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Einführung in die Sprachvermittlung

Einführung in die Sprachvermittlung. 7. Pinker: Kapitel 7: Die Schrecken der deutschen Sprache. Ist die Wort-und-Regel-Theorie universell gültig?. Universalien der Sprache (248f.) Sprachtypologie: Klassifizierung von Sprachen nach ihrer Struktur

sigmund
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Einführung in die Sprachvermittlung

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Presentation Transcript


  1. Einführung in die Sprachvermittlung 7. Pinker: Kapitel 7: Die Schrecken der deutschen Sprache

  2. Ist die Wort-und-Regel-Theorie universell gültig? • Universalien der Sprache (248f.) • Sprachtypologie: Klassifizierung von Sprachen nach ihrer Struktur • Ausgangsfrage: Abkopplung der Regularität von der Häufigkeit? (254) • Beispiele: Pluralbildung in Deutsch, Niederländisch / Französisch, Ungarisch, Arabisch, Hebräisch / Klassifikatoren von Nomina in Chinesisch und Arupesh (Neuguinea)

  3. Universalgrammatik • Idee einer angeborenen Grammatik, die allen Menschen gemeinsam ist • Problem: wie kann Sprachverschiedenheit erklärt werden (warum haben Chinesen keine morphologischen Gene? S. 283) • Trennung von allgemeinen Universalien (Prinzipien) und sprachspezifischen Ausprägungen (Parameter) • Pinker: abgeschwächte Theorie der Universalgrammatik: nur sehr allgemeine Prinzipien, z.B. Wörter und Regeln – Thema: Welcher Regelbegriff?

  4. Regel als Default: „…Flexionsmuster, das die Sprecher auf beliebige Wörter einer Kategorie anwenden können, auch wenn das betreffende Wort nie mit diesem oder irgendeinem anderen Muster im Gedächtnis gespeichert worden ist.“ (253) = psychologische Definition (257) Regel als Mehrheitsfall, nach dem sich die meisten Wörter einer Kategorie richten Kann immer auch aufgrund der Häufigkeit der Fälle durch Analogien und Muster erschlossen werden. „Menschen richten sich, wie Musterassoziatoren , nach Zahlen oder Häufigkeiten.“ (254) (stützt konnektionistische Theorie) Regelbegriffe

  5.  + Umlaut: -e -e + Umlaut -er -er + Umlaut -(e)n -s der Daumen – die Daumen die Mutter - die Mütter der Hund – die Hunde die Kuh – die Kühe das Kind – die Kinder der Wald – die Wälder die Straßen – die Straßen das Auto – die Autos Pluralbildung im Deutschen „Die Autoren von deutschen Sprachbüchern haben heldenhafte Anstrengungen unternommen, in dieses Durcheinander eine Ordnung zu bringen, doch… gibt es mehr Gegenbeispiele als Beispiele.“ (S. 263)

  6. Verteilung des s-Plurals • s-Plural: nur 4% der Nomina (von 25.000 types) • Häufig bei Fremdwörtern • Häufig bei Eigennamen • Im Lexikon auch in Nachbarschaft von anderen Pluralsuffixen (Schecks – Flecken, Labels – Kabel, Relings – Ringe) • Akronyme: PC‘s, GmbH‘s • Fehlen im Innern von Komposita • Häufig an zweisilbigen Nomina mit Vollvokal in der 2. Silbe • = Präferenz für nicht kanonische Stämme des Deutschen! (263-269)

  7. Pinker / Wunderlich Minority Default Einzige reguläre Form Einzige produktive Form Übertragung anderer Pluralformen auf Pseudowörter wegen Assoziatismus Köpcke / Eisenberg / Bybee Ein Schema neben mehreren Schemata Mehrere reguläre Formen Mehrere produktive Formen Übertragung bei Pseudowörtern folgt zugrundeliegenden Schemata Erklärungen des s-Plurals

  8. Default (-ed) = häufigste Form Nur reguläre Form produktiv Nur reguläre Form Suffix, irreguläre Formen nur stammverändernd S-Plural relativ seltene Form Mehrere produktive Formen (-en, -e) Überwiegend Suffigierung (Stammveränderung marginal) Vergleich: engl. Präteritum / deutscher Plural Sprachtypologisch sehr unterschiedliche Fälle. Pinkers Erklärung wird hier vielfach infrage gestellt. Die Kritik hat Rückwirkungen für den Regelbegriff!

