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Experimente in der Linguistik. 4. Vorlesung (11.11.2010). apl. Professor Dr. Ulrich Schade Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie ulrich.schade@fkie.fraunhofer.de. Experimente in der Linguistik. Kontaktdaten. apl. Professor Dr. Ulrich Schade
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Experimente in der Linguistik 4. Vorlesung (11.11.2010) apl. Professor Dr. Ulrich Schade Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie ulrich.schade@fkie.fraunhofer.de
Experimente in der Linguistik Kontaktdaten apl. Professor Dr. Ulrich Schade Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie (FKIE) Neuenahrer Straße 20 53343 Wachtberg E-Mail: ulrich.schade@fkie.fraunhofer.de Telefon: 0228 9435 376 Fax: 0228 9435 685
Experimente in der Linguistik Überblick • Einführung • Zur wissenschaftstheoretischen Bedeutung von Experimenten • Hypothesenbildung • – Grundlagen zu „Experiment“ • – Arten von Experimenten • – Hypothesen • Statistische Auswertung • Beispiele für Experimente in der Linguistik
Experimente in der Linguistik zur Klassifikation von Experimenten • Generell unterscheidet man zwischen • Laborexperiment und Feldexperiment. • Laborexperimente ermöglichen eine weitgehende Kontrolle und damit die Ausschaltung möglicher Störvariablen. • Feldexperimente finden in der "natürlichen" Umgebung statt.
Experimente in der Linguistik zur Klassifikation von Experimenten • typische „off line“-Messmethoden • Fragebogen (darunter auch Befragung im Netz) • Korpusanalyse • Priming • typische „on line“-Messmethoden • Reaktionszeitmessungen • Blickbewegungsmessungen • EEGs und Messungen mit anderen bildgebenden Verfahren
Experimente in der Linguistik zur Klassifikation von Experimenten • Ansätze zur Erforschung der Sprachproduktion • Methodisches Problem: Die Faktoren, die die Produktion bestimmen (und damit die unabhängigen Variablen) sind nicht sehr gut zu bestimmen und können daher auch nicht gut festgelegt werden. Dies gilt, wie schon erläutert, insbesondere auch für die Analyse von Versprecher-Korpora, die trotzdem den historisch frühesten Ansatzpunkt für die Entwicklung von Modellen der Sprachproduktion darstellen.
Experimente in der Linguistik Ansätze zur Erforschung der Sprachproduktion • Weitere Methoden sind • Lautes Denken • Pausenmessungen • Kontrollierte Elizitation • Messung des Artikulationsstarts • Priming-Methoden • Stroop-Techniken Zur Auflistung vgl. auch Rickheit, Weiss & Eikmeyer (2010). Kognitive Linguistik. Tübingen: UTB 3408.
Experimente in der Linguistik Ansätze zur Erforschung der Sprachproduktion • Weitere Methoden sind • Bildbeschreibung • Objektbenennung • Objektkategorisierung • Vervollständigung von Satzfragmenten Zur Auflistung vgl. auch Rickheit, Weiss & Eikmeyer (2010). Kognitive Linguistik. Tübingen: UTB 3408.
Experimente in der Linguistik Ansätze zur Erforschung der Sprachproduktion • Lautes Denken • Die VP produziert Schriftsprache und berichtet dabei über den Produktionsprozess. Das Verfahren ist subjektiv, kann aber in Voruntersuchungen herangezogen werden. • Pausenmessungen • Pausen können auf Produktionsprobleme hinweisen (Goldman-Eisler: Pauses, clauses, and sentences. Language and Speech, 15 (1972), 103-113). Es ist aber nicht klar, welcher Art die Probleme sind.
Experimente in der Linguistik Ansätze zur Erforschung der Sprachproduktion • Pausenmessungen • In neueren Untersuchungen wurden von Weingarten et al. die „Pausen“ zwischen den Anschlägen beim Tippen von Sätzen gemessen und miteinander verglichen. Dabei zeigen sich längere Pausen, wenn zwischen zwei Buchstaben eine Morphemgrenze liegt. Aber auch Silbengrenzen, die keine Morphemgrenzen sind (Beispiel: Lan|dung) sind erkennbar. • Weingarten, Nottbusch & Will (2003). Morphemes, syllables, and graphemes in written word production. In Pechmann & Habel (Hrsg.), Multidisciplinary Approaches to Language Production. Berlin: Mouton de Gruyter.
