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Dr. Martin Bernet Dr. Fritz Blumer

Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer Berücksichtigung des Immaterialgüterrechts Veranstaltung der Vereinigung Schweizerischer Unternehmensjuristen (VSUJ) 14. März 2007.

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  1. Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer Berücksichtigung des ImmaterialgüterrechtsVeranstaltung der Vereinigung Schweizerischer Unternehmensjuristen (VSUJ)14. März 2007 Dr. Martin Bernet Dr. Fritz Blumer

  2. Übersicht 1. Einführung 2. Der rechtliche Rahmen 3. Die Praxis 4. Zusammenfassung | Schlussfolgerungen | Tipps

  3. 1. Einführung Rechtlicher Rahmen Praktische Fälle Besonderes im Immaterialgüterrecht Ziele

  4. 2.Der rechtliche Rahmen 2.1 Grenzüberschreitende Vollstreckung von Urteilen in Zivil- und Handelssachen 2.2 Anerkennung ausländischer Konkursdekrete 2.3 Besonderheiten im Immaterialgüterrecht 2.4 Ein Wort zur Vollstreckung von Schiedssprüchen

  5. 2.1 Grenzüberschreitende Anerkennung und Vollstreckung - Rechtsquellen • Rechtsquellen: • IPRG • LugÜ, revidiertes LugÜ • (bilaterale Abkommen)

  6. 2.1 Grenzüberschreitende Anerkennung und Vollstreckung - IPRG • Voraussetzungen nach IPRG (Art. 25 ff.) • Indirekte Zuständigkeit des ausländischen Gerichts (weitgehender Schutz der "Wohnsitzgerichtsstandgarantie" (früher Art. 59 BV, heute Art. 30 Abs. 2 BV, Art. 149 IPRG) • Kein ordentliches Rechtsmittel mehr bzw. Entscheidung endgültig Entscheidungen des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich nicht anerkennungsfähig • Kein Verweigerungsgrund i.S.v. Art. 27 IPRG • Anerkennung wäre mit schweizerischem materiellen Ordre public offensichtlich unvereinbar • Verletzung des formellen Ordre public (gehörige Ladung, rechtliches Gehör)

  7. 2.1 Grenzüberschreitende Anerkennung und Vollstreckung - LugÜ • LugÜ (Art. 26 ff.) • grundsätzlich keine Prüfung der indirekten Zuständigkeit: keine Garantie der Wohnsitzgerichtsstandsgarantie • keine formelle Rechtskraft vorausgesetzt; Vollstreckbarkeit genügt (Art. 30, 31, 39) grundsätzlich auch Entscheidungen des einstweiligen Rechtsschutzes • Verweigerung der Anerkennung wegen Verletzung des materiellen Ordre public oder des formellen Ordre public • Keine Anhörung des Urteilsschuldners vor Erlass der Vollstreckbarerklärung (Art. 34 Abs. 1) • "Voraussetzungsloser" Anspruch auf Erlass sichernder Massnahmen (Art. 39)

  8. 2.1 Grenzüberschreitende Anerkennung und Vollstreckung - EuGVO • EuGVO und rev. LugÜ • Keine Prüfung der Verweigerungsgründe vor Erlass der Vollstreckbarerklärung, erst im "Rechtsbehelfsverfahren" (Art. 41 EuGVO) • genereller Trend: • Erleichterung der Vollstreckung • Abbau von Schranken • Verbesserung der Rechtsstellung des Urteilsgläubigers

  9. 2.1 Grenzüberschreitende Anerkennung und Vollstreckung: Haager Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen • Haager Konferenz für Internationales Privatrecht • „Preliminary Draft Convention on Jurisdiction and Foreign Judgments in Civil and Commercial Matters“ (30. Oktober 1999) • Aufbau und Geltungsbereich ähnlich EuGVÜ / LugÜ • Regelungsgehalt ähnlich EuGVÜ / LugÜ, ausser • Ausnahmebestimmung für „Forum non Conveniens“ • Beschränkte Anerkennung bei „Punitive Damages“ • Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen vom 30. Juni 2005 als erster Schritt (?) • Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung bei vereinbartem Gerichtsstand • Sachlicher Geltungsbereich mit zahlreichen Ausnahmen • Beschränkte Anerkennung bei „Punitive Damages“ • Regelungen betr. Zusammenwirken mit anderen Übereinkommen

