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Der neue Jugendmedienschutz-Staatsvertrag in der Praxis. Dr. Sabine Grapentin, LL.M. NÖRR STIEFENHOFER LUTZ Rechtsanwälte Steuerberater Wirtschaftsprüfer www.noerr.de. Überblick. A. Provider als Anbieter von Tele- medien i.S.d. JMStV B. Verpflichtungen nach dem JMStV
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Der neue Jugendmedienschutz-Staatsvertrag in der Praxis Dr. Sabine Grapentin, LL.M. NÖRR STIEFENHOFER LUTZ Rechtsanwälte Steuerberater Wirtschaftsprüfer www.noerr.de
Überblick A. Provider als Anbieter von Tele- medien i.S.d. JMStV B. Verpflichtungen nach dem JMStV I. Einsatz von Filterprogrammen II. Bestellung eines Jugendschutz- beauftragten C. Verantwortlichkeit der Provider D. Rechtsfolgen bei Verstößen E. Internationale Sachverhalte F. Aufsicht G. Fazit
Einleitung „Das Übel kommt nicht von der Technik, sondern von denen, die sie missbrauchen - mutwillig oder auch nur fahrlässig.“ (Jaques-Yves Cousteau)
Provider als Anbieter von Telemedien i.S.d. JMStV • Telemedien (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 JMStV) • Begriff umfasst alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste • Teledienste und Mediendienste in Abgrenzung zum Rundfunk • Weiter Anbieterbegriff des § 3 Abs. 2 Nr. 3 JMStV JMStV erfasst auch Access-Provider
Verpflichtungen nach dem JMStV • Einsatz von Filterprogrammen (§ 11 JMStV) • Unterscheidung zwischen unzulässigen und entwicklungsbeeinträchtigenden Angeboten (§§ 4 und 5 JMStV) • Einschränkungen für entwicklungsbeein-trächtigende Angebote (§ 5 JMStV) • Programmierung oder Vorschaltung eines Jugendschutzprogrammes • Anforderungen an Jugendschutzprogramme • Beispiele für Filterprogramme
Einsatz von Filterprogrammen (§ 11 JMStV) • Ausgangspunkt: § 5 JMStV • Einschränkungen für die Verbreitung oder das Zugänglichmachen von entwicklungsbeein-trächtigenden Angeboten • Vermutung der Eignung zur Entwicklungsbe- einträchtigung, wenn ein Angebot nach dem Jugendschutzgesetz für Kinder oder Jugend- liche der betreffenden Altersgruppe nicht frei- gegeben ist • Anbieter muss sicherstellen, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufen die Angebote üblicherweise nicht wahrnehmen
Einsatz von Filterprogrammen (§ 11 JMStV) • § 5 Abs. 3 JMStV: Erfüllung der Verpflichtung durch • Altersspezifische Zeitbegrenzung Problem: Zeitunabhängigkeit des Mediums Internet • Sperrung oder wesentliche Erschwerung des Zugangs zu entwicklungsbeeinträchtigenden Angeboten
Einsatz von Filterprogrammen (§ 11 JMStV) • § 5 Abs. 5 JMStV: Ist eine entwicklungsbeein- trächtigende Wirkung nur für Kinder zu befürch- ten, genügt es, wenn der Telemedien-Anbieter dieses Angebot getrennt von für Kinder bestim- mten Angeboten vorhält. • § 5 Abs. 6 JMStV: Ausnahmen bei berechtigtem Interesse
Einsatz von Filterprogrammen (§ 11 JMStV) • Spezialregelung für Telemedien in § 11 JMStV: Erfüllung der in § 5 Abs. 3 JMStV vorgegebenen Anforderungen durch • Programmierung der Angebote für ein als ge- eignet anerkanntes Jugendschutzprogramm (nutzerseitige Vorkehrung) oder Vorschaltung eines solchen vor das Angebot (anbieterseitige Vorkehrung, z.B. Page Labelling)
Einsatz von Filterprogrammen (§ 11 JMStV) • Alle Anbieter sind Normadressaten: Wie sollen Access-Provider, Host-Provider und Anbieter von Marktplätzen/Portalen/Suchmaschinen diese Vor- aussetzungen erfüllen? Letztverantwortung, Kinder oder Jugendliche von den entsprechenden Angeboten fernzuhalten, liegt bei Eltern oder Erziehungsberechtigten
Einsatz von Filterprogrammen (§ 11 JMStV) • Voraussetzung: Anerkennung des Filter-programms • Eignungsprüfung durch die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) als Organ der zuständigen Landesmedienanstalt • Anerkennung ist zu erteilen, wenn das Programm • einen nach Altersstufen differenzierten Zugang ermöglicht oder • vergleichbar geeignet ist • Befristung der Anerkennung auf 5 Jahre • Widerruf möglich • als Verwaltungsakt mit Rechtsmitteln angreifbar
Einsatz von Filterprogrammen (§ 11 JMStV) • anbieterseitiges Filterprogramm ICRA • 1999 gegründete Plattform (Platform for Internet Content Selection - PICS) • von den Ländern derzeit wohl bevorzugt • Derzeitige Durchdringung: 1-2 % der Internet-Seiten sind mit PICS-Label versehen • basiert auf Selbstregulierung der Anbieter: Anbieter versieht seine Seiten mit einem den Inhalt kennzeichnenden Label; Nutzer muß dann deklarieren, was gefiltert werden soll; ICRA sperrt nicht selbsttätig.
