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Theorie und Modell. Was unterscheidet die politikwissenschaftliche Betrachtung von der zeitgeschichtlichen?.
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Theorie und Modell • Was unterscheidet die politikwissenschaftliche Betrachtung von der zeitgeschichtlichen? Politikwissenschaftlich vorgehen heißt versuchen, systematisch und nicht historisch zu analysieren. Der Historiker will wissen, wie es gewesen ist und versucht, für dieses Erkenntnisinteresse möglichst alle Quellen auszuschöpfen, insbesondere offizielle, vorher unzugängliche Akten. Der Politikwissenschaftler will darüber hinaus erklären, warum es so oder so gewesen ist, will also nicht bei der Beschreibung stehen bleiben. Dafür bedarf es eines analytischen Modells und zumindest eines vortheoretischen Verständnisses, noch besser einer Theorie, hier einer Theorie der deutschen Außenpolitik.
Eine anerkannte Theorie der Außenpolitik gibt es in der Disziplin Internationale Beziehungen nicht. Vorherrschend sind Teil- oder Vortheorien, die noch vorzustellen sind. Der Stand der Theoriebildung zeichnet sich durch Vielfalt und Eklektizismus aus. Im besten Fall handelt es sich um aufgeklärten Eklektizismus, der weiß, warum und wo der eine oder andere theoretische Ansatz nur begrenzt tauglich ist, diese aber in ihren Grenzen zu nutzen versucht. Eklektizismus ist nicht verwerflich, im Gegenteil. Angesichts der deutschen Tradition und Vorliebe für ganzheitliche, so genannte holistische Theorien, die nur allzu leicht in Ideologien münden und gemündet sind, kann aufgeklärter Eklektizismus eine wissenschaftliche Tugend, aber freilich kein erstrebenswertes Ziel sein. Das Ziel, kompetente Theorien zu bilden, darf nicht aus dem Auge verloren werden.
Wenn schon keine valide Theorie zur Verfügung steht, dann brauchen wir aber doch zumindest ein Modell. Wozu? Allein schon die Beschreibung erfordert, wenn sie nicht Kraut und Rüben zusammenpacken will, sinnvolle Auswahl (Selektion) und Ordnung. Für die Theorie muss die Erklärung hinzukommen, die intersubjektiv also auch für andere nachvollziehbar und überprüfbar sein muss. Welches Modell ist tauglich? Es muss hier kein neues erfunden, sondern es kann ein vorhandenes übernommen und auf den Fall der deutschen Außenpolitik übertragen und angepasst werden. Geeignet für unseren Fall ist das Modell von David Easton, wenngleich in angepasster Form.
Dieses systemtheoretische Modell benutzt eine Politikdefinition, mit der ein politisches System von seinem nicht-politischen Umfeld dadurch abgegrenzt wird, dass ihm die Kompetenz zugeschrieben wird, Werte für eine Gesellschaft autoritativ zuzuteilen. Das Standardwerk von David Easton ist sein Framework for Political Analysis aus dem Jahr 1965. Im deutschen Sprachraum gilt der Beitrag von Niklas Luhmann zur Soziologie des politischen Systems als systemtheoretisches Standardwerk. Nach diesem führenden deutschen Vertreter der Systemtheorie muß ein politisches System entscheiden können und seine Entscheidungen müssen bindende Wirkung haben.
Eastons Modell des politischen Systems im nicht-politischen, z. B. im wirtschaftlichen oder gesellschaftli-chen Umfeld, ist ein Input-Output Modell. Es lässt sich am besten graphisch darstellen. Die Grenzen zum Umfeld sind durchlässig. Das System selbst ist keine Blackbox, es hat also kein unbekanntes Innenleben, bei dem nur das Ergebnis nach außen, der Output, als Außenpolitik deutlich wird. Die Vorgänge im Innern, das Zustandekommen der Außenpolitik, können und sollen abgebildet und transparent werden.
Eine Schwäche von Easton ist, dass er Politik allein prozessual, nicht auch sachlich definiert hat. Zudem geht er nur von autoritativen Wertzuweisungen durch das politische System aus. Dieses besitzt aber keinesfalls ein Monopol für Allokationen. Die Gesellschaft und erst recht die Wirtschaft teilen ebenfalls Werte zu. Die Qualität dieser Allokationen ist jedoch weniger autoritativ. Dieser Mangel kann behoben werden, indem die Inhalte der Politik sachlich definiert werden, nämlich als Wertzuweisungen in funktionalen Sachberei-chen. Hier werden von Czempiel folgend drei solche Sachbereiche festgelegt:
ein Sachbereich Sicherheit, verstanden als die Sicherheit der physischen Existenz des Einzelnen und der Gesellschaft nach innen und außen; • ein Sachbereich Wohlfahrt im Sinne wirtschaftlichen Wohlstands zur wirtschaftlichen Entfaltung der Existenz; • ein Sachbereich Herrschaft als Rahmen der herrschaftlichen Existenz.
Dieses Modell kann ohne weiteres von der nationalstaatlichen Außenpolitik auf das internationale System übertragen werden. Dort geschieht funktional das gleiche, nämlich die autoritative Zuweisung von Werten. Politische Forderungen und Zuteilungen erfolgen stets nach dem gleichen Muster. Wir brauchen für unsere Analyse deutscher Außenpolitik also zuerst ein Modell des deutschen außenpolitischen Entscheidungssystems, das alle relevanten Akteure abbildet und ihre Bezüge im Entscheidungsprozeß zueinander klarstellt. Das Modell muss die Inputseite, die Anforderungen an das politische System, die Verarbeitung im System, das heißt die Auswahl und die Ergebnisse, die außenpolitischen Entscheidungen sowie die Folgen, den Output bestimmen können. Vereinfacht sieht es wie folgt aus:
A Simplified Model of a Political System (David Easton) ENVIRONMENT ENVIRONMENT THE POLITICAL SYSTEM Demands OUTPUTS INPUTS Decisions and Actions Support ENVIRONMENT ENVIRONMENT