  10. 2.1 Grenzüberschreitende Anerkennung und Vollstreckung - Diskriminierung schweizerischer Urteile • Heute: kantonale ZPO / Art. 81 SchKG • formelle Rechtskraft des Entscheides • Anhörung des Urteilsschuldners vor Vollstreckung • grundsätzlich keine Möglichkeit von sichernden Massnahmen • Ab 2010 (?): Schweizerische ZPO / Art. 81 SchKG • Verbesserung nur für Nicht-Geldurteile • Vorläufige Vollstreckung formeller Rechtskraft möglich mit Zustimmung Rechtsmittelinstanz; gleichzeitige Anordnung von sichernden Massnahmen / Sicherheitsleistung (Art. 312 Abs. 2 E ZPO) • Vollstreckungsgericht kann bei Gefahr der Vereitelung / wesentlichen Erschwerung ohne vorherige Anhörung der Gegenpartei sichernde Massnahmen anordnen (Art. 338 E ZPO) • Aber: keine "voraussetzungslosen" Sicherungsmassnahmen

  11. 2.2 Die Anerkennung ausländischer Konkursdekrete - IPRG • Art. 166 IPRG • Konkursdekret am Wohnsitz des Schuldners ergangen (indirekte Zuständigkeit) • Vollstreckbarkeit (# Rechtskraft) des ausländischen Konkursdekrets • Gegenrecht • Rechtsfolge: Schweizerischer "Mini-Konkurs" • Nur schweizerische Vermögenswerte (Art. 170 IPRG) • Besonderer Schutz für privilegierte schweizerische Gläubiger (Art. 172, 173 IPRG)

  12. 2.2 Die Anerkennung ausländischer Konkursdekrete - IPRG • Bedeutung • Lockerung des Territorialitätsprinzips • Verhinderung der "Selbstbedienung" einzelner Gläubiger • Wenig attraktiv aus Sicht des ausländischen Konkursverwalters  "Umgehung" durch Zusammenarbeit mit einem Gläubiger

  13. 2.2 Die Anerkennung ausländischer Konkursdekrete - Staatsverträge • alte Staatsverträge mit der Krone Württemberg und dem Königreich Bayern (von 1825/26 und 1834) • Grundsatz der Universalität: keine Anerkennung des ausländischen Konkursdekrets notwendig • Ausländischer Konkursverwalter kann direkt Auskunft über / Herausgabe von schweizerischem Vermögen verlangen • Bei Bedarf kann er Rechtshilfe des schweizerischen Konkursamts verlangen (vgl. ZR 96 (1997) Nr. 104: Bayern) • Unklarer Status des Vertrags mit dem Königreich Sachsen von 1837, da seinerzeit von DDR nicht übernommen

  14. 2.2 Die Anerkennung ausländischer Konkursdekrete - Staatsverträge • Schweizerisches Handelsamtsblatt Nr. 8 vom 12. Januar 2001, S. 277

  15. Rechtlicher Rahmen: Anerkennung ausländi-scher Konkursdekrete - die EulnsVO • Der EuGH-Entscheid im Fall Eurofood (vom 2. Mai 2006, Slg. 2006 I - 3813) • Konkurrierende Zuständigkeit am Centre of Main Interests beansprucht von den Gerichten Italiens (Parmalat Irland (Dublin) in Konkurs der Eurofood IFSC Ltd. • Eurofood: Beschaffung von Finanzmitteln für den Parmalat-Konzern • Streitfrage: Ist Centre of Main Interests in Italien oder Irland (statutarischer Sitz) • EuGH: In casu spielt Verwendung von Art. 3 Abs. 1 EuInsVO: Centre of Main Interests am statutarischen Sitz • Offen, ob bei anderer Konstellation anders zu entscheiden wäre - i.S. der "mind of management" / "head office functions" - Konzepte

