolitik
Alte und neue Welt • Datengrundlage des kommunalen Armutsberichts zeigt die alte Welt des BSHG (Hilfe zum Lebensunterhalt) • Neue Welt: Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe (SGB II und XII)
Definitionen materieller Armut • Einkommensarmut: • primär (physisches Existenzminimum) • soziokulturell (mangelnde Möglichkeiten der Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben) • relative Einkommensarmut in Bezug auf das durchschnittliche Äquivalenzeinkommen: • < 40 % = strenge Armut • < 50 % = Armut • < 60 % = Armutsnähe
Einkommens-schwellen Haushaltstyp 1 PersonFaktor 1,0 2 Erw.Faktor 1,5 2 Erw., 1 KindFaktor 1,8 1 Erw., 1 KindFaktor 1,3 Äquivalenz-einkommen 1424 € 2137 € 2564 € 1852 € strenge Armut (40 %) 570 € 855 € 1026 € 741 € Armut (50 %) 712 € 1068 € 1282 € 926 € Niedrigeinkommen (60 %) 855 € 1282 € 1538 € 1111 € Reichtum (200 %) 2849 € 4273 € 5128 € 3703 € Einkommensschwellen für Nürnberg nach Haushaltstypen Basis: Äquivalenzeinkommen nach OECD neue Skala, arithmetischer MittelwertDatenquelle: Wohnungs- und Haushaltserhebung Leben in Nürnberg 2005 Amt für Stadtforschung und Statistik für Nürnberg und Fürth
Armut und Reichtum in Nürnberg Verteilung der Nürnberger Haushalte auf die Einkommensschwellen des Äquivalenzeinkommens, in Prozent Datenquelle: Wohnungs- und Haushaltserhebung Leben in Nürnberg 2005 Amt für Stadtforschung und Statistik für Nürnberg und Fürth
Wer ist betroffen? ** Daten von Juni 2007 *** zum Teil überlappend * im Jahresschnitt 2007
Aber: es geht nicht nur um materielle Armut!
individuelle Potenziale institutionelle Freiheiten soziale Chancen (Gesundheit, Wohnen, Bildung) ökonomische Chan-cen (Arbeitsmarkt) sozialer Schutz u. Sicherheit ökologische Chancen politische Chancen Verwirklichungschancen („Capabilities“ nach Amartya Sen) Transparenz und Zugänglichkeit Einkommen Güterausstattung Persönliche Umwandlungsfaktoren: Gesundheit/Krankheit Behinderung Bildung etc. Resilienz
Gesetzliche LeistungenSGB II, III, XII Ansprüche, RegelleistungenKinderzuschlag, Wohngeld Armut und Unterversorgung Notfonds Dimensionen berufliche Integration, Arbeit Aufwachsen Kinderchancen Bildung Wohnen und Energie Gesundheit, Ernährung, Bewegung Geld / Schulden Alter Kinder sind immer betroffen !
hohe Bebauungsdichte mit gemischter Bevölkerungsstruktur, viele Singles, viele Alleinerziehende, leicht erhöhtes Armutspotenzial ältere aufgelockerte Baugebiete, überwiegend deutsche Bevölkerung mit hohem Seniorenanteil, geringes Armutspotenzial hohe Bebauungsdichte mit hoher Mobilität, hoher Kinderanteil, hohe Arbeitslosigkeit und Sozialhilfedichte, hohes Armutspotenzial Stadtrandgebiete mit aufgelockerter Bebauung, z.T. Neubau, wachsende und überwiegend deutsche und eher jüngere Bevölkerung, kein bis geringes Armutspotenzial stadtnahe Randgebiete mit hohem Neubauanteil und wachsender Bevölkerung, gemischte Wohn- und Bevölkerungsstrukturen, keine sozialen Auffälligkeiten Stadtrandgebiete mit großzügigen Wohnstrukturen, überwiegend deutsche und ältere Bevölkerungsstrukturen, kein Armutspotenzial Sozialräumliche Typisierung der Statistischen Bezirke in Nürnberg
NEIN ! • Prinzipien • Paradigmenwechsel: Lebensstandardsicherung – Grundsicherung • Zusammenlegung der Systeme Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe • Pauschalierung der Leistungen Konsequenzen • materielle Besserstellung nahezu aller früheren Sozialhilfeempfänger (zum 31.12.2004: 28.277) • Integrationsmaßnahmen für alle • materielle Besserstellung von rund 40 % der Arbeitslosenhilfeempfänger (lt. Hans-Böckler-Stiftung) Armut durch Hartz IV ?
