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Expertengespräch vom 11.02.2010 mit Herr Zahlten: Leiter der Einrichtung am Friedensberg. Zusammengetragen von Martin Schwiegershausen und Christin Wittstock Im Seminar „Besonders schwierige“ Kinder und Jugendliche: Auffälligkeiten und Beeinträchtigungen im Blickfeld Heimerziehung ESS2
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Expertengespräch vom 11.02.2010 mit Herr Zahlten: Leiter der Einrichtung am Friedensberg Zusammengetragen von Martin Schwiegershausen und Christin Wittstock Im Seminar „Besonders schwierige“ Kinder und Jugendliche: Auffälligkeiten und Beeinträchtigungen im Blickfeld Heimerziehung ESS2 Seminarleiterin: Kristin Georgy, M.A.
Internetauftritt der Einrichtung • http://www.traegerwerk-thueringen.de/einrichtungen/einrichtungen-und-angebote-der-kinder-und-jugendhilfe/heime/kinder-und-jugendheim-jena.html
Betreiben Sie Öffentlichkeitsarbeit? • Ja wir verfolgen vielfältige Ziele, jedoch verzichten wir auf ein direktes Medium (Print, Radio etc.) • Wir organisieren Treffen, Feiern, Nachmittage etc. zusammen mit unseren Trägern um eine breite Bekanntheit zu erlangen • Wir haben eine lange Geschichte und sind in der Umgebung schon akzeptiert
Wie wird das Heim in die Lebensumgebung integriert, akzeptiert oder gemieden? • Durch unsere lange Tradition, sind wir schon fest integriert • Wir haben immer mal gute und schlechte Phasen gehabt aber im Allgemeinen ist die Stimmung sehr gut • Bestimmt auch, weil wir uns sehr auf die Elternarbeit konzentrieren und somit schon viele Personen für uns einnehmen, somit haben wir ein großes Netzwerk, was uns hilft
Wie ergeht es den Eltern bei der Heimerziehung der Kinder? • Es ist ja immer ein sehr schwerer und kritischer Prozess und führt unweigerlich zu sehr starken Konflikten • Manche fühlen sich schlecht und manche empfinden es als Erleichterung, jedoch ist die Gruppe sehr heterogen, weil es sehr viele unterschiedliche Gründe für eine Aufnahme des Kindes gibt • Durch unsere Elternarbeit federn wir viel der emotionalen Belastung bei den Eltern ab und können einen positiven Weg aufzeigen • Deshalb wollen wir auch so oft wie möglich die Eltern für den Hilfeplan gewinnen und ihn gemeinsam entwickeln • Die Ziele sollten somit von beiden Parteien entworfen werden
Wie stehen die Kinder selbst zu ihrer Aufnahme im Heim? • Wie ich schon erwähnte ist es immer ein gravierender und einschneidender Prozess aber mit der Arbeit der Eltern und einem Konkreten Plan zur Rückführung können wir ihnen viele Ängste nehmen • Hauptängste: • 1. „Ich komme hier nie wieder raus“ • 2. „Meine Familie zerbricht“ (besonders schwer, da oft eine Parentalisierung erfolgte und sie nun wissen, das sie fehlen werden)
Was für Mobbingerfahrungen haben Sie gemacht? • Mobbing ist zwar immer ein Thema aber bei uns nicht mehr als anderswo auch • Schule bietet dafür zwar Raum aber es ist noch in einem normalen Rahmen • Weder gegeneinander oder gegenüber Mitarbeitern ist es auffallend schlimm
Kennen Sie eine Rücklaufquote von betreuten Kindern? • Das ist sehr schwierig, da Kinder bei denen die Arbeit fehl schlägt häufig in andere Heime gelangen um dort in spezialisiertem Kontext Erfahrungen zu sammeln • Allgemein sind unsere Erfolge aber sehr gut, wir haben nahezu 100% Rückführungsquote, wenn wir diese zuvor anstrebten • Wenn die Eltern mit uns an einem Strang ziehen, so sind die Erfolge sehr gut, wenn nicht dann ist der Fehlschlag fast schon vorprogrammiert und das Kind hat oft die Last zu tragen