Einsatz von Filterprogrammen (§ 11 JMStV) • Problem: Öffentliche Internet-Zugänge (Internet-Cafés, Bibliotheken) - wie soll hier gefiltert werden? - Altersverifikationssysteme? • Und: ICRA selbst wird sich nicht zertifizieren lassen und auch keine länderspezifischen Schablonen anfertigen - Grund: Grundidee von ICRA ist weltweite Nutzbarkeit, unabhängig von nutzerseitigen Wertvorstellungen • Beantragung der Zertifizierung durch die FSM? • FSM arbeitet derzeit an ICRA-Schablonen für die Alterseinstufung: diese sollen per Link vom Anbieter bei der FSM abrufbar sein Anerkennung als Filterprogramm?
Einsatz von Filterprogrammen (§ 11 JMStV) • nutzerseitige Filterprogramme • Netnanny (www.netnanny.com) • Website content filtering • Internet access control • Internet monitoring • Cyberpatrol (www.cyberpatrol.com) • Sperr- und Zugangslisten • Enge Anbindung an anbieterseitige Filter • Cybersitter (www.cybersitter.com) • Blockiert auf Wunsch u.a. Chats, Newsgroups, E-Mails, Instant Messaging Anerkennung als Filterprogramme fraglich
Verpflichtungen nach dem JMStV • Kennzeichnungspflicht (§ 12 JMStV) • Für Anbieter von Telemedien, die ganz oder im Wesentlichen inhaltsgleich sind mit Video- kassetten oder anderen Bildträgern oder Filmen: Altersfreigabe oder Kennzeichnung als „Info-“ oder „Lehrprogramme“ gemäß § 12 Jugend- schutzG
Verpflichtungen nach dem JMStV • Bestellung eines Jugendschutzbeauf-tragten (§ 7 JMStV) • Wen trifft die Verpflichtung ? • Aufgabenbereich sowie Rechte und Pflichten des Jugendschutzbeauftragten • Externer Jugendschutzbeauftragter ?
Jugendschutzbeauftragter (§ 7 JMStV) • Verpflichtende Bestellung • Geschäftsmäßige Anbieter von allgemein zu- gänglichen Telemedien mit entwicklungsbeein-trächtigenden oder jugendgefährdenden In- halten • Anbieter von Suchmaschinen • Alternativ Anschluss an Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK) • nur bei Anbietern mit < 50 Mitarbeitern oder • Anbietern mit nachweislich < 10 Mio. Visits im Monatsdurchschnitt eines Jahres
Jugendschutzbeauftragter (§ 7 JMStV) • Wer kann Jugendschutzbeauftragter sein? • Angestellte und freie Mitarbeiter • Geschäftsführer wohl nicht • externe Dienstleister
Jugendschutzbeauftragter (§ 7 JMStV) • Aufgabenbereich sowie Rechte und Pflichten • Ansprechpartner für jugendmedienschutz- bezogene Anliegen der Nutzer • Beratungsfunktion: sichergestellt durch • angemessene und rechtzeitige Beteiligung bei Herstellung, Erwerb, Planung und Gestaltung des Angebots • vollständige Information über das Angebot • Möglichkeit des Jugendschutzbeauftragten, dem Anbieter eine Beschränkung/Änderung des Angebots vorzuschlagen • Weisungsunabhängigkeit • Verbot der Benachteiligung
Jugendschutzbeauftragter (§ 7 JMStV) • Externer Jugendschutzbeauftragter • Urteil des LG Düsseldorf vom 18.09.2002 zu § 7a GjSM und § 12 Abs. 5 MDStV • Externer Jugendschutzbeauftragter muss kein Rechtsanwalt sein • Leistungen des Jugendschutzbeauftragten sind grundsätzlich nicht als Rechtsberatung i.S.d. RBerG zu qualifizieren Übertragbarkeit auf JMStV ?
