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Institut für Völkerkunde, Universität zu Köln Einführungsseminar WS 2004/05 Lioba Lenhart

Institut für Völkerkunde, Universität zu Köln Einführungsseminar WS 2004/05 Lioba Lenhart. 29.11. und 1.12.2004 13. und 14. Sitzung: Ethnologische Methoden. Film. Stéphane Breton 2001: „Eux et moi - Un ethnologue en papouasie occidentale“, ( 63 Minuten )

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Institut für Völkerkunde, Universität zu Köln Einführungsseminar WS 2004/05 Lioba Lenhart

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  1. Institut für Völkerkunde, Universität zu KölnEinführungsseminar WS 2004/05Lioba Lenhart 29.11. und 1.12.2004 13. und 14. Sitzung: Ethnologische Methoden

  2. Film Stéphane Breton 2001: „Eux et moi - Un ethnologue en papouasie occidentale“, ( 63 Minuten ) deutsche Fassung : „Ein Besuch im Urwald“  Film unter folgenden Aspekten ansehen: Informationen zur Kultur und Lebensweise der untersuchten Gruppe   Beziehung zwischen Forscher und Mitgliedern der untersuchten Gruppe Methoden Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  3. Diskussion zum Film (1) beschreiben  (2) analysieren/interpretieren  (3) bewerten Informationen zur Kultur und Lebensweise der untersuchten Gruppe • Wirtschaftsweise • soziale Organisation • Überzeugungen • Geschlechterbeziehungen Beziehung Ethnologe - Forschungssubjekte • Merkmale der Beziehung • besondere Personen • Entwicklung der Beziehung Perspektive Ethnologe  Perspektive der Dorfbewohner Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  4. … Diskussion zum Film (1) beschreiben  (2) analysieren/interpretieren  (3) bewerten Methoden • informelle Gespräche  in Alltaggesprächen bes. Themen aufgreifen • Interviews  Bsp. alter Mann, Geister • teilnehmende Beobachtung  Bsp. in Pflanzung • Medium Film  Umgang mit Medium Film Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  5. Diskussion zum Film: Zitate ... sie verstehen nicht, was ich frage ... sie wollten mich am Anfang nicht, richte mich ein abseits vom Dorf, um sie nicht zu stören ... Geschäfte machen, ... alle wollen etwas von mir, ... bin zum Händler geworden, finde es furchtbar ... Feilschen war nicht das Terrain, auf dem ich ihnen begegnen wollte, ... das tun wir nun, ... Eigennutz verbindet ... aber ich wohne schon lange hier, bin kein Fremder ... wer gibt zuerst ? ... ich bin nicht geizig, gebe Essen, gebe Medizin Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  6. … Diskussion zum Film: Zitate ... ich bin lästig, ... einer, den man nicht hergebeten hat, der aus obskuren Gründen nicht geht ... nun stelle ich weniger Fragen ... und sie gewöhnen sich an mich ... in meinem Dorf darf man Mädchen nichts tun ... das Dorf nähert sich mir, nachdem sie mich von ihm entfernt habe ... du hast mir nie etwas gegeben, nie getauscht ... wir kannten deine Absichten nicht, ... jetzt hilfst Du den jungen Männern von hier, ihre Bräute zu kaufen, ... wann bringst Du Leute aus deinem Dorf mit ... Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  7. Peoples & Bailey, Kapitel 6: „Methods of Investigation“ * Themen: (1) Methoden der Ethnologie im Überblick (2) Ethnographische Methoden (3) Vergleichende Methoden * sowie ergänzende Literatur: Beer 2003, Fischer 1983, Kohl 1979 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  8. (1) Methoden der Ethnologie im Überblick Methode – vom grch. methodos, „Gang einer Untersuchung“, eigtl. „das Nachgehen, der Weg zu etwas hin“ • Wege, die zu wissenschaftlichen Erkenntnissen führen; d.h. die Wege der konkreten Datengewinnung und –auswertung; • diese leiten sich aus den übergeordneten metatheoretischen Entscheidungen ab. vgl. hierzu 12. Sitzung: Wissenschaftstheorie. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  9. Ziele ethnologischer Forschung Die ethnologische Forschung bedient sich eines spezifischen Methodenapparates. Dessen Ausgestaltung steht in Zusammenhang mit den beiden Zielen ethnologischer Forschung: (1) Sammeln und Aufzeichnen neuer Daten über menschliche Gemeinschaften mit spezifischem kulturellen Hintergrund, (2) Erweiterung der ethnologischen Theorien zu kulturellen Systemen im Allgemeinen durch Kulturvergleichende Analyse. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  10. Ethnographische und vergleichende Methoden Die Methoden der Ethnologie lassen sich in zwei Gruppen unterteilen: • ethnographische Methoden,  zielen auf Beschreibungen von einzelnen Kulturen; • vergleichende Methoden,  zielen auf allgemeingültige Aussagen zu Kausalzusammenhängen zwischen kulturellen Phänomenen in Bezug auf eine Vielzahl von Kulturen. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  11. … Ethnographische und vergleichende Methoden Ethnographische Methoden: • implizieren das Sammeln und die Analyse deskriptiver Daten einer einzelnen Gesellschaft oder mehrerer eng verwandter Gesellschaften; • das Endprodukt ist entweder eine Fallstudie, die das kulturelle System einer Gruppe beschreibt (z.B. Lebensweise der Cheyenne) oder einige Aspekte ihres kulturellen Systems (z.B. die Religion der Cheyenne). Vergleichende Methoden: • implizieren das Testen von Hypothesen über Beziehungen zwischen bestimmten Aspekten kultureller Systeme, unter Einbezug komparativer ethnographischer Daten zu vielen Gesellschaften; • das Resultat ist in der Regel ein Buch oder Artikel, in dem versucht wird, über Kausalzusammenhänge zwischen kulturellen Phänomenen allgemeingültige Aussagen zu treffen. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  12. … Ethnographische und vergleichende Methoden Den beiden Gruppen der ethnographische Methoden und der vergleichende Methoden lassen sich jeweils weitere Untergruppen zuordnen. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  13. Methoden der Ethnologie im Überblick Ethnographische Vergleichende Methoden Methoden Feldforschung Ethnohistorie Interkultureller Kontrollierter historischer Vergleich Vergleich Teilnehmende Beobachtung Interview (Gliederung der Methoden nach Peoples & Bailey 2003) Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  14. (2) Ethnographische Methoden Hierzu gehören • FeldforschungZiel: Erkenntniszuwachs in Bezug auf gegenwärtige Kulturen; • Ethnohistorie Ziel: Erkenntniszuwachs in Bezug auf vergangene Kulturen. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  15. Feldforschung Geschichte der Feldforschung 19. Jh. überwiegend armchair anthropology (aber einige Ausnahmen!), frühes 20. Jh. „Väter“ der Feldforschung treten auf den Plan: - Franz Boas / Historischer Partikularismus, - Bronislaw Malinowski / Funktionalismus,  Schülerkreis um Boas und Malinowski führen in allen seitdem Teilen der Welt Feldforschungen durch, bis heute  ein Muss der ethnologischen Arbeit und „Initiationsritus“ der Disziplin. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  16. BOAS LOWIE KROEBER SAPIR Vergleich: Feldforschungsstil von Franz Boas und Bronislaw Malinowski Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  17. Bronislaw Malinowski  Langjährige Feldforschung in einer Dorfgemeinschaft der Insel Kiriwana imTrobriand-Archipel, Südosten von Neuguinea (heute Papua-Neuguinea);  Fokus: direkte Beobachtung und Teilnahme am Alltagsleben;  etablierte die neue Methode der Feldforschung: die „teilnehmende Beobachtung“. Der Forschungsaufenthalt war nicht ganz frei- willig: Malinowski war Pole mit österreichischer Staatsbürgerschaft, der Erste Weltkrieg über- raschte ihn in Australien, dessen Territorium er als Kriegsgegner nicht verlassen durfte. Als Alternative zur drohenden Internierung wählte er Feldforschung in abgelegenem Gebiet. … Vergleich: Feldforschungsstil von F. Boas und B. Malinowski Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  18. … Malinowski Im Einführungskapitel seines Buches Argonauts of the Western Pacific (1922) formulierte Malinowski als erster Prinzipien wissenschaftlicher Feldforschung (ein- oder mehrjähriger Aufenthalt bei maximaler Integration in das Alltagsleben der untersuchten Gemeinschaft, Erlernen ihrer Sprache usw.); dazu gleich mehr! sowie als oberstes Ziel der Ethnographie „… to grasp the native‘s point of view, his relation to life, to realise his vision of his world“. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  19. Feldforschung: Begriffsklärung, Gegenstand Feldforschung • Datenerhebung bei einer Gemeinschaft mit (relativ) fremdem kulturellen Hintergrund in deren Lebensraum über einen Zeitraum von etwa einem Jahr oder länger, • Hauptmethode: teilnehmende Beobachtung (beinhaltet spezifische Beobachtungs- und Interviewverfahren), • Ziel: Beschreibung und Deutung der für die Mitglieder der untersuchten Gemeinschaft bedeutsamen Verhaltensweisen und Vorstellungen, vor dem Hintergrund der materiellen Gegebenheiten – sollte soweit wie möglich von den Werturteilen der eigenen Kultur unbeeinflusst sein. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  20. Stationärer Aufenthalt über einen langen Zeitraum Stationärer Aufenthalt bei einer überschaubaren Gemeinschaft über einen Zeitraum von etwa einem Jahr oder länger:  Nur während eines längeren Aufenthaltes bei einer zahlenmäßig nicht allzu großen Gemeinschaft ist es möglich, intensive soziale Beziehungen einzugehen und nicht nur in offensichtliche, sondern auch in "kritische" Bereiche ihres Lebenszusammenhangs Einblick zu gewinnen. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  21. Sozialisation durch die fremde Kultur Sozialisation durch die fremde Kultur - Prozess sozialer Interaktion und Kommunikation zwischen Forscher und Informanten: • Beide Seiten lernen, miteinander umzugehen — sie entwickeln soziale und emotionale Beziehungen sowie gegenseitige Akzeptanz und Dialogbereitschaft und -fähigkeit. Der/die Forscher/in nimmt am Alltagsleben der Gruppe teil, muss einen Platz in ihrem sozialen System finden und erhalten, Normen, Bedeutungs- und Symbolzusammenhänge, welche u.U. denen seines eigenen sozialen und kulturellen Kontexts entgegengesetzt sind, kennen und sich nach diesen verhalten lernen, um als Teilnehmer/in angesehen werden zu können. • Seine/ihre primäre Rolle ist die eines/r Lernenden. In der Interaktion und durch Kommunikation mit den Untersuchten lernt er/sie sukzessive, den Sinn von Bedeutungen zu verstehen, welche die Untersuchten den Phänomenen ihrer Alltagswelt zuweisen. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  22. Außergewöhnliche Erfahrung und Reflexion der Forschungstätigkeit • Feldforschung wirkt sich zum einen Persönlichkeitsbildend und -verändernd aus. • Zum anderen „zwingt“ sie den/die Forscher/in zur Auseinandersetzung mit konkreten, existentiellen Fragen der Untersuchten, was ihn/sie unter bestimmten Bedingungen veranlassen kann, sich für diese zu engagieren. Die Daten, die er/sie im Verlauf der Feldforschung erhoben hat, können - neben der wissenschaftlichen Verwertbarkeit - für problemorientiertes praktisches Arbeiten genutzt werden. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  23. Kulturschock Der unmittelbaren Kontakt mit einer fremden Kultur kann (muss aber nicht immer) traumatisch sein, wenn vom Forscher/der Forscherin ev. unbefragt als für alle Menschen in gleicher Weise bindend angenommene soziale Rollenverteilungen, Denkformen, Gefühlsreaktionen, ästhetische und moralische Standards nicht gelten und andere an deren Stelle treten.  Dies ist eher der Fall im Kontakt mit Gruppen, zu denen die kulturelle Distanz sehr groß ist (z.B. Papua-Gruppen  vgl. das Filmbeispiel!),  und weniger der Fall z.B. bei Untersuchungen in einem international geprägten, städtischen Kontext (z.B. Japaner in Kyoto). Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  24. Schwierige Phasen Immer aber wird es während einer Feldforschung schwierige Phasen geben. Dies betr. u.a. • Einsamkeit und soziale Unsicherheit (was mache ich hier? warum dränge ich mich auf?); • unvorgesehene Ereignisse in Form von Erkrankungen, Unfällen, gewalttätigen Unruhen u.ä. sowie persönliche Schwierigkeiten mit bestimmten Informanten usw.; • auch können wissenschaftliche Probleme auftreten und Stress erzeugen: das ursprüngliche Thema kann sich als nicht adäquat oder undurchführbar herausstellen, man bleibt im Forschungs-prozess „stecken“ und dgl. mehr. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  25. going native „Going native“ meint die völlige Integration in die untersuchte Gemeinschaft : der/die Ethnologe/Ethnologin gibt die Distanz auf, die er/sie braucht, um wissenschaftlich arbeiten zu können und entschließt sich gegen die Rückkehr in die eigene Gesellschaft.  „going native“ ist ein sehr seltenes Phänomen ! Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  26. Die ethische Dimension der Feldforschung Allein die Anwesenheit des/der Forschers/Forscherin bei einer lokalen Gemeinschaft ist immer schon Intervention/Einmischung in lokale Verhältnisse. Das verpflichtet den/die Forscher/in, der Gruppe gegenüber verantwortlich zu handeln. Ethische Prinzipien der Feldforschung  wurden im Statement on Ethics des Dachverbandes der US- amerikanischen Ethnologinnen (American Anthropological Association) bereits 1967 formuliert.  Auch deutsche Ethnolog/innen führen eine diesbezügliche Debatte – so beispielweise im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft für Entwick- lungethnologie. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  27. … ethische Dimension der Feldforschung Grundkonsens aller Ethnologen ist: • Forschung darf nie verdeckt durchgeführt werden und darf den Informant/innen nicht schaden oder sie in Gefahr bringen. In Bezug auf die wissenschaftliche Arbeit heißt dies konkret, • dass die Ziele klar artikuliert und die Auswirkungen der Tätigkeit vor Ort und im Hinblick auf eine Publikation bedacht werden müssen (z.B. nichts gegen den ausdrücklichen Willen der Untersuchten - Ritualwissen u.ä. - und keine brisanten Informationen zu publizieren oder auf anderem Wege öffentlich zu machen) ; • sowie die Anonymität der Untersuchten, ihre Rechte und Interessen, ihr physisches, soziales und psychisches Wohler-gehen zu wahren. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  28. Reziprozität Betr. die Frage, was der/die Forscher/in den Informanten zurückgeben kann, ohne deren Einverständnis und Beteiligung die Arbeit im Feld nicht möglich wäre. Möglichkeiten sind hier u.a. • sich selbst als Person einbringen, nicht einseitig Befragen, sondern Feldforschung als Möglichkeit beidseitig bereichender Kommunikation praktizieren; • finanzielle Unterstützung in Form von Schulgeld u.