Wie gestalte sich der elterliche Kontakt? • Bei unseren 5 Tages Gruppen, erteilen wir Urlaubsscheine über das Wochenende und dort sehen sie die Eltern, Besuch ist aber immer möglich, wir sind kein geschlossenes Heim sondern gänzlich frei und offen • In der Elternwerkstatt arbeiten nur die Erwachsenen, außer in Ausnahmefällen. • Wir beziehen in der Arbeit mit den Eltern die Kinder so häufig wie möglich mit ein, um ein intaktes Familiegefüge zu begünstigen, immerhin ist unser Konzept an der Arbeit mit den Eltern ausgerichtet und somit ist der reale Bezug mit den Kindern unerlässlich
Was sind Gründe für eine Aufnahme und Tendenzen? • Es gibt wirklich keine Hauptgründe und jeder Fall ist individuell und somit auch die Hilfepläne und Ziele • Es ist eine Tendenz, dass sozial schlechter gestellte Familien mehr Kontakt mit dem Jugendamt ( als Konsequenz dann mit uns) haben als besser gestellte
Werden manche Kinder abgelehnt? • Ja durchaus: Gründe sind Sucht bzw. Drogenprobleme oder allzu starke Ausprägungen von deviantem Verhalten • Diese Kinder werden eher in einen psychiatrisch, therapeutischen Kontext verwiesen • Auch medikamentöse Behandlungsmethoden und die Therapien führen wir nicht aus
Wie sind die Erfahrungen der Kinder Rückwirkend? • Das ist unglaublich heterogen, wir haben sehr positive Kinder, die später auch bei uns gearbeitet haben und wir haben sehr negative Beispiele • Man kann leider kaum eine Aussage treffen, wie die Kinder es generell bei uns finden, es bleibt bei einer kritischen Phase im Lebenslauf, die selten bis niemals eine Hoch-Phase darstellen kann
Wie sind Bindungen im Heim? • Wir haben ein gutes Verhältnis zu den Kindern, verstehen uns aber nicht als Familienersatz, wir wollen die Eltern für uns gewinnen und sind für beide Parteien da um zu helfen
Wie wird ihr Heim finanziert? • Über Spenden (Sachspenden und Geld) • Über die Träger
Dauer des Aufenthaltes? • Unterschiedlich aber immer so kurz wie möglich und so lange wie nötig • Anhand der Zielsetzung zur Rückführung oder Verselbstständigung, wird ein klarer Punkt definiert • Nicht mehr als 6 Monate im Mittel
Wie flexibel ist das Finanzierungssystem, trotz Prospektion? • Sehr flexibel, wir veranschlagen eine Hilfe nach dem jeweiligen § und führen sie durch, sollte es nicht helfen oder die Falsche Maßnahme sein, so können wir diese jederzeit abbrechen und eine neue durchführen • Das Amt hier in Jena ist da sehr entgegenkommend (was nicht immer der Fall ist, oft stellt sich das Amt als Geldgeber auch quer)
Was gibt es für Regel und wie werden sie umgesetzt? • Wir hatten eine riesige Hausordnung, welche niemand kannte -> Neu geschrieben und auf kurze prägnante Punkte verkürzt • No Goes: Alkohol in der Einrichtung, Rauchen auf den Zimmern, Haustiere (wegen der Kleinstkinder) und Gewalt • Wenn die Regeln nicht eingehalten werden, so erlogt eine Abmahnung, danach ein persönliches Gespräch und danach der Verweis • Es ist mir ungemein wichtig, niemals zu strafen (Strafen sind komplett willkürlich), wir stellen die Jugendlichen vor ihre eigenen Konsequenzen (immer nachvollziehbar und sie können nur sich selbst die Schuld geben und es ist für sie auch sehr transparent, sie verstehen ihre Fehler so besser) • Durch die Konsequenzen und eine klare Struktur, haben wir wenig Kinder, bei denen es sehr starke Probleme gibt
Wie ist Ihre Mitarbeiterstruktur? • Wir haben ca. 15 Mitarbeiter mit unterschiedlicher Profession • Jede Person für jeden Bereich muss speziell geschult sein (Weiterbildungen, Schulungen etc.) erst dann können wir auch eine effektive Betreuung gewährleisten • Ehrenämter oder Praktikanten sind auch wichtig und helfen bei der Hausaufgabenbetreuung etc.