Experimente in der Linguistik Ansätze zur Erforschung der Sprachproduktion • Kontrollierte Elizitation • Um die produzierte Äußerung zu kontrollieren, kann man Vorgaben machen, etwa „schenken(Klaus, Renate, Vergissmeinnicht)“. Dies schränkt den Prozess der Produktion natürlich ein (beispielsweise werden im Vergleich zu einer Bildbeschreibung bestimmte Wörter schon vorgegeben), so dass sich das Verfahren nur für manche Fragestellungen eignet.
Experimente in der Linguistik Ansätze zur Erforschung der Sprachproduktion • Messung des Artikulationsstarts • Gemessen wird hier die Zeit von der Präsentation eines Reizes (etwa eines Bildes, das benannt werden soll) bis zum Beginn der Produktion. Damit kann abgeschätzt werden, wie viel Zeit die Planung bereitet. Pechmann, T. (1994). Sprachproduktion: Zur Generierung komplexer Nominalphrasen. Opladen: Westdeutscher Verlag.
Experimente in der Linguistik Ansätze zur Erforschung der Sprachproduktion • Priming-Methoden • Gemessen wird hier, ob (zu einer bestimmten Zeit) ein bestimmtes sprachliches Element aktiviert ist, da dieses dann einen Priming-Effekt ausüben kann. Levelt et al. (1991) verwenden eine solche Technik. Die Versuchspersonen müssen dabei Objekte benennen, die sie als Abbildung sehen. In einigen wenigen Durchläufen wird der Produktionsprozess unterbrochen. Die Versuchspersonen erhalten eine Aufgabe der lexikalischen Entscheidung. Gemessen wird die Zeit, die für die Entscheidung benötigt wird.
Experimente in der Linguistik Ansätze zur Erforschung der Sprachproduktion • Priming-Methoden: Levelt et al. (1991) • Als unabhängige Variablen dienen die Relation zwischen Produktions-Target und dem Wort in der lexikalischen Entscheidung und die SOA (Stimulus Onset Asynchronie). • Resultat: • Evidenz für frühe phonologische Aktivierung • Evidenz gegen späte semantische Aktivierung • Die Resultate sprechen für ein kaskadierendes Produktionsmodell.
Experimente in der Linguistik Ansätze zur Erforschung der Sprachproduktion • Priming-Methoden Levelt et al. (1991) • methodologische Probleme: • Die Zeitmessung erfolgt für einen Rezeptionsprozess (lexikalische Entscheidung) und nicht für einen Produktionsprozess. • Ein Modell für den Prozess der lexikalischen Entscheidung wird im Anschluss an das Experiment präsentiert, müsste aber für die Hypothesenbildung herangezogen werden. • Die verwendete semantische Relation ist nicht die Ko-Hyponomie, sondern assoziativ und nicht (Kaktus – Stachel).
Experimente in der Linguistik Ansätze zur Erforschung der Sprachproduktion • Priming-Methoden Levelt et al. (1991) • sonstige Probleme: • Da die Autoren das Zweistufenmodell und nicht das kaskadierende Modell stützen wollen, präsentieren sie ein entsprechendes Gesamtmodell (mit lexikalischer Entscheidung), das davon ausgeht, dass der Produktionsprozess während der Entscheidung weiterläuft. Levelt, Schriefers, Vorberg, Meyer, Pechmann & Havinga (1991). The time course of lexical access in speech production. Psychological Review, 98, 122-142.
Experimente in der Linguistik Ansätze zur Erforschung der Sprachproduktion • Stroop-Techniken • nach John Ridley Stroop (1897–1973), Psychologe (USA) • Der „Stroop-Effekt“ besagt, dass es schwieriger ist (länger dauert), die Farbe, in der ein Wort geschrieben ist, zu benennen, wenn dieses Wort eine andere Farbe denotiert. • blau vs. blau
Experimente in der Linguistik Ansätze zur Erforschung der Sprachproduktion • Stroop-Techniken • Der Effekt ist nicht erkennbar, wenn nicht die Farbe des Wortes benannt werden soll, sondern das Wort (das Farbadjektiv) zu lesen ist. • Als Stroop-Technik bezeichnet man allgemein die Störung eines Prozesses, etwa der Sprachproduktion, durch die Präsentation eines zusätzlichen Reizes, der den Prozess verzögert (oder beschleunigt). • Für Stroop-Experimente ist die SOA eine wichtige unabhängige Variable.