Ausgabenentwicklung Grundsicherung für Erwerbsfähige enthalten sind: Kosten der Unterkunft nicht enthalten: Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit
Ist der Regelsatz ausreichend ? KOMMT DARAUF AN ! verschiedene Betrachtungsweisen: • primäres und soziokulturelles Existenzminimum • öffentliche Leistungsfähigkeit • Arbeitseinkommen • Arbeit und Beschäftigung: • 1. Mindestlohn • 2. Arbeitsmarktintegration, öff. geförderter Arbeitsmarkt • Regelsätze und weitere angrenzende Instrumente: Wohngeld, Kinderzuschlag • Struktur der Bedarfsgemeinschaft • Regelsatz für Kinder
Aktuelle Diskussion • Höhe des Regelsatzes • einmalige Beihilfen • Sachleistungen / Gutscheine • Mindestlohn • vorgelagerte Leistungen (Kinderzuschlag, Wohngeld)
Zugänge verhindern Wohngeld Kinderzuschlag Mindestlohn Arbeit: öfftl. organisierter und finanzierter Arbeits-markt; passive, aktive und kommunale Leistungen (z.B. § 16a SGB II) SGB XII Regelsatz SGB II Regelsatz
Pauschalierte Regelleistungen bei ALG II und Sozialgeld Regelsätze und weitere Leistungen • angemessene Kosten der Unterkunft (Miete und Heizung) • Sozialversicherungsbeiträge (Renten-, Kranken- und Pflegevers.) • Mehrbedarfe (werdende Mütter 17 %, Alleinerziehende 36 % bzw. nach Zahl/Alter der Kinder, Schwerbehinderte 35 %, bei kostenaufwändiger Ernährung nach Attest) • einmalige Leistungen (Erstausstattung der Wohnung, bei Schwangerschaft und Geburt, mehrtägige Klassenfahrten) • Befristete Zuschläge beim Übergang ALG I ALG II • Möglichkeit der Darlehensgewährung
Forderungen • Dynamisierung der Regelsätze (Lebenshaltungsindex) • Differenzierung der Altersklassen zwischen 0 - 5 und 6 - 13 Jahren • deutliche Erhöhung der Regelsätze für die Altersgruppe 6 – 13 (Schulkinder) • Möglichkeit zur Darlehensgewährung bei Schuljahresbeginn
Integrationen im Jahr 2007 alle eHb: Beschäftigung oder Ausbildung 8.723 davon Ausbildung 845 davon eHb U25: insgesamt 1.738 in Ausbildung 578
Erwerbsfähige Hilfebedürftige 39.272 (eHb) davon erwerbstätig (et. eHb) 8.661 (22,1 % der eHb) selbständig 565 abhängig beschäftigt 8.124 soz.vers.pfl. 4.021 (49,5 % der et. eHb) Vollzeit 2.819 Teilzeit 1.202 geringfügig 4.103 Erwerbstätige Hilfebedürftige (Ergänzer) Aktuelle Statistikzahlen liegen nur bis Mai 2007 vor; für den Dezember 2007 werden 37.000 eHb und 9.400 erwerbstätige Hb vermutet, d.h. gut 25 % der eHb Quelle: ARGE Nürnberg
Erwerbstätige Hilfebedürftige (Ergänzer) Die ARGE Nürnberg betreute im Dezember 2007 36.645 erwerbsfähige Hilfebedürftige (eHb). Davon waren rund 9.400 (mehr als 26 Prozent) erwerbstätig, d.h. sie erhielten ergänzend Leistungen, da ihr Arbeitseinkommen nicht zum Lebensunterhalt ausreichte. Eine Kundenstrukturanalyse der ARGE (Datenstand Mai 2007) ergab, dass etwa 46 % der erwerbstätigen Hilfebedürftigen sozialversicherungspflichtig beschäftigt war, davon mehr als 2/3 (rd. 2.800 Personen) in Vollzeit. Quelle: ARGE Nürnberg
Deshalb: Mindestlohn „Unternehmen, deren Existenz lediglich davon abhängt, ihren Beschäftigten weniger als einen zum Leben ausreichenden Lohn zu zahlen, sollen in diesem Land kein Recht mehr haben, weiter ihre Geschäfte zu betreiben. Mit einem zum Leben ausreichenden Lohn meine ich mehr als das bloße Existenzminimum – ich meine Löhne, die ein anständiges Leben ermöglichen.“ US-Präsident Franklin D. Roosevelt
