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Rechte für Menschen mit Behinderung - Inklusion in der Bildung -. Prof. Dr. Anke S. Kampmeier Hochschule Neubrandenburg Juli 2010. 1. UN-Konvention. 2. Integration vs. Inklusion. 6. Inklusive Alternativen. 3. Beschulung in Deutschland. 5. Diagnostik. 4. Integrative Maßnahmen in M-V.
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Rechte für Menschen mit Behinderung - Inklusion in der Bildung - Prof. Dr. Anke S. Kampmeier Hochschule Neubrandenburg Juli 2010
1. UN-Konvention 2. Integration vs. Inklusion 6. Inklusive Alternativen 3. Beschulung in Deutschland 5. Diagnostik 4. Integrative Maßnahmen in M-V
Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen • „Artikel 1 Zweck: Zweck dieses Übereinkommens ist es, die volle und gleichberechtigte Ausübung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle behinderten Menschen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung ihrer angeborenen Würde zu fördern.“ • Seit dem 26. März 2009 für Deutschland verbindlich • Meilenstein in der Behindertenpolitik: Menschenrechtsansatz, Recht auf Selbstbestimmung, Partizipation und umfassenden Diskriminierungsschutz für Menschen mit Behinderungen, barrierefreie und inklusive Gesellschaft • Gesetzgebung ist so auszurichten, dass die in der Konvention geregelten Rechte verwirklicht werden und eine gesellschaftliche Entwicklung in Gang gesetzt wird, die Menschen unabhängig von der Art und vom Schweregrad ihrer Behinderung als vollwertige und gleichberechtigte Bürger ihres Landes anerkennt
Bildung(Artikel 24 UN-Konvention) „Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives (inklusives; Anm. A.S.K.) Bildungssystem auf allen Ebenen …“ (Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, Artikel 24)
Schule in Deutschland • Wir diskutieren gegenwärtig in Deutschland noch über die Aufgabe der Integration von Kindern mit Behinderung, weil wir von einem gesellschaftlichen Zustand ausgehen, in dem die Aussonderung dieser Kinder an Sonderschulen als Normalität akzeptiert wird (Schöler 2007). • Die UN-Konvention weist uns darauf hin, etwas anderes als Normalität zu überdenken. • Empirische Ergebnisse des Integrationserfolges durch Separation weisen ebenfalls darauf hin, andere – effektivere – Integrationsmethoden zu bedenken.
Ein paar Zahlen • 5 % aller Schüler/-innen eines Jahrgangs werden nicht an einer Regelschule unterrichtet. 70 – 80 % davon haben besondere Bedarfe in den Förderschwerpunkten Lernen und Verhalten. • Nur ca. 10 % aller Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigungen besuchen in Deutschland Regelschulen. In Norwegen und Italien beispielsweise sind es 100 %, in Portugal 70 %, in Spanien 50 % und in Österreich 30 %. (vgl. u. a. Statistische Landesämter, Statistisches Bundesamt, Wocken 2005)
Effektivität der Förderschulen • Für die Entwicklung der Identität junger Menschen mit Beeinträchtigungen und ihrer Integration in die Gesellschaft ist eine Beschulung außerhalb dieser Gesellschaft schädlich. Es ist nachgewiesen, dass die soziale Distanz zu Kindern, die „anders“ sind (Menschen mit Behinderungen, mit Migrationshintergrund etc.) bei den Schülerinnen und Schülern der Schule für den Förderschwerpunkt Lernen am größten und bei Schülern/-innen aus Integrationsklassen am geringsten ist. • Empirische Ergebnisse belegen, dass Schüler/-innen mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf bessere Entwicklungs- und Lernfortschritte machen, wenn sie in allgemeinen Schulen lernen können. • Die Leistungen von Förderschülern/-innen entwickeln sich ungünstiger, je länger sie die Förderschulen besuchen. (vgl. u.a. Klemm 2009, Schöler 2007, Preuss-Lausitz 2005, Wocken 2005)
Maßnahmen in M-V • Bildungskonzeption für 0 – 10-jährige Kinder(u. a. mit einer Stärkung der präventiven Arbeit im vorschulischen Bereich) • Konzept zur weiteren Gestaltung der sonderpädagogischen Förderung (u. a. Einrichtung eines zentralen Diagnostischen Dienstes, Auslaufen der Jahrgangsstufen 1 und 2 an Schulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen zum Schuljahr 2010/2011und 2011/2012) • Fort- und Weiterbildungskonzept für Lehrkräfte aller Schularten (u. a. prozess-immanente Diagnostik, Beratung und Förderung bei Lernstörungen und Teilleistungsschwächen) • Anpassung gesetzlicher Grundlagen mit Schwerpunkten zum Gemeinsamen Unterricht und individueller Förderplanung(u. a. Schulgesetz M-V, Förderverordnung Sonderpädagogik, Verwaltungsvorschrift „Die Arbeit in der Grundschule“) • Schulentwicklung von Separation über Kooperation zur Integration(u. a. Diagnoseförderklassen, Beginn Vorhaben der integrativen Grundschule Rügen, Erarbeitung eines Förder- und Diagnostikkonzepts) • Erarbeitung Lehrerbildungsgesetz(u. a. mit Modulen zur Sonderpädagogik, z.B. Diagnostik) • Langzeitprozess unter Berücksichtigung der landesspezifischen regionalen Gegebenheiten sowie der notwendigen personellen, finanziellen und sächlichen Bedingungen
Diagnostik: Illusion InklusionWas können Diagnosen leisten? Sie können … • beschreiben • benennen • festlegen • Kategorien bilden • zu Förderansätzen führen • die Wirklichkeit des Diagnostikers/der Diagnostikerin abbilden • …
