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VI. Systeme mit vielen Freiheitsgraden und ihr Verhalten im Mittel: Wärmelehre. VI.1. Gleichgewichtszustände und Zustandsgleichungen. VI.1.1. Problemstellung. Randbedingungen (z.B. Wände). System z.B. Gas, Flüssigkeit, Photonen, Gitterschwingungen,…. Umgebung, z.B. Wärme bad.
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VI. Systeme mit vielen Freiheitsgraden und ihr Verhalten im Mittel: Wärmelehre VI.1. Gleichgewichtszustände und Zustandsgleichungen
VI.1.1. Problemstellung Randbedingungen (z.B. Wände) System z.B. Gas, Flüssigkeit, Photonen, Gitterschwingungen,… Umgebung, z.B. Wärmebad Typische Größe: 1 Mol 6,02·1023 Teilchen NA NA #12C-Atome in 12 g des Kohlenstoff-Isotops 12C Avogadro-Konstante GAS
N 1023 gekoppelte, nichtlineare Differentialgleichungen • Lösungsversuch beliebig hoffnungslos • Lösung experimentell unüberprüfbar • Datenmenge einer Lösung nicht mal annähernd zu bewältigen • Anfangsbedingungen nicht messbar/einstellbar • Lösung ist chaotisch extrem beschränkte zeitliche Gültigkeit • Folgerung: • Makroskopisches Konzepte sind notwendig • Ziel ist Beschreibung des Systems im statistischen Mittel • Suche vollständige Formulierung mit möglichst wenigen relevanten makroskopischen Observablen Beispiel: System von N Massenpunkten Klassische Mechanik
Makroskopische Phänomenologie Wärmelehre / Thermodynamik Makro-Beschreibung aus wenigen Axiomen der Makro-Physik (eigenständige Theorie) System Statistische Physik Statistische Auswertung der Mikrophysik Klassische Mechanik / Quantenmechanik Makro-Observablen
Abgeschlossenes (isoliertes) System: Keinerlei Austausch mit Umwelt (Materie, Energie, Felder, Information,…) Beispiel: Thermoskanne mit Deckel • Geschlossenes System: Keinerlei Materie-Austausch mit Umwelt aber z.B. Austausch von Wärme, Volumenarbeit,… Beispiele: Dampfdruckkochtopf, • Zylinder mit beweglichem Kolben • Offenes System: Austausch von Materie (Wärme, Arbeit,…) Beispiel: Nicht verschlossener Kochtopf VI.1.2. Grundlegende Begriffe • Wärmebad: Unendliches Energiereservoir bei konstanter Temperatur GAS
Zustandsgrößen/variablen • Observablen, die das makroskopische System charakterisieren Zustandsvariable energiekonjugierte Variable Einheiten Druck p Volumen V [p]·[V] J Temperatur T Entropie S [T]·[S] J Chemisches Potential Teilchenzahl N []·[N] J : Energie, die System bei Hinzufügen eines Teilchens gewinnt S kB·ln mit ,,Zahl” der mikroskopischen Realisierungen Maß für die Unbestimmtheit des Mikrozustandes • Zustandsgleichungen • Beziehungen zwischen (nicht unabhängigen) Zustandsvariablen • Beispiel: Ideales Gas pV NkBT • Zustandsraum • Aufgespannt von vollständigem Satz unabhängiger Zustandsgrößen
System 1 System 2 System 1 & 2 X, Y X, Y X, 2Y • Relaxation: Beobachtung Gleichgewichtszustand nach kurzer Relaxationszeit (statistische Durchmischung) homogene Gasverteilung (Gleichgewicht) Gas Vakuum Gas Schieber • Intensive und extensive Zustandsgrößen X intensiv Y extensiv Beispiel: intensive Zustandsgrößen:p, T, extensive Zustandsgrößen:V, S, N, innere Energie GAS
Kolben Beispiel: … T,V p T, V+dV pdp p p p T T Wärmebad (Heizung) thermischer Kontakt const. Beispiel:Ideales Gas pV NkBT (p,V)-Zustandsraum V V Quasistatischer Prozess AB A AB B Kreisprozess p p • Quasistatische Prozesse Zustandsänderungen, die langsam im Vergleich zur Relaxation ablaufen darstellbar als Folge von Gleichgewichtszuständen Kurve im Zustandsraum
Makrophysik: Dynamik der Zustandsgrößen kann irreversibelsein Ekin=const. Gas irreversibel: Gas Vakuum S wächst Schieber quasi-statisch reversibel: Ekin S • Reversible und irreversible Prozesse Mikrophysik: invariant unter Ersetzung t t t Mikroskopische Dynamik ist zeitlich umkehrbar (reversibel)!
