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100 Jahre Pensionskasse Stadt Zürich 1913–2013: Ruhestand statt Altersnot. Martin Illi und Ernst Welti: Ruhestand statt Altersnot
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100 Jahre Pensionskasse Stadt Zürich 1913–2013: Ruhestand statt Altersnot
Martin Illi und Ernst Welti: Ruhestand statt Altersnot 100 Jahre Pensionskasse Stadt Zürich Verlag Neue Zürcher Zeitung. 328 Seiten, ca. 170 Abbildungen. Erschienen im März 2013
Grundlagen der modernen Versicherung Im Kampf gegen Piraten und andere Risiken
Am Anfang stand das Glückspiel Die Geschichte der Versicherungsmathematik begann in den Spielhöllen des 17. Jahrhunderts, als Antoine Gombaud, genannt Chevalier de Méré, am Versuch scheiterte, den Zufall im Würfelspiel arithmetisch zu bändigen.
Die Wahrscheinlichkeitstheorie Dem grossen Denker des 17. Jahrhunderts, Blaise Pascal, gelang es schliesslich, den Zufall mit mathematischen Formeln zu berechnen. Damit legte er den Grundstein für die heute überall angewendete Wahrscheinlichkeitstheorie.
Die Anfänge der Statistik Mit der akribischen Erfassung von Sterbedaten der Stadt London durch den Tuchhändler John Graunt begann im 17. Jahrhundert auch das Zeitalter der Statistik – dem zweiten zentralen Element der Versicherungsmathematik.
1400–1913 Von Unterstützungsleistungen zur Rentenversicherung
Arbeiten bis zum Umfallen Auch im Stöckli will man nicht frieren. Betagte Bauern und ältere Forstarbeiter banden die «Wellen» oder «Bürdeli», die Jüngeren mussten die strengeren Waldarbeiten verrichten.
Ratsherren lebten länger Die durchschnittliche Lebenserwartung begüterter Menschen lag deutlich höher als diejenige der Armen. Aber auch sie mussten in Amt und Würden ausharren, um nachrückenden Familienmitgliedern den Wohlstand zu erhalten.
Repressive Armenpolitik Das Armengesetz von 1853 sah unter anderem den Fussblock als Zuchtmittel gegen «Arbeitsscheue» vor. Jeremias Gotthelf prangerte die Massenarmut im beginnenden Industriezeitalter mit markigen Worten an.
Armenhäusler und Verdingkinder Weil «Müssiggang» als aller Laster Anfang galt, herrschte in den Armenhäusern ein strenges Regime. Noch härter war das Los vieler Waisen und unerwünschter Kinder – sie wurden oft wie Vieh an den Meistbietenden versteigert.
Pensionsfonds für Polizisten Während städtische Arbeiter nur bei ärztlich bescheinigter Arbeitsunfähigkeit eine Rente er-hielten, hatten die Stadtpolizisten ab 1872 nach 30 Dienstjahren einen gesetzlichen Anspruch auf eine Pension.
Druck der Arbeiterschaft Obwohl schon in der Gemeindeverordnung von 1892 vorgesehen, brauchte es den Druck der sich organisierenden Arbeiterschaft und Angestellten, um das Anliegen einer städtischen Rentenver-sicherung auf das politische Tapet zu bringen.
Das Vorhaben gelingt Obwohl der Statutenentwurf von Ernst Amberg eine reine Männerversicherung vorsah und das Pensions- alter bei 75 Jahren liegen sollte, setzte sich bei der Volksabstimmung von 1913 eine fortschrittliche Rentenversicherung für alle städtischen Mitarbeiten- den und einem Pensionsalter von 65 Jahren durch.
1913–1945 Zwischen Hoffnung, Kriegen und Krisen
Als Arbeitslosenkasse missbraucht Weil Staatsangestellte als unkündbar galten, waren sie meist nicht gegen Arbeitslosigkeit versichert. Um den Staatshaushalt zu entlasten, wurden Ältere auf Kosten der Pensionskasse in eine Rente entlassen und durch Jüngere ersetzt, die mehr leisteten und weniger kosteten.
Die Kasse als Sanierungsfall Obwohl in der Bilanz von 1943 ein Deckungsgrad von 80% ausgewiesen war, betrug dieser tatsächlich nur noch erschreckend tiefe 55%. Der neue Kassenchef Padrot Nolfi deckte dies auf und entwickelte einen umfassenden Sanierungsplan.
Heftiger Widerstand Die einen lehnten die Opfer der Versicherten ab, die andern wollten als Steuerzahler nichts zur Sanierung der Kasse beitragen. Darum wurde von zwei Seiten das Referendum gegen die Vorlage ergriffen.
Rüssel weg vom Brot der Alten Die konservativen Gegner der Vorlage im «Bund der Subventionslosen» wählten den Elefanten als Erkennungszeichen, die Befürworter nahmen das Sujet auf und verballhornten es. Das Volk stimmte schlussendlich der Sanierungsvorlage äusserst knapp zu.