Experimente in der Linguistik Ansätze zur Erforschung der Sprachproduktion • Stroop-Techniken • Soll man die Farbe eines Gegenstands benennen, verzögert sich die Benennung nicht, wenn das zu benennende Gegenstand in einer „unnatürlichen“ Farbe präsentiert wird (lila Banane). Dies steht im Gegensatz zu dem, was man von dem Stroop-Effekt her erwarten könnte. • Präsentiert man aber den Gegenstand zunächst schwarz-weiß und färbt ihn nach 200ms ein, so ergibt sich eine Verzögerung bei der Benennung der Farbe.
Experimente in der Linguistik Ansätze zur Erforschung der Sprachproduktion • Stroop-Techniken • Die zeitliche Differenz zwischen der Objektpräsentation und der Farbpräsentation ermöglicht, dass das Konzept des zu benennenden Objekts die typischerweise mit ihm verbundene Farbe (Banane gelb) aktiviert, die dann ihrerseits die Farbbenennung (lila) verzögert. Schmidt, S. (1999). Konzeptuelle Verarbeitung von Farbinformationen. Opladen: Deutscher Universitätsverlag.
Experimente in der Linguistik Ansätze zur Erforschung der Sprachproduktion • Stroop-Techniken • Wort-Bild-Interferenz-Experimente, bei denen ein Objekt benannt werden soll und gleichzeitig ein Störwort optisch oder akustisch präsentiert wird, sind auch Stroop-Experimente. Glaser & Glaser (1989). Context effects in Stroop-like word and picture processing. Journal of Experimental Psychology: General, 118, 13-42. Schriefers, Meyer & Levelt (1990). Exploring the time course of lexical access in production. Journal of Memory and Language,29, 86-102.
Experimente in der Linguistik Ansätze zur Erforschung der Sprachproduktion • Objektbenennung • Ein Objekt (aus einer Mengen von anderen Objekten) soll so beschrieben werden, dass eine anderen Person das beschriebene Objekt in der Menge identifizieren kann. Hier wird die Art der Benennung ausgewertet.
Experimente in der Linguistik Ansätze zur Erforschung der Sprachproduktion • Objektbenennung • Objektbenennungen haben den Vorteil, das klar ist, worauf sich die Äußerungen beziehen. Offensichtlich ist die Art der Äußerung kontextabhängig. Es werden aber nicht nur Minimalspezifikationen, sondern auch Überspezifikationen und Unterspezifikationen geäußert. Olson, D.R. (1970). Language and thought. Psychological Review, 77, 257-273. Deutsch & Pechmann (1982). Social interaction and the development of definite descriptions. Cognition, 11, 159-184.
Experimente in der Linguistik Ansätze zur Erforschung der Sprachproduktion • Objektkategorisierung • Statt eines abgebildeten oder benannten Objekts ist dessen Oberbegriff zu nennen (Pudel Hund / Geige Musikinstrument). • Die Produktion des Oberbegriffs dauert länger, wenn der Begriff nicht als Bild, sondern als Wort vorgegeben wird. Glaser & Glaser (1989). Context effects in Stroop-like word and picture processing. Journal of Experimental Psychology: General, 118, 13-42.
Experimente in der Linguistik Ansätze zur Erforschung der Sprachproduktion • Vervollständigung von Satzfragmenten • Die Versuchspersonen bekommen Satzanfänge vorgespielt, die sie wiederholen und zu einem Satz vervollständigen sollen. Dabei wird gemessen, welche und wie viele grammatische Fehler (z.B. Verletzung der Subjekt-Verb-Kongruenz) gemacht werden. • Auslöser der Inkongruenz sind etwa Ergänzungen der Subjekt-NP. • „The king of the islands …“ / „The kings of the island …“ Bock & Miller (1991). Broken agreement. Cognitive Psychology, 23, 45-93.