Boyle-Mariotte-Gesetz: Experimentell: Gas 1 Gas 2 thermischer Kontakt Austausch von Wärmeenergie T1 T2 (im Gleichgewicht) VI.1.3. Temperatur (vorläufige, empirische Definition) Beobachtung: Für alle hinreichend dünne Gase (NV 0) gilt bei gleicher Temperatur T
d) Thermospannung Thermoelement Uth = f(T) Kupfer (Cu) (Cu) e) Wärmestrahlung Pyrometer Stefan-Boltzmann-Gesetz Konstantan (Ni, Cu) P T4 warmes Wasser Temperatur T Eiswasser 0°C Methoden zur Temperaturmessung: a) Boyle-Mariotte-Gesetz Gasthermometer b) Wärmeausdehnung Quecksilber- / Alkoholthermometer c) T-abhängiger elektrischer Widerstand Demo-Experiment
... oder einfacher auf der Quecksilbersäule Hierzu ausgenutzt: Ausdehnung flüssiger / fester Körper Definition:Fixpunkte der Celsius-Skala Gefrierpunkt von H2O: TF 0 ºC Siedepunkt von H2O: TS 100 ºC ºC Grad Celsius ( bei Normaldruck von 1 atm 1,01325105 Pa 760 Torr ) TC-Skala: mit dem Gasthermometer
Definition von TC mit dem Gasthermometer: Höhenadjustierung Vakuum TC h Gas 0°C feste Marke Gas p V z.B. Quecksilber ρ TC flexibler Schlauch UHeizung
Experimenteller Befund: Gasthermometer: V const. Boyle-Mariotte: Gasthermometer-Def. von T (T) ist linear in T T in ºC a) bei p,N const. V bei TC 0ºC b) Gay-Lussac-Gesetz bei V,N const. p bei TC 0ºC
Aus Gay-Lussac-Gesetz bei V const. folgt: Folgerung: Definition:Absolute Temperatur T, T 1K 1Kelvin
T ≪ T thermische Ausdehnung Linearer Ausdehnungs-koeffizient Volumenausdehnung: Wärmeschwingung Ruhelage (T=0) linearer Raumausdehnungskoeffizient Thermische Ausdehnung flüssiger / fester Körper E Bindungspotential im Kristall r Abstand benachbarter Atome
VI.1.4. Wärme Intuitiv: thermische Energieform Wärmebad (Heizung) Q thermischer Kontakt Zuführung der Wärmemenge Q Temperaturänderung T Definition (alte Einheit): 1 kcal 1 Kilokalorie ist diejenige Wärmemenge, die benötigt wird, um 1kg Wasser bei Normaldruck von 14,5ºC auf 15,5ºC zu erwärmen.
mechanisch elektrisch °C U I r °C 1 kg H2O n Umdrehungen Behälter mit Wasser m Vakuum Wärme-Äquivalente Umwandlung elektrischer/mechanischer Energie in Wärme: Dewar
W Q Q Q T T Q W reversibel Verdampfen Q Wasser Dampf Kondensierenen reversibel Einige mögliche Wirkungen von Q: Wärmebad Vconst. Wärmebad Vconst. irreversibel
Definition:Wärmekapazität Ceines Systems: Definition:Spezifische Molwärme Cmoleines Materials: , Mmol Masse von 1 Mol Die Anzahl der Moleküle in der Stoffmenge von 1 Mol ist gleich der Anzahl der 12C-Atome in 12g des Kohlenstoff-Isotops 12C. Diese Zahl lautet: Avogadro-Konstante NA 6,0221023 mol1 Definition:Spezifische Wärme ceines Materials: Masse des Systems spezifische Wärme
Anfang: T2 T1 Ende: T1 T2 TM Messung der spezifischen Wärme: °C H2O MW cW T1 T2 Mischungs-Kalorimeter CD MK cK
Folgerung: Ideales Gas ist Grenzfall des unendlich dünnen Gases mit n Anzahl der Mole in V Definition:Boltzmann-Konstante Definition:Allgemeine Gaskonstante Thermische Zustandsgleichung: VI.1.5. Das ideale Gas • Gasteilchen sind annähernd Punktmassen (N·VTeilchen≪ V) • Gasteilchen haben keine Wechselwirkung bis auf elastische Stöße untereinander und mit den Wänden a) Thermische Zustandsgleichung