  16. Rechtlicher Rahmen: Anerkennung ausländi-scher Konkursdekrete - Bedeutung der EulnsVO für die Schweiz • Keine direkte Anerkennungsfähigkeit ausländischer Zuständigkeit am Centre of Main Interests • Allenfalls Zunahme der Zahl der Staaten mit Gegenrecht (Übernahme der EuInsVO ins innerstaatliche IPR, Beispiel Österreich) • EuInsVO repräsentiert Trend zur Kooperation - vgl. auch BCCI-Fall

  17. 2.3 Besonderheiten im Immaterialgüterrecht • A Besonderheiten der Vollstreckung im Immaterialgüterrecht • B Zum Spannungsverhältnis zwischen Territorialitätsprinzip und internationaler Rechtsvereinheitlichung • C Crossborder-Rechtsprechung

  18. 2.3 Besonderheiten im Immaterialgüterrecht (A) Wie sind Urteile zu vollstrecken? • Urteile auf Schadenersatz | Gewinnherausgabe • V am Sitz des Beklagten bzw. Ort des Vermögens • Regeln für die Vollstreckung von Geldforderungen • Unterlassungsurteile • V nur im Schutzterritorium • Grundsätzlich NICHT VOLLSTRECKBAR • Ersatz der Realvollstreckung durch indirekten Zwang • Art. 292 StGB • Kantonalrechtliche Sanktionen (Astreinte etc.) • Alternativlösung: Beseitigung | Verwertung oder Zerstörung von Erzeugnissen oder Einrichtungen • Art. 69 PatG • Art. 57 MSchG

  19. 2.3 Besonderheiten im Immaterialgüterrecht (B) Territorialitätsprinzip • Anknüpfung an das Schutzterritorium | Schutzstaat • Erteilung durch eine Behörde im Schutzstaat • Allfällige Nichtigerklärung durch ein Gericht im Schutzstaat • Wirkungen des Rechts unter dem Recht des Schutzstaats (materiellrechtliches Territorialitätsprinzip), insbesondere • Verletzungshandlungen (Verkauf, Import, Teilnahme an solchen Handlungen etc.) • Verletzungshandlungen nur auf dem Territorium des Schutzstaats • Schutzumfang (welche Gegenstände fallen unter ein Patent | eine Marke?) • Schadenersatzbemessung • -> Konsequenzen im IPR • Beurteilung von Verletzungen durch ein Gericht im Schutzstaat • Unabhängigkeit des Rechts von Rechten in anderen Territorien

  20. 2.3 Besonderheiten im Immaterialgüterrecht (B) Territorialitätsprinzip v. Beklagtengerichtsstand Nichtigkeitskläger Beklagter / Patentinhaber CH Forum Territorium Patent DE

  21. 2.3Besonderheiten im Immaterialgüterrecht (B) Territorialitätsprinzip und supranationale Schutzrechte • Europäisches Patent als Bündelpatent • Europäisches Patentübereinkommen als Grundlage • Erteilung mit Wirkung für benannte Staaten • Zentrales Einspruchsverfahren • Nationale Phase: EP wirkt in jedem Staat wie ein nationales Patent (Art. 2 Abs. 2 EPÜ) – AUSSER: • Schutzbereich richtet sich nach dem EPÜ • Nichtigerklärung nur, wenn „europäische Nichtigkeitsgründe“ gegeben • Schutzdauer gemäss EPÜ • (Rechte aus dem Patent weitgehend gemäss TRIPS) • Immer noch: Beurteilung von Verletzung | Nichtigkeit durch nationale Gerichte

  22. 2.3 Besonderheiten im Immaterialgüterrecht (B) Territorialitätsprinzip und supranationale Schutzrechte • IR-Marken • Madrider Übereinkommen (SR ) | Madrider Protokoll • Erlangung von Markenschutz in beliebig wählbaren Mitgliedstaaten: • Eintragung einer nationalen Basismarke • Schutzausdehnung durch Eintragung einer sog. IR-Marke bei der WIPO (World Intellectual Property Organization) in Genf • Nachträglich evtl. „Refus“ durch nationale Markenämter oder Einspruch durch Inhaber von Drittmarken • Gemeinschaftsmarke (EU) • Gemeinschaftspatent ???