Kinderchancen: Kommunale Strategien I • Sozialräumliche Differenzierung • Frühwarnsystem • „Stärkung der Erziehungsfähigkeit“, „Bildung von Anfang an“: Frühförder- und Elternbildungsprogramme (PAT, Opstapje, HIPPY), Elterntrainings, Familienbildung • quantitativer Ausbau der Kindertageseinrichtungen (Krippen, Kindergärten, Horte) • qualitative Weiterentwicklung: Personalschlüssel, Qualifikation, Fortbildung, Programme, Einrichtungstypen • integrierte Ganztagsbildung in Grundschule • Ganztagsschule • individuelle Förderung, Abbau von Selektionsmechanismen in Schulen (Aufnahme, Übertritte, Wiederholen, Abgänge, Abschlüsse)
Kinderchancen: Kommunale Strategien II Grundsatz: keine Ergänzung mit kommunalen Geldleistungen • Nürnberg-Pass • Erstausstattung für Bekleidung anlässlich Schwangerschaft und Geburt (§ 23) • Mietobergrenzen (KdU) (§ 23) • Einschulung und Schuljahresbeginn: Aktion „Schultüte“ • mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen (§ 23) • Frühstück und Mittagsverpflegung in KiTa und Schule
Auf kommunale Gestaltungsmöglichkeiten setzen ! • Prioritäten setzen und konsequent handeln, wo wir allein zuständig sind (z.B. Jugendhilfe) • aktiver, konstruktiver und hartnäckiger Partner sein, wo wir mit anderen zusammen Verantwortung tragen (z.B. ARGE) • Defizite und Forderungen klar formulieren und der kommunalen Stimme auf anderen Ebenen Gehör verschaffen, wo wir keine eigenen Kompetenzen haben (z.B. Schulpolitik)
Bertolt Brecht Die Nachtlager (1931) Ich höre, daß in New York An der Ecke der 26. Straße und des Broadway Während der Wintermonate jeden Abend ein Mann steht Und den Obdachlosen, die sich ansammeln Durch Bitten an Vorübergehende ein Nachtlager verschafft. Die Welt wird dadurch nicht anders Die Beziehungen zwischen den Menschen bessern sich nicht Das Zeitalter der Ausbeutung wird dadurch nicht verkürzt Aber einige Männer haben ein Nachtlager Der Wind wird von ihnen eine Nacht lang abgehalten Der ihnen zugedachte Schnee fällt auf die Straße. Leg das Buch nicht nieder, der du das liesest, Mensch. Einige Menschen haben ein Nachtlager Der Wind wird von ihnen eine Nacht lang abgehalten Der ihnen zugedachte Schnee fällt auf die Straße Aber die Welt wird dadurch nicht anders Die Beziehungen zwischen den Menschen bessern sich dadurch nicht Das Zeitalter der Ausbeutung wird dadurch nicht verkürzt.
Die sozialpolitische Herausforderung materielle Existenzsicherung und nachhaltige, aktivierende Sozialpolitik sind erforderlich • Akzentuierung muss je nach Armutslage unterschiedlich sein • Staat/Kommune, Wohlfahrtsverbände, Kirchen, andere freie Träger und Private haben unterschiedliche Motivationen und Instrumente, greifen aber z.T. auf gemeinsame Ressourcen zu (Ehrenamtliche, Stiftungen und Spenden etc.) • unterschiedliche Ansätze und Träger sollten einander ergänzen, nicht Konkurrenz machen
Beitrag der Kirchen und ihrer Mitglieder • wichtige Mitstreiter der Sozialpolitik, wenn es darum geht, die Rechte der weniger Privilegierten zu vertreten • Träger einer Vielzahl von Infrastruktur- und Beratungseinrichtungen • ehrenamtlich Engagierte für Mitmenschen in Not • kritische und konstruktive Diskussionspartner und Mahner, die gesellschaftliche Entwicklungen kommentieren und manchmal wertvolles Korrektiv zum Zeitgeist sind
Dafür ... ... und für Ihr Interesse an meinen Ausführungen herzlichen Dank!