Was können Diagnosen nicht leisten? Sie können nicht … • objektiv sein • wahr sein • eine Person umfassend beschreiben • eindeutig auf Förderansätze hinweisen • Etikettierung, Stigmatisierung und die Produktion erwarteten Verhaltens vermeiden • nicht das strukturelle Problem der Nicht-Passung von jungen Menschen an das Schulsystem lösen • …
Wohin haben uns Diagnosen geführt? • zu Separierung • zu Exklusion • zu Verunsicherung mit den sogenannten Diagnostizierten • in eine Sackgasse für die Betroffenen • in eine Sackgasse für die Gesellschaft • in eine Sackgasse für die Akteure/-innen in den Schulen und anderen Institutionen
Alternativen inklusive: Beobachtung • qualitative Beobachtung, zusammen mit dem Kind und seinem vielfältigen Umfeld • keine Festlegung – und damit keine besondere Zuweisungen zu Institutionen o.ä. –, sondern Prozessorientierung • gemeinsam Fördervorschläge erarbeiten • Alle Schüler/-innen werden qualitativ beobachtet – das ist Auftrag von Schule ! – nicht „nur“ als auffällig bezeichnete Schüler/-innen (auffällig sind möglicher Weise diejenigen Kinder, die „nicht auffällig“ sind)
Alternativen inklusive: Unterricht • Index für Inklusion (Booth/Ainscow 2002; Boban/Hinz 2003): Verbindung von Schul- (Organisations-)entwicklung und dem Konzept der Inklusion - Lernen und Teilhabe in der Schule der Vielfalt entwickeln - Tageseinrichtungen für Kinderinklusive Kulturen und Werte entfalten - inklusive Strukturen etablieren - inklusive Praxis entwickeln • Anti-Bias-Ansatz (Gramelt 2010, Derman-Sparks 2001): Konzept und Praxis einer Pädagogik für den Umgang mit Vielfalt: Transparenz, Kooperation, Kommunikation • Inklusiver Unterricht, Kooperation am gemeinsamen Gegenstand und innere Differenzierung durch Individualisierung, Teamteaching (Feuser 1995, Wiater 2001)
Beispiele für Indikatoren • Wird die Unterschiedlichkeit der Schülerinnen und Schüler als Last oder als Chance für das Lernen empfunden? • Wird der Unterricht auf die Vielfalt der Schülerinnen und Schüler hin geplant? • Ist das Schulgebäude barrierefrei? • Wird die Vielzahl der Muttersprachen und kulturellen Hintergründe als positiver Beitrag für die Einrichtung und die Gesellschaft im Allgemeinen betrachtet? • Werden die Interessen der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen in gleicher Weise wertgeschätzt?
Alternativen inklusive: Strukturen • Gewachsene Verwaltungsstrukturen, die dazu beitragen, dass das Sonderschulsystem nicht überwunden werden kann, können aufgeweicht werden (u.a. Kooperationen der Kostenträger (vgl. auch Persönliches Budget), selbstständige Schule, …) • Bei einem Kostenvergleich müssen nicht nur die Personalkosten verglichen werden, sondern es müssen auch die Beförderungs-, Betriebs- und Verwaltungskosten hinzugezogen werden. (vgl. Preuss-Lausitz 1998, 2005) • Bei Kostengleichheit der Gesamtkosten sind i. d. R. beim Gemeinsamen Unterricht die Personalkosten höher, die Beförderungs-, Betriebs- und Verwaltungskosten jedoch geringer als in Förderschulen. Wichtig ist, Planungen zu entwickeln, an denen alle Kostenträger beteiligt sind, damit ggfls. Kostenverschiebungen durch Ausgleichsvereinbarungen geregelt werden können.
Inklusion in der Bildung 1. UN-Konvention 2. Integration vs. Inklusion 6. Inklusive Alternativen 3. Beschulung in Deutschland 5. Diagnostik 4. Integrative Maßnahmen in M-V Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !
Literatur • Abram, Susanne (2003): Die internationale Theoriediskussion von der Integration zur Inklusion und die Praxisentwicklung in Südtirol. Bozen: Diplomarbeit • Boban, Ines, Hinz, Andreas (2003): Index für Inklusion. Lernen und Teilhabe in der Schule der Vielfalt entwickeln. Halle • Booth, Tony/Ainscow, Mel/Kingston, Denis (20072): Index für Inklusion (Tageseinrichtungen für Kinder). Frankfurt a.M.: GEW • Derman-Sparks, Louise/Olsen Edwards, J. (2010): Anti-bias education for young children and ourselves. Washington D.C.: National Association for the Education of Young Children • Feuser, Georg (1995): Behinderte Kinder und Jugendliche. Zwischen Integration und Aussonderung. Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft • Gramelt, Katja (2010): Der Anti-Bias-Ansatz: Zu Konzept und Praxis einer Pädagogik für den Umgang mit (kultureller) Vielfalt. Wiesbaden: VS Verlag • Klemm, Klaus (2009): Sonderweg Förderschulen: Hoher Einsatz, wenig Perspektiven. Gütersloh: Bertelsmann-Stiftung • Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern (2010): Integration statt Separation. Wie geht es weiter mit der sonderpädagogischen Förderung in M-V? Schwerin: PPP • Preuss-Lausitz, Ulf (2005): Das Emsoz-Buch. Integrative Förderung verhaltensauffälliger Schüler. Weinheim und Basel • Schöler, Jutta (2007): 13 Diskussionspunkte zum Werkstattgespräch „Schulische Integration“. http://www.sgb-ix-umsetzen.de/pdfuploads/schoeler_13_diskussionspunkte-00.pdf (18.09.07) • Wiater, W. (2001): Unterrichtsprinzipien. Donauwörth: Auer • Wocken, Hans (2005): Andere Länder, andere Schüler? Forschungsbericht