  23. 2.3 Besonderheiten im Immaterialgüterrecht (B) Strenges Territorialitätsprinzip unter Art. 16 Ziff. 4 LugÜ für Angriffe auf Patente und Marken • Art. 16: Ohne Rücksicht auf den Wohnsitz sind ausschliesslich zuständig • (...) • 4. für Klagen, welche die Eintragung oder die Gültigkeit von Patenten, Warenzeichen (...) zum Gegenstand haben, die Gerichte des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Hinterlegung oder Registrierung beantragt oder vorgenommen worden ist oder aufgrund eines zwischenstaatlichen Übereinkommens als vorgenommen gilt. • Besonderheit: Anerkennungs- und Vollstreckungsrichter prüft Anwendung von Art. 16 Ziff. 4 • Konsequenzen: • sog. Peacemeal Litigation, wenn z.B. ein Europäisches Patent angegriffen werden muss gegriffen werden muss • Fragezeichen über der ganzen Crossborder Litigation (vgl. später)

  24. 2.3 Besonderheiten im Immaterialgüterrecht (C) „Crossborder-Litigation“ - Grundsätzliches • Begriff | Ursprünge • Beurteilung der Verletzung eines „fremden“ (d.h. nicht im Gerichtsstaat gültigen) Schutzrechts durch ein nationales Gericht (Verletzung des Territorialitätsprinzips) • NL-Praxis der neunziger Jahre • Schnelles „kort geding“-Verfahren • Extensive Auslegung der eur. Gerichtsstandsbestimmungen • Vorwurf: „Cowboy Judges“ • Frühere Praxis, z.B. OGer LU 1958, ZBJV 95 (1959), 75ff. • CH-Gericht am Sitz des Verletzers zuständig für Erlass eines Verbots der Markenverletzung in der Schweiz und in den Ländern der Madrider Übereinkunft, wo die IR-Marke galt

  25. 2.3 Besonderheiten im Immaterialgüterrecht (C) „Crossborder-Litigation“ am Beklagtengerichtsstand • Grundlage für Gerichtsstand: • Art. 2 LugÜ: „vor den Gerichten dieses Staates“ (Wohnsitz des Beklagten) • nationale Gerichtsstandsbestimmungen (z.B. Art. 109 IPRG) zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit innerhalb des Staates • Beklagtengerichtsstand als allgemeiner Gerichtsstand im LugÜ • gilt immer, wenn keine ausschliessliche Zuständigkeit eines anderen Gerichtsstandes • Allenfalls anwendbar: Ausschliesslicher Gerichtsstand nach Art. 16 Ziff. 4 LugÜ

  26. 2.3 Besonderheiten im Immaterialgüterrecht (C) Crossborder-Litigations am Gerichtsstand der Beklagtenmehrheit • Grundlage: Art. 6 Ziff. 1 LugÜ: • Eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, kann auch verklagt werden, • 1. wenn mehrere Personen zusammen verklagt werden, vor dem Gericht, in dessen Bezirk einer der Beklagten seinen Wohnsitz hat; • Weitere Voraussetzung gemäss Praxis des EuGH: Sachzusammenhang so eng, dass widersprechende Entscheidungen ergehen könnten (Art. 22 Abs. 3 LugÜ) • Typischer IP-Anwendungsfall: EP wird durch den Verkauf des Produktes X im mehreren Ländern verletzt. • Gleiches Patent • Gleicher Schutzbereich • Oft miteinander verbundene Verletzer

