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Richard Klouth Vortrag 22. März 2013, Universität Würzburg. Mathematik-Unterricht von 1960 bis heute. Einleitung Schulischer Werdegang Eigene Erfahrungen in der Schulzeit bis 1966 Konkreter Vergleich Lerninhalte 1963 und 2009 Auswirkungen der Reformen der 70-er Jahre 6. Gegenreaktionen
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Richard Klouth Vortrag 22. März 2013, Universität Würzburg Mathematik-Unterricht von 1960 bis heute • Einleitung • Schulischer Werdegang • Eigene Erfahrungen in der Schulzeit bis 1966 • Konkreter Vergleich Lerninhalte 1963 und 2009 • Auswirkungen der Reformen der 70-er Jahre • 6. Gegenreaktionen • PISA und die Folgen • Weitere Reformen ab 2000 • Schlussbemerkungen
1948 Geboren 1964 Mittlere Reife Städtische Realschule Mönchengladbach 1966 Abitur im Kurzschuljahr Nat. Math. Gymnasium Mönchengladbach 1968 – 1972 Studium Mathematik, Physik RWTH Aachen und Univ. Bonn 1972 1. Staatsexamen Universität Bonn 1973 – 1979 Wissenschaftlicher Assistent Univ. Bonn unter Prof. Peschl 1975 Promotion im Bereich Komplexe Analysis 1977 2. Staatsexamen Studienseminar Neuss 1979 – 2011 Gymnasiallehrer am Gymnasium an der Gartenstraße Mönchengladbach für Mathematik, Physik, seit 1984 auch Informatik 1979-1999 Nebenamtlich Mentor für Mathematik an der Fernuniversität Hagen Seit 2011 Präsidiumsmitglied der DMV Mathematik-Unterricht von 1960 bis heute 2. Schulischer Werdegang
Mathematik-Unterricht von 1960 bis heute 3. Eigene Erfahrungen in der Schulzeit bis 1966 Als Abiturient 1966
Mathematik-Unterricht von 1960 bis heute • Mathematik wurde durchgehend mit 5 Wochenstunden unterrichtet. • Bis in die 90-er Jahre: Unterrichtswoche 6 Tage • Frontalunterricht, überwiegend fragend entwickelnd • Hausaufgaben • Ordnung, Sauberkeit, Rechtschreibung
Mathematik-Unterricht von 1960 bis heute • Stundenbeginn: • Kopfrechenübung • Hausaufgabenkontrolle oder Hefte ‘raus!
Mathematik-Unterricht von 1960 bis heute Früher: Termin der nächsten Arbeit unbekannt Im Idealfall ständig auf hohem Niveau vorbereitet Heute: Arbeiten müssen rechtzeitig vorher angekündigt werden Hoffnung: In einem „Steilkurs“ zwei bis drei Tage vorher auf gefordertem Wissenstand Konsequenz: Nachteile für die Nachhaltigkeit des Lernprozesses
Richard Klouth Vortrag 8. Mai 2012, RWTH Aachen Mathematik-Unterricht von 1960 bis heute • Einleitung • Schulischer Werdegang • Eigene Erfahrungen in der Schulzeit bis 1966 • Konkreter Vergleich Lerninhalte 1963 und 2009 • Auswirkungen der Reformen der 70-er Jahre • 6. Gegenreaktionen • PISA und die Folgen • Weitere Reformen ab 2000 • Schlussbemerkungen
Mathematik-Unterricht von 1960 bis heute 4. Konkreter Vergleich Lerninhalte 1963 und 2009 Arbeitsbuch für Mittel- (Real-) schulen, 8. Auflage 1963 Arbeitsbuch für Gymnasien, 2009
Mathematik-Unterricht von 1960 bis heute Blau gedruckte Inhalte: Keine Obligatorik z.B. Thema Strahlensätze 1.4 Dreiecksberechnungen nur an rechtwinkligen Dreiecken Potenzen nur für ganzzahlige Exponenten Exponential- und Logarithmusfunktionen fehlen Zinseszins zum Selbstlernen!
