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Aktuelle Rechtsprechung in Wohnungseigentumssachen. 15.11.2010 Verwaltertreff Ratingen Rechtsanwälte Riße Focks Keil Düsseldorf. Schwerpunkte. Besondere Nutzungen iSv § 27 Abs.7 WEG Wer muß die Hecke schneiden? Kostenverteilerschlüssel Sittenwidrige Einträge/Beschlusssammlung
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Aktuelle Rechtsprechung in Wohnungseigentumssachen 15.11.2010 Verwaltertreff Ratingen Rechtsanwälte Riße Focks Keil Düsseldorf
Schwerpunkte • Besondere Nutzungen iSv § 27 Abs.7 WEG • Wer muß die Hecke schneiden? • Kostenverteilerschlüssel • Sittenwidrige Einträge/Beschlusssammlung • Randalierer • Leistungspflichten durch Beschluss • Beschlussanfechtung/Kostenverteilung
Besondere Nutzungen Ausgangslage: § 27 WEG … (7) Die Wohnungseigentümer können die Regelung der Art und Weise von Zahlungen, der Fälligkeit und der Folgen des Verzugs sowie der Kosten für eine besondere Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums oder für einen besonderen Verwaltungsaufwand mit Stimmenmehrheit beschließen.
Was ist die „besondere Nutzung“? - meint die gegenüber dem gewöhnlichen Gebrauch (§ 14 WEG) deutlich intensivere Nutzung des Gemeinschaftseigentums - in den Gesetzesmaterialien als Beispiel „Umzugskosten“
Beschluss: • „Die Gemeinschaft beschließt, dass jeder Wohnungseigentümer im Falle eines Bewohnerwechsels aufgrund befristeter Nutzungsüberlassung… für mögliche Beeinträchtigungen und eine besondere Abnutzung des Gemeinschaftseigentums eine Kostenpauschale in Höhe von 50 EUR an die Eigentümergemeinschaft zu zahlen hat.
… unter den Begriff des Bewohners fallen auch Feriengäste und „Saisonarbeit-nehmer“, die das Sondereigentum angemietet haben. Die eingezahlten Beträge sind der Instandhaltungsrücklage zuzuführen …“
Die vorgenannte Beschlussfassung betrifft eine Wohnungseigentumsanlage, in der der Kläger möblierte Ferienwohnungen an Touristen und Saisonarbeiter vermietet. Pro Jahr kommen insgesamt etwa 100 Mietverträge zu Stande. Ein weiteres Mitglied der WEG nimmt vergleichbare Vermietungen vor.
BGH V ZR 220/09 Urt. vom 01.10.2010 • Kurzfristige Vermietungen sind keine „reine Wohnnutzung“, sondern es handelt sich um eine besondere Nutzung im Sinne von § 21 Abs.7 WEG. • Es kommt zu einer erhöhten Abnutzung des Gemeinschaftseigentums • Die angemessene Pauschale (hier 50 EUR) hat keinen Strafcharakter
Aber • § 21 Abs.7 WEG kann nicht angewandt werden als Sanktionsmittel für gemeinschaftswidriges Verhalten Beispiel: • Hausordnung sieht einen „Verbotskatalog“ vor
Wer muß (!) die Hecke schneiden? • Sachverhalt: Eine GmbH ist Sondereigentümerin eines „Stadthauses“, dass sie an ihren Geschäftsführer vermietet hat. Auf dem Grundstück findet sich eine Thujenhecke, die 1996 (!) schon 7,6 m hoch war. In der Teilungserklärung heißt es u.a.: Eine Nutzung ist untersagt, wenn dem ein anderer Grundstückseigentümer als Nachbar wider-sprechen könnte, wäre das Grundstück real geteilt.
1996 wird bei einer Ortsbegehung festgehalten, dass die Hecke auf keinen Fall höher werden dürfe. • 1997 beschließt die Gemeinschaft, die Höhe der Sträucher dürfe das Maß aus dem Jahr 1996 nicht überschreiten. • 2003 wird beschlossen:
„Da über die Zeit… kein Kompromiss erreicht werden konnte, erhält die Hausverwaltung die Genehmigung zur Klageerhebung mit dem Ziel, einen Rückschnitt der Thujenhecke … auf die niedrigste mögliche Höhe zu erreichen, wenn bis zum 15.1.2004 kein akzeptabler Kompromissvorschlag… bei der Hausverwaltung eingereicht wird.“
Welche Ansprüche hat die Gemeinschaft? 1. Gegen den Sondereigentümer? 2. Gegen den Mieter? Nach bisher überwiegender Auffassung in der Rechtsprechung kann der Mieter als so genannter Zustandsstörer (nur) zur Duldung der Störungs-beseitigung verpflichtet werden.