1945–1985 Mit dem Wirtschaftswunder zum Wohlfahrtsstaat
Korrekte Finanzierung Um ein weiteres finanzielles Desaster zu ver-hindern, stützte sich die Finanzierung der Kasse nach ihrer Sanierung auf korrekte Grundlagen ab. Ein wesentliches Mittel dazu bilden die seit 1950 regelmässig publizierten versicherungstechnischen Grundlagen VZ.
Stabilität und weiterer Ausbau Zwar begann das 50-Jahr-Jubiläum der Kasse 1963 mit der eisigen «Seegfrörni», ihre Finanzen hatten sich aber stabilisiert. So profitierten die Versicherten nicht nur vom allgemein steigenden Wohlstand sondern auch von einem kräftigen Leistungsausbau und tieferen Prämien.
Das Dreisäulenmodell Nachdem das Volk 1972 die PdA-Initiative für eine Volkspension abgelehnt und den Gegenvorschlags angenommen hatte, begann in der Schweiz das Zeitalter der umfassenden Altersvorsorge nach dem Dreisäulenmodell mit AHV, Pensionskasse und privatem Sparen.
Mit dem Schachspieler zum BVG Mit Dieter Keller wurde 1983 erstmals – nach drei Mathematikern – ein Jurist Kassenverwalter. Als ausgezeichneter Schachspieler bekannt, begleitete er die Pensionskasse auf ihrem Weg zur modernen Vorsorgeeinrichtung nach BVG.
1985–2012 Altervorsorge im Zeichen der Globalisierung
Rebellion mit Langzeitfolgen Die aus der 1968er-Rebellion entstandenen sozialen Bewegungen und gesellschaftlichen Veränderungen löste das bislang patriarchalisch geprägte Familien-bild auch bei der Pensionskasse schrittweise auf.
Die Eintrittsschranken fallen 1994 wurde die vertrauensärztliche Eintrittsprüfung ins «Paradies Pensionskasse» abgeschafft. Seither bestehen keine Eintrittsschranken mehr, hingegen wird die Vergabe von Invalidenrenten heute wesentlich restriktiver gehandhabt als früher.
Erste Schritte in die Unabhängigkeit An einem trüben Herbstabend 1990 wurde in der Kartause Ittingen beschlossen, die Verantwortung für die Vermögensanlagen von der städtischen Finanzverwaltung an die Kasse zu übertragen. Damit begann ihre Umwandlung von einer patronalen zu einer paritätisch geführten, selbstständigen Vorsorgeeinrichtung.
Reiche Kasse, arme Stadt Während der städtische Haushalt in den 1920er- und 1930er-Jahren auf dem Buckel einer damals armen Kasse saniert worden war, konnte die reiche Pensionskasse der 1990er-Jahre von sich aus einen wesent-lichen Beitrag zur Gesundung der maroden Stadtkasse leisten.
Gut gerüstet, aber kalt erwischt Die Zeit der laufende Leistungsverbesserungen und Beitragssenkungen fanden mit der Finanzmarktkrise 2008 ein jähes Ende. Umsichtige Entscheide des Stiftungsrats ermöglichten es, diese schwierige Zeit ohne Sanierungsmassnahmen zu überstehen
Die Erfindung des Ruhestands
Der letzte Arbeitstag – ein Ritual Nicht allen Menschen fällt der Übertritt ins Rentenalter leicht. Ähnlich wie bei anderen ein-schneidenden Lebensereignissen, wird der letzte Arbeitstag darum mit Umtrunk, Reden und Geschenken rituell gefeiert.
Politik, Vorträge und Ausflüge Um die freie Zeit sinnvoll zu nutzen, organisierten sich die Rentner bereits ab 1922 in Veteranen-bünden. Das Engagement für gewerkschaftliche Anliegen gehörte ebenso zu ihren Aktivitäten wie Vorträge, Betriebsbesichtigungen und eine immer regere Ausflugs- und Reisetätigkeit.
Die gewonnenen Jahre Menschen werden heute nicht nur älter, sie bleiben oft auch länger fit. Während viele die «geschenk-ten» Jahre einfach geniessen, arbeiten einige über das Pensionierungsalter hinaus weiter, engagieren sich in der Freiwilligenarbeit oder betreuen Verwandte und den Nachwuchs ihrer Kinder.
Solidarität der Generationen Die Geschichte der Pensionskassen reflektiert auch den Umgang und die Beziehungen zwischen den Generationen. Wie schon bei der Gründung der Pensionskassen hängt die Zukunft des sorgenlosen Ruhestands vom politischen Willen und dem wirtschaftlichen Umfeld ab.
Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 100 Jahre Pensionskasse Stadt Zürich 1913–2013