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„Inclusion means WITH“. Münster, 13. Oktober 2011 Ines Boban / Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. „An den erwachsenen Leser Ihr pflegt zu sagen: ‚Der Umgang mit Kindern ist anstrengend.’ Ihr habt recht.
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„Inclusion means WITH“ Münster, 13. Oktober 2011 Ines Boban / Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
„An den erwachsenen Leser Ihr pflegt zu sagen: ‚Der Umgang mit Kindern ist anstrengend.’ Ihr habt recht. Ihr sagt: ‚Weil wir uns zu ihren Begriffen herablassen müssen.’ Herablassen, hinunterbeugen, uns krümmen, kleinmachen. Ihr irrt. Nicht das ist es, was uns anstrengt. Sondern – dass wir uns aufschwingen müssen zu ihren Gefühlen. Aufschwingen, emporrecken, auf die Zehenspitzen stellen, heranreichen. Um sie nicht zu verletzen.“ Janusz Korczak: Wenn ich wieder klein bin, S. 135
MENSCHEN(ge)RECHTESchule • Alle Atmenden erwarten, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. • In der inklusiven Schule entwickeln verschiedenste Kinder und Erwachsene verschiedenste Inhalte und Lernformen
UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2006 „States Parties recognize the right of persons with disabilities to education. With a view to realizing this right without discrimination and on the basis of equal opportunity, States Parties shall ensure an inclusive education systemat all levels and life long learning…“ Quelle: UN-Konvention 2006, Artikel 24, Absatz 1, Satz 2
Juristische Konsequenzen der BRK • Individueller Rechtsanspruch (sofort gültig) „Das in der BRK anerkannte Recht steht für eine individuelle Rechtsposition mit dem Inhalt, dass im Sinne der BRK Kinder mit Behinderung einen Anspruch auf diskriminierungsfreien Zugang zum System der Regelschule haben. Wesentlich für den inhaltlichen Umfang dieses Rechts ist das Element der angemessenen Vorkehrungen.“ • Systemischer Rechtsanspruch (perspektivisch) „Kurze Zeit nach dem Inkrafttreten sind (auf der „Makroebene“) von Seiten der Vertragsstaaten zügig zielgerichtete und wirksame Maßnahmen zu ergreifen. … Über den Grundsatz der Bundestreue sowie aufgrund der im Wege des Ratifizierungsprozesses erklärten Zustimmung zur BRK sind die Länder hier ebenfalls zur zügigen Anpassung ihrer Schulsysteme verpflichtet.“ Quelle: Riedel 2010
Inklusion bedeutet, Vielfalt willkommen zu heißen und Konstruktionen von jeweils zwei Gruppen kritisch in den Blick zu nehmen zugunsten eines ununterteilbaren individuellen Spektrums.
Begriff „Inklusion“ als neuerbzw. geschärfter Fokus • wendet sich der Vielfalt positiv zu • umfasst alle Dimensionen von Heterogenität (ability, gender, ethnicity, nationality, first language, races, classes, religions, sexual orientation, physical conditions, ...) • orientiert sich an Bürgerrechtsbewegung und wendet sich gegen Marginalisierung • vertritt die Vision einer inklusiven Gesellschaft
Drei Ebenen von Inklusion • Teilhabe von Personen • Barrieren in Systemen • Umsetzung von inklusiven Werten • Themen wie Gleichheit, Rechte, Partizipation, Lernen, Gemeinschaft, Anerkennung von Vielfalt, Vertrauen und Nachhaltigkeit, aber auch zwischenmenschliche Qualitäten wie Mitgefühl, Ehrlichkeit, Mut und Freude • Eine Ebene bleibt notwendigerweise beschränkt, erst ihre Ergänzung ermöglicht eine inklusive Perspektive. Quelle: Booth in Hinz, Körner & Niehoff 2008
Heterogenität vs. Heteronormativität „Diskriminierung und Verfolgung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung ist ein Unrecht genau wie Rassismus. Homophobie ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Wir haben die Apartheid in Südafrika überwinden können. Wir werden auch Homophobie überwinden.“ (Erzbischof (em.) Desmond Mpilo Tutu 2008,7)
Hass und Vorurteile „… sind zerstörerische Kräfte. Sie zerstören Menschen, aber auch Gemeinschaften und zuweilen ganze Gesellschaften. Und sie zerstören auch den, der hasst – von innen heraus. Ein Vater oder eine Mutter, die ein Kind mit rassistischen Gedanken erziehen, zerstören die Gemeinschaft, in der sie leben.“ (ebd.)
