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7 Die Exekutive 1: Präsident und Kanzler. Bundespräsident. Der Bundespräsident verfügt im außenpolitischen Prozess vornehmlich über repräsentative Funktionen, seine Rolle als Entscheidungsinstitution ist schwach.
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7 Die Exekutive 1: Präsident und Kanzler Bundespräsident • Der Bundespräsident verfügt im außenpolitischen Prozess vornehmlich über repräsentative Funktionen, seine Rolle als Entscheidungsinstitution ist schwach. Er vertritt nach Artikel 59 des Grundgesetzes die Bundesrepublik nach außen, vornehmlich bei Staatsvisiten. Alle bisherigen Präsidenten haben auf die eine oder andere Weise versucht, der Außenpolitik ihren spezifischen Stempel aufzudrücken. Über die repräsentative Funktion hinaus hat der Präsident mit dem Unterzeichnungsrecht bei Verträgen auch prozeduralen Einfluss. Am weitesten kann der Präsident mit der Unterschriftenverweigerung gehen. Das ändert aber nichts an der schwachen Position des Präsidenten in der realen Außenpolitik.
Der bis 1994 amtierende Präsident Richard von Weizsäcker war mit symbolischer Politik gegenüber dem Bundeskanzler häufig weiter gegangen als seine Vorgänger und Nachfolger. Er hatte sich bewusst als moralische Gegenautorität zur Interessenpolitik des Bundeskanzlers aufgebaut. Der Kanzler sollte damit seinerseits zu entsprechenden symbolischen Akten angeregt werden. Der Handlungs-spielraum der Rollenwahrnehmung im Amt des Präsidenten wurde dadurch unterstrichen. Das kann freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Präsident in der Praxis der deutschen Außenpolitik so gut wie keine alltagsbestimmende Rolle spielen kann. Weizsäckers Nachfolger, Roman Herzog, hielt am Stil des Präsidenten als moralische Instanz fest, spielte diese aber nicht mehr in Konkurrenz zum Kanzler Kohl oder gar etwa gegen diesen aus. Auch Johannes Rau machte seinem Kanzler Schröder keinen Ärger, Horst Köhler der Kanzlerin Merkel auch nicht.
Dokument 9 Aus der Ansprache des Bundespräsidenten, Roman Herzog, anlässlich des 50. Jahrestages des Warschauer Aufstandes am 1. August 1994 in Warschau ... Kein Land hatte im Zweiten Weltkrieg vergleichbar hohe Opfer zu beklagen wie Polen. Millionen seiner Bürger kamen uns Leben, in den Schützengräben, im Bombenhagel, in den Gaskammern und hier in den Straßen Warschaus. Wir beziehen sie alle in unser Gedenken ein und nehmen ihren Tod als Mahnung und Verpflichtung für die Zukunft zugleich. Diese Zukunft gilt es nunmehr gemeinsam und verantwortlich zu gestalten. Im Laufe der letzten 40 Jahre hat die europäische Geschichte eine dramatische Wendung genommen. Die Völker haben begonnen, sich in einem vereinten Europa zusammenzuschließen. Niemand braucht auf seine nationale Identität zu verzichten, niemand auf seine Kultur und seine Geschichte. Verzichten müssen wir nur auf Feindschaft und Hass und auf einen kleinen Teil unseres nationalen Egoismus. Westlich des Eisernen Vorhangs hat diese neue Idee Wunder gewirkt.