Betrachte Atome mit Geschwindigkeitskomponente vx Wand. 50% davon haben vx 0 ( auf die Wand zu). Zahl der Stöße während t: m Impulsübertrag pro Stoß: x Druck auf Wand: A b) Kinetische Gastheorie • Statistischer Zugang zum idealen Gas: • Bezugssystem Ruhesystem des Gases (Schwerpunktsystem) • Geschwindigkeitsverteilung ist isotrop – keine Raumrichtung ist ausgezeichnet • Druck entsteht durch elastische Stöße der (fast) punktförmigen Gasatome mit den Wänden – keine weiteren Wechselwirkungen
Gas wechselwirkungsfrei Innere Energie Kalorische Zustandsgleichung GAS Die Temperatur charakterisiert die mittlere kinetische Energie der ungeordneten Bewegung der Gasatome
einatomiges Gas zweiatomiges Gas 3-atomiges Gas f = 3 (Translation) f = 3 (Translation) + 2 (Rotation) f = 3 (Translation) + 3 (Rotation) Schwingungsmoden erst bei sehr großen T (QM: ) Bemerkung: Energie verteilt sich gleichmäßig auf f 3 Freiheitsgrade der Bewegung (Translation). Gilt allgemein für beliebig viele Freiheitsgrade (Äquipartitionstheorem): GAS
Mittlere Energie einer Schwingungsmode: D m x Kristallgitter 3 Schwingungsrichtungen f 3 (kinetisch) 3 (potentiell) 6 versagt für T 0K Quantenmechanik Bemerkung: Innere Energie des Phononengases Schwingungen der Gitteratome: Phononen
Präzisierung:ρxvx dvx sei Wahrscheinlichkeit für Bemerkung: Obige Schreibweise ist mathematisch unsauber, denn vx ist eine kontinuierliche Größe. d.h. Wahrscheinlichkeitsdichte
Wir suchen Wahrscheinlichkeit für Geschwindigkeit im ,,Volumen”-element dvx dvy dvz um . Wir wissen bereits: • Bewegung in x, y, z unabhängig • Isotropie der Verteilung • Mittelwert und Breite: 0 c) Maxwell-Boltzmann-Verteilung
Lösung: Normierung: Breite: und analog für vy, vz Gaußverteilung
Maxwell-Boltzmann-Geschwindigkeitsverteilung Verteilung im Geschwindigkeitsbetrag v: Kugelkoordinaten
mit rms-Breite (root-mean-square) root mean square Gauß-Verteilung v2 Gaußfunktion 0 0 GAS
Realisie-rungen Besetzungs-zahl q6 1 N6 1 q5 1 N5 0 q4 2 N4 4 q3 1 N3 3 q2 3 N2 8 q1 1 N1 5 Boltzmann-Verteilung (diskret / kontinuierlich) mit mit mikroskopische Energiezustände Verallgemeinerung: E E6 Geschlossenes System im thermischen Gleichgewicht E5 E4 E3 T E2 E1 Besetzungswahrscheinlichkeit: Pi = NiN
1) Ideales Gas: Maxwell-Verteilung 2) Ideales Gas: Maxwell-Verteilung 3) Isotherme Atmosphäre: Barometrische Höhenformel Beispiele:
Stoß-Wirkungsquerschnitt: d) Mittlere freie Weglänge mittlere Flugstrecke eines Gasteilchens bis zur Kollision mit einem anderen Gasteilchen Gasteilchen als harte Kugeln mir Radius r streuendes Teilchen Streuung falls Abstand der Mittelpunkte 2r
A ds • freies Durchlaufen der Strecke s • Stoß in der nächsten Schicht ds (s)ds: Wahrscheinlichkeit für Mittlere freie Weglänge: Stoßwahrscheinlichkeit bei Durchqueren einer dünnen Schicht: Streuzentren: Stoßwarscheinlichkeit:
Beispiel: Luft ( Stickstoff ) Druck Temperatur normal: 105 Pa 300 K 70 nm80 ps Vakuum: 104 Pa 300 K 70 m 80 ms Weltall: 1013 Pa 50 K 20·106 km 6·107s 2y (Molekülwolken) Mittlere freie Weglänge: charakteristische Stoßzeit ( Zeitskala der Relaxation)
Teilchenanziehung 1 Teilchen an Oberfläche: F Teilchen pro Fläche Oberflächenkraft 2 Zusatzdruck (Binnendruck) im Inneren des Gasvolumens Folgerung: Van-der-Waals-Gleichung: VI.1.6. Das reale Gas a) Die Van-der Waals-Gleichung Korrekturen zum idealen Gas • endliches Volumen der Gasmoleküle: V Vnb