Der „Index für Inklusion“ http://www.eenet.org.uk/
Im Internet: www.kommunen-und-inklusion.de
Schlüsselkonzepte desIndex für Inklusion • „Barrieren für Lernen und Teilhabe“ statt „sonderpädagogischem Förderbedarf“ – diskriminierend wie sexistische und rassistische Sprache • Demokratisierung durch Partizipation • Unterstützung von Vielfalt • institutionelle Diskriminierung
Dimensionen und Bereiche • Dimension A: Inklusive KULTUREN schaffen 1. Gemeinschaft bilden 2. Inklusive Werte verankern • Dimension B: Inklusive STRUKTUREN etablieren 1. Eine Schule für alle entwickeln 2. Unterstützung für Vielfalt organisieren • Dimension C: Inklusive PRAKTIKEN entwickeln 1. Lernarrangements organisieren 2. Ressourcen mobilisieren
Bereich C.1:Lernarrangements organisieren • Die Unterricht wird auf die Vielfalt der SchülerInnen hin geplant. • Der Unterricht stärkt die Teilhabe aller SchülerInnen. • Der Unterricht entwickelt ein positives Verständnis von Unterschieden. • Die SchülerInnen sind Subjekte ihres eigenen Lernens. • Die SchülerInnen lernen miteinander. • Bewertung erfolgt für alle SchülerInnen in leistungsförderlicher Form. • Die Disziplin in der Klasse basiert auf gegenseitigem Respekt. • Die LehrerInnen planen, unterrichten und reflektieren im Team. • Die ErzieherInnen unterstützen das Lernen und die Teilhabe aller SchülerInnen. • Die Hausaufgaben tragen zum Lernen aller SchülerInnen bei. • Alle SchülerInnen beteiligen sich an Aktivitäten außerhalb der Klasse. Quelle: Boban & Hinz 2003, 52
Indikator C.1.1: Der Unterricht wird auf die Vielfalt der SchülerInnen hin geplant. z. B. • Geht der Unterricht von einer gemeinsamen Erfahrung aus, die in unterschiedlicher Weise entfaltet werden kann? • Entspricht der Unterricht dem Spektrum von Interessen bei Jungen und Mädchen? • Legt der Unterricht eine Vorstellung des Lernens als kontinuierlichen Prozess nahe statt als Erledigung bestimmter Aufgaben? • Prüfen die LehrerInnen Möglichkeiten, den Bedarf an individueller Unterstützung bei SchülerInnen zu reduzieren? • Gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Aktivitäten, z.B. mündliche Vorträge und Diskussionen, Zuhören, Schreiben, Zeichnen, Problemlösen, Nutzung der Bibliothek, audio-visuelle Materialien, praktische Aufgaben und Arbeit mit dem Computer? • Berücksichtigt die Unterrichtsplanung, dass bestimmte SchülerInnen wegen ihrer religiösen Vorstellungen z.B. in Kunst und Musik Schwierigkeiten haben, sich an bestimmten Inhalten zu beteiligen? • Wird der Unterricht ggf. so angepasst, dass SchülerInnen mit körperlichen oder Sinnesbeeinträchtigungen auch im Sportunterricht, Arbeitslehre, Hauswirtschaft sowie in Physik (bei Optik und Akustik) Wissen und Fertigkeiten erwerben können? • … Quelle: Boban & Hinz 2003, 81
Schlüsselelemente inklusiver Pädagogik Der Index stellt Fragen – gibt aber keine Antworten. „Schlüsselelemente“ können Hinweise darauf geben, in welcher Richtung Antworten gefunden werden könnten.
