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Der interdisziplinäre ökonomische Konflikt. Prof. Dr. Heiner Fangerau Universität Ulm, Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin Prof. Dr. Franz Porzsolt Universitätsklinikum Ulm, AG Klinische Ökonomik
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Der interdisziplinäre ökonomische Konflikt Prof. Dr. Heiner Fangerau Universität Ulm, Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin Prof. Dr. Franz Porzsolt Universitätsklinikum Ulm, AG Klinische Ökonomik Prof. Dr. Manfred Weiss Universitätsklinikum Ulm, Klinik für Anästhesiologie
Ärztliche Beiträge zu ökonomischen Entscheidungen Fallbeispiel Wer sollte im Gesundheitswesen entscheiden? Wonach sollten Ärzte entscheiden? Entscheidungskategorien Sterblichkeit = Letalität Erkrankungsschwere = Morbidität Verweildauer Intensivstation / Krankenhaus Kosten Moralisch-ethische Positionen Schlussfolgerungen
18 Jahre, Vorgeschichte PKW Unfall 25.11. als Fahrerfrühe Morgenstunden auf dem Weg zur Arbeit ohne Fremdeinwirkung gerade Strecke von Fahrbahn gegen Baum
18 Jahre, Am Unfallort Notarzt: keine größeren sichtbaren Verletzungen Spontanatmung Glasgow Coma Scale 3 (kein: Augenöffnen, Bewegen, Sprechen) Niedriger Blutdruck Pupillen links > rechts
18 Jahre, Hubschraubertransport Volumengabe Intubation und Beatmung RTH-Notarzt: weite lichtstarre Pupillen bds. RTH-Transport an die Uniklink Ulm
Schockraum Universitätsklinikum cCT- Normalbefund • cCT-Kontrolle 25.11. • Bluterguss bds. • Hirnödem • Mittellinien-Verlagerung
18 Jahre, Operative Versorgung unmittelbare Entlastung durch: Entfernung des Schädelknochens und der harten Hirnhaut bds. Einsetzen einer Hirndrucksonde bei maligner Hirnschwellung
18 Jahre, 25.11. Intensivmedizinischer Verlauf Pupille re eng, li mittelweit, hohe Hirndruckwerte cCT-Kontrolle bei weiter entrundeter Pupille li.: - Einblutung in Verletzungsherde links und in Nervenwasserkammer - progrediente maligne Hirnschwellung keine weitere operative chirurgische Option!
18 Jahre, 26.11. Intensivmedizinischer Verlauf Befundverschlechterung cCT-Kontrolle: - ausgedehnte Verletzungsherde, - Bluterguss li. OP: - Ausräumung des Blutergusses - Erweiterungsplastik
cCT- Normalbefund • cCT- Kontrolle 10.12. • Schädleknochen • bds. entfernt • Großhirnlappeninfarkte • Einklemmung
18 Jahre, 01.12. – 25.12. Intensivmedizinischer Verlauf 01.12.: OP Entlastung der Blutung re., 10.12.: Nervenwasserdrainage im Rücken 11.12.: Kernspin-Kontrolle: Gehirninfarkte OP Nekrosenabtragung Gehirn bds. 14.12.: Kolonisation mit MRSA (resistenter Keim) 21.12.: OP Nervenwasser-Drainage bei Fistel 23.12.: OP Nekrosenabtragung Gehirn (Nachweis von Bakterien: PSA,ENC,SA) 25.12.: Entwöhnung vom Beatmungsgerät
18 Jahre, 15. – 25.01. Intensivmedizinischer Verlauf 15.01.: Anlage Shunt Nervenwasserkammer - Bauch 25.01.: Verlegung ins Reha-Therapiezentrum Burgau ohne weitere neurochirurgische Therapieoption Status bei Verlegung Apallisches Syndrom ohne Nachweis elektrischer Hirnaktivität bei überwiegend nekrotischem Großhirn
18 Jahre, Problematik Viele ausführliche Gespräche mit Eltern Neurochirurgen und Intensiv-Mediziner: infauste Prognose Gehirn-FunktionEltern nicht einverstanden mit Einschränkung therapeutischer Maßnahmen Hirntoddiagnostik zu keinem Zeitpunkt möglich (Z. n. Schädelknochen-Entnahme bds.)