  27. 2.3 Besonderheiten im Immaterialgüterrecht (C) Crossborder-Litigation / Gerichtsstand am Verletzungsort • Grundlage: Art. 5 Ziff. 3 LugÜ: Eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, kann in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, (…) 3. wenn eine unerlaubte Handlung (…) oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. • Nicht ausschliessliche Zuständigkeit am Ort der Handlung, welche das Schutzrecht verletzt (z.B. Ort der Herstellung, des Verkaufs) • Crossborder-Wirkung unklar (evtl. Zuständigkeit des Gerichts am Verletzungsort nur für Verletzungen im Gerichtsstaat)

  28. 2.3 Besonderheiten im Immaterialgüterrecht (C) Ende der Crossborder-Rechtsprechung? • Gegensatz zwischen Crossborder-Rechtssprechung und strengem Territorialitätsprinzip nach Art. 16 Ziff. 4 LugÜ am Beispiel: • CH-Beklagter wird in CH beklagt wegen Verletzung des DE-Patents (klar zulässig unter Art. 2 LugÜ) • CH-Beklagter macht geltend: • DE-Patent ist nichtig (daher Verletzungsvorwurf unbegründet) • CH-Gericht darf die Rechtsbeständigkeit des DE-Patents nicht überprüfen (Art. 16 Ziff. 4 LugÜ) und ist daher unzuständig • Bisherige Praxis in Kontinentaleuropa: Einrede | Einwendung zulässig • EuGH-Vorlageentscheidung GAT | LuK (Urteil v. 13. Juli 2006) • DE-Beklagter vor LG Düsseldorf ein: Französisches Klagepatent ist nichtig • EuGH: Art. 16 Ziff. 4 ist in dem Sinne auszulegen, dass die exklusive Zuständigkeit alle Arten von Rechtsstreitigkeiten über die Gültigkeit betrifft, unabhängig davon, ob die Frage klageweise oder einredeweise aufgeworfen wird.

  29. 2.3 Besonderheiten im Immaterialgüterrecht (C) Zukunft der Crossborder-Rechtsprechung (?) • Folgeentscheid des HGer ZH zu GAT|LuK (sic! 2006, 854f.) • Beklagter mit Sitz in der Schweiz wird Verletzung einer EU-Gemeinschaftsmarke vorgeworfen • Beklagte wendet ein: Unzuständigkeit des CH-Gerichts und Nichtigkeit der EU-Marke • HGer ZH setzt der Beklagten Frist an für Nichtigkeitsklage gegen die Gemeinschaftsmarke vor zust. Gericht • Falls Nichtigkeitsklage erhoben wird: Sistierung des Verletzungsver-fahrens in der Schweiz • Falls N‘klage nicht erhoben wird: Fortsetzung des Verletzungsver-fahrens, Einwand der Nichtigkeit bleibt unberücksichtigt • Zukunft: Supranationale Gerichte • Gemeinschaftspatent | GP-Gerichtsbarkeit • European Patent Litigation Agreement

  30. 2.4 Ein Wort zur Vollstreckung von Schiedssprüchen (1) • Voraussetzungen der Anerkennung von Schiedssprüchen nach NYC • Auf Antrag • Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung • Verletzung des rechtlichen Gehörs • Tragweite der Schiedsabrede; ne ultra vel extra petita • Nichtbeachtung des massgebenden Schiedsverfahrens • fehlende Verbindlichkeit des Schiedsspruchs • Von Amtes wegen • fehlende Schiedsfähigkeit • Verletzung des (schweizerischen) Ordre public

  31. 2.4 Ein Wort zur Vollstreckung von Schiedssprüchen (2) • Zurückbleiben der NYC hinter dem europäischen Anerkennungssystem (LugÜ, EuGVO) • Konkurrenz durch das neue Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen? • Reformbestrebungen in Europa (Streichung des Ausschlusses der Schiedsgerichtsbarkeit in EuGVO / LugÜ und/oder Abschluss eines Zusatzprotokolls zur NYC)