Geht die Störung aber vom Mieter selbst aus, ist sie ihm also zurechenbar, kann er als Zustandsstörer auch unmittelbar zur Beseitigung der Störung verpflichtet sein. BGH Beschl. vom 04.03.2010; ZMR 2010, 622
Kostenverteilerschlüssel • § 16 Abs. 4 WEG „Die Wohnungseigentümer können im Einzelfall zur Instandhaltung oder Instandsetzung im Sinne des § 21 Abs. 5 Nr. 2 oder zu baulichen Veränderungen oder Aufwendungen im Sinne des § 22 Abs. 1 und 2 durch Beschluss die Kosten-verteilung abweichend von Abs. 2 regeln, wenn der abweichende Maßstab dem Gebrauch oder der Möglichkeit des Gebrauchs durch die Wohnungseigentümer Rechnung trägt.“
Eine WEG besteht aus drei Gebäuden. Einer 1922 errichteten Villa und zwei 1984 errichteten Neubauten mit mehreren Eigentumswohnungen. Eine Kosten- und Lastenregelung findet sich bezüglich der Unterhaltung und Instandsetzung nicht. Nach der Gemeinschaftsordnung können vom Verwalter auch Kosten des gemeinschaft-lichen Eigentums anders als nach dem Verhältnis der MEA verteilt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht oder der Vereinfachung dient.
Die Gemeinschaft beschließt, dass reparaturbedürftige Dach der Villa instandsetzen zu lassen. Die Kosten von 65.000 EUR werden nicht nach MEA, sondern nach dem Verhältnis der DIN-Wohnflächen umgelegt. Desweiteren wird mit doppelt qualifizierter Mehrheit ein später angefochtener Beschluss gefasst:
„Die Wohnungseigentümer beschließen, dass die Sondereigentümer der Villa die Kosten der Dachsanierung allein und nach dem Verhältnis der DIN-Wohnfläche tragen. Die erforderliche Sonderumlage wird allein von diesen Sondereigentümern getragen.“
Wirksamkeit des Beschlusses? • § 16 Abs. 4 WEG ? • Gemeinschaftsordnung?
Keine Ermächtigung in der Gemein-schaftsordnung für die Gemeinschaft (fehlende Beschlußkompetenz) zur Kostenüberwälzung auf Einzelne. • Ein einstimmiger Beschluß zur Änderung der Gemeinschaftsordnung liegt nicht vor
§ 16 Abs.4 WEG • Instandsetzung • Einzelfall • doppelt qualifizierte Mehrheit • Abweichender Maßstab dient dem Gebrauch oder trägt der Möglichkeit des Gebrauches durch die Wohnungseigentümer Rechnung
Der Verteilerschlüssel muss der Nutzung nicht „entsprechen“, es genügt vielmehr, dass dem Gebrauch Rechnung getragen wird. • Die Belastung nur eines Teils der Miteigentümer kommt nur in Betracht, wenn umgekehrt daraus auch ein (allein) eigennütziger Gebrauch erwächst. BGH ZMR 2010, 866 ff.
Darüber hinaus muss ein solcher Instand-setzungsbeschluss nebst Kostenverlagerung jedoch auch den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen. Der angefochtene Beschluss beinhaltet eine Benachteiligung der belasteten Eigentümer, die das Villendach allein, aber die Dächer der beiden Neubauten solidarisch mit den übrigen Miteigentümern instandzusetzen haben.
Ein wirksamer Beschluss müsste in jedem Fall einen für alle Miteigentümer gleich gelagerten Instandsetzungskatalog unter dem Gesichtspunkt einer so genannten Anführungszeichen „Maßstabskontinuität“ beinhalten. BGH ZMR 2010, 866 ff.