Wofür Intensiv-Medizin? - Poly-Trauma - Poly-(Vor)Erkrankung - Poly-Komplikationen
Entscheiden nach dem, was Intensiv-Medizin machen kann? - Organersatz- / Überbrückungs-Verfahren - Niere - Lunge - Kreislauf - Gerinnung - Herz - Infektion - septischer Schock
Wonach sollten Ärzte entscheiden? Vergeben Sie die Zahlen 1 - 6 jeweils nur einmal. Markieren Sie bitte die Aussage mit „1“, der Sie die höchste Bedeutung zumessen und mit „6“ die Aussage, der Sie die niedrigste Bedeutung zumessen.
Wer sollte in Gesundheitsfragen entscheiden? Vergeben Sie die Zahlen 1 - 7 jeweils nur einmal. Markieren Sie bitte die Aussage mit „1“, der Sie die höchste Bedeutung zumessen und mit „7“ die Aussage, der Sie die niedrigste Bedeutung zumessen.
Das Dilemma der Intensiv-medizinischenEntscheidungenUnsicherheit ihres Ausgangs
Entscheidungsgrundlagen Guter Arzt Intensiv-Medizin • Beurteilung des Therapieerfolges, Prognose? • Vollständige Wiederherstellung möglich? • Ausmaß bleibender Organschäden? • Überlebensqualität? • Nutzen = für Patient und Angehörigeerstrebenswerte Behandlungsziele erreichbar?
Sterblichkeit der Sepsis Sepsis in Deutschland250.000 Patienten / Jahr 75.000 Tote / Jahr 5,6 - 8 Milliarden € / Jahr / Welt
Entscheidungen nachA) Ergebnissen klinischer Studien- Evidenz-basierte Medizin - Leitlinien - eigene Erfahrung des Arztes
Surviving Sepsis Campaign (SSC) 2008Evidenz Basierte Medizin • GRADE System • Qualität der Beweislage (Evidenz) - hoch (A) - sehr niedrig (D) • Klinische Bedeutung entscheidenderals Grad der Qualität der Beweislage (Evidenz) - erwünschte >> unerwünschte Effekte - Risiko - Belastung für Patient und Personal - Kosten Dellinger RP, et al. Intensive Care Med 2008;34:17-60; Crit Care Med 2008;36:296-327
Surviving Sepsis Campaign (SSC) 2008 Nur noch 2 Empfehlungen: - Starke: Wir empfehlen (1) - Schwache: Wir schlagen vor (2) Stark: mindestens 70% dafür, 10% neutral, < 20% dagegen Dellinger RP, et al. Intensive Care Med 2008;34:17-60; Crit Care Med 2008;36:296-327
Sepsis Infektions-Bündel 2008 <1-6h(Sofort beginnen undinnerhalb von <1 – 6 Stunden erreichen) • Fokus-Sanierung so schnell wie möglich nach initialer Wiederherstellung Perfusion (1C) • Intravaskuläre Zugänge entfernen, falls potentiell infiziert (1C) • Breitspektrum-Antibiotika(1B)< 1 Stundeseit Diagnose schwere Sepsis (1D) bzw. Septischer Schock (1B) adaptiert nach Dellinger RP, et al. Intensive Care Med 2008;34:17-60; Crit Care Med 2008;36:296-327
Compliance 6h SSC Bündel auf ICU und Krankenhaus-Letalität Gao F, et al., ccforum 2005, 9:764-770
Prädiktive Werte im SAPS 3SAPS 3 = Simplified Acute Physiology Score 3 Prädiktive Power • Subscore Ivor ICU Aufnahme:50,0 %1. Lokalisation im Krankenhaus 2. Dauer Aufenthalt im Krankenhaus3. Größere therapeutische Eingriffe • Subscore II 22,5 %1. Anatomische OP-Lokalisation2. Infektionsstatus bei ICU Aufnahme • Subscore III 27,5 %physiologisches Derangement < 1 Stunde vor oder nach Aufnahme ICUMoreno RP, et al., Intensive Care Med 2005 31: 1336 – 1344 und 1345 – 1355
SAPS 3 Aufnahmescore und Krankenhaussterblichkeit Moreno RP, et al., Intensive Care Med 2005 31: 1345 – 1355
SSC: Therapie des septischen Schocks:Aktiviertes Protein C bei APACHE II ≥ 25 SterblichkeitAPACHE IIvgl. Kontrolle niedriger allehöher3 - 19 niedriger 20 - 24 niedriger 25 - 29 niedriger 30 - 53Ely WE et al., 2003 Crit Care Med 31:12 - 19
Entscheidungen nachD) Verweildauer Intensivstation / Krankenhaus
Verweildauerverkürzung ICU durch Hydrocortison bei Patienten im septischen Schock [1] Sprung CL, et al. N Engl J Med 2008, 358(2):111-124 [2] Annane D, et al. JAMA 2002, 288(7):862-871 33
