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§ 1901 a BGB • (1) Hat ein einwilligungsfähiger Volljähriger für den Fall seiner Einwilligungsun-fähigkeit schriftlich festgelegt, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszu-standes, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt (Patientenverfügung), prüft der Betreuer, ob diese Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungsituation zutreffen. Ist dies der Fall, hat der Betreuer dem Willen des Betreuten Ausdruck und Geltung zu verschaffen. Eine Patientenver-fügung kann jederzeit formlos widerrufen werden. • (2) Liegt keine Patientenverfügung vor oder treffen die Festlegungen einer Patien-tenverfügung nicht auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zu, hat der Betreuer die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betreuten festzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob er in eine ärztliche Maß-nahme nach Abs.1 einwilligt oder sie untersagt. Der mutmaßliche Wille ist auf Grund konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln. Zu berücksichtigen sind insbesonde-re frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen, ethische oder religiöse Über-zeugungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen des Betreuten. • (3) Die Absätze 1 und 2 gelten unabhängig von Art und Stadium einer Erkrankung des Betreuten. • (4)….. (5)….. DGSP/BdB Frankfurt 05.05.2011 Annette Loer
§ 1901 b Abs. 1 BGB • (1) Der behandelnde Arzt prüft, welche ärztliche Maßnahmen im Hinblick auf den Gesamtzustand und die Prognose des Patienten indiziert ist. Er und der Betreuer erörtern dies Maßnahme unter Berücksichtigung des Patientenwillens als Grundlage für die nach § 1901 a zu treffende Entscheidung. • (2) Bei der Feststellung des Patientenwillens nach § 1901 a Abs. 1 oder der Behandlungswünsche oder des mutmaßlichen Willens nach § 1901 a Abs. 2 soll nahen Angehörigen und sonstigen Vertrauenspersonen des Betreuten Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden, sofern dies ohne erhebliche Verzögerung möglich ist. • (3) ….. DGSP/BdB Frankfurt 05.05.2011 Annette Loer
Psychiatrische Patientenverfügung • Im Gesetzgebungsverfahren PV als Instrument der Selbstbestimmung am Lebensende • Psychiatrieerfahrene haben sich zwar geäußert, wurden aber nicht gehört • Da keine Reichweitenbegrenzung auf Sterbephase oder Einschränkung auf somatische Erkrankungen: Anwendbar für psychiatrische PatientInnen und ihrer Behandlung DGSP/BdB Frankfurt 05.05.2011 Annette Loer
PV versus Behandlungsvereinbarung • PV ist einseitige Willenserklärung der PatientIn, keine zweiseitige Vereinbarung • verbindlich • Keine Verpflichtung zur vorangegangenen ärztlichen Aufklärung • Ersetzt die Einwilligungsentscheidung bei aktueller Einwilligungsunfähigkeit DGSP/BdB Frankfurt 05.05.2011 Annette Loer
Ort der PV im rechtlichen Kontext: Grundlagen einer rechtmäßigen ärztlichen Behandlung, allgemein • Medizinisch – ärztliche Indikation • Einwilligung der PatientIn 2 – Säulen - Modell Die ÄrztIn stellt die Indikation, die PatientIn trifft die Entscheidung. 3. Durchführung der Behandlung lege artis DGSP/BdB Frankfurt 05.05.2011 Annette Loer
Zu 1. Indikation • psychopathologischer Befund = fachlicher Standard - Diagnose, Prognose, Möglichkeit der Mittel • Behandlungsziel • Abwägung von Nutzen und Risiken einer Behandlung - bei aktuell entgegenstehendem Willen medizinische Frage, ob das Ziel auch gegen den Willen, ggf. unter Anwendung von Zwang überhaupt erreichbar ist = medizinische Indikation („technisches“ Handwerk) • Patientenbezogene Faktoren = subjektive Vorstellungen • - Werte, Ziele, Wünsche, Persönlichkeit der PatientIn • - Kommunikation ÄrztIn - PatientIn (oder BetreuerIn u.a.) Die BetreuerIn gibt die Informationen weiter = ärztliche Indikation DGSP/BdB Frankfurt 05.05.2011 Annette Loer
1. Säule • Ergebnis: Indikation als ärztliche Empfehlung für diese PatientIn in ihrer konkreten Situation Allein in ärztlicher Verantwortung § 1901 b Abs. 1 S.1 BGB („ANGEBOT“) ggf. unter Beteiligung der Betreuerin, soweit für GS bestellt DGSP/BdB Frankfurt 05.05.2011 Annette Loer
Zu 2. Einwilligung • Annahme oder Ablehnung des Behandlungsangebotes steht der PatientIn frei • „informed consent“ = auf Aufklärung beruhende Einwilligung • als Ausdruck der Patientenautonomie basierend auf dem Selbstbestimmungsrecht DGSP/BdB Frankfurt 05.05.2011 Annette Loer
Folgen • Die PatientIn (oder stellvertretend BetreuerIn) kann keine Behandlung verlangen, die nicht indiziert ist. • Eine kontraindizierte Maßnahme ist nicht anzubieten. • Die ÄrztIn behält die Verantwortung für die Behandlung. • Die Ablehnung der angebotenen Behandlung bedeutet nicht das Ende der Behandlung sondern die Änderung der Behandlungsart. • Eine medikamentöse Behandlung ohne Einwilligung stellt eine Körperverletzung dar. DGSP/BdB Frankfurt 05.05.2011 Annette Loer
PatientenverfügungsG2. Säule Einwilligung • PV nur dann relevant, wenn PatientIn aktuell keine eigene Entscheidung treffen kann, da nicht mehr einwilligungsfähig Schriftliche Patientenverfügung § 1901 a BGB ? Die Vorausverfügung ist unmittelbar die Einwilligung oder die Ablehnung der angebotenen Behandlung, wenn sie valide auf die Situation zutrifft. Voraussetzung: Einwilligungsfähigkeit bei Festlegung !!! (= Krankheitseinsicht?) (BetreuerIn hat ihr (nur) Geltung zu verschaffen.) DGSP/BdB Frankfurt 05.05.2011 Annette Loer
Keine valide/wirksame PV • Vertretererklärung durch BetreuerIn oder Bevollmächtigte nach § 1901 a Abs. 2 BGB • Bindung an den mutmaßlichen Willen und Behandlungswünsche (nicht an das „objektive“ Wohl), § 1901 b Abs.2 BGB • Entspricht m.E. § 1901 Abs. 2 und 3 BGB • Eigene Wünsche und Vorstellungen (= selbst- bestimmt und nicht krankheitsbedingt?) DGSP/BdB Frankfurt 05.05.2011 Annette Loer
Problemfelder • Setzt die Einwilligungsfähigkeit bei Abfassen der PV Krankheitseinsicht voraus? Oder zumindest eine gewisse Einsicht in mögliche Risiken bei der Ablehnung einer indizierten Behandlung? • Gibt es Besonderheiten bei der Feststellung des mutmaßlichen Willens psychisch Erkrankter? • Verhindern PVs Unterbringungen nach § 1906 BGB oder den PsychKGs? DGSP/BdB Frankfurt 05.05.2011 Annette Loer
Aussichten • PV nicht nur als Abwehrrecht gegen Zwangspsychiatrie sehen sondern als konstruktives Element der Patientenautonomie nutzen • BetreuerInnen als BeraterInnen in guten Tagen bei der Erstellung einer PV, um Zwangseingriffe zu vermeiden DGSP/BdB Frankfurt 05.05.2011 Annette Loer