Jugendschutzbeauftragter (§ 7 JMStV) • Sanktionen • Unterlassung der Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten wird als Ordnungswidrigkeit sanktioniert (§ 24 Abs. 1 Nr. 8 JMStV) • Geldbuße bis zu 500.000 Euro
Verantwortlichkeit der Provider • § 2 Abs. 3 JMStV: „Das Teledienste-gesetz [...] und der Mediendienste-Staatsvertrag [...] bleiben unberührt“ • Gestufte Verantwortlichkeit nach §§ 6 bis 9 MDStV sowie §§ 8 bis 11 TDG gilt auch im Bereich des Jugendschutzes und der Menschenwürde • Betrifft nur die Verantwortlichkeit für Informa-tionen
Verantwortlichkeit der Provider • Abgestuftes Haftungssystem in §§ 6 bis 9 MDStV und §§ 8 bis 11 TDG • Unterscheidung zwischen eigenen und fremden Informationen • Differenzierung danach, ob der Diensteanbieter Informationen zur Nutzung bereithält, sie durch- leitet, speichert oder zwischenspeichert Diensteanbieter = jede natürliche oder juristische Person, die eigene Tele- bzw. Mediendienste zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt z.B. Content-, Access-, und Host-Provider
Verantwortlichkeit der Provider • Eigene Informationen • Anbieter ist für eigene Informationen nach den allgemeinen Regeln des Zivil-, Straf- und Öffentlichen Rechts verantwortlich (§ 8 Abs. 1 TDG bzw. § 6 Abs. 1 MDStV) Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit
Verantwortlichkeit der Provider • Fremde Informationen • Durchleitung (§ 9 TDG / § 7 MDStV) • unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen keine Verantwortlichkeit • privilegiert insbesondere Access-Provider • Zwischenspeicherung zur beschleunigten Informationsübermittlung (§ 10 TDG/ § 8 MDStV) • bei Einhaltung der im Gesetz genannten Voraussetzungen keine Verantwortlichkeit • betrifft primär den Betrieb von Proxy-Cache-Servern
Verantwortlichkeit der Provider • Speicherung fremder Informationen (§ 11 TDG/ § 9 MDStV) • keine Verantwortlichkeit bei fehlender Kenntnis oder unverzüglichem Handeln nach Kenntniserlangung • § 8 Abs. 2 TDG / § 6 Abs. 2 MDStV: keine Kontrollpflicht des Anbieters fremder Inhalte
Rechtsfolgen bei Verstößen • Strafbestimmung (§ 23 JMStV) • Freiheitsstrafe oder Geldstrafe • sofern bestimmte unzulässige Angebote (schwere Jugendgefährdung, einschließlich der Zugänglich- machung der in § 4 Abs. 2 S. 1 genannten An- gebote über geschlossene Benutzergruppen hinaus) verbreitet oder zugänglich gemacht werden • Ordnungswidrigkeiten (§ 24 JMStV) • u.a. Verbreitung entwicklungsbeeinträchtigender Angebote, fehlende Bestellung eines Jugend-schutzbeauftragten • Geldbuße bis 500.000 Euro
Rechtsfolgen bei Verstößen • Privilegierung von Mitgliedern einer an- erkannten Einrichtung der freiwilligen Selbstkontrolle • wird diesen ein Verstoß gegen den Jugendschutz vorgeworfen, so ist zunächst die Einrichtung zu befassen; Maßnahmen der KJM sind nur möglich, wenn diese ihren Beurteilungsspielraum über- schritten hat (§ 20 Abs. 5 JMStV) • Aufsichtsrechtliche Maßnahmen (§ 20 JMStV) • u.a. Sperrungsverfügungen gemäß § 22 Abs. 2-4 MDStV