  32. 3. Die Praxis • 3.1 Abschied von Illusionen, soweit noch vorhanden • 3.2 Das System des LugÜ in der Praxis: Die Anerkennung englischer Freezing Orders • 3.3 Fälle aus dem Immaterialgüterrecht • 3.4 Forum Running

  33. 3.1 Abschied von Illusionen • Schutz des Beklagten in der Schweiz durch Prinzipien des IZPR • Territorialitätsprinzip • Wohnsitzgerichtsstand • Zustellungsvorschriften

  34. 3.1 Abschied von Illusionen • Schimpfen über die USA bringt nichts - wer mit den USA geschäftet, muss sich mit dem US-Rechtssystem arrangieren • Pflicht zur Inanspruchnahme der "Vorteile" des U.S. Rechtssystems • 28 U.S.C. § 1782: Beweisbeschaffung in den USA für Verfahren ausserhalb der USA • Pflicht zur Teilnahme an Wertpapier-Sammelklagen in den USA für europäische institutionelle Anleger (Beispiel Royal Ahold N.V.)?

  35. 3.2 Das System des LugÜ in der Praxis: Die Anerkennung englischer Freezing Orders - der Fall Motorola / Uzan (BGE 129 III 626): Struktur, Vertragsverhältnisse • Motorola Inc. (U.S.) Hr. Uzan 1 Hr. Uzan 2 • ("Motorola") Hr. Uzan 3 Hr. Uzan 4 • Rumeli Telefon Sistemleri • A.S. (Türkei) • Motorola Credit Corporation (U.S.) Telsim Mobil Telekomünihesyou("Motorola Credit") Hizmetleri A.S. (Türkei) ("Telsim") Kaufvertrag (Hardware für Mobilfunknetz) 100 % 100 % Kreditvertrag(~ 2.7 Mrd. USD)

  36. 3.2 Das System des LugÜ in der Praxis: Die Anerkennung englischer Freezing Orders - der Fall Motorola / Uzan (BGE 129 III 626): Vermögenssituation • Telsim: ? • Rumeli: ? • US CH England Türkei D Guernsey F • Hr. Uzan 1: ? √ (Bankkonti) √ ? √ √√ • Hr. Uzan 2: ? √ (Bankkonti) - ? √ √√ • Hr. Uzan 3: ? √ (Bankkonti) - ? √√√ • Hr. Uzan 4: ? √ (Bankkonti) √ ? √√√

  37. 3.2 Das System des LugÜ in der Praxis: Die Anerkennung englischer Freezing Orders - der Fall Motorola / Uzan (BGE 129 III 626): Prozessuale Chronologie • 28. Januar 2002: Klage Motorola Credit gegen Herren Uzan 1 bis 4 sowie einige von diesen kontrollierte Gesellschaften beim U.S. District Court for the Southern District of New York • 30. Mai 2002: Antrag Motorola vor dem High Court of Justice in London auf Erlass einer Freezing Order gegen die Herren Uzan 1 bis 4; Erlass der Freezing Orders • 12. November 2002: Antrag an Audienzrichteramt des Bezirksgerichts Zürich auf Vollstreckerklärung der englischen Freezing Orders • 30. Juli 2003: Bestätigung der Vollstreckbarkeit der englischen Freezing Order in der Schweiz durch das Bundesgericht

  38. 3.3 Fälle aus dem Immaterialgüterrecht (A)„Dicke Post aus Holland“ • Sachverhalt • NL-Unternehmen importiert als Generalimporteur Reinigungsmittel aus den USA • CH-Unternehmen erwirbt (wie andere Distributoren in Europa) die Produkte und verkauft sie in der Schweiz • NL-Gericht sendet Klage eines US-Unternehmens an das CH-Unternehmen (formell korrekt nach HZUe): • Vorwurf der Verletzung eines EP in der Schweiz • Klage auf Unterlassung des Vertriebs in der Schweiz plus Schadenersatz • Aufforderung zur Klageantwort unter Androhung eines Säumnisurteils