Heute steht dieser Weg auch dem polnischen Volk offen, das doch stets zu Europa gehört hat und das die Europäer 40 Jahre lang schmerzlich vermisst haben. In diesem Rahmen werden sich Polen und Deutsche die Hand reichen können, so wie es zwischen Franzosen und Deutschen längst Wirklichkeit geworden ist. Deutschland jedenfalls wird die Bemühungen Polens um Aufnahme in die Europäische Union und die NATO allezeit unterstützen, nachdrücklich und aus den besten Motiven. Wir können nichts Besseres für unsere Kinder und Enkel tun. Heute aber verneige ich mich vor den Kämpfern des Warschauer Aufstandes wie vor allen polnischen Opfern des Krieges: Ich bitte um Vergebung für das, was ihnen von Deutschen angetan worden ist. Quelle: Auswärtiges Amt (Hg.), Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Dokumente von 1949 bis 1994, Köln 1995, S. 1080 f., Dok. 339
Bundeskanzler • Der Bundeskanzler als Regierungsspitze besitzt in der politischen Praxis der Bundesrepublik im auswärtigen Bereich die dominante Rolle. Er besitzt nach Artikel 65 des Grundgesetzes die Richtlinienkompetenz. Gegenüber anderen Verfassungsorganen hat er zumindest einen erheblichen Informationsvorsprung. Die Bundeskanzler haben allerdings den Spielraum des Amtes unterschiedlich genutzt.
Konrad Adenauer, der erste Bundeskanzler, hat die Richtlinienkompetenz zweifellos am weitesten ausgenutzt. Zu Recht hat Arnulf Baring seiner Studie über die Adenauer-Phase den Titel Außenpolitik in Adenauers Kanzlerdemokratie gegeben und die Ursache in der Monopolisierung aller außenpolitischen Aktivitäten beim Kanzler selbst gesehen. Adenauer nahm zwischen 1949 und 1951 alle auswärtigen Angelegenheiten als Bundeskanzler wahr, bis 1955 übte er das Amt des Außenministers in Personalunion mit aus. Selbst sein eigenes Kabinett zog Adenauer nur äußerst sparsam und gezielt in die politischen Entscheidungen mit ein. Er schöpfte sein Quasi-Informationsmonopol voll aus.
Unter seinem Nachfolger Ludwig Erhard wurde der Spielraum für die Minister größer. Bundeskanzler Kiesinger hatte, bedingt durch die Große Koalition, ein überdimensioniertes Kabinett, was dazu führte, dass die zentralen Entscheidungen in einem kleineren Kreis fielen. Willy Brandt führte sein Kabinett zwar kollegial, konzentrierte die außenpolitischen Kompetenzen aber doch stark auf das Kanzleramt. Helmut Schmidt hielt sein Kabinett an der kurzen Leine. Helmut Kohl räumte seinen Ministern auch wenig Spielraum zur Eigenprofilierung ein. Das galt auch für Gerhard Schröder, der sich das „Macherprofil“ selbst vorbehielt. Sein Außenminister Fischer ließ sich sein Eigenprofil allerdings nicht nehmen. Kanzlerin Angela Merkel versuchte die zweite Große Koalition über die Hinterzimmer zu steuern.
Die wichtigste Veränderung erlebte das Bundeskanzleramt 1951, als mit der Gründung des Auswärtigen Amtes die auswärtigen Beziehungen ausgelagert wurden. Wichtige Stützen des Kanzleramtes sind das Bundespresseamt und der Bundesnachrichtendienst (BND). Letzterer ist nach 1949 etappenweise aus der „Organisation Gehlen“ hervorgegangen. Zwei besondere Institutionen des Bundeskanzleramtes haben seine Rolle lange aufgewertet. Seit 1953 gab es einen „Bevollmächtigten der Bundesregierung in Berlin“ im Rang eines Staatssekretärs. Damit wurde der besonderen Lage Berlins, dem Vier-Mächte-Status, Rechnung getragen. Die zweite besondere Institution in der alten Bundesrepublik war die „Ständige Vertretung der BRD bei der Regierung der DDR“. Da die DDR für die Bundesrepublik kein Ausland war, erfolgte auf der Basis des Grundlagenvertrags kein Botschafteraustausch, sondern eine Vertretung bei den jeweiligen Regierungschefs.