A 1 – Gemeinschaft bilden: Gewaltfreie Kommunikation bzw. lebensbereichernde Pädagogik • gleichberechtigte Kooperation zwischen allen Beteiligten • „Don‘t pay the price for being nice“ (Kelly Bryson) • Giraffensprache vs. Wolfssprache (M. B. Rosenberg) • 4 Schritte: Beobachtung – Gefühle – Bedürfnis – Bitte • per Google: „Giraffenschule“
Hintergrund des Ansatzes • Marshall B. Rosenberg, ursprünglich Psychotherapeut, heute Konfliktmediator • Schüler von Rogers (humanistische Psychologie), Anbindung an Themenzentrierte Interaktion (R. Cohn) • erprobt in extremen Konfliktstrukturen, z. B. Naher Osten (Israelis-Araber), Bronx New York City, Serbien (Serben-Kosovaren), Nordirland (Protestanten-Katholiken), Missbrauch (Täter-Opfer) • Gründung einer Schule in Rockford, USA
Essentials einer lebensbereichernden Pädagogik • partnerschaftliche Zusammenarbeit, einvernehmliche Festlegung von Arbeitszielen • Inspiration statt Motivation • Tests am Anfang statt am Ende; Lernentwicklungsberichte statt Zensuren • Interdependente Lerngemeinschaft mit gegenseitiger Hilfe statt Konkurrenzkampf, Unterstützung bei individuellen Zielen • einvernehmliche Festlegung von Regeln und Bestimmungen, Macht nur zum Schutz, nicht zur Bestrafung Quelle: Rosenberg 2004a, 27f., Bryson 2006
Zur Lehrerrolle in Wolfsschulen „In den regulären Schulen, in denen ich oft arbeite, sind Lehrer wie Milchflaschen und die Schüler wie leere Gläser, die in einer Reihe aufgestellt sind. Unterrichten ist: die Milch in die Gläser gießen. Wenn die Prüfung kommt, dann schütten die Gläser die Milch wieder in die Milchflasche, und am Ende haben wir 30 leere Gläser und eine Milchflasche voll mit ausgekotzter Milch.“ Quelle: Rosenberg 2004b, 122
Zur Lehrerrolle in Giraffenschulen • „Lehren heißt, den Schülern Lust aufs Reisen zu machen.“ • „Reiseveranstalter bieten dir verschiedene Reiseziele an, sie können dir auch etwas empfehlen oder dich beraten, aber sie sagen dir nicht, wo du hinfahren sollst. • Reiseveranstalter erwarten von ihren Kunden weder, dass sie alle zusammen fahren, noch, dass sie alle an den gleichen Ort fahren. Und: Reiseveranstalter vermitteln die Reise und kümmern sich um das Organisatorische, aber sie fahren nicht mit.“ Quelle: Rosenberg 2004b, 120f.