  39. 3.3 Fälle aus dem Immaterialgüterrecht (A)„Dicke Post aus Holland“ Sitz Beklagter A (nationale Vertriebsgesellschaft) CH Patentinhaber Forum für A, B, C Sitz Beklagter B(Hersteller, europä-ischer Hauptsitz) NL Sitz Beklagter C (nationale Vertriebsgesellschaft) DE Gerichtsstand der gemeinsamen Beklagten unter Art. 6 (1) LugÜ am Sitz des "Spider in the Web"

  40. 3.3 Fälle aus dem Immaterialgüterrecht (A)Keine „Dicke Post aus Holland“ mehr! • Vorlageentscheidung Roche Nederland BV v. Primus (EuGH vom 13. Juli 2006) • Klage gegen Roche NL plus 8 Roche-Gesellschaften mit Sitz in CH, USA etc. am NL-Gerichtsstand wegen Verletzung eines EP (1997) • Vorlage an den EuGH: Anwendbarkeit von Art. 6 Ziff. EuGVÜ / Zusammenhang zwischen den Ansprüchen gegen die verschiedenen Beklagten • EuGH: Bei Verletzung verschiedener Teile eines EP liegt unterschiedliche Sach- und Rechtslage in den verschiedenen Ländern vor, keine Anwendung von Art. 6 Ziff. 1 EuGVÜ

  41. 3.3 Fälle aus dem Immaterialgüterrecht (B)Negative FSK am Beklagtengerichtsstand • BGE 129 III 295 - Sachverhalt • Inhaber des EP mit Sitz in Graubünden (chemische Industrie) • Verletzer mit Sitz in Italien (Hersteller des patentgeschützten Produkts) • EP gültig in 8 Ländern, aber nicht in der Schweiz • Verletzer klagt vor KGer GR auf Feststellung der Nichtverletzung in ES, FR, UK, BE, NL, SE

  42. SE NL BE F UK F FR F ES F F F Patentinhaber X Hersteller Y CH (kein Patent) IT "Piecemeal Litigation" (Verletzungsklagen) 3.3 Fälle aus dem Immaterialgüterrecht (B)Negative FSK am Beklagtengerichtsstand – 129 III 295

  43. 3.3 Fälle aus dem Immaterialgüterrecht (B)Negative FSK am Beklagtengerichtsstand – 129 III 295 SE NL BE UK FR ES Patentinhaber X Hersteller Y Forum CH (kein Patent) IT konzentriertes Verfahren (Verletzungsklage)

  44. 3.3 Fälle aus dem Immaterialgüterrecht (B)Negative FSK am Beklagtenforum – 129 III 295 SE NL BE UK FR ES Patentinhaber X Forum Hersteller Y CH (kein Patent) IT Konzentriertes Verfahren für negative Feststellungsklage

  45. 3.3 Fälle aus dem Immaterialgüterrecht (C)„Beweissicherungsmassnahmen“Ausgangslage • Industriekonzern X mit Hauptsitz in der Schweiz (X AG) • Europaweiter Vertrieb von Anlagen, die angeblich das EP des Konkurrenten M mit Sitz in Japan verletzen • Patentverletzungsverfahren gegen Tochtergesellschaft X SA in Frankreich • M ersucht das zuständige Gericht am Sitz der X SA um Anordnung von Beweissicherungsmassnahmen • Anordnung und Durchführung einer „Saisie descriptive“ im französischen Montagebetrieb der X SA • Fristansetzung für die Einleitung des Hauptverfahrens • M erhält Beweismaterial aus der „Saisie descriptive“, benötigt aber noch zusätzliche Beweismittel, die in der Schweiz bei der X AG vermutet werden