So, wie das Auswärtige Amt aus einer „Dienststelle für auswärtige Angelegenheiten“ des Kanzleramtes hervorge-gangen war, so war das „Amt Blank“ der Vorläufer des späteren Verteidigungsministeriums. Die Sonderrolle der frühen Kanzlerschaft Adenauers tritt dadurch deutlich zutage. Dieses Unikum der unmittelbaren Nachkriegsphase, der Herausbildung der bundesrepublikanischen Institutionen, war eine Phase, in der die gesellschaftlichen Anforderungen eine sehr geringe Rolle spielten. Systemtheoretisch gesehen waren die Interessengruppen vorübergehend nahezu funktional ausgeschaltet. Das führte bei Adenauer zu der bekannten Selbstherrlichkeit, die ihm in seiner späten Phase große Probleme bereitete, weil er sich stur weigerte, eine Anpassung an den Regelfall vorzunehmen.
Die praktische Entscheidungsarbeit erfolgt vielfach in Kabinettsausschüssen. Hier werden Entscheidungen zumindest vorbereitet, nur manche sind echte Ministerausschüsse. Nominell sitzt ihnen der Bundeskanzler vor, in der Realität konzentriert er sich aber in der Regel auf die wichtigsten, wie etwa das sogenannte Bundessicherheitskabinett, das Finanz- und das Wirtschaftskabinett. Interministerielle Ausschüsse haben besonders bei Wirtschafts- und Finanzfragen wachsende praktische Bedeutung erlangt.
Kein Kanzler nach Adenauer konnte wieder das Macht- und Einflussniveau der Kanzlerdemokratie erreichen. Ludwig Erhard, Kurt Georg Kiesinger und Willy Brandt waren vergleichsweise schwache Kanzler. Helmut Schmidt und besonders Helmut Kohl hingegen konnten wieder mehr dominieren. Kohl hatte das Glück, als Vereinigungskanzler in die Geschichte einzugehen, was sein Prestige trotz aller Probleme mit dem Aufbau Ost anwachsen ließ. Schröder neigte zwar zum gelegentlichen „Basta“, konnte aber in der Praxis nur eine Rolle als „Obermoderator“ spielen. Angela Merkel punkte bewusst in der Außenpolitik, weil das „Reformpferd“ Große Koalition in der Innenpolitik oft scheute.
Schröder agierte gern als außenpolitischer Türöffner für die Wirtschaft Bei seiner Chinareise im Dezember 2003 nahm er z. B. 38 Wirtschaftsvertreter mit. Er setzte sich offen für deren Geschäfte in China und auch in Russland ein. Zwar ist die Europa-Abteilung des AA achtmal so groß wie die im Kanzleramt, dennoch landeten die heiklen Fragen bei den 13 Spezialisten im Kanzleramt, die überwiegend Ökonomen waren. 2004 waren die Finanzplanung in der EU und die industriepolitische Zusammenarbeit mit Frankreich Schwerpunkte. FAZ Sonntagszeitung 16.5.2004, S. 4
Angela Merkel suchte die außenpolitische Profilierung, weil die Innenpolitik ihr wenig Spielraum bot • Aktionsfelder waren die Reparatur des Verhältnisses zu den USA • die Probleme der EU nach der Osterweiterung und das verunglückte Verfassungsprojekt während des turnusmäßigen deutschen Ratsvorsitzes 2007 • der G8 Gipfel in Heiligendamm und ihre Profilierung als Klimapolitikerin im Sommer 2007 • Im November 2007 besuchte die Kanzlerin den US Präsidenten G. W. Bush auf seiner Ranch in Crawford Texas und sagte ihm zum Ärger der deutschen Wirtschaft ihre Unterstützung für Wirtschaftssanktionen gegenüber dem Iran zu. • In den deutschen Medien wurde Sie als „Außenkanzlerin“ bezeichnet und gespöttelt, dass Sie zu „Blitzbesuchen“ gelegentlich in Deutschland weile.