A 2 – Inklusive Werte verankern: Tragende Werte • Ziel: Haltung der Anerkennung • Tragende Werte (Jesper Juul) • Gleichwürdigkeit (Gleichheit und Ebenbürtigkeit), Integrität, Authentizität, Verantwortung • Realisierung in Gemeinschaften • in egalitärer Gemeinschaft • in asymmetrischen Gemeinschaften: Führungsrolle der Erwachsenen • www.famlab.de; www.family-lab.com
Hintergrund des Ansatzes • Jesper Juul, systemischer Familientherapeut, Lehrer, Konflitberater, Schüler von Fritz Perls (Gestalttherapie) • Gründer des „Kempler-Institute of Scandinavia“ in Arhus • Gastprofessuren in Kroatien und Bosnien für Psychologie (Ausbildung Familientherapie)
früher: Rollenspiel Autoritäre Lenkung Kontrolle Belehrung / Strafe Kritik / Lob Macht heute: Authentizität Persönliche Autorität Interesse Dialog / Austausch Anerkennung Einbeziehung Realisierung: Qualität der Führungsrolle Quelle: Juul 2006, 137
B 1 – Eine Schule für alle Schüler entwickeln: Democratic Schools • Weltweit ca. 70 Schulen (25 in Israel) • Prinzip: Ein Mensch – eine Stimme • wöchentliche Schulversammlung als oberstes Entscheidungsorgan • Freiwilligkeit des Unterrichts • meist in freier Trägerschaft, selten staatlich • per Google: „K.R.Ä.T.Z.Ä.“ Quelle: Gribble 2006, 293-295
Anliegen von Democratic Schools Demokratische Schulen … • achten Kinder als vollständige Personen • bieten Freiräume zum Lernen • favorisieren persönliche Interessen • helfen bei der Überwindung von „Zahnradschäden“ • praktizieren selbst bestimmtes Lernen • ermöglichen selbstbewusste Individuen • heben die Differenz von Leben und Schule auf Quelle: Gribble 2000, 9-11
Expansives Leben FLOW selbstgewählt CHILL passiv aktiv STRESS FRUST verordnet Quelle: Boban & Hinz 2012 Defensives Leben
Lineares und pluralistisches Lernen(Yaakov Hecht) Weltwissen „waisted time“ schulisches Curriculum „well spent time“
Lineares Lernen(nach Yaakov Hecht) vomnicht Wissen zum Wissen falsche Antwort!
entdecken sprießen wissen nicht wissen blühen Tod des „Alten“ und säen des „Neuen“ zweifeln welken Pluralistisches Lernen
B 2 – Unterstützung für Vielfalt organisieren: Support Teacher & Support Teams (New Brunswick, Canada) • vollständige Inklusion • entspezialisierte, systemische inner- und außerschulische Unterstützungssysteme • Methods & Ressource Teacher (Gordon Porter) • Students Services Team (in jeder Schule und in jedem Bezirk) mit systemischem Zugang zu Situationen und Personen • per Google: „Department of Education New Brunswick“, „Inclusive Education Canada“
C 1 – Lernarrangements organisieren: Kooperatives Lernen • Lernen in kontinuierlichen heterogenen Gruppen von vier bis sechs SchülerInnen • „positive Interdependenz“ (Johnson & Johnson) • gruppenbezogene Aufgaben • drei Schritte: think – pair – share • „Walk the walk, don‘t talk the talk!“ (Norm Green) • per Google: „Kooperatives Lernen“
C 2 – Ressourcen mobilisieren: Bürgerzentrierte Planung mit Unterstützerkreisen • informelle und formelle Unterstützung durch „runde Tische“ • Ursprung in Nordamerika (Marsha Forest, Jack Pearpoint, John O‘Brien) • Vorgehensweisen wie MAP und PATH im Unterstützerkreis mit Visualisierung • Planung für Einzelne, Gruppen und Institutionen • www.inclusion.com; www.persoenliche-zukunftsplanung.de
CIRCLES: KREISE Warum noch mal? Quelle: Boban & Hinz 2012, nach O‘Brien, Pearpoint & Kahn 2010, 20
Was ist zu tun? • Barrieren für das Lernen und die Teilhabe in allen (Bildungs-) Institutionen kritisch prüfen – auch z. B. in Universitäten • Schlüsselelemente inklusiver Pädagogik systematisch entwickeln
Inklusion braucht Unterstützungssysteme, die auf Bedarfe gerichtet, aber nicht auf bestimmte Menschen spezialisiert sind. • Hier ist u. a. auch die Sonder- und Heilpädagogik eingeladen, sich am Abbau von Barrieren für Lernen und Teilhabe in einem erweiterten Rahmen bei erweitertem Fokus zu beteiligen. • Dazu sollte sie sich ihrer Expertise für spezifische Situationen vergewissern.
Mehr Informationen, Literatur, … Homepage: www.inklusionspaedagogik.de E-mail: ines.boban@paedagogik.uni-halle.de Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!