Wie sieht ein Tagesplan aus? • Alle Kinder stehen auf und frühstücken zusammen (diejenigen die später aufstehen könne frühstücken später alleine, so sie wollen) • Danach geht es in die Schule (alle besuchen externe Schulen), manche Kinder werden mit Schuttle hingebracht und abgeholt • Danach gibt es für alle Kaffeetrinken und Hausaufgabenhilfe bzw. Kontrolle • Am Abend erfolgt je nach Tagesplan der Woche ein Spiele-, Kino- oder Gesellschaftsabend oder es ist nichts, dann hat jedes Kind die Zeit für sich alleine • Gruppensitzung finden am Nachmittag statt, genauso wie Projekte mit den Eltern zusammen
Was wird alles so angeboten um zu erziehen? • Das ist sehr vielfältig: • Elternarbeit • Betreutes Wohnen • Einzelbetreuung • Familienhilfe • Telefonbetreuung • Stationäre Hilfen zur Erziehung • Männerwohngruppe in Isserstedt • (kein Anspruch auf Vollständigkeit)
In wie weit müssen Kinder am Angebot teilnehmen? • Es ist alles freiwillig, jedoch wurde es bei dem Erstgespräch und der Zielvereinbarung festgelegt und deshalb wird es von den Kindern auch sehr zuverlässig wahrgenommen, sofern alle (Mitarbeiter, Eltern, Kinder) an einem Strang ziehen
Wie wird mit der Polizei umgegangen? • Ganz normal wie auch außerhalb des Heimes, je nach Gesetzestext und Strafmündigkeit
Vor der Rückführung? • 2 Wochen vor der Rückführung in die Familie, führen wir ein Clearing durch. • Hierbei sind wir jeden Tag in der Familie und beseitigen alle Konfliktpunkte • Wir wollen vermeiden, das Eltern sagen: „Nehmt den bloß wieder zurück“
Wie sehen Sie die Zukunft der Heimarbeit? • So wir wie sie jetzt schon im Ansatz verfolgen: • Viel Elternarbeit • Sehr gute Transparenz • Klare Struktur und Konsequenz anstatt Strafen • Viel mehr Einmischung und Verantwortung in der Kindererziehung von Seiten der Schule und dem Kindergarten • Wir stehen nur als Endprodukt da, die Schule und der Kindergarten vermag aber schon sehr früh Defizite erkenne, falls das Personal gewillt und ausgebildet ist • Nicht immer die niedrigschwelligste Hilfe ansetzen, weil sie günstig ist, oft kann man Probleme schon mit einer sehr kurzen stationären Phase ausräumen (jedoch durch einen langen weg zu Station, über ambulante Maßnahem ist die Person schon so negativ vorgeprägt, das die Arbeit in der stationären Hilfe unnötig erschwert wird) • Ich bin also auch gegen das Verschieben von Kindern zwischen den Einrichtungen
Wie stehen Sie zur vermehrten Spezialisierung der Heime? • Ich bin dafür, da nur so die richtigen Methoden und Kontexte geschaffen sind um den Kinder kompetent zur Seite zu stehen • Dies kann zwar auch eine Loslösung vom derzeitigen Lebensmittelpunt sein, jedoch wird ihm schneller und effektiver geholfen