  9. Eisenberg 1998, Band I, S. 158

  10. Systematik der Pluralformen nach Eisenberg • S-Plural nicht beliebig, sondern bevorzugt an Wörter mit Vollvokal (vV) in der unbetonten zweiten Silbe (1= Pinker 8) • Pluraltyp an Genusunterscheidung gebunden (Fem / Mask+Neut) • Bei Mask außerdem Unterscheidung von starker (3) und schwacher Flexion (4) • -en ist regulär für Feminina, (2+4 = Pinker 7)-e für Maskulina und Neutra (3 = Pinker 3/4) [Umlaut lexikalisch geregelt!] • Wortbildungssuffixe (auch bei Fremdwörtern) nehmen –en (Feminina) oder –e (Maskulina)-heit / -keit / -ung / -(er)ei / -tion / -tät // -ling

  11. Systematik der Pluralformen II • Markierte (irreguläre) Formen verhalten sich spiegelbildlich zu unmarkierten (reguläre):(4) - schwache Maskulina (auf Konsonant oder auf -e) nehmen –en (n) • (5) - einsilbige Feminina nehmen –e [immer mit Umlaut, Teilgruppe von Pinker 4]: eine Familie mit phonologischen Merkmalen:- Lautet auf –t aus (Hand, Frucht, Kunst, Braut)- enthält immer einen umlautfähigen Vokal • (6) – einsilbige Neutra dominieren bei –er [immer mit Umlaut, wenn entsprechender Vokal! Pinkers Gruppen 5+6 fallen zusammen, wenn man die phonologische Umlautregel berücksichtigt ]

  12. Phonologisches Kriterium der Pluralbildung • Pluralformen enden zweisilbig mit Betonung auf der ersten Sil-be (der Trochäus als „Fuß“ bildet eine Einheit von betonter (S‘) und unbetonter Silbe (S0)) • einsilbige Feminina der Gruppe (2) bilden daher immer einen silbischen Plural (-en): Frau - Frauen • zweisilbige Feminina der Gruppe (2) bilden Plural nur mit (-n) • einsilbige starke Maskulina und Neutra (3) bilden Plural auf –e • Maskulina auf –e bilden Plural mit –n (schon zweisilbig) S‘ S0 A R A R N E H u n d eB ü ch er

  13. Irreguläre Pluralformen • Mutter / Tochter: einzige Feminina, die nur mit Umlaut Plural erzeugen; größer ist die Gruppe der Maskulina (Pinkers Gruppe 2) • Maskulina auf Pseudosuffix (-er, -el): ohne Pluralmarkierung (konform mit Silbenregel) (Pinkers Gruppe 1) • Maskulina mit –er-Plural (kleine Gruppe) (in Pinkers Gruppe 6) • Lexikalisierter Umlaut in Gruppe 3 (nur Maskulina: Bach – Bäche neben Schaf – Schafe) (in Pinkers Gruppe 4) FAZIT: Nur ein kleiner Teil der Nicht-s-Plurale im Deutschen ist in demselben Sinne wie bei den Präteritumsformen irregulär und daher Teil des Lexikons!

  14. Signalstärke der Pluralmarkierungen • „Salienz ist die Bestimmung des Ausmaßes, mit dem eine morphologische Markierung vom Hörer identifizierbar ist, also ihre akustische Prominenz.“ • „Signalvalidität meint die Frequenz, mit der ein bestimmtes Merkmal in der Kategorie auftaucht, die mit der Zielkategorie kontrastiert.“ = Die Validität ist hoch, wenn das Merkmal nur in der Zielkategorie auftaucht (-el: nie Plural, -en: selten Singular, -er: in beiden Kategorien häufig) Köpcke 1993, S. 82

  15. Signalstärken der Pluralsuffixe (Köpcke 1993) • Salienz: Suffixe sind wahrnehmbarer als Stammveränderungen (Umlaut). (??) • Validität: -s und –n sind selten Endung im Singular  –e / -er auch dort häufig

  16. Pseudowortexperiment: • Sprecher behandeln alle Suffixe (bis auf –lein) zu 90% und mehr als regulär: „der Klirmling / die Schergung / das Quettchen…“ • Nomina auf Schwa (Woge, Hase) erhalten in sehr hohem Maße den –n-Plural„der Knumpe“ „die Muhre“ Köpcke, 1993, S. 184

  17. Pseudowortexperiment: • Nomina auf Vollvokal: Generalisierung von –s etwas niedriger; Alternative: Generalisierung von –n mit Vokalausfall: Pizza – Pizzen / Pizzas Köpcke, 1993, S. 184 4. Nomina mit Pseudosuffix: -en: Endungslosigkeit dominant bei Maskulina / Neutra auf –en („Wagen“), -er (Koffer“), bei –el („Säbel“) etwas schwächer. Endung –n bei Feminina auf –el („Gabel“) ; nicht regelkonform: Feminina auf –er („Kiefer“)

  18. Pseudowortexperiment: • Einsilbige Nomina: Größter Einfluss irregulärer / konkurrierender regulärer Muster: a) Maskulina: stark 59% vs. schwach 21%Übergeneralisierung von -enb) Feminina: Sogwirkung der Familie: Hand / Hände (27%) c) Neutra: Sogwirkung der Familie: Tuch / Tücher (14%); Übergeneralisierung von –en; -e- Suffix eher untergeneralisiert Köpcke, 1993, S. 184

  19. Deutsche Plurale und die Wort- und Regeltheorie • Erklärung des s-Defaults unbefriedigend • Reines Auswendiglernen oder Muster-Assoziieren der anderen Formen nicht bestätigt • Regularisierung von –en als stärkstes Pluralaffix (neben Ausbreitung des –s) • Relative Stabilität von –e (zur Herstellung von Zweisilbigkeit) • Einzelne Familiencluster mit irregulären Formen wirken assoziativ (-er; Umlaut+ -e) „Multiple Regularitäten“ / Regeln eines mittleren Abstraktionsgrades: Zur Regelanwendung gehört eine Klassifizierung des Inputs; so auch bei Pinker in den Beispielen zu Niederländisch und Hebräisch