Experimente in der Linguistik Ansätze zur Erforschung der Sprachproduktion • Vervollständigung von Satzfragmenten • Sollen bei einem solchen Experiment ineinander geschachtelte Relativsätze produziert werden, • [Der großzügige Sponsor, der den berühmten Rennfahrer, den der fähige Mechaniker]
Experimente in der Linguistik Ansätze zur Erforschung der Sprachproduktion • Vervollständigung von Satzfragmenten • Sollen bei einem solchen Experiment ineinander geschachtelte Relativsätze produziert werden, führt dies zu spezifischen Auslassungsfehlern. • [Der großzügige Sponsor, der den berühmten Rennfahrer, den der fähige Mechaniker] bewunderte, [Auslassung], wollte eine Rede halten. Schade, Barattelli, Lingnau, Hadelich & Dipper (2003). Relativsatzproduktion. Linguistische Berichte, 193, 33-55.
Experimente in der Linguistik zur Klassifikation von Experimenten • Ansätze zur Erforschung der Sprachrezeption • Die Ansätze für die Rezeption beruhen auf ähnlichen Grundideen wie die für die Sprachproduktion. Der wichtigste Unterschied besteht darin, dass man in diesem Fall das sprachliche Material kontrollieren kann. • Für die Sprachrezeption gibt es aber kein einheitliches Modell, wie es das Levelt-Modell für die Produktion darstellt. Dadurch ist die Forschung stärker fragmentiert.
Experimente in der Linguistik Ansätze zur Erforschung der Sprachrezeption • wichtige Methoden sind • Nachsprechen und Lautes Lesen • Blickbewegungen beim Lesen • Messung von Lesezeiten • Priming Techniken • Stroop-Techniken Zur Auflistung vgl. wiederum Rickheit, Weiss & Eikmeyer (2010). Kognitive Linguistik. Tübingen: UTB 3408.
Experimente in der Linguistik Ansätze zur Erforschung der Sprachrezeption • Priming Techniken – noch ein Beispiel • Die Versuchsperson liest einen Text und bearbeitet anschließend eine lexikalische Entscheidungsaufgabe. Es wird überprüft, ob das Wort, das zur Entscheidung ansteht, von dem letzten Wort des Textes „geprimt“ ist. In diesem Fall wird der Prozess der lexikalischen Entscheidung beschleunigt oder verzögert (je nach Relation zwischen den Wörtern).
Experimente in der Linguistik Ansätze zur Erforschung der Sprachrezeption • Priming Techniken – noch ein Beispiel • Das Entscheidungswort kann etwa wie folgt zum letzten Textwort relatiert sein: • assoziiert zur angemessenen Wortinterpretation • assoziiert zur unangemessenen Wortinterpretation • thematische Inferenz • unrelatiertes Kontrollwort
Experimente in der Linguistik Ansätze zur Erforschung der Sprachrezeption • Priming Techniken – noch ein Beispiel • „The townpeople were amazed • to find that all the buildings had collapsed except the mint.“ • angemessene Interpretation: mint (Prägestätte für Münzen) – money • unangemessene Interpretation: mint (Süßigkeit) – candy • Inferenz: earthquake
Experimente in der Linguistik Ansätze zur Erforschung der Sprachrezeption • Priming Techniken – noch ein Beispiel • Für eine gewisse Zeit (< 350ms) ist die unangemessene Interpretation („candy“) des kritischen Wortes („mint“) präsent (und kann „primen“). Danach ist sie unterdrückt. • Nach einiger Zeit (> 500ms) sind zusätzliche (mit dem Text hochgradig kohärente) Begriffe („earthquake“) ebenfalls präsent (und können „primen“).
Experimente in der Linguistik Ansätze zur Erforschung der Sprachrezeption candy - earthquake 40 candy - money 20 0 SOA 350 500 1000 2000
Experimente in der Linguistik Ansätze zur Erforschung der Sprachrezeption • Priming Techniken – noch ein Beispiel • Für eine gewisse Zeit (< 350ms) ist die unangemessene Interpretation („candy“) des kritischen Wortes („mint“) präsent (und kann „primen“). Danach ist sie unterdrückt. • Nach einiger Zeit (500ms) sind zusätzliche (mit dem Text hochgradig kohärente) Begriffe („earthquake“) ebenfalls präsent (und können „primen“). Till, Mross & Kintsch (1988). Time course of priming for associate and inference words in a discourse context. Memory and Cognition, 16, 283-298.