Mathematik-Unterricht von 1960 bis heute Der logarithmische Rechenschieber z.B. 1,2 * 3,5 = 4,2
Mathematik-Unterricht von 1960 bis heute Positiv: Kapitel über Stochastik Aber: Bei G8 noch Bernoulli-Experimente und- Gesetz
Richard Klouth Vortrag 8. Mai 2012, RWTH Aachen Mathematik-Unterricht von 1960 bis heute • Einleitung • Schulischer Werdegang • Eigene Erfahrungen in der Schulzeit bis 1966 • Konkreter Vergleich Lerninhalte 1963 und 2009 • Auswirkungen der Reformen der 70-er Jahre • 6. Gegenreaktionen • PISA und die Folgen • Weitere Reformen ab 2000 • Schlussbemerkungen
Mathematik-Unterricht von 1960 bis heute 5. Auswirkungen der Reformen der 70-er Jahre Anlass für die Reformen der 70-er Jahre: Die Abiturientenquote in der Bundesrepublik Deutschland lag signifikant unter der anderer westlicher Industriestaaten Studienberechtigte in % Quelle: [3], [4]
Mathematik-Unterricht von 1960 bis heute KM-Konferenz vom 7.7.1972: Reform der gymnasialen Oberstufe • Auflösung des Klassenverbandes zugunsten eines Kurssystems • Wahl von 2 Leistungs- und 5 Grundkursen • für 5 Halbjahre ab 11.2 • Anfangs: LK 6-stündig, GK 4-stündig, dann 5- bzw. 3-stündig • 1 LK-Fach Deutsch, fortgeführte Fremdspr., Mathematik, NW • Mathematik mindestens in 3-stündigem GK • Mathematik abwählbar nach 12.2 • Abitur mit 1 Punkt (mangelhaft - ) möglich!
Mathematik-Unterricht von 1960 bis heute Auswirkungen der Oberstufenreform: • Verbesserte Vorbereitung auf Studium der MINT-Fächer • Wissenschaftlich korrekte Begriffsbildungen (z.B. ) • Punktuelle Vertiefungen möglich • z.B. Differenzialgleichungen, Taylorreihen, Numerik; Stochastik • Eingang der Mengenlehre in den Mathematikunterricht • aber • Abschied von der „Allgemeinen Hochschulreife“
Mathematik-Unterricht von 1960 bis heute Fatal: Reform der Mittelstufe • Differenzierte Mittelstufe Ende der 70-er Jahre • Kürzung der Hauptfächer Deutsch, Mathematik, 1. Fremdsprache von 5 auf 3 Wochenstunden Konsequenz: • Massive Einschränkungen der Übungsphasen • Erschwerend: Verbindliche Erweiterung um die Stochastik • Erschwerend: Drittelerlass
Richard Klouth Vortrag 8. Mai 2012, RWTH Aachen Mathematik-Unterricht von 1960 bis heute • Einleitung • Schulischer Werdegang • Eigene Erfahrungen in der Schulzeit bis 1966 • Konkreter Vergleich Lerninhalte 1963 und 2009 • Auswirkungen der Reformen der 70-er Jahre • 6. Gegenreaktionen • PISA und die Folgen • Weitere Reformen ab 2000 • Schlussbemerkungen
Mathematik-Unterricht von 1960 bis heute 6. Gegenreaktionen WS 1978/79: Studieneingangstest
Mathematik-Unterricht von 1960 bis heute 1980 Aufruf: Rettet die math.-naturw. Bildung!
Richard Klouth Vortrag 8. Mai 2012, RWTH Aachen Mathematik-Unterricht von 1960 bis heute • Einleitung • Schulischer Werdegang • Eigene Erfahrungen in der Schulzeit bis 1966 • Konkreter Vergleich Lerninhalte 1963 und 2009 • Auswirkungen der Reformen der 70-er Jahre • 6. Gegenreaktionen • PISA und die Folgen • Weitere Reformen ab 2000 • Schlussbemerkungen
Mathematik-Unterricht von 1960 bis heute 7. PISA und die Folgen
Mathematik-Unterricht von 1960 bis heute PISA 2003
Mathematik-Unterricht von 1960 bis heute Hauptkritik: Fehlende Länder-Curriculum-Validität • z.B. Kreisberechnung schon in Klasse 7 = 3,14159 • Fehlende Testkultur in Deutschland • zusätzlich: Unklare, ungewohnte Aufgabenstellungen
Mathematik-Unterricht von 1960 bis heute Beispiel: Aus TIMSS III/2000 Karl Kießwetter: „Unzulänglich vermessen und vermessen unzulänglich: PISA & Co.“, MDMV, 4/2002 Eine Schnur ist symmetrisch um einen zylindrischen Stab gewickelt. Die Schnur windet sich genau viermal um den Stab. Der Umfang des Stabes beträgt 4 cm und seine Länge 12 cm. Bestimmen Sie die Länge der Schnur. Schreiben Sie Ihre Arbeitsschritte auf.