  20. Pluralerwerb bei dreijährigen Kindern • Kind 2 • BlumenHundeBretterPflastersAutosSpertsKallsLischsPiegels • Kind 1 Blumen Hunden Bretter Pflaster Autos Sperten Kallen Lischen Piegeln • Kind 3 Blumen Hunde Bretter Pflaster Autos Sperte Kalle Lische Piegel Nach welcher Regel bilden die Kinder jeweils Plurale. Wie lassen sich die abweichenden Formen erklären? Meibauer et. al.(2007), S. 277f.

  21. Plurallernen im Kindergarten • Das Programm „konlab“ ist für dreijährige Kindergartenkinder mit anderer Herkunftssprache bzw. Sprachentwicklungsstörungen entwickelt worden. • Es zielt darauf ab, „… eine Wende bei den sprachlich benachteiligten Kindern vom sogenannten assoziativen und situationsabhängigen Lernen zum sprachlichen Regellernen herbeizuführen und dadurch die davon abhängige Sprachverstehenskapazität deutlich zu erhöhen.“ (Penner 2003) • Methode: kindgerechte Lernarrangements sollen das Entdecken und die Automatisierung grammatischer Regeln fördern • Das der Konzeption zugrundeliegende Grammatikmodell ist (wie das Pinker‘sche) generativ.

  22. Die Entdeckung der Pluralregel (I) • Es werden Puzzleteile mit der Rückseite nach oben auf den Tisch gelegt. Die Kinder müssen versuchen, allein aufgrund der Form zwei passende Teile zu finden. • Wenn zwei Teile zusammenpassen, werden sie umgedreht und nochmal zusammengesetzt. Der Erzieherin begleitet die Aktion mit folgendem Text: „Guck mal, da ist ein… Boot… Und das ist auch ein Boot… Das sind zwei …?“ – Nun antwortet das Kind : „Boote“ (Penner 2004, S. 34) • Ist die Antwort falsch, wiederholt die Erzieherin nochmals die korrekte Form. • Jedes Kind, das zwei Teile zusammengesteckt hat, wiederholt dabei dann nochmal zuerst den Singular, dann den Plural.

  23. „Silbenklatschen und Nasenstupsen“: die Regelentdeckung • Das Sprechen der Wörter „Boot“ – „Boote“ wird sprachrhythmisch begleitet nach einem Schema, das die Kinder schon kennen: • Die erste, „dicke Silbe“ /Bo:/ wird geklatscht; bei der zweiten, „dünnen Silbe“ /tə/ wird nur leicht mit dem Finger an die Nase gestupst. Dies ist das „Nase“-Muster, weil man sich bei der kleinen Silbe an die Nase stupst und das Wort Nase auch zuerst eine dicke und dann eine dünne Silbe hat. • Implizit ergibt sich bei dem Spiel mit den ersten Puzzleteilen folgende Regel: „Wenn ich aus einem Ding mehrere mache / davon mehrere habe, bekommt das Klatsch-Wort das Nase-Muster angehängt.“

  24. Die Entdeckung der Pluralregel II Zweiter Schritt:Unter den Puzzleteilen sind nun auch Wörter des Typs B: ein Plural ohne zusätzliche Markierung. Die Kinder erkennen, dass man bei diesen Wörtern keine „Nasensilbe“ mehr anhängen muss, weil das Wort schon eine Nasensilbe hat. A B

  25. Die Entdeckung der Pluralregel III • Was unterscheidet die zu den Bildern gehörenenden Wörter von der 1. Übung? • Was haben die Pärchen C und D mit den Pärchen A und B gemeinsam? • Inwiefern sind diese Wörter für Kinder schwieriger als die in I-II ? D C

  26. Die Entdeckung der Pluralregel IV „Die Kinder (werden) mit den items Zebra und Koala dafür sensibilisiert, dass Wörter, die auf einen Vollvokal enden, unabhängig vom rhythmischen Muster ein –s im Plural erhalten.“ (Penner 2004, 36)

  27. dt. Plural - Literaturtipps • Eisenberg, Peter (1998): Grundriss der deutschen Grammatik. Band I: Das Wort. Stuttgart / Weimar: Metzler • Köpcke, Klaus-Michael (1993): Schemata bei der Pluralbildung im Deutschen. Versuch einer kognitiven Morphologie. Tübingen: Narr • Penner, Zvi (2003): Neue Wege der sprachlichen Frühfördeung von Migantenkindern. Kon-lab. Frauenfeld. • Penner, Zvi (2004): Frühe Sprachförderung. Schulungsskript zur Anwendung des Programms. Kon-lab. Frauenfeld. • Penner, Zvi / Andreas Fischer / Christian Krügel: (2006) Von der Silbe zum Wort. Rhythmus und Wortbildung in der Sprachförderung. Troisdorf • www.konlab.com

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