ä., Versorgung mit Medikamenten, Fahrdienste, Schreibdienste, Vermittlung gegenüber Regierungsstellen oder anderen Organisationen; • zudem besteht die Möglichkeit, durch die Forschungsergebnisse eine „Rückzahlung“ zu leisten - dies sollte allerdings nicht überschätzt werden. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  29. Idealtypischer Ablauf einer Feldforschung Forschungsphasen: Feldforschung (in der Regel 1-2 Jahre) ist eingebettet in zwei weitere Forschungsphasen:  die Vorbereitung (ca. 1 Jahr oder länger);  die Auswertung der Daten und Niederschrift der Ergebnisse nach Rückkehr (selten weniger als 2 Jahre, oft länger). Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  30. … Idealtypischer Ablauf einer Feldforschung Forschungsplan (nach Fischer 1983:73ff.; vgl. auch Beer 2003):  Thema „finden“ und in ein Forschungsprogramm umsetzen;,  Vorarbeiten/Organisation der Forschung;  Aufenthalt/Forschung im Untersuchungsgebiet/in der untersuchten Gemeinschaft - Orientierung, Exploration, stationäre Forschung;  Auswertung und Niederschrift nach Rückkehr. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  31. … Forschungsplan  Thema "finden" und in ein Forschungsprogramm umsetzen 1. Formulierung des Forschungsthemas  geschieht aufgrund von Vorkenntnissen!! - aus ethnologischer Theorie abgeleitet; - und/oder politische/soziale Fragen betreffend. 2. Herstellen theoretischer und/oder praktischer Bezüge  falls es sich nicht um eine reine Beschreibung handeln soll! 3. Entscheidung für Forschungstypus/Hauptmethode und spezifische Verfahren - ist Feldforschung/teilnehmende Beobachtung sinnvoll? oder reicht Archivarbeit aus? - bei Entscheidung zur Feldforschung/teilnehmenden Beobachtung: Untersuchung in einem Dorf/einer Gemeinde? oder vergleichende Untersuchung in mehreren Dörfern/Gemeinden? Kommen wenig oder stark strukturierte Untersuchungsverfahren (Beobachtungs-/Inter- viewverfahren) in Frage? Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  32. … Forschungsplan 4. Auswahl des Untersuchungsgebietes - Basis: allgemeine Kenntnisse über die Region/Gebiete, in der die interessierende Gruppe lebt; - sowie persönliche Fähigkeiten, Sprachkenntnissen, Vor- lieben und Abneigungen. Vorarbeiten/Organisation der Forschung 5. Vorarbeiten - Einarbeitung in die Literatur zur Region und zur interessierenden Gruppe; - sprachliche Vorbereitung; - Einüben von Methoden. 6. Organisation der Feldforschung - Fragen der Finanzierung; - Kontaktaufnahme zu Kollegen/Experten hier und im Gastland; - Einholung eventuell erforderlicher Genehmigungen staatlicher Stellen; - Zusammenstellung der Ausrüstung; Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  33. … Forschungsplan Aufenthalt/Forschung im Untersuchunsgebiet/in der untersuchten Gemeinschaft: Orientierung, Exploration, stationäre Feldforschung 7. Kontaktaufnahme und erste Orientierung - im Gastland; - im Gebiet/am Ort der Feldforschung; - Organisation von Unterkunft, Ernährung und anderen Voraussetzungen des Lebens vor Ort; - Vorbringen/Verständlichmachen der Absichten; - mit ungewohnter Situation zu Rande kommen. 