Änderung von Verteilerschlüsseln • Eine WEG hat die in der Teilungserklärung genannten Verteilerschlüssel (= § 16 WEG a.F.) bereits seit 1971 nicht mehr angewandt, sondern jeweils als gerechter empfundene Verteilerschlüssel mit dem Beschluss über den Wirtschaftsplan zugrunde gelegt. • Die Änderung des Verteilerschlüssels ist nicht hinreichend transparent. Der Schlüssel geht nur aus dem Wirtschafts-plan mittelbar hervor. Es ist aber nicht erkennbar, dass Verteilerschlüssels dauerhaft geändert werden sollen. • BGH Urt. v. 09.07.2010, ZMR 2010, 775
Sittenwidriger Eintrag in Beschlusssammlung • LG München I Urt. v. 21.06.2010 „Eine Gemeinschaft beschließt, der Wirtschaftsplan 2007 soll auch im Jahr 2009 fortgeführt werden. Die Protokollierung der Beschlussfassung erfolgt aufgrund des Anfechtungsrisikos nicht.“
Ein Beschluss ist wegen Sittenwidrigkeit nichtig, wenn er gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. • Der Beschluss sollte bewusst außerhalb des Protokolls gefasst werden, um eine Anfechtung zu verhindern. Die Beschränkung des Anfechtungsrechtes und damit einhergehende gezielte Benachteiligung anfechtungswillige Eigentümer ist mit dem Anstandsgefühl nicht vereinbar und sittenwidrig.
Randalierer • Ein Miteigentümer ist Hartz IV-Bezieher, alkoholkrank, randaliert häufig im Haus und hat innerhalb von zehn Monaten 25 Polizeieinsätze ausgelöst. Er beschädigt Gemeinschaftseigentum und greift andere Miteigentümer an. Gegenüber der Verwaltung verpflichtet er sich schriftlich, für jeden weiteren Fall der Ruhestörung Euro 2000 zu zahlen. Nach einer Messerstecherei soll er für insgesamt 9 Verstöße 18.000,00 EUR zahlen. Wirksam?
Vertragsstrafe für Randalierer • Das Vertragsstrafeversprechen ist wirksam. Ziel ist, weitere Vorfälle zu verhindern. • Eine Reduzierung gemäß § 343 BGB wegen Unverhältnismäßigkeit kommt nicht in Betracht (Druckfunktion) • Eine Reduzierung wegen Minderung der Verantwortlichkeit (§ 827 BGB) scheidet aus.
Leistungspflichten durch Beschluss • Eine Gemeinschaft beschließt, einen Miteigen-tümer zum Rückbau der eigenmächtig errichteten Garagenbox „aufzufordern und zu verpflichten“. Kommt er der dafür zu setzenden Frist nicht nach, soll ein Anwalt mit der gerichtlichen wie außergerichtlichen Durchsetzung betraut werden. Wirksam?
Die Begründung einer eigenständigen Pflicht des Miteigentümer zum Rückbau führt zur Nichtigkeit des Beschlusses. Eine Leistungspflicht kann nicht gegen den Willen des Schuldners durch Mehrheits-beschluss der WG konstitutiv begründet werden. • BGHZ V ZR 72/09
Ist eine Angelegenheit weder durch Gesetz noch durch Vereinbarung dem Mehrheitsprinzip unterworfen, fehlt es an der Beschlusskompetenz. Der gleichwohl gefasste Mehrheitsbeschluss ist nichtig. • Der Miteigentümer konnte nur erfolgreich aufgefordert – aber nicht verpflichtet (!) - werden, die Garagenbox zu entfernen.
außerhalb der gemeinschaftlichen Kosten und Lasten können dem einzelnen keine Leistungspflichten ohne entsprechende Rechtsgrundlage auferlegt werden. • BGH ZMR 2010, 728 ff.
Darstellung der Instandhaltungsrücklage (aus anderer Perspektive) • Ein Miteigentümer ficht die gesamte Jahresabrechnung an. Neben der tatsächlich fehlerhaft dargestellten Instandhaltungsrücklage erweisen sich vier andere Argumente der Anfechtung als unbegründet. • Wie sind die Kosten des Verfahrens zu verteilen?
Jahresabrechnung muss nicht zwingend in voller Höhe angefochten werden. • Eine Beschränkung der Ungültigerklärung auf einzelne Positionen ist möglich, wenn es sich um rechnerisch selbstständige und abgrenzbare Teile der Abrechnung handelt.
Bei bloßer Ungültigerklärung der Darstellung der Sollzuführungen zur Rücklage treffen den Anfechtenden die gesamten Kosten der (im Übrigen) erfolglosen Anfechtung des Beschlusses über die Jahresabrechnung. • LG München I Urt. vom 29.04.2010 36 S 9595/09