Rechtsfolgen bei Verstößen • Auskunftspflichten von Anbietern von Telemedien gegenüber der KJM gemäß § 21 JMStV • Auskunft • unentgeltlicher Zugang zu Angeboten (aber nicht zu Räumen oder Produktionsstätten des Anbieters) • Ermöglichung unentgeltlicher Kontrollmaßnahmen
Rechtsfolgen bei Verstößen • Sperrungsverfügung der Bezirksregierung Düsseldorf vom 06.02.2002, Az. 21.50.30 • Rechtsgrundlage: • § 18 Abs. 3 MDStV a.F. (§ 22 Abs. 3 MDStV n.F.) • Inhalt • In NRW ansässige Access-Provider mussten Zugang zu zwei US-Websites mit Neonazi-Inhalten sperren • zahlreiche Problemfelder, u.a. • Anwendbarkeit des MDStV auf Access-Provider • angegriffene Website = Mediendienst ? • Störerauswahl • Verhältnismäßigkeit der Verfügung
Internationale Sachverhalte • Internationales Privatrecht • Internationales Deliktsrecht: Tatortprinzip; maßgeblich sind nach Wahl des Verletzten Handlungs- oder Erfolgsort (Art. 40 EGBGB): Ort des Uploads oder der Abrufbarkeit; Serverstandort ist unerheblich • Internationales Wettbewerbsrecht: Territorialitätsprinzip; Ort der wettbewerblichen Interessenkollision - Zielrichtung der Wettbewerbshandlung aus der Sicht des objektiven Empfängers (gezielte und spürbare Einwirkung)
Internationale Sachverhalte • Herkunftslandprinzip gemäß §§ 4 Abs. 1 TDG/ 5 Abs. 1 MDStV • Maßgeblich: Ort der Niederlassung; Verlegung des Servers daher ohne Wirkung • Zahlreiche Einschränkungen des Anwendungs- bereichs des Herkunftslandprinzips und: • Ausdrückliche Einschränkung des Herkunfts- landprinzips zum Schutz der öffentlichen Ordnung des innerstaatlichen Rechts (einschließ- lich des Jugendschutzes), §§ 4 Abs. 5 TDG/ 5 Abs. 5 MDStV
Internationale Sachverhalte • Strafrecht • § 3 StGB: Maßgeblich ist der Begehungsort: Handlungs- und Erfolgsort • §§ 5, 6 StGB: Strafbarkeit von Auslandstaten bei bestimmten inländischen und internationalen Rechtsgütern, z.B. Strafbarkeit von Kinderpornographie gemäß § 184 Abs. 3 und 4 StGB als Verletzung eines internationalen Rechtsguts gemäß § 6 StGB • außerhalb der EU „Verlagerung“ der Verantwortlichkeit von Content- auf Access-Provider • § 20 Abs. 4 JMStV i.V.m. § 22 Abs. 3 MDStV • Sperrungsverfügung als Aufsichtsmaßnahme
Aufsichtsstellen nach dem JMStV • Einrichtungen der Freiwilligen Selbst-kontrolle • überwachen die Einhaltung der Bestimmungen des JMStV; insbesondere: Überprüfung von Angeboten im Auftrag ihrer Mitglieder • bedürfen der Anerkennung • FSM verweigert derzeit noch die Beantragung der Anerkennung • Kommission für Jugendmedienschutz • zentrale Aufsichtsstelle für den Jugendschutz • v.a. Überwachungsfunktion, Anerkennung von Einrichtungen der FSK
Aufsichtsstellen nach dem JMStV • jugendschutz.net • organisatorische Anbindung die KJM • Sichtung von Angeboten, Prüfung, Beratung, Schulung (§ 18 JMStV) • Unterstützung der KJM
Fazit • JMStV verursacht Handlungsbedarf bei Anbietern von Telemedien (z.B. Content, Access-, und Host-Provider) insbesondere: • Einsatz von Filterprogrammen • Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten • Gefahr von erheblichen Sanktionen bei Zuwiderhandeln