Kosten für einen zusätzlich Überlebendeneines septischen Schocks rhAPC = aktiviertes Protein C; IIT = intensivierte Insulintherapie; 95%CI = 95% Konfidenzintervall [1] Bernard GR, et al. N Engl J Med 2001, 344(10):699-709 [4] Moerer O, Burchardi H: Anaesthesist 2006, 55 Suppl 1:36-42 [2] Sprung CL, et al. N Engl J Med 2008, 358(2):111-124 [5] Annane D, et al. JAMA 2002, 288(7):862-871 [3] Brunkhorst FM, et al. N Engl J Med 2008, 358(2):125-139 [6] Van den Berghe G, et al. Crit Care Med 2006, 34(3):612-616 35
Best Case und Worst Case SzenarioLeapfrog Standard ärztliche Besetzung ICU? Intensive care unit physician staffing: Financial modeling of the Leapfrog standard *. Pronovost, Peter; MD, PhD; Needham, Dale; MAcc, CA; MD, FRCPC; Waters, Hugh; Birkmeyer, Christian; Calinawan, Jonah; BMath, CA; Birkmeyer, John; Dorman, Todd Critical Care Medicine. 32(6):1247-1253, June 2004. Figure 2. Hospital savings from implementation of The Leapfrog Group's Intensive Care Unit Physician Staffing standard. The savings are presented across 6-, 12-, and 18 bed intensive care units (ICUs). Increasing savings across larger ICUs are demonstrated based on conservative assumptions (squares) and the best-case scenario (triangles) sensitivity analysis. Comparatively small net costs are demonstrated for the worst-case scenario (diamonds) sensitivity analysis.
Normative Ethik Suche nach grundlegenden Normen menschlichen Verhaltens, Versuch der rationalen Begründung dieser Normen 1. Handlung (Deontologische Ethik) Deontologische Ethikansätze (griech. deon „Pflicht“) fragen, ob die Handlung an sich den moralischen Pflichten entspricht. 2. Handlungsergebnis (Konsequenzialismus) Konsequenzialistische Ethiken beurteilen eine Handlung nach der moralischen Qualität ihrer Folgen (Konsequenzen). 3. Handelnder (Tugendethik) Die Tugendethik stellt den Charakter des Handelnden in den Mittelpunkt und fragt, ob seine Haltungen, Dispositionen und Motive moralisch angemessen sind.
Vier Prinzipien der Bioethik Nonmalefizienz Autonomie Benefizienz Gerechtigkeit
Ethik und Systemkonflikte Der Güterkonflikt Freie Selbstbestimmung vs. ärztliche Behandlung vs. Unantastbarkeit der Schöpfung
Recht auf Selbstbestimmung „Jeder Patient hat ein Recht auf Selbstbestimmung. Das gilt auch für Situationen, in denen der Patient nicht mehr in der Lage ist, seinen Willen zu äußern.“ (Bundesärztekammer: Handreichung für Ärzte zum Umgang mit Patientenverfügungen, 29.10.1999)
Vorsorgliche Willensbekundungen • Bundesärztekammer (1998) • Patientenverfügungen, Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen sind eine wesentliche Hilfe für das Handeln des Arztes • Patientenverfügungen sind verbindlich, sofern sie sich auf die konkrete Behandlungssituation beziehen und keine Umstände erkennbar sind, dass der Patient sie nicht mehr gelten lassen würde
Vier Prinzipien der Bioethik Nonmalefizienz Autonomie Benefizienz Gerechtigkeit)
Entscheidungskategorien Therapie-Einschränkung Sekundärer Therapieverzicht Therapiereduktion Therapieabbruch
Entscheidungsfindung Therapie-Einschränkung • Einzelfall • Konsens aller an der Behandlung Beteiligten • Wille des Patienten (sofern eruierbar) • Angehörige • Gesellschaft / öffentliche Meinung • Betreuer/Vormundschaftsgericht • Kirchen • Ethikkonsil • Ethikkommissionen
Ärztliche Beiträge zu ökonomischen EntscheidungenZusammenfassung Schlussfolgerung
Fünf Dimensionen zur Bewertung von Gesundheitsleistungen Prof. Dr. Franz Porzsolt