8. Exploration je unbekannter/fremder einem die räumliche, kulturelle und soziale Umwelt/die Menschen des Untersuchungsgebietes sind, desto länger! - Überblick zu allen Bereichen der Kultur verschaffen; - Sprachkenntnisse verbessern; - Verfahren: teilnehmende Beobachtung und spezifische, wenig strukturierte Beobachtungs- und Interviewtechniken Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  34. … Forschungsplan 9. Untersuchung des spezifischen Forschungsproblems - Problem, das entweder der eigentliche Anlass der Feldforschung war; - und/oder Problem, das in der Phase der Exploration (vom Forscher und/oder von den Untersuchten) entdeckt und in Bezug auf die Lebenssituation der Betroffenen für relevant/"brennend" erachtet wird. 10. Datenauswertung sowie Öffentlichmachung und/oder Veröffentlichung der Ergebnisse, auch im Hinblick auf deren Relevanz für die Praxis - vor Ort: tägliche Notizen ins Reine schreiben und vergleichen, Texte vom Band übertragen, Fragen und Beobachtungshinweise für den nächsten Tag formulieren; - vor Ort: Zwischenauswertungen zur Planung des weiteren Vorgehens; - vor Ort und/oder später/nach Rückkehr: Bearbeitung des gesamten Materials und Analyse der Daten im Hinblick auf das Forschungsproblem und die Nutzung der Erkenntnisse für die Praxis; - bei praktischer Relevanz: Umsetzung in ein Programm für die Praxis. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  35. Forschungsablauf: Die Entwicklung der Beziehung zwischen Informanten und Forscher, des Datenfeldes und des methodischen Vorgehens • Die Untersuchung einer kulturell (relativ) fremden ethnischen Gruppe muss sich zunächst auf die Erfassung grundlegender Merkmale ihrer Kultur und Lebensweise konzentrieren; sowie auf die Erfassung von Hintergrundinformationen, welche die Gegebenheiten der Region/des Gebietes als Lebensraum dieser Gruppe betreffen. Erst im Anschluss daran kann die Datenerhebung auf spezifische Phänomene, die im Zusammenhang mit dem besonderen Forschungsinteresse (z.B. wirtschaftsethnologische Fragestellungen) stehen, konzentriert werden. • Das methodische Vorgehen verlagert sich dementsprechend sukzessive von der unstrukturierten Beobachtung und informellen Gesprächen hin zu stärker strukturierten Beobachtungs- und Interviewverfahren. • Beides steht zudem im Zusammenhang damit, dass Feldforschung einen Interaktionsprozess zwischen dem/der Forscher/in (und Instrument der Untersuchung) und seinen/ihren Informant/innen darstellt, in dessen Verlauf beide Seiten soziale und emotionale Beziehungen und gegenseitige Akzeptanz und Dialogbereitschaft allmählich entwickeln. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  36. Faktoren, die in wechselseitiger Abhängigkeit den Forschungsprozess beeinflussen Entwicklung der Beziehung Entwicklung/Aufbau des Entwicklung des zwischen Informanten und des Datenfeldes methodischen Vorgehens Forscher Rolle des Merkmale der Richtung Merkmale der Methoden: Merkmale der Forschers: Rolle des For- des Daten- Daten: Methoden: schers in ihrer sammelns: Definition durch die Informanten: Außen- fremd Ent- Außen- Orien- un- stehen- decken sicht/ tierung/ struk- der neuer etische Explo- turiert Phäno- Per- ration mene spek- tive Unter- suchung konkreter spezi- Phäno- fische mene Beob- Innen- achtungs- Unter- sicht/ und Teil- ver- suchung emische Interview- struk- neh- traut abstrakter Per- ver- tu- mer Phäno- spek- fahren riert mene tive Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  37. Beobachtung und Befragung • Die Methode der Beobachtung zielt darauf, das alltägliche Handeln von Menschen festzustellen. • Interviewverfahren dienen dazu herauszufinden, wie die Handelnden ihr Tun erklären und deuten und in welche Kontexte sie dieses einbetten.  Jeder Befragung auf thematischem Neuland wird eine Phase der Beobachtung vorausgehen!  Beobachtung und Befragung sind zwar analytisch voneinander und von anderen Methoden (z.B. Gruppendiskussion) zu trennen – de facto überschneiden sich diese Verfahren häufig! • Für diese Verfahren gilt: Der zunächst weite Blickwinkel wird im Forschungsprozess sukzessive verengt. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  38. … Beobachtung und Befragung Beginn der Forschung Ende der Forschung Beobachtungs-/Befragungsdaten Überblick Detaillierung Selektion Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  39. Teilnehmende Beobachtung, Interview, Dokumenten-analyse Teilnehmende Beobachtung: • Leben unter den Untersuchungssubjekten, gekennzeichnet durch weitgehende Teilnahme an täglichen Aktivitäten und informelle Gespräche; • Wechselspiel Beobachten – Nachfragen – Verstehen; • Beobachtungen und Erkenntnisse werden in Feldnotizen festgehalten. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  40. … Teilnehmende Beobachtung, Interview, Dokumentenanalyse Interview • insbesondere mit so genannten Schlüsselinformant/innen (Personen, die Expert/innen für bestimmte Bereiche sind); • Formen: • unstrukturierte Interviews: offen, ohne festgelegte Themen/Fragen und ohne vorbestimmten Ablauf - Vorteil: unvermutete Entdeckungen sind möglich; • semistrukturierte Interviews: mit Leitfaden, ansonsten aber weitgehend offen - Vorteil: man redet „zum Thema“, aber trotzdem ist Raum für vorab ungeahnte Aspekte; • strukturierte Interviews: mit Hilfe von Fragebögen; Beispiel: Zensus, Genealogien - Vorteil: Vergleichbarkeit (jedoch nur die Dinge, die gefragt wurden!). Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  41. … Teilnehmende Beobachtung, Interview, Dokumentenanalyse Auswertung von Dokumenten  ergänzen durch Beobachtungs- und Interviewverfahren gewonnene Erkenntnisse • z. B. Quellen in Kolonialarchiven, Kirchenbücher, Tageszeitungen, Flugblätter, Informanten-E-Mails, Internetquellen usw. (Letzteres je nach Thema und Grad der Schriftlichkeit). Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  42. Realitätsgehalt von Ethnographien Zu Beginn der ethnographischen Feldforschung herrschte wenig Zweifel an der Fähigkeit von Ethnolog/innen, realitätsgerechte Beschreibungen abzuliefern und seine/ihre eigene persönliche und kulturelle Brille ablegen zu können. Dem folgten aber diverse „Erschütterungen“ – Bsp.e: Malinowskis Tagebücher, Mead vs. Freeman-Debatte, Castañeda. Lösungsansätze heute: • Bemühen um methodische Standards, Offenlegen der Wege der Datenerhebung und des genauen methodischen Vorgehens, • Kontrolle durch restudies und durch Kollegen, die gleiche Region bearbeiten, • Teamarbeit; • sowie neue Schreibstile: z.B. dialogische oder polyphone Schreibweise, Reflexion der Rolle von Forscher/in usw. (vgl. Postmoderne-Debatte, Seminarsitzung zu ethnologischen Theorien) Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  43. Ethnohistorie Ethnohistorie ist die Rekonstruktion früherer kultureller Zustände und des Wandels auch in vorkolonialer Zeit mit Hilfe von schriftlichen und anderen Quellen;  Datenquellen: vor allem Archive (z.B. Kirchenregister), Tagebücher, Karten, Zeichnungen, Abbildungen, Zeitungen. Parallelen und Unterschiede zur gewöhnlichen Geschichtsschreibung: • Erkenntnisziel sind kulturelle Zustände und nicht so sehr Ereignis- abfolgen (darin allerdings der Alltags- und Sozialgeschichte ähnlich); • Quellen sind häufig nicht von Angehörigen der untersuchten (selbst oft schriftlosen) Kultur, sondern von Missionaren, Kolonialbeamten u.ä. – dadurch bestimmte problematische Perspektive und folglich Interpretationsprobleme; • Problem der „Lücken“ – was der/die Berichterstatter/in als unwichtig empfindet, fehlt (Bsp.: berühmte ethnohistorische Kontroverse: M. Sahlins und Gananath Obeyesekere über die Gründe der Ermordung Captain James Cooks auf Hawaii). Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  44. (3) Vergleichende Methoden Hierzu gehören • interkultureller VergleichZiel: Überprüfung von Hypothesen; • kontrollierter historischer Vergleich Ethnohistorie Ziel: Überprüfung von Hypothesen untere Berücksichtigung historischer Prozesse. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  45. Interkultureller Vergleich Sinnvoll ist der Vergleich von Phänomenen mit gemeinsamen Merkmalen (z.B. Kulturen aus der gleichen Region, mit der gleichen Produktionsweise o. ä.). Vorgehen: • Formulierung einer Idee in Form einer Hypothese, die dann bestätigt oder abgelehnt werden kann (Vergleichsgegenstand), • Operationalisierung der Variablen (die Vergleichsmerkmale), • Zusammenstellung derStichprobe (die zu betrachtenden Fälle), • Klassifizierung, Verkodung der Variablen, • Vergleich und Auswertung mit Hilfe statistischer Tests (z.B. Zusammenhangmaße), • Darstellung und Diskussion der Ergebnisse. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  46. Abhängige und unabhängige Variablen In der Regel soll eine Variable durch eine/mehrere andere Variablen erklärt werden: • die zu erklärende Variable = abhängige Variable, • die zur Erklärung herangezogenen Variablen = unabhängige Variablen.  Ob eine Variable abhängig oder unabhängig ist, ist manchmal eindeutig, manchmal uneindeutig: Bsp. / eindeutig: Alter und Musikgeschmack: Letzteres kann Ersteres beeinflussen, aber nicht umgekehrt; daher ist Musikgeschmack die abhängige Variable; Bsp. / uneindeutig: Beispiel im Buch zu Präsenz/Absenz von Hexereiglaube und formalem Rechtssystem. Variablen werden Werte zugeordnet; diese sind • entweder qualitativ (z. B. „grau“/„rot“); • oder quantitativ (z. B. „0“, „ 1,5“, „17“). Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  47. Darstellung Jeder Vergleich lässt sich in Form eines Rasters abbilden: Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  48. Korrelationen und Implikationen Ergebnisse eines Vergleichs sind • entweder Korrelationen d. h. Aussagen über die Wahrscheinlichkeit des gemeinsamen Auftretens bzw. gemeinsamen Ansteigens/Ab-sinkens; • oder Implikationen d. h. Wenn-dann-Aussagen, die ohne Ausnahmen gelten.  ganz gleich ob Korrelationen oder Implikationen: • ob eine kausale Verknüpfung vorhanden und wie diese gerichtet ist (unilinear oder in Wechselwirkung), ist damit noch nicht geklärt; denn: • eine dritte, vielleicht gar nicht untersuchte Variable kann eigentlich verursachend sein. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  49. Beispiel: Interkultureller Vergleich Studie von Whiting 1950 • Fragestellung: Gibt es einen Zusammenhang zwischen Hexerei und bestimmten Rechtssystemen? • Vorannahmen zum Phänomen der Hexerei: Diese kann in bestimmten Situationen auch der sozialen Kontrolle und der Ausübung von Sanktionen dienen; dadurch hat Hexerei auch einen Abschreckungseffekt. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

  50. … Beispiel: Interkultureller Vergleich • Hypothese: Wenn dem so ist, dann muss Hexerei in Kulturen ohne formales Rechtssystem wichtiger sein als in Kulturen mit formalem Rechtssystem. 2. Operationalisierung ( vgl. auch Seminarsitzung zur Wissenschafts-theorie, dort: operationale Definitionen): betr. Definitiondessen, was in dem Zusammenhang „wichtig“ und „unwichtig“ ist und Definition von „formales Rechtssystem“ und „nicht-formales Rechtssystem“ durch Bildung von Indikatoren. 3. Stichprobe: Whiting wählte hier 50 Gesellschaften aus, zu denen Ethnographien vorlagen. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Ethnologische Methoden

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