Übersättigter Dampf Überhitzte Flüssigkeit Tc kritischer Punkt (Vc, pc) identische Flächen Maxwell-Konstruktion Koexistenz Dampf / Flüssigkeit Van-der-Waals-Gleichung: p ideales Gas V
Übung: Kritischer Punkt Aus folgt p ideales Gas Tc kritischer Punkt (Vc, pc) Koexistenz Dampf / Flüssigkeit V Van-der-Waals-Gleichung:
gasförmige • flüssige Phase, teilweise koexistent • fest tägliches Leben: b) Aggregatzustände andere Phasen: • elektromagnetische Plasmen Sonnen, Sternwinde, ... • 99% der Materie im Weltall in diesem Zustand • Quark-Gluon-Plasma aufgelöste Kernmaterie • z.B. Schwerionen-Beschleuniger, Inneres von Neutronensternen, • Materie im frühen, heißen Universum • Fermigasez.B. Elektronengas in Metallen oder Weißen Zwergen, • Neutronengas in Neutronensternen
Dampf pS V pS Dampf Wasser verdampft pS = const. T = const. H2O H2O Inhalt: 1 Mol • Gleichgewicht bei Temperatur T • Sättigungsdampfdruck pS = const. T(pS) Siedetemperatur Koexistenz Flüssigkeit / Dampf pS:Sättigungsdampfdruck T↗ Ekin↗ mehr Moleküle erbringen Austrittsarbeit pS↗
Endpunkt 2: Wasser völlig verdampft Wasserdampf p V↗ p↘ annähernd ideales Gas Endpunkt 1: Dampf völlig kondensiert p H2O V↘ p↗↗
pS p TC T TC T2 PC T1 T1 T2 TC T V Koexistenz Dampf / Flüssigkeit Clausius-Clapeyron-Gleichung: Dampfdruckkurve Λ Verdampfungswärme pro Mol PC kritischer Punkt TC kritische Temperatur
Beispiel: Geysir-Modell • Aufheizphase bis zum Sieden. Druck der Wassersäule TSiede 100°C • Wasserauswurf durch Sieden Druckabfall Siedeverzug Explosion T 100°C • Wasserrückfluss Druckzunahme Sieden endet, da T 100°C Tsiede • Neuer Zyklus a) Auffangwanne 1 m
Schmelzwärme pro Mol: Folgerung:Vflüssig Vfest klein groß p fest flüssig Tripelpunkt:alle drei Phasen koexistieren gasförmig T Koexistenz feste Phase / Flüssigkeit analog: ersetze Sieden durch Schmelzen
normales Verhalten anormales Verhalten p p Verflüssigung durch Druckerhöhung fest flüssig flüssig fest Tripelpunkt gasförmig gasförmig Sublimation T T z. B. Wasser Phasendiagramme:
System aus Komponente q-phasige Bereiche haben f 2q Freiheitsgrade im (p,T)-Diagr. Gibbsche Phasenregel: System aus einer Komponente (z.B. H2O) 1-phasige Bereiche Flächen im (p,T)-Diagramm 2-phasige Bereiche Linien im (p,T)-Diagramm 3-phasige Bereiche Punkt im (p,T)-Diagramm q-phasige Bereiche haben f 3q Freiheitsgrade im (p,T)-Diagramm
Statistische Transportphänomene: • Energietransport Wärmeleitung • Massentransport Diffusion • Impulstransport innere Reibung • Voraussetzung: räumliche Variationen von • Temperatur T Wärmetransport • Dichte bzw. Konzentration Massentransport • Geschwindigkeit Impulstransport • VI.1.7. Statistische Transportprozesse
Ficksches Gesetz: mittlere Teilchenstromdichte #Teilchen pro Volumen Diffusionskonstante Teilchenanzahl bleibt erhalten Kontinuitätsgleichung: Diffusionsgleichung: Mikroskopische Theorie a) Diffusion TeilchenstromKonzentrationsgefälle
T2 Bénard-Zelle ( Konvektionszelle ) Bénard-Instabilität: Spontane Strukturbildung ( Selbstorganisation ) T1 T2 T1 schwache Heizung starke Heizung b) Wärmeleitung • Drei Typen: • Leitung ohne Massentransport z.B. in Festkörpern • Elektromagnetische Strahlung (d.h. auch durchs Vakuum) • Leitung mit Massentransport, Konvektion (Flüssigk., Gase)