Experimente in der Linguistik Ansätze zur Erforschung der Sprachrezeption • Priming Techniken – noch ein Beispiel • Entsprechende Experimente mit schizophrenen Patienten zeigen, dass bei diesen die unangemessenen Bedeutungen erst sehr viel später, ungefähr nach 1000ms, unterdrückt sind. Maier & Spitzer (1999). Network models and formal thought disorder: Associative processes in schizophrenic patients. In: Klabunde & von Stutterheim (Eds.), Representations and Processes in Language Production. Opladen: Deutscher Universitätsverlag.
Experimente in der Linguistik Überblick • Einführung • Zur wissenschaftstheoretischen Bedeutung von Experimenten • Hypothesenbildung • – Grundlagen zu „Experiment“ • – Arten von Experimenten • – Hypothesen • Statistische Auswertung • Beispiele für Experimente in der Linguistik
Experimente in der Linguistik Hypothesen • Eine Hypothese (altgriechisch ὑπόθεσις, hypóthesis = ‚Unterstellung‘, ‚Voraussetzung‘, ‚Grundlage‘) ist eine Aussage, der Gültigkeit unterstellt wird, die aber nicht bewiesen oder verifiziert ist. • Für Hypothesen ist es üblich, dass die Bedingungen angegeben werden, unter denen sie gültig sein sollen. http://de.wikipedia.org/wiki/Hypothese
Experimente in der Linguistik Hypothesen • Wie wir bereits wissen, gilt nach Popper (1935): • Eine Hypothese kann sich dadurch bewähren, dass sie einer kritischen Überprüfung standhält. Eine solche Überprüfung erfolgt zum Beispiel durch ein geeignetes Experiment. Popper, Karl R. (1934/35). Logik der Forschung. Wien. Gadenne, Volker (1998). Bewährung. In: Keuth, H. (Hrsg.), Karl Popper, Logik der Forschung. Berlin: Akademischer Verlag.
Experimente in der Linguistik Hypothesen • Es ist nicht immer einfach, ein Experiment zu entwickeln, dass für die Prüfung einer Hypothese geeignet ist. Da man unter Umständen nicht das messen kann, was eigentlich gemessen werden müsste. • Beispielsweise ergibt sich aus der Quantenfeldtheorie die Hypothese, dass im Vakuum stets Teilchen-Antiteilchen-Paare (virtuelle Teilchen) entstehen und sofort wieder zerfallen (Quantenfluktuation). Ein direkter experimenteller Nachweis der virtuellen Teilchen ist jedoch nicht möglich.
Experimente in der Linguistik Hypothesen • Die angenommene Quantenfluktuation hat aber Konsequenzen. • Der niederländische Physiker Hendrik Casimir (1909-2000) leitete aus der angenommenen Quantenfluktuation 1948 die Vorhersage ab, die nach ihm Casimir-Effekt genannt wird. nachweisbar. Dieser Effekt konnte 1956 bzw. 1958 experimentell nachgewiesen werden. • Die Hypothese der Quantenfluktuation hat sich durch diesen indirekten experimentellen Beleg bewährt.
Experimente in der Linguistik Hypothesen • Auch die Modelle zu den kognitiven Prozessen der Sprachverarbeitung (Produktion, Rezeption, Erwerb) führen zu Hypothesen, die, wie wir bereits diskutiert haben, nur indirekt einer experimentellen Untersuchung unterzogen werden können. • Entsprechend muss bei der Erstellung der Experimente sehr sorgfältig vorgegangen werden. Der jeweils angenommene Zusammenhang zwischen dem, was überhaupt gemessen werden kann und was entsprechend gemessen wird (unabhängige und abhängige Variablen), und dem, was eigentlich in der zu überprüfenden Hypothese zu messen wäre, ist explizit darzulegen.
Experimente in der Linguistik Hypothesen • Beispielsweise beziehen sich Hypothesen zur Sprachverarbeitung typischerweise darauf, dass bestimmte Verarbeitungsprozesse unter bestimmten Randbedingen einfacher oder schwieriger sind. • Dies wird etwa in einem ersten Schritt durch den Zeitverbrauch operationalisiert (schwierige Prozesse dauern länger). • In einem zweiten Schritt wird dann die Verarbeitungszeit, die auch nicht direkt gemessen werden kann, durch andere Zeiten (Pausen-längen, Zeit bis zum Produktionsstart, Lesezeiten etc.) operationalisiert.