  46. 3.3 Fälle aus dem Immaterialgüterrecht (C)„Beweissicherungsmassnahmen“Drei Möglichkeiten für den Kläger • I. Beweissicherungsmassnahmen unter dem HBewUe • Ersuchen des französischen Gerichts an die zuständige Schweizer Zentralbehörde um Erhebung bestimmter Beweise • CH-Vorbehalt zu Art. 23 HBewUe (Unzulässigkeit von „fishing expeditions“) • Zumindest theoretisch möglich: Superprovisorische Beweissicherungsmassnahmen • Zuständigkeit kantonale Behörde in ZH: • Zentralbehörde: Obergericht des Kantons Zürich, Zentralbehörde Rechtshilfe Zivilsachen • Erledigung / Entscheidung über Zulässigkeit: Einzelrichter am Bezirksgericht

  47. 3.3 Fälle aus dem Immaterialgüterrecht (C)„Beweissicherungsmassnahmen“Drei Möglichkeiten für den Kläger • II. Vollstreckung von im Ausland verfügten Beweissicherungsmassnahmen • Französisches Gericht könnte (im Anschluss an die Saisie) Editionsverfügung erlassen • Anerkennung und Vollstreckung unter Art. 27 LugÜ • Voraussetzung für die Vollstreckung: Anhörung des Beklagten • „Saisie contrefaçon“: Gilt nach Aushändigung der Verfügung als kontradiktorisches Verfahren • Funktioniert nur, wenn die X AG am französischen Verfahren beteiligt war • Zuständigkeit kantonale Behörde in ZH: Einzelrichter im summarischen Verfahren (Einzelrichter am Bezirksgericht Zürich beim separatem Exequaturverfahren)

  48. 3.3 Fälle aus dem Immaterialgüterrecht (C)„Beweissicherungsmassnahmen“Drei Möglichkeiten für den Kläger • III. Selbständige Beweissicherungsmassnahmen unter dem CH-PatG • Vorsorgliche Massnahmen nach Art. 77 PatG • Beweissicherungsmassnahmen als mögliche Massnahme genannt • Voraussetzung für Massnahmen • Glaubhaftmachung einer Rechtsverletzung • Nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil • (Relative Dringlichkeit) • Beschlagnahme als mögliche Beweissicherungsmassnahme • Voraussetzung: X AG oder sonstige Konzerngesellschaft in der Schweiz muss Patent verletzen • Zuständigkeit kantonale Behörde in ZH: Präsidium des Handelsgerichts

  49. 3.3 Fälle aus dem Immaterialgüterrecht (C)„Beweissicherungsmassnahmen“Ein Ausblick • Vorentwurf vom 29. November 2006 zu einem Bundespatentgerichtsgesetz • Art. 41 • Die Parteien können beantragen, dass eine genaue Beschreibung der angeblich widerrechtlich angewendeten Verfahren oder hergestellten Erzeugnisse mit oder ohne Beschlagnahme angeordnet wird. • Die antragstellende Partei hat glaubhaft zu machen, dass ein ihr zustehender Anspruch verletzt wurde oder eine solche Verletzung zu befürchten ist. • Die Beschreibung mit oder ohne Beschlagnahme wird durch ein Mitglied des Bundespatentgerichts durchgeführt, nötigenfalls unter Beizug einer sachverständigen Person. Soweit erforderlich, erfolgt sie in Zusammenarbeit mit den zuständigen kantonalen Instanzen.

  50. 3.4 Forum Running in Europa • LugÜ (Art. 21), EUGVO (Art. 27): starres System der zeitlichen Priorität der Rechtshängigkeit • Grosse Versuchung des forum running. Vgl. Anschauungsbeispiel in BGE 123 III 414 (Polly Peck) • Korrekturversuche der englischen Gerichte mittels Erlass von "anti-suit injunctions" im Falle missbräuchlicher Schaffung einer früheren Rechtshängigkeit bei unzuständigen Gerichten sind nach dem EuGH-Urteil i.S. EuGH Turner v. Grovit (27.4.2004, Rs. C-159/02, Slg. 2004, I-3565) nicht mehr möglich • ("Waffengleichheit der Systeme" verbessert in Art. 30 EuGVO)

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