Mathematik-Unterricht von 1960 bis heute Nach Baumert richtige Lösung nach Ländern: Frankreich: 4 % Schweden: 24 % Schweiz: 17 % Deutschland: 6 %
Mathematik-Unterricht von 1960 bis heute Peter Bender: Vortrag Jahrestagung der GDM 2004 in Augsburg • These: Leistungen bei diesem Test unter diesen spez. Bedingungen 2. These: (a) Fundamentale Rolle der „Mathematical Literacy“ angemessen? (b) Validität dieser Aufgaben (c) Ignorieren der Länder-Curriculum Validität (d) Vorteile für Schüler mit Muttersprache Englisch 3. These: Wurden organisatorische Vorgaben weltweit beachtet? 4. These: (a) Heilsamer Schock für die deutsche Öffentlichkeit (b) Keine Überraschung (c) Zweifel am Erfolg der daraufhin eingeleiteten Maßnahmen 5. These: (a) Hinweis auf besondere Integrationsprobleme in Deutschland (b) Unterschätzung der gesellschaftlich-kulturellen Bedingungen (c) Keine Aussage für oder gegen die „Einheitsschule“
Mathematik-Unterricht von 1960 bis heute Peter Bender: „Meine Lieblingsschlussfolgerung ,aus PISA‘ stammt vom ehemaligen Ministerpräsidenten eines großen Bundeslandes, der behauptete, PISA habe gezeigt, dass die Schulzeit bis zum Abitur von 13 auf zwölf Jahre gesenkt werden müsse.“ (Zitat aus MDMV 12-2/2004) Mathematical Literacy: „Die Rolle zu erkennen und zu verstehen, die die Mathematik in der Welt spielt, fundierte mathematische Urteile abzugeben und sich auf eine Weise mit Mathematik zu befassen, die den Anforderungen des gegenwärtigen und künftigen Lebens einer Person als konstruktivem, engagierten und reflektierenden Bürger entspricht.“ (Zitat 1. PISA Studie 2000) ===> Mathematik als Werkzeug zur Modellierung von realen Problemen
Mathematik-Unterricht von 1960 bis heute Grunderfahrungen im Mathematikunterricht nach Heinrich Winter Der Mathematikunterricht ist dadurch allgemeinbildend, dass er drei Grunderfahrungen ermöglicht: (G1) „Erscheinungen der Welt um uns, die uns alle angehen oder angehen sollten, aus Natur, Gesellschaft und Kultur, in einer spezifischen Art wahrzunehmen und zu verstehen, G(2) mathematische Gegenstände und Sachverhalte, repräsentiert in Sprache, Symbolen, Bildern und Formeln, als geistige Schöpfungen, als eine deduktiv geordnete Welt eigener Art kennen zu lernen und zu begreifen, (G3) in der Auseinandersetzung mit Aufgaben Problemlösefähigkeiten, die über die Mathematik hinaus gehen, (heuristische Fähigkeiten) zu erwerben.“ H. Winter: „Mathematikunterricht und Allgemeinbildung“ in Miteilungen der GDM Nr. 61, 37-46, 1996
Mathematik-Unterricht von 1960 bis heute In der Folge: Paradigmenwechsel in den Unterrichtszielen für alle Schulformen Unter dem Stichwort „Sachzusammenhänge“ werden selektiv mathematische Inhalte häufig krampfhaft auf rein anwendungsorientierte Inhalte getrimmt. Mathematik wird jenseits von ästhetischen Kategorien in ein „Werkzeug von realen Problemen“ degradiert
Richard Klouth Vortrag 8. Mai 2012, RWTH Aachen Mathematik-Unterricht von 1960 bis heute • Einleitung • Schulischer Werdegang • Eigene Erfahrungen in der Schulzeit bis 1966 • Konkreter Vergleich Lerninhalte 1963 und 2009 • Auswirkungen der Reformen der 70-er Jahre • 6. Gegenreaktionen • PISA und die Folgen • Weitere Reformen ab 2000 • Schlussbemerkungen
Mathematik-Unterricht von 1960 bis heute 8. Weitere Reformen ab 2000 Kernlehrpläne in NRW ab 1.8.2001 z.B. Analysis: (Seite 18) „Während der Analysisunterricht bisher die Herleitung und Anwendung von Differentiations- und Integrationsregeln als einen wesentlichen Schwerpunkt behandelte, bekommt das routinemäßige Berechnen von Ableitungen und Integralen mit der zunehmenden Verbreitung von Computeralgebra-Systemen einen deutlich geringeren Stellenwert. (….) Auf jeden Fall muss sich der Unterrichtsschwerpunkt vom Kalkül zu sinnvollen Anwendungen und zu Modellierungen